Archivvielfalt durch knappe Kassen bedroht

Die deutschen Archivare befürchten eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen infolge immer knapperer öffentlicher Mittel. In einigen Bundesländern wie Thüringen und Baden-Württemberg werde bereits über neue Strukturen der Archivlandschaft diskutiert, sagte der Vorsitzende des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA), Volker Wahl, am Dienstag in Chemnitz. Die Verwaltungen wollten beispielsweise durch Zusammenlegung von dezentralen staatlichen Archiven Kosten sparen. Im bayerischen Schongau sei auch die Schließung eines Kommunalarchivs beabsichtigt gewesen.

Der von Dienstag bis Freitag in Chemnitz stattfindende 74. Deutsche Archivtag als der bedeutendste Kongress dieser Art in Europa wende sich ganz entschieden gegen solche Tendenzen. «Wir führen kein Nischendasein zwischen alten Schriften», sagte Wahl. Die Aufgaben als Hüter historischer Überlieferung und zur wissenschaftlichen Aufarbeitung sowie als Dienstleister seien gesetzlich fixiert. Dies verlange qualifiziertes Personal, das nicht endlos reduziert werden könne. Archive seien nicht mit Bibliotheken, Museen und anderen Kultureinrichtungen gleichzusetzen, deren Betrieb eine freiwillige kommunale Aufgabe sei, unterstrich der VdA-Vorsitzende.

Die Chemnitzer Stadtarchivarin Gabriele Viertel betonte, gerade die Kommunalarchive in den neuen Bundesländern leisteten wichtige Hilfe bei der Klärung von Alltagsfragen der Bürger. So bearbeite ihre Einrichtung pro Woche bis zu 20 Anfragen zum früheren Schulbesuch, der in den Rentenantragsunterlagen nachgewiesen werden müsse. Auch Duplikate von DDR-Facharbeiterzeugnissen, Nachweise der Beschäftigung von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg und Immobilienunterlagen im Zusammenhang mit der Regelung offener Vermögensfragen würden oft nachgefragt.

Am Deutschen Archivtag unter dem Thema «Archive im gesellschaftlichen Reformprozess» nehmen rund 800 Fachvertreter aus dem In- und Ausland teil. Die Tagung wird begleitet von der Fachmesse Archivistica, auf der Technik und Techniken zu Erhalt, Lagerung und Erfassung von Archivgut vorgestellt werden.

Quelle: Freie Presse online, 30.9.2003

Online-Datenbank zu „Euthanasie“-Verbrechen

Das dunkelste Kapitel der deutschen Medizingeschichte kann jetzt mit Hilfe einer umfassenden Datenbank weiter aufgeklärt werden. Das Bundesarchiv in Berlin stellt jetzt die Daten der „Euthanasie“-Verbechen im „Dritten Reich“ online zur Verfügung.

Das Bundesarchiv in Berlin erhob in einem dreijährigen Projekt mit Unterstützung der Bundesärztekammer und der Deutschen Forschungsgemeinschaft Informationen aus 296 Archiven.

Bei der Vorstellung des Quellenverzeichnisses aus Deutschland, Österreich, Polen und Tschechien bekannte sich die deutsche Ärzteschaft am Dienstag in Berlin erneut zur Mitverantwortung an den so genannten Euthanasie-Verbrechen im „Dritten Reich“.  
   
Von 1939 bis 1945 wurden etwa 200.000 Frauen, Männer und Kinder, die als psychisch Kranke oder Behinderte in Krankenanstalten und Heimen lebten, ermordet.

Die ausgewerteten Archive umfassen insgesamt 740 Bestände, davon 614 in Deutschland, 85 in Polen, 31 in Österreich und 10 in Tschechien.

Das Bundesarchiv verwahrt auch 30.000 Patientenakten, die vom DDR- Staatssicherheitsministerium beschlagnahmt wurden. Die Datenbank steht auf der Homepage des Bundesarchivs allen Interessierten zur Verfügung. 

Quelle: ORF, 30.9.2003

Wiesbadener Archive

Archive entstehen primär überall dort, wo eine öffentliche Verwaltung tätig ist, denn das dort produzierte Schriftgut muss – zunächst aus rechtlichen Gründen – gesichert werden. Verschiedene Gesetze legen fest, dass Akten und andere Dokumente nicht einfach in den Papierzerkleinerer oder -container entsorgt werden dürfen, sondern dem zuständigen Archiv zur Übernahme angeboten werden müssen. Zu diesem Zweck gibt es die Archive des Bundes und der Länder und die kommunalen Archive, die Kreisarchive und Stadtarchive.

