Hamburger Stadtteil-Archive müssen schließen

Schlecht scheint die Arbeit der Geschichtswerkstätten nicht zu sein. Im November 1997 jedenfalls besuchte eine kleine CDU-Delegation das Stadtteilarchiv Hamm und dessen neues Bunkermuseum, erinnert das Hamburger Abendblatt. Der damalige Oppositionschef war angetan von der Arbeit der Stadtteilhistoriker. Vergessen hat Ole von Beust, seit 2001 Erster Bürgermeister, diesen guten Eindruck offenbar nicht: Das Stadtteilarchiv Hamm wurde beauftragt, mit rund 100 Fotos aus seinem reichen Bestand die große Ausstellung im Rathaus zu gestalten, die an den 60. Jahrestag des „Feuersturms“ der Bombennacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 erinnern soll. – Solche Wertschätzung hat jetzt wenig genützt, als die Kulturbehörde sparen musste.

Die 14 Stadtteil-Archive der Hansestadt Hamburg müssen schließen. Der Senat hat beschlossen, im Zuge der Haushaltskonsolidierung ab 2004 keine Zuschüsse mehr zu zahlen. Die Abschaffung der Geschichtswerkstätten stößt bei der Opposition auf scharfe Kritik: Der SPD-Kulturexperte Holger Christier bezeichnete die Entscheidung, einem Artikel der WELT vom 26. Juni zufolge, als einen „Anschlag auf das Gedächtnis der Stadt“. Die Geschichtswerkstätten seien unverzichtbar, um die Erinnerung an die Vergangenheit lebendig zu halten. Auch GAL-Experte Willfried Maier sprach von einer Fehlentscheidung: „Ehrenamtliche und professionelle Strukturen werden zerstört – für eine Ersparnis von nur 500.000 Euro.“ Die Stadtteilarchive weckten mit wenig Mitteln das Interesse der Menschen an der Geschichte (vgl. weitere Pressestimmen).

Der Landesverband Soziokultur kritisiert die Senatsentscheidung scharf: Geschichtswerkstätten seien ein unverzichtbarer Bestandteil der Hamburger Kulturlandschaft. Mit geringer öffentlicher Förderung gelinge es ihnen seit über 20 Jahren, unter großer ehrenamtlicher Beteiligung von Zeitzeugen und Fachleuten, eine wichtige Geschichtsarbeit in Kooperation mit Schulen, Kulturzentren und Künstlern zu leisten. Gerade in Stadtteilen, die einem großen Wandel unterworfen sind, seien es die Stadtteilarchive und Geschichtswerkstätten, die »Spuren sichern«, Stadtteilgeschichte bewahren und so die »Oral History«, die erzählte Geschichte, lebendig halten. Vor allem auch für Schulen böten Geschichtswerkstätten anschauliches, vielfältiges Unterrichts-Material, das in Projektzusammenhängen die Stadtteilidentität des gesamten Quartiers befördert.

Zudem stößt der Hamburger Senat den unzähligen engagierten Ehrenamtlichen, die seit Jahren in den Geschichtswerkstätten unbezahlt tätig sind, vor den Kopf, Zitat einer Ehrenamtlichen: »Der Hinweis, wir könnten die Streichung hier durch eine »noch stärkere ehrenamtliche Aufgabenwahrnehmung« ausgleichen ist ein Frechheit! Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wie viel ich wo unbezahlt arbeite ­ und das auch noch von Politiker/innen, die über Einkünfte verfügen, von denen die meisten Hamburger/innen nur träumen!

Vielfältige Kooperationen und ­ u. a. internationale ­ Vernetzungsprojekte verdeutlichen, dass Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchive ihre Bedeutung und Verantwortung auch über ihre Bereichsgrenzen hinaus wahrnehmen. Die Einstellung der institutionellen Förderung dieses Bereichs gleicht einer Bankrott-Erklärung der Hansestadt Hamburg: Wenn sie es sich nicht mehr leisten kann, ihre Geschichte lebendig zu erhalten, dann hat sie auch keine Zukunft mehr!


