Enzkreis-Archivare erschließen in zehn Jahren 30.000 historische Akten und Bände

Seit nunmehr zehn Jahren bietet der Enzkreis seinen Gemeinden in Form eines sehr erfolgreichen „Leasing-Modells“ Dienstleistungen für deren Archive: Die Kommunen können gegen Gebühren Archivpersonal des Kreises „mieten“, um ihre Archive dauerhaft zu sichern und für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen.

Zum 1. Oktober 1996 wurde Diplom-Archivarin Heike Sartorius als Fachkraft für die so genannte kommunale Archivpflege im Enzkreis eingestellt. Der Handlungsbedarf in den 26 Städten und Gemeinden, die nicht über eigenes hauptamtliches Archivpersonal verfügen, war riesig – und entsprechend rasch auch die Warteliste sehr lang. Um die Gemeinden nicht bis zum „Sankt Nimmerleinstag“ vertrösten zu müssen, stockte der Enzkreis im Sommer 2001 sein Personal auf und stellte mit dem Historiker Dr. Karl J. Mayer eine weitere Archivkraft ein. Im Bereich der kommunalen Archivpflege kann das Kreisarchiv des Enzkreises nun also ein zehn- und gleichzeitig auch noch ein fünfjähriges Jubiläum begehen.

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Abb.: Heike Sartorius und Dr. Karl J. Mayer mit den vom Kreisarchiv herausgegebenen Findbüchern der Gemeindearchive (© Enzkreis).

Das baden-württembergische Landesarchivgesetz macht den Kommunen die Erschließung ihrer Archivbestände zur Pflichtaufgabe. Das aus dem Verwaltungshandeln der Gemeinde heraus entstandene Schriftgut, sozusagen des „kommunale Gedächtnis“, ist und bleibt dabei Eigentum der Gemeinde. Hauptaufgabe der kommunalen Archivpflege ist zunächst die Sichtung und Bearbeitung der schriftlichen Unterlagen, die inhaltliche Wertung und die EDV-gestützte Verzeichnung des archivwürdigen Schriftguts. Hinzu kommt die Herstellung eines Findbuchs und die sachgerechte Verpackung zur dauerhaften Aufbewahrung der Bestände. Daneben koordinieren die Archivare Umlagerungsmaßnahmen und beraten die Gemeinden in allen Fragen der Registraturführung und der Schriftgutverwaltung. 

Die oft staubige Arbeit vor Ort auf den Dachböden und in den Kellern birgt einiges an Überraschungen, wie die Mitarbeiter des Kreisarchivs lebhaft zu berichten wissen: „Wespennester, lebendige und mumifizierte Insekten, Taubenkot, Mäusedreck und Blindschleichen – alles schon vorgekommen!“ Doch die wirklichen Sensationen stecken in den Archivbeständen und zeigen sich meist unverhofft: Sei es der besonders prächtige Einband eines alten Folianten, Splitter von Granaten, die in den letzten Kriegstagen vor über 60 Jahren in Rathausdachböden einschlugen und in den Rechnungsbänden stecken blieben, verloren gegangen geglaubte Unterlagen, Urkunden mit gut erhaltenen Wachssiegeln in Holzkapseln, wunderschöne handgezeichnete und kolorierte Pläne: „Man kann auch nach zehn Jahren noch ins Schwärmen geraten“, so Heike Sartorius, die man meist im Kittel und mit Handschuhen antrifft. Beides dient dem Schutz, wobei sie nicht ganz selbstlos anfügt: „Sowohl zum Schutz der Unterlagen vor Fett und anderem Schmutz an meinen Händen, als auch zu meinem Schutz insbesondere vor Schimmel, den man immer wieder vorfindet und der dann fachgerecht entfernt werden muss.“

Auch bei der Erarbeitung und Herausgabe von Ortschroniken nutzen die Kreisgemeinden inzwischen gerne das Know-how des Kreisarchivs. Denn Archivarbeit und Geschichtsschreibung sind eng miteinander verbunden. So verfasste Karl Mayer das Buch „Diktatur auf dem Dorf – die württembergische Gemeinde Illingen im Dritten Reich“. Mayer weiß daher ganz genau: „Ohne ein geordnetes Gemeindearchiv ist eine seriöse Ortsgeschichts-Forschung kaum möglich“.

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Abb.: Eine beeindruckende Bilanz: 18 Gemeindearchive wurden in den vergangenen Jahren geordnet, 6 weitere sind in Bearbeitung oder stehen kurz vor dem Abschluss (© Enzkreis).

Die bisherige Bilanz des „Leasing-Modells“ kann sich sehen lassen: Inzwischen sind rund dreißigtausend Archivalieneinheiten erfasst, die – nebeneinander aufgestellt – einen ganzen Kilometer weit reichen würden. Die Findbuchreihe des Kreisarchivs weist inzwischen 18 Bände auf, zwei Maßnahmen stehen vor dem Abschluss, vier weitere sind in Bearbeitung. Dass Heike Sartorius und Karl Mayer einmal die Arbeit ausgehen wird, ist indes nicht zu erwarten. Denn tagtäglich produzieren die Gemeindeverwaltungen neue Aktenstapel, die zu gegebener Zeit gesichtet und archivisch erschlossen werden müssen. 

Kontakt:
Landratsamt Enzkreis – Kreisarchiv
Zähringerallee 3 
75177 Pforzheim
Telefon: (07231) 308-423 
Fax: (07231) 308-837 
Kreisarchiv@enzkreis.de 

Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung 256/2006, 28.9.2006

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