Darüber hinaus gibt es noch andere Archivsparten, die nichts mit der öffentlichen Verwaltung zu tun haben: Allen voran die kirchlichen Archive: Bistums-, Diözesan- und Domarchive, Stifts- und Klosterarchive sowie die Zentral- und Landesarchive der Evangelischen Kirche; dann die Herrschafts-, Haus- und Familienarchive des Adels; Archive der Wirtschaft, Parlamentsarchive und Archive politischer Parteien und Verbände; Medienarchive, Presse- und Bildarchive; Universitäts- und Hochschularchive und Archive sonstiger Institutionen wie das des Deutschen Film-Instituts in Wiesbaden.

Organisches Wachstum

Im Gegensatz zu verwandten Institutionen wie etwa den Bibliotheken „sammeln“ Archive nicht, das Schriftgut „wächst ihnen zu“: durch die ihren schriftlichen Niederschlag findende Tätigkeit der Verwaltung, der Partei, des Unternehmens, der Institution. Allerdings wird dieses organische Wachstum häufig auch unterbrochen: Kriegseinwirkungen, mutwillige Vernichtungsaktionen oder auch mangelnde Aufmerksamkeit und Professionalität führen oft zu großen Überlieferungslücken. Zum Archivgut gehören nicht nur Akten und Schriftstücke, sondern auch Karten, Pläne, Plakate, Karteien, Siegel, Stempel, Bild- und Tonaufzeichnungen. Das Schriftgut wird in der Regel in der gleichen Ordnung ins Archiv übernommen, in der es angelegt wurde, denn damit können die Vorgänge, die zu dessen Entstehung beigetragen haben, am besten nachvollzogen werden. So werden auch die geschichtlichen Vorgänge selbst bewahrt.

Klare Bestimmungen

Heute unterliegen die öffentlichen Archive gesetzlichen Bestimmungen. Das „Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz)“ trat am 6. Januar 1988 in Kraft. Es betrifft das Bundesarchiv und legt in Paragraph 1 fest, dass das „Archivgut des Bundes durch das Bundesarchiv auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten ist“. In das Bundesarchiv mit seinen Abteilungen in Koblenz, Berlin und anderswo gelangen alle Unterlagen der Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte des Bundes, die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und die sonstigen Stellen des Bundes. Nur das Auswärtige Amt besitzt ein eigenes Archiv, das den diplomatischen Schriftverkehr und ähnliches sichert. Außerdem werden die Unterlagen der Staatssicherheitsorgane der ehemaligen DDR in der „Gauck-Behörde“ gesondert aufbewahrt.

Deutschland hat als ein Bundesstaat eine föderalistische Archivverwaltungsstruktur. So sind neben dem Bundesarchiv in den einzelnen Bundesländern Landesarchive für das Archivgut des jeweiligen Landes zuständig. In Hessen trat das Gesetz für ein hessisches Archivgesetz am 18. Oktober 1989 in Kraft. Darin wird der Umgang mit dem öffentlichen Archivgut im Lande Hessen geregelt. „Es soll das öffentliche Archivgut gegen Vernichtung und Zersplitterung schützen und seine öffentliche Nutzung gewährleisten.“

„Häuser der Geschichte“

Hessen hat drei Landesarchive, „Häuser der Geschichte“ heißen sie im Gesetzestext: das Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden und zwei Staatsarchive in Marburg und Darmstadt. Diese drei nehmen die Akten der Obersten und Oberen Landesbehörden auf: Regierung, Ministerpräsent, Oberlandesgerichte. Dabei orientieren sie sich in ihrem Einzugsbereich noch immer an den alten Territorien: In Darmstadt wird die Überlieferung des ehemaligen Großherzogtums Hessen-Darmstadt aufbewahrt, Marburg ist für den landgräflichen Bereich zuständig, im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden befindet sich die Hausüberlieferung des Herzogtums Nassau und der entsprechende Teil der preußischen Provinz. Die Kreis- und Stadtarchive sind für die Unterlagen der entsprechenden Verwaltungen da. Rund 69 Prozent aller hessischen Kommunen verfügen über ein – häufig allerdings eher spartanisch ausgestattetes – Archiv. Natürlich wird nicht jeder in einer Verwaltung produzierte Papierschnipsel ins Archiv übernommen. „Archivwürdig“ sind laut Archivgesetz die Unterlagen, „die auf Grund ihrer politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedeutung für die Erforschung und das Verständnis von Geschichte und Gegenwart von bleibendem Wert sind oder die zur Rechtswahrung sowie auf Grund von Rechtsvorschriften dauernd aufzubewahren sind“.

