Die Stiftung Archiv der Akademie der Künste hat soeben die umfangreiche „Brecht-Sammlung Reni Mertens-Bertozzi“ für ihr Bertolt-Brecht-Archiv erworben und übernommen. Es handelt sich um die im Rahmen der Forschungen von Werner Wüthrich in Zürich aufgefundenen Arbeitsunterlagen des Schriftstellers. Das 120 Positionen umfassende Konvolut von Brecht-Autographen, Briefen, Fotos und Widmungsexemplaren ist der bedeutendste Zuwachs für das Brecht-Archiv seit dessen Bestehen. Die Sammlung befand sich im Besitz der 2000 verstorbenen Filmemacherin Renata Mertens-Bertozzi. Sie hatte Brecht und seiner Familie in Feldmeilen Unterkunft geboten, Texte von ihm übersetzt und herausgegeben und Aufführungen und Publikationen vermittelt.
Die insgesamt 44, in der Regel mehrteiligen Manuskripte stammen aus der Exilzeit, einige Blätter gehen aber bis in die zwanziger Jahre zurück. Bedeutendstes Stück der Sammlung ist die Mappe „geschichten vom h k“. Sie enthält fünfzehn bislang völlig unbekannte Keuner-Geschichten sowie textgeschichtlich relevante Fassungen bereits bekannter Geschichten. Wichtig sind ferner eine Überlieferung der „Koloman Wallisch Kantate“ mit einer Rahmenhandlung, die aus den Liedern und Chören erst eine Kantate macht, ein Handexemplar der Churer „Antigone“-Bearbeitung, ein gründlich korrigiertes Manuskript des „Kleinen Organons für das Theater“, der bislang nur englisch überlieferte Aufsatz „Das andere Deutschland“ von 1943, eine unbekannte Filmskizze, ein Prosafragment sowie Fassungen und Bühnenmanuskripte der Stücke „Mann ist Mann“, „Furcht und Elend des III. Reiches“, „Der gute Mensch von Sezuan“, „Herr Puntila und sein Knecht Matti“, „Arturo Ui“, „Schweyk“ und „Der kaukasische Kreidekreis“, Erzählungen, Schriften und Gedichte. Mehr als 500 Briefe vermitteln neue Aufschlüsse über Brechts Aufenthalt in der Schweiz und über die Brecht-Rezeption in Deutschland, der Schweiz, Italien und Frankreich.
Zwei komplementäre Ausstellungen präsentieren ausgewählte Stücke der Sammlung. Der Strauhof Zürich zeigt in Zusammenarbeit mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste ab März in Zürich die Exposition „Brecht in der Schweiz“, die den Arbeitsplatz Zürich als Drehscheibe zwischen Exil und Wirkung im Nachkriegsdeutschland dokumentiert. Die Keuner-Mappe und wesentliche andere Dokumente der Sammlung stehen im Zentrum der von der Stiftung Archiv der Akademie der Künste in Zusammenarbeit mit dem Strauhof Zürich verantworteten Ausstellung „Neues vom Herrn Keuner“, die im Herbst im Liebermann-Haus in Berlin zu sehen ist.
Zur Berliner Ausstellung erscheinen die „Geschichten vom Herrn Keuner“ im Suhrkamp Verlag als „Zürcher Fassung“ mit den unbekannten Texten, herausgegeben von Erdmut Wizisla.
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Bertolt-Brecht-Archiv
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Quelle: Pressemitteilung ADK vom 23. Januar 2004