Wie Pirmasenser Familien sich an den Juden bereichert haben

Es war nichts anderes als staatlich sanktionierter Raub, die „Arisierung“ jüdischen Eigentums und Kapitals Anfang der 1930er Jahre, die mit Hindenburgs Erlassen eingeläutet und dann Ende des Jahrzehnts in kürzester Zeit umgesetzt wurde. Das Kapitel „Arisierung in Pirmasens 1938 bis 1941“ aus dem vor wenigen Wochen erschienenen Buch „Juden in Pirmasens – Spuren der Geschichte“ haben die Autoren Otmar Weber und Frank Eschrich letzte Woche in einem Vortrag erläutert und beleuchtet.

Wie erschreckend hemmungslos die damaligen „Schnäppchenjäger“ mitten aus den „arischen“ Pirmasenser Bürgerreihen zugeschlagen haben, verdeutlichte Weber anhand einer aktuellen Stadtkarte. In mühevoller Kleinarbeit hat der Mitautor des Buches aus den zugänglichen Aufzeichnungen über die rassistisch motivierte Bereicherung an jüdischem Eigentum Namen und Adressen in einen heutigen Stadtplan übertragen. Er verweist dabei auf die Tatsache, dass sich maximal 80 Prozent in den Aufzeichnungen wiederfinden. Dabei handelte es sich weitgehend um „Filet-Stücke“ von Pirmasenser Immobilien.

„In Speyer verweigert man noch immer den Zugang zu den Akten, die darüber Auskunft geben könnten“, sagt Weber und er unterdrückt seine Wut kaum. Er untermauert seine im Buch festgehaltenen Fakten mit Aussagen eines noch lebenden Zeitzeugen und dem Beispiel der Gebrüder Weil in der Schloßstraße. In der Regel habe man es damals verstanden, den Wert einer Immobilie von ihrem Einheitswert so herunterzurechnen, dass der Besitzer noch draufzahlen musste, erst recht, wenn er das Land verlassen wollte. Weber besitzt den Schriftverkehr über einen solchen Fall und weiß, dass dies keineswegs die Ausnahme war.

Um das radikale Vorgehen der damaligen Stadtspitze einschließlich aller öffentlichen Ämter zu legalisieren, hatte man landesweit „Verwertungsgesellschaften“ gegründet. In Pirmasens war dies die „Saar-Pfälzische Vermögensverwertungs-Gesellschaft mbH“ mit all den daraus möglichen Filz-Geschäften. Mit bemerkenswerter Präzision hat Weber im Kapitel „Arisierung“ das auch in Pirmasens angewandte System der „Entjudung“ zerpflückt. Er beschreibt beispielsweise die Verhaftung von zunächst 40 jüdischen Mitbürgern nach der Pogromnacht 1938, deren entwürdigende Ausräuberung und den Versuch, sie nach Frankreich abzuschieben um sie dann doch in KZs zu deportieren. Noch lange danach besaß man in der „Schlabbestadt“ den fragwürdigen Ehrgeiz als nationalsozialistische Hochburg mit der Meldung „Judenfrei“ ganz an der Spitze zu stehen.

Quelle: Doris Piperata, Pirmasenser Zeitung, 25.3.2004

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