Die Kirchen haben generell ein sehr gut organisiertes Archivwesen. Das Landeskirchliche Archiv der Evangelischen Kirche in Kassel hat vor wenigen Jahren einen Archivneubau bekommen, ebenso das der Evangelischen Landeskirche Hessen-Nassau in Darmstadt. Die Archive der Katholischen Kirche befinden sich in den Bistümern Limburg und Fulda. Hessen besitzt auch ein eigenes Wirtschaftsarchiv in Darmstadt, das sich um die Sicherung und Übernahme von Unterlagen der hessischen Wirtschaft bemüht.

Viele dieser Archive öffnen ihre Pforten für jeden Interessierten und öffentliches Archivgut kann jede Person nutzen, die „ein berechtigtes Interesse“ glaubhaft machen kann. Für das Archivgut gelten in der Regel Sperrfristen von 30 Jahren. Personenbezogenes Schriftgut darf erst zehn Jahre nach dem Tod der betroffenen Person benutzt werden, bei Personen des öffentlichen Lebens gelten jedoch meist andere Fristen.

„Preußische Akten“

Moderne Archivare schwärmen geradezu von den „Preußischen Akten“, denn bei den Preußen war genau definiert, was in eine Akte kommt und was nicht. Und der zuständige Registrator prüfte mit strengem Auge, ob alles seine Richtigkeit hatte mit den einzelnen Vorgängen, bevor diese zu einer „Preußischen Akte“ zusammengenäht wurden. Heute gibt es kaum mehr feste Regeln über den Inhalt von Akten, und auch andere, für den Archivar wichtige Hilfsmittel wie etwa Aktenpläne sind, zumindest in den Kommunen, weitgehend abgeschafft worden. Moderne Akten sind nicht mehr so aussagekräftig wie in der Vergangenheit, sie sind häufig voller fotokopierter Texte, die auch an zahlreichen anderen Stellen überliefert sind; Briefe und schriftliche Unterlagen, die Entscheidungsprozesse nachvollziehbar machen, nehmen dagegen immer mehr ab. Ein großes Problem sind die E-Mails, die häufig nicht in die zuständige Akte eingeheftet werden. Die zunehmende Digitalisierung von Schriftstücken oder sogar ganzer Akten ist eine andere Zukunftsherausforderung, der sich die Archive heute stellen müssen.

Aufwändige Ausbildung

Die Ausbildung zum Archivar ist aufwändig. Frankreich war Pionier: Es bildete als erstes Land seine Archivare zentral an der 1821 gegründeten École des Chartes aus. Dann folgte Österreich 1854 mit dem Institut für österreichische Geschichtsforschung und erst 1930 wurde in Berlin ein eigenes Institut für Archivwissenschaft errichtet. Heute ist in Deutschland in der Regel die Promotion in Geschichte Voraussetzung für die Ausbildung zum Höheren Archivdienst. Daran schließen sich zwei Jahre an der Archivschule in Marburg an, zu der alle Bundesländer außer Bayern, das eine eigene Ausbildungsstätte betreibt, ihre Archivare schicken. Der Kandidat, der nicht von einem Bundesland nach Marburg geschickt wird, kann neuerdings immerhin extern die Ausbildung absolvieren, die er dann allerdings auch selbst bezahlten muss. Diese Marburger Lehrzeit schließt ein halbjähriges Praktikum ein.

Viel Verantwortung

Nach der Ausbildung wartet eine verantwortungsvolle Tätigkeit, denn es obliegt der einzelnen Archivarin oder dem einzelnen Archivar zu entscheiden, was im Archiv überdauern oder was im Papierzerkleinerer oder im Papiermüllcontainer entsorgt wird – immer vorausgesetzt, dass das Zusammenspiel zwischen Archiv und Verwaltung klappt!

