ITS-Dokumente zur Zwangsarbeit im »Dritten Reich« digitalisiert

Der Internationale Suchdienst (ITS) in Bad Arolsen hat die Digitalisierung seiner Dokumente zur Zwangsarbeit im „Dritten Reich“ abgeschlossen. Eine Kopie der Daten erhalten heute die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, das US Holocaust Memorial Museum in Washington und das Nationale Institut des Gedenkens in Warschau. „Die Dokumente zeugen vom ungeheuren Ausmaß der Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus“, sagte Archivleiter Udo Jost. „Die Arbeitskraft der so genannten Fremdarbeiter wurde in nahezu allen Wirtschaftsbereichen und Regionen ausgebeutet.“

Über 6,7 Millionen Dokumente (ca. 13 Millionen Abbildungen) zum Thema Zwangsarbeit aus der Zeit des Nationalsozialismus und der unmittelbaren Nachkriegszeit hat der ITS gescannt und indiziert. Die Datenmenge beläuft sich auf insgesamt 1,87 Terabyte. „Die Digitalisierung dient dem Schutz und Erhalt der Originaldokumente“, sagte Jost. „Gleichzeitig ermöglicht sie einen besseren Zugang zu den Unterlagen, ob beim ITS oder unseren Partnerorganisationen in Israel, den USA und Polen.“ Auf Beschluss des Internationalen Ausschusses, dem die Aufsicht über die Arbeit des Suchdienstes obliegt, kann jeder der elf Mitgliedsstaaten digitale Kopien der in Bad Arolsen lagernden Unterlagen erhalten.

Bei den jetzt überreichten Dokumenten handelt es sich um Originaldokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus, die sich auf Einzelpersonen beziehen. Dazu zählen vorwiegend Arbeitsbücher von Zwangsarbeitern, Krankenakten, Versicherungsunterlagen sowie Meldekarten von Behörden, Krankenkassen und Arbeitgebern. Daneben hat der ITS auch Listen gescannt, die Anfang 1946 auf Befehl der westlichen Alliierten erstellt wurden. Alle deutschen Gemeinden mussten den Aufenthalt von Ausländern und deutschen Juden während des Zweiten Weltkrieges den alliierten Suchdiensten melden. Die Listen enthalten Angaben zu Wohnorten, Arbeitgebern, Beschäftigungszeiten, Eheschließungen, Geburten und Grabstätten.

Die Dokumente dienten unmittelbar nach dem Krieg der Familienzusammenführung und Repatriierung. Später nutzte der ITS die Unterlagen auch für Bestätigungen im Rahmen von Zwangsarbeiter-Entschädigungsfonds. Wissenschaftler können anhand der Akten im seit November 2007 für Forschungszwecke offen stehenden Archiv die Dimension der Zwangsarbeit unter dem Nazi-Regime erforschen. „Die Dokumente geben Auskunft über die Lebensbedingungen der ausländischen Arbeiter, ihren Einsatz in bestimmten Regionen oder bei einzelnen Arbeitgebern“, erläuterte Jost.

Schätzungen zur Zahl der Zwangsarbeiter während des „Dritten Reiches“ gehen von über zwölf Millionen Betroffenen aus, darunter etwa 8,4 Millionen Zivilarbeiter. Eingesetzt waren Zwangsarbeiter in allen Bereichen des Wirtschaftslebens, ob im Bergbau, der Industrie, der Verwaltung, im Handwerk oder der Landwirtschaft.

Nach den heute überreichten Dokumenten zur Zwangsarbeit sowie den bereits gescannten Beständen zur Inhaftierung in Konzentrationslagern, Ghettos und Gefängnissen (ca. 18 Millionen Abbildungen), der Zentralen Namenkartei des ITS (ca. 42 Millionen Abbildungen) und den Karteikarten zu Displaced Persons (ca. sieben Millionen Abbildungen) ist die vor kurzem begonnene Digitalisierung von Unterlagen aus den DP-Camps der Nachkriegszeit das nächste Großprojekt. Über 70 Prozent der beim ITS lagernden Dokumente konnten bisher gescannt und indiziert werden. Voraussichtlich 2011 soll die Digitalisierung des gesamten Archivs abgeschlossen sein.

Über den Internationalen Suchdienst

Der Internationale Suchdienst in Bad Arolsen (ITS) dient Opfern der Naziverfolgung und deren Angehörigen, indem er ihr Schicksal mit Hilfe seiner Archive dokumentiert. Der ITS bewahrt diese historischen Zeugnisse und macht sie der Forschung zugänglich. 

Der ITS untersteht den elf Staaten (Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Israel, Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen, Großbritannien, USA) des Internationalen Ausschusses. Grundlage sind die Bonner Verträge von 1955 und das Änderungsprotokoll von 2006. Im Auftrag des Ausschusses wird der ITS vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) geleitet. 

Der Direktor des Internationalen Suchdienstes, Reto Meister, wird Ende des Jahres 2008 sein Amt aus privaten Gründen niederlegen. Zukünftiger Direktor ab Januar 2009 wird Jean-Luc Blondel, ebenfalls Delegierter des IKRK. Blondel war bereits im Herbst 2006 als Interimsdirektor beim ITS tätig. Somit kennt er die Einrichtung, deren Zielsetzungen und Mitarbeiter aus eigener Erfahrung.

Kontakt:
Internationaler Suchdienst (ITS)
Große Allee 5-9
34454 Bad Arolsen
Telefon: +49 (0)5691 629-0
Telefax: +49 (0)5691 629-501 
email@its-arolsen.org
www.its-arolsen.org

Quelle: ITS, Pressemitteilung, 25.8.2008; Waldeckische Landeszeitung, 26.8.2008

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo aus Saarbrücken,
    die Grossmutter meiner Frau wurde 2mal nach Deutschland verschleppt und zur Zwangsarbeit verpflichtet.
    Sie stammte aus der Ukraine.

    Meine Frau würde nun gerne wissen wo die Grossmutter arbeiten und leben musste.

    Bestehen hier wenigstens geringe Chancen, darüber näher Infos erlangen zu können?

    MfG

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