Pressemitteilung der Hamburger Geschichtswerkstätten

Der schlimmste Fall für die 14 Hamburger Stadtteilarchive und Geschichtswerkstätten ist eingetreten: Die komplette Streichung des seit 1994 auf 500.000,- Euro festgelegten Etats. Dieser Beschluss wurde nicht aus finanzieller Not gefasst, denn der Gesamtkulturetat wurde nicht gekürzt, er wurde sogar erhöht. Ein einzigartiger scheinbar willkürlicher Akt, denn keine andere Kultureinrichtung ist so massiv ins Fadenkreuz der Kultursenatorin geraten, dass sie restlos liquidiert werden soll.

12 bezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden ihren Broterwerb verlieren, über 200 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird die Grundlage ihres Engagements entzogen. Denkmalgeschützte Gebäude, Ausstellungsräume, Läden und Stadtteilmuseen werden schließen müssen. Unschätzbare Sammlungen, das soziale Gedächtnis der Stadt steht vor der Vernichtung. Über die Folgekosten aller dieser Maßnahmen besteht noch keine Klarheit, besonders nicht bei der zuständigen Senatorin.

Gegen diesen Beschluss werden wir angehen!  
Helfen Sie uns! Schreiben Sie der Kultursenatorin und fordern Sie Frau Horáková auf, diesen Beschluss rückgängig zu machen!
Mail an: Dana.Horakova@kb.hamburg.de


Hier: Stimmen zu den bevorstehenden Schließungen

Vgl. für weitere Infos auch den Beitrag von PD Dr. Rainer Hering zu den Archiven in Hamburg.

Links: unter http://www.hamburg.de kann man nach den einzelnen Geschichtswerkstätten suchen.

Geschichtswerkstätten etc. in Hamburg:

Geschichtswerkstatt St. Georg e.V.
Koppel 32
20099 Hamburg
Tel. 040 / 280 37 31
Kontakt: Michael Joho
http://www.stadtteil.net/geschichtswerkstatt/

Geschichtswerkstatt Eimsbüttel
Sillemstraße 79
20257 Hamburg
Telefon/Fax: 040-4 90 46 22
eMail: gweims@t-online.de
http://www.stadtteil.net/morgenland/index.html

Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg
HONIGFABRIK
Industriestr. 125-131
21107 Hamburg
Tel. 75 88 74
Fax. 307 83 05

Geschichtswerkstatt Horn
Bei der Martinskirche 2
22111 Hamburg
Tel: (040) 659 01 444
www.geschichtswerkstatt-horn.de 
geschichtswerkstatt.horn@hamburg.de

Stadtteilarchiv Ottensen
Zeißstraße 28
22765 Hamburg
Tel. 040/ 390 36 66
Fax. 040/ 39 61 74
e-mail: Stadtteilarchiv.Ottensen@t-online.de
http://www.stadtteilarchiv-ottensen.de/

Stadtteilarchiv Hamm
Carl-Petersen-Str. 76
20535 Hamburg
Tel: (040) 25 13 92 7
Fax: (040) 25 18 94 1
www.hh-hamm.de 
E-Mail: stadtteilarchiv@hh-hamm.de
siehe auch: BUNKERMUSEUM, Wichernsweg 16
(auf dem Grundstück der Wichernkirche)
http://www.hh-hamm.de/BUNKER.HTM

Stadtteilarchiv Bramfeld
Bramfelder Chaussee 25
22177 Hamburg
Tel: 040 / 691 51 21
Vorsitz: Greta Rambatz 
www.stadtteilarchiv-bramfeld.de 
stadtteilarchiv-bramfeld@t-online.de

Geschichtsgruppe Dulsberg e.V.
c/o Bücherhalle Dulsberg, Eulenkamp 41
22049 Hamburg
Tel: 040/68 08 82
Fax: 040/68 69 01
Vorsitz: Hans-Jürgen Ruthenberg 
http://homepage.hamburg.de/geschichtsgruppedulsberg 
geschichtsgruppe-dulsberg@hamburg.de

Kulturhaus Eppendorf (incl. Stadtteilarchiv)
Martinistr. 40
20251 Hamburg
Tel: (040) 48 15 48
Fax: (040) 46 31 06
www.kulturhaus-eppendorf.de 
kulturhaus.eppd@t-online.de

stadtteilDokumentation Winterhude im goldbekHaus
Moorfuhrtweg 9
22301 Hamburg
Tel: 040/27870216
Fax: 040/27870220
http://homepage.hamburg.de/stadtteildoku 
stadtteildoku.goldbekhaus@hamburg.de

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.