Sofern das der Fall ist, werden sämtliche Unterlagen der verschiedenen Behörden von den Archivaren auf ihre Archivwürdigkeit hin geprüft. Diese Prüfung wird meist anhand des Aktentitels vollzogen, nicht in jedem Fall muss die Akte selbst in die Hand genommen werden. Im Prinzip ist trotzdem der Archivar derjenige, der entscheidet, was von politischem, administrativem, juristischem oder historischem Wert ist. Nur was die Prüfung auf Archivwürdigkeit bestanden hat, wird im Archiv so aufbereitet und gegebenenfalls „konserviert“, dass es die nächsten Jahrhunderte überstehen und damit zur Bildung von Geschichtsbewusstsein, auch zur Identifizierung mit der Kommune oder dem Land, beitragen kann.

Genauso, wie heute Menschen in Archiven und Bibliotheken auf Fragen, warum es in der Vergangenheit zu bestimmten politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Entscheidungen kam, nach wahrheitsgetreuen Antworten suchen, werden vielleicht in 500 Jahren Menschen anhand der dann noch vorhandenen Unterlagen herausfinden wollen, warum die Menschen anno 2003 in Wiesbaden…

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 30.9.2003

Dokumente aus der Geschichte des Hotels „Bären“

Die Geschichte des Wiesbadener Hotel „Bären“ geht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Nicht ganz so alt sind die historischen Zeugnisse, Dokumente und Briefe, die jetzt mit alten Fotos von der Betreiberfamilie Bödeker an das Stadtarchiv Wiesbaden übergeben wurden. 

„Als Grethe Weiser hier ankam und das Licht ausging, bedankte sie sich erst mal für den tollen Empfang“, erinnert sich Zeitzeugin Emmy Bödeker an den Besuch der Schauspielerin 1954. Bei der Übergabe zahlreicher Dokumente, Briefe und Bilder an das Stadtarchiv hatte die Besitzerin des „Bären“ einiges an Anekdoten und Geschichten zu erzählen.

Von den goldenen Filmjahren Wiesbadens künden vor allem die Gästebücher, die mit Widmungen von Gert Fröbe, O.W. Fischer, Curd Jürgens oder Hans Albers eine „wahre Fundgrube“ darstellen, wie sich Kulturdezernentin Rita Thies sichtlich freute. Durch den Einfluss der in Wiesbaden ansässigen Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft verkehrten zwischen 1949 und 1959 viele Stars in der Filmstadt Wiesbaden, viele davon stiegen im „Bären“ ab, das vor allem für sein gutes Essen gelobt wurde – und für die Gastfreundschaft, für die sich beispielsweise Sonja Ziemann 1961 „mit allen guten Wünschen“ beim „lieben Bären“ bedankte, bevor sie sich der Liebe wegen für fünf Jahre gleich ganz in Wiesbaden niederließ.

Ob eifersüchtige Ehefrauen, Gulasch kochende Maifest-spiele-Regisseure oder amerikanische Soldaten, die in letzter Minute daran gehindert werden konnten, das komplette Mobiliar zu beschlagnahmen: Das Haus, das während eines Luftangriffs 1945 teilweise zerstört wurde, hat einiges erlebt. „Bei uns hat sich viel abgespielt“, fasst Bödeker untertreibend zusammen. Die Nachkriegszeit schließlich sei „eine schwere, aber interessante Zeit“ gewesen, so Emmy Bödeker. So habe sie von der ersten D-Mark Parkettböden gekauft.

Mit der Fülle von Material, das im Stadtarchiv datiert, verzeichnet, erfasst und gelagert wird, können künftig historische und kulturgeschichtliche Zusammenhänge dargestellt und historische Recherchen erleichtert werden. „Gerade die Korrespondenz während der Kriegsjahre“, so Archivar Thomas Weichel, „ist ein wichtiges Dokument der Stadtgeschichte“ – von dem auch das künftige Stadtmuseum profitieren könne, so Thies. Für die Familie Bödeker, die das traditionsreiche Haus 1926 übernommen hat und nun in dritter Generation führt, geht es schlicht darum, „unsere heutigen Gäste für die Historie des 'Bären• zu sensibilisieren“, führte Betreiber Michael Bödeker aus.

Diese beginnt bereits mit der Erwähnung als Badhaus 1471, der damalige Besitzer Gelen Hen betrieb den „Bären“ aber wohl schon früher. Im 17. Jahrhundert war das Haus das best besuchte und angesehenste Badhaus der Stadt. 1814/15 schließlich kam Goethe in den „Bären„, dieser erlebte gerade wieder eine seiner verschiedenen Blütezeiten. 1902 wurde das Haus auf dem jetzigen Grundstück Ecke Bärenstraße/Kleine Webergasse als „Savoy Hotel“ neu erbaut, 1910 dann wieder rückbenannt. Im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges wurde bei einem Luftangriff das Badhaus zerstört und mit Gesicht zum Dreililienplatz wieder hergestellt.

Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
Telefon:  0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429 
Fax:  0611 / 31-3977 
stadtarchiv@wiesbaden.de 

Quelle: Wiesbadener Kurier, 30.9.2003

Nachlass des Verlegers Max Bruns

Seit zwei Jahren archiviert Anne Kathrin Pfeuffer im Kommunalarchiv Minden den Nachlass von Max Bruns, der bis dato eher ein ungeordnetes Dasein fristete. Der derzeitige Firmeninhaber des Hauses J. C. C. Bruns, Rainer Thomas, hatte sich 1996 entschlossen, den Nachlass als Depositum an das Kommunalarchiv der Stadt Minden zu übergeben, damit jeder Interessent öffentlich Zugang zu den alten Schätzen hat. Bei der Suche helfen eine elektronische Datenbank, in der genau aufgelistet wird, wo sich welche Fotos und Dokumente im Archiv befinden.

Der Nachlass besteht zu einem großen Teil aus Firmenunterlagen des Druck- und Verlagshauses J. C. C. Bruns. Das Unternehmen wurde 1834 von Johann Christian Conrad Bruns in Minden gegründet und begann mit dem Druck von Postformularen. Seit 1856 gibt Bruns die Tageszeitung in Minden heraus. Im Jahr 1881 wurde der Druckerei eine Verlagsabteilung angeschlossen. Neben deutschen Autoren wie Alfred Mombert und Johannes Schlaf erschienen die ersten deutschen Gesamtausgaben der Werke von Charles Baudelaire, Gustave Flaubert und Edgar Allan Poe.

Neben den Firmenunterlagen enthält der Nachlass außerdem persönliche Dinge des Dichters Max Bruns (Enkel des Verlagsgründers Johann Christian Conrad Bruns) und seiner Ehefrau, die Lyrikerin und Märchenerzählerin Margarete Sieckmann.

Die Archivarin Anne Kathrin Pfeuffer landete während eines Praktikums in ihrer Heimatstadt Buxtehude im Archiv. Nach dem Studium in Passau absolvierte sie eine Ausbildung zur Dipl.-Archivarin in Stuttgart und Marburg, wo sie sich unter anderem auch mit der Schriftkunde vom Mittelalter bis zur Neuzeit vertraut machte. Ihre guten Kenntnisse in alten Schriften waren schließlich auch eine wichtige Voraussetzung für ihre derzeitige Arbeit im Kommunalarchiv, da der Nachlass Bruns zu einem großen Teil aus handschriftlichen Schriftstücken besteht.

Allzu viel lesen darf beziehungsweise sollte ein Archivar jedoch nicht. „Meine Aufgabe ist es, die Schriftstücke systematisch zu ordnen und zu beschreiben, dabei darf ich mich jedoch nicht in Details verstricken“, so die Archivarin. Ihre Arbeit wird noch etwa ein Jahr dauern, danach ist der Nachlass Bruns dann erschlossen und kann mit Hilfe eines Findbuches bewertet werden. Leider wüssten jedoch die wenigsten Mindener, dass sie so etwas Wertvolles, wie das Kommunalarchiv haben, bedauert Anne Kathrin Pfeuffer.

Kontakt:
Kommunalarchiv Minden
Tonhallenstr.7
D-32423 Minden
Telefon: 0571/97220-0
Telefax: 0571/97220-11
kommunalarchiv@minden.de

Quelle: mt-online.de (Mindener Tageblatt), 29.9.2003.

Frauenleben in Baden-Württemberg seit 1750

Mühlacker (PZ). Mäuseplage, Hagelsturm und ein Frauenname: Catharina Wedderkopf. Inmitten einer Akte im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv (HSTAS) über eine Zehntverleihung im 18 Jahrhundert. Das war ungewöhnlich und der Anstoß für Stadtarchivarin von Mühlacker, Marlis Lippik, sich mit der Dürrmenzerin zu beschäftigen, die sich per Gerichtsbeschluss in die Männerwelt gewagt hatte. Catharina Wedderkopf gehört zu den neun historischen und aktuellen Frauen aus Mühlacker die – ergänzend zur Wanderausstellung „Schwäbinnen und Badenerinnen, Frauenleben in Baden und Württemberg von 1750 bis 2001“ – einige Stellwände in der Mühlacker Kelter mit ihren Lebensläufen füllen.

Unterschiedliche Schicksale

„Heute braucht man sich nicht mehr zu verteidigen, wenn man eine Ausstellung über Frauen macht“, sagte Stadtarchivarin Marlis Lippik bei der Eröffnung am Freitagabend vor rund 100 Besuchern und fünf der neun porträtierten Mühlackerinnen. Das Bundesverdienstkreuz haben Erna Händle, Elisabeth Brändle-Zeile, Ruth Schlegel, Gerlinde Beck und Erika Gerlach bekommen, Elsi Ascher-Schütz und Charlotte Kussbach waren die ersten Gemeinderätinnen, Marthe Bracher starb vermutlich im KZ Strutthoff und Catharina Wedderkopf bildete den Zufallsfund in der Stadtgeschichte.

Zahlreiche Porträts

Die Wanderausstellung porträtiert in der Kelter auf 15 Leintüchern noch mehr Frauen, insgesamt drei Jahre lang ist sie an 16 Austellungsorten zu sehen. Mitarbeiter der Stadtmuseen Sachsenheim und Eppingen haben insgesamt 30 Frauenleben aus 250 Jahren zusammengesucht. „Eine interessante Auswahl haben sie getroffen“, sagte Diana Finkele, Leiterin des Museums Sachsenheim.

Von Dichterinnen über Komponistinnen bis zu politisch aktiven Frauen, die in Baden oder Würtemberg wirkten, reicht die Palette. Gemeinsam waren sie Vorreiterinnen der erfüllten Rolle der Frau in einer Zeit, in der Männer noch die Hosen an hatten.

Nicht nur Lob geerntet

Gemeinsam war vielen von ihnen auch, dass sie ob ihrer frauenunüblichen Tätigkeiten schief angesehen wurden. „Mit Frauen soll man sich nie unterstehen zu scherzen“, zitierte Oberbürgermeister Arno Schütterle Goethe in seiner Rede zur Ausstellungseröffnung. Außerdem würdigte er das Engagement vieler Frauen, namentlich derer, die im Stadtarchiv tätig sind, was zwar oft im Hintergrund stattfände, aber einen unverzichtbaren Bestandteil der Verwaltungsarbeit bilde.

Quelle: Pforzheimer Zeitung, 29.9.2003

Rolle der Archive im gesellschaftlichen Reformprozess

Vom 30. September bis zum 3. Oktober findet in Chemnitz der 74. Deutsche Archivtag statt, an dem mehrere hundert Archivarinnen und Archivare vorwiegend aus der Bundesrepublik, aber auch in großer Zahl aus dem europäischen Ausland teilnehmen werden. Der Deutsche Archivtag, der jährlich in Verbindung mit der Fachmesse ARCHIVISTICA abgehalten wird, ist der bedeutendste Archivkongress dieser Art in Europa. Veranstaltet wird er vom VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare, dem mit rund 2.200 Mitgliedern größten europäischen Berufsverband der Archivare.

Das Thema des diesjährigen Archivtags ist von ganz besonders aktueller Brisanz: Es geht um die Rolle der Archive im gesellschaftlichen Reformprozess. Wie das Programm zeigt, sind die archivischen Einrichtungen als Hüter historischer Überlieferung alles andere als weltabgewandte Stätten verträumten Sammelns und Ordnens. Die Archivarinnen und Archivare sehen sich aufgerufen, mit gestaltend auf die Herausforderungen unserer sich verändernden Welt zu reagieren. Die Verzeichnisse zu den in ihnen verwahrten Urkunden, Akten, Karten und Plänen, die bis ins tiefe Mittelalter zurückreichen, sind heute schon zu einem großen Teil im Internet zugänglich; oft finden sich hier sogar die herausragenden Dokumente selbst. Mit den Möglichkeiten einer Verbesserung der archivspezifischen Online-Angebote wird sich der Kongress ausführlich befassen. Dazu passt thematisch die intensive Beschäftigung mit einem neuen Verständnis von Kundenorientierung, die für die von vielen Sparten der Wissenschaft, aber auch von vielen Bürgern zu privaten Zwecken genutzten Einrichtungen kein Fremdwort ist, sondern selbstverständliche Grundlage ihrer Arbeit.

Hochaktuell werden vor allem die Sitzungen sein, die sich mit den organisatorischen Veränderungen der Archive im Kontext der aktuellen Verwaltungsreform befassen. In mehreren Bundesländern vollziehen sich derzeit gravierende Strukturreformen, die in Fachkreisen kontrovers diskutiert werden. So wurden In Sachsen-Anhalt und in Nordrhein-Westfalen die bisher selbständigen Archiveinrichtungen als Abteilungen zu einem Landesarchiv zusammengefasst, während in Thüringen dezentrale Strukturen verstärkt wurden. In Baden-Württemberg und in Sachsen stehen ebenfalls Neustrukturierungen an. Auch im kommunalen Bereich hat es vielfach Veränderungen gegeben, hier sind insbesondere Verbünde von Archiven geschaffen worden und weiter in der Planung.

Dass die Archivarinnen und Archivare sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch kritisch mit der unmittelbaren Gegenwart auseinander setzen, zeigt das Thema des Eröffnungsvortrags, den der Bonner Politologe Meinhardt Miegel hält: Verdrängte Wirklichkeiten – die Lebenswelt der Deutschen. Kaum ein anderer Berufsstand muss sich so umfassend und intensiv mit den Problemen der Gegenwart befassen wie die Archivare: Gehört es doch zu Ihren Hauptaufgaben, heute die Dokumente auszuwählen, die späteren Generationen die Erforschung unserer Zeit ermöglichen.

Das Programm des Archivtags ist im Internet abrufbar: www.archivtag.de

Quelle: ots Originaltext: Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA), 23.9.2003

Protokolle der Metallwerke Unterweser AG entdeckt

Der Zufall fördert zuweilen längst verloren geglaubte Dinge ans Tageslicht. Dazu zählten bis vor wenigen Monaten die Protokollbücher der Aufsichtsratssitzungen der im Jahre 1906 gegründeten Metallwerke Unterweser AG. Bei der Renovierung des aus der Gründerzeit stammenden Verwaltungsgebäudes waren die Protokolle in einem eisernen Geldschrank wieder aufgetaucht. Was die Aufsichtsräte bei ihrer ersten Versammlung am 26. September 1906 beschlossen, ist jetzt im Archiv des Rüstringer Heimatbundes nachzulesen.

Dr. Rainer Menge, Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens „Xstrata“ in Friedrich-August-Hütte, zu dem die ehemaligen Metallwerke seit Dezember 2002 gehören, überreichte zwei Protokollbücher an den Archivar des Rüstringer Heimatbundes, Wolfgang Engelhardt. Das sei Stadtgeschichte pur, schwärmte Engelhardt bei der Durchsicht der zunächst in tadelloser Deutscher Schrift geführten Protokolle. Die beiden Kladden umfassen die Jahre 1906-1917 und 1917-1953. Insgesamt sind 113 Sitzungen des Aufsichtsrates darin festgehalten.

Gleich auf den ersten Seiten befindet sich der Vertrag mit der Großherzoglichen Regierung in Oldenburg und den Metallwerken Unterweser AG über den Verkauf von Ländereien und die Errichtung von industriellen Anlagen. Neben den Notizen über Ankäufe von Bauland sowie den Berichten über das jeweilige Geschäftsjahr werde auch die soziale Verantwortung des Unternehmens deutlich, so Engelhardt weiter. Für die tausend Arbeiter bauten die Manager der „Hütte am Meer“ Wohnungen in Phiesewarden, später in Friedrich-August-Hütte.

Die Zinkherstellung in Deutschland begann um 1800 in Oberschlesien. Die Gründer der Hütte – Geschäftsführer Dr. Wiegand vom Norddeutschen Lloyd und Dr. Sondheimer, Geschäftsführer eines Frankfurter Bankhauses –, hofften, dass sich die Zinkproduktion auch in Nordenham zu einem lukrativen Geschäft entwickeln würde. Lag die jährliche Produktion zunächst bei 10.000 Tonnen, wurde sie auf 40.000 Tonnen gesteigert. Zum Vergleich: „Zurzeit werden jährlich 140.000 Tonnen produziert“, betonte Menge.

Die wechselvolle Geschichte der Metallwerke Unterweser ist in den Büchern dokumentiert: die miserable Wirtschaftslage in der Weimarer Republik ebenso wie der Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst durch den Koreakrieg (1950-1953) zog die Produktion in Nordenham wieder kräftig an.

Kontakt:
Rüstringer Heimatbund e.V.
Hessenstraße 7
26954 Nordenham

Quelle: Nordwest-Zeitung, 26.9.2003

Neues Gebäude für das Brandenburg. LHA

Das „Gedächtnis Brandenburgs“ hat neuen Raum: Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) hat am 26.9. gemeinsam mit dem Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs die neuen Magazingebäudes des Archivs in Bornim in Betrieb genommen. „Jahrzehnte lagerte das historische Schriftgut des Landes in der östlichen Pflanzenhalle der Orangerie von Sanssouci“, sagte Wanka. Die dortigen Gebäude hätten jedoch nicht den Erfordernissen von Brand- und Arbeitsschutz genügt. Das Land komme nun dem Ziel einen Schritt näher, Bornim zum künftigen Hauptsitz des Landeshauptarchivs auszubauen.

Insgesamt werden dort etwa 40.000 Meter laufende Meter Akten, 10.000 Urkunden, 100.000 Karten sowie 100 Nachlässe verwahrt. Insgesamt sind in Bornim bisher fünf Millionen Euro verbaut worden. Das neue klimatisierte Magazin mit seinen Platz sparenden Rollregalen fasst etwa ein Drittel der bisher in der Orangerie provisorisch untergebrachten Akten und Amtsbücher.

Planungen für einen zweiten größeren Baukomplex für weitere Magazine, einen Öffentlichkeitsbereich und Arbeitsräume haben begonnen, das Bebauungsplanverfahren ist eingeleitet. Insgesamt werden in den Standort bis zur endgültigen Fertigstellung rund 20 Millionen Euro investiert.

Quelle: Morgenpost, 27.9.2003

Schongau: Kreisarchivar setzt sich ein

Kreisarchivpfleger Max Biller malt ein düsteres Bild: Wenn Schongau seinen Archivar entließe, würde sich die „traditionsreiche Stadt dem Gespött und der Lächerlichkeit preisgeben“, und zwar bundesweit, sagte der Pollinger Heimatforscher gestern bei einem Pressegespräch im Schongauer Rathaus. Hintergrund für Billers Befürchtung ist die Forderung der CSU-Stadträte, dem Museumsleiter und Archivar Richard Ide wegen der städtischen Finanzkrise zu kündigen.

Für Biller war es „nicht erfreulich“, von derartigen Plänen zu hören. Dabei mische er sich nicht aus „Gschaftlhuberei“ ein, sondern weil es ihm ein „echtes Anliegen“ sei. Je geschichtsträchtiger eine Stadt sei, desto wichtiger sei es, dass eine Fachkraft das Archiv betreut, betonte der Kreisarchivpfleger, der dieses Amt seit nunmehr 27 Jahren bekleidet. Wichtig sei auch, dass sich ein und dieselbe Person „lange und möglichst kontinuierlich“ um ein Archiv kümmert. Weiter machte Biller deutlich, dass es sich beim Archiv um eine Pflichtaufgabe der Kommune handle.

„Wir können das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“, bekräftigte Bürgermeister Friedrich Zeller (SPD). Ganze Zivilisationen würden auf Archiven aufgebaut. Das „Gedächtnis der Stadt“ könne man nicht einfach stornieren und beiseite schieben. „So weit können wir es nicht kommen lassen. Die Schmerzgrenze ist erreicht.“ Der Rathauschef verwies darauf, dass in der Kreisstadt Weilheim zwei Kräfte das Museum und das Archiv betreuen, während in Schongau diese beiden Bereiche in der Hand von einer Person liegen. „Es ist eine Tatsache, dass wir das Archiv brauchen“, fügte er hinzu.

Richard Ide sieht die digitale Archivierung als Problem der Zukunft. Hier sei nicht klar, „ob das einer nebenher leisten kann“. Neben dem Archiv ist auch ungewiss, in welchem Rahmen das Stadtmuseum weitergeführt wird. Zwei Vereine, die ursprünglich nach der Sommerpause die Leitung hätten übernehmen sollen, haben bereits abgesagt.

Kontakt:
Stadtmuseum Schongau
Christophstraße 55
86956 Schongau
Tel. 08861-20602
Museum-Archiv@Schongau.de

Quelle: Weilheimer Süddeutsche Zeitung, 12.9.2003.