Rettung für Hamburger Geschichtswerkstätten?

Nach einem 2,5 Millionen-Zuschuss für die nach wie vor überschuldeten Haushalte der sieben Kulturstiftungen der Stadt hat Kultursenatorin Dana Horáková jetzt auch für die von der Schließung bedrohten renommierten Geschichtswerkstätten in den Hamburger Stadtteilen einen Rettungsanker ausgeworfen. Wie die Senatorin den Leitern der Werkstätten am Mittwoch bekanntgab, könne die Härte der bisherigen Entscheidung, jährlich 539.000 Euro für die Stadtteilarbeit zu streichen, gemindert werden. Nach einem neuen Konzept der Behörde seien alle 14 Geschichtswerkstätten zu erhalten und sowohl der Bestand als auch die Pflege der Archive gesichert, so Horáková. Die Behörde will jährlich weierhin 133.000 Euro für die Betriebs- und Mietkosten bereitstellen.

„Wir haben seit Wochen daran gearbeitet, die wichtige Arbeit der Geschichtswerkstätten zu erhalten“, erklärte Horáková gegenüber der WELT. Jetzt sei ein erster Durchbruch gelungen. Die Sicherung der Werkstätten ermögliche nicht nur den Bestand und die Pflege der Archive, sondern auch die Weiterarbeit der Mitarbeiter – wenn auch mehr als zuvor ehrenamtlich. Der neue Zuschuss soll nach Informationen der WELT jedoch noch nicht letzte Hilfsmaßnahme sein. Vielmehr, so heißt es, soll durch eine Moderation der Behörde versucht werden, über einen Projektmittelansatz weitere Mittel für die Geschichtswerkstätten zu erschließen. Dies solle über eine bessere Kooperation mit weiteren Stadtteileinrichtungen und auch Schulen erreicht werden. Dem Vernehmen nach soll die Fortführung des Rettungskonzeptes Geschichtswerkstätten bis Ende August abschließend konzeptionell erarbeitet sein. Insgesamt, wird vorsichtig angedeutet, könne dann die ein oder andere der 14 Einrichtungen sogar „besser dastehen“ als vorher. Die Entscheidung, den Geschichtswerkstätten künftig ganz den öffentlichen Geldhahn zuzudrehen, war auf zunehmende Kritik gestoßen.

Quelle: Die WELT, 31. Juli 2003

Stadt Olpe kaufte Wiegendruck eines Olpers von 1478

In den unendlichen Weiten des »World Wide Web« hob Dr. Hans-Bodo Thieme einen Schatz. Der ehemalige Lehrer des Städtischen Gymnasiums Olpe (1969-1995) entdeckte, dass ein Würzburger Fachantiquariat ein besonderes Werk zum Verkauf anbot: »Quaestiones evangeliorum de tempore et de sanctis« von Kardinal Johannes des Turrecremata. Dabei ließen Inhalt und Autor der »Befragung der Evangelien über die Zeit und die Heiligen« den Finder eher kalt.

Spannender war der Name desjenigen, der dieses Werk im Jahr 1478 verlegt und den Druck in Auftrag gegeben hatte: Petrus in Altis de Olpe. Ein Olper Junge? Der Mediävist Dr. Thomas Wilhemi von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bestätigte die Vermutung. Dann ging alles ganz schnell. Dr. Thieme schrieb Bürgermeister Horst Müller und empfahl ihm den Erwerb dieses wertvollen Zeugnisses Olper Vergangenheit. Und der Bürgermeister zögerte nicht. Am 8. Juli kaufte die Stadt Olpe für 3.000 EURO ein Stück Vergangenheit.

Gestern präsentierten »Käufer« und Finder gemeinsam mit Josef Wermert vom Olper Stadtarchiv das 278 Seiten starke Werk aus der Pionierzeit des Buchdrucks. Denn nur 22 Jahre nach der berühmten Gutenberg-Bibel wurde die »Befragung der Evangelien« auf schwerem Büttenpapier gedruckt. Bei dem Band handelt es sich um eine Inkunabel, einen Wiegendruck. Thieme erklärte: »Das Wort Inkunabel bedeutet Windel. Es spiele an auf den Zeitpunkt des Drucks im Jahr 1478. »An der Wiege der Buchdruckerkunst«, so Thieme. Das theologische Werk im so genannten Klein-Folio-Format ist mit gotischen Druckbuchstaben zweispaltig bedruckt. Es ist versehen mit zahlreichen rot eingemalten kleinen Initialen.

Der Einband aus Holz und Pergament ist beschädigt, die Schließen fehlen. Doch Hans-Bodo Thieme beruhigte: »Das Werk wird im Westfälischen Archivamt in Münster restauriert.« Keiner Überarbeitung bedürfen die Nachforschungen hinsichtlich des Herausgebers.

Petrus in Altis de Olpe stammte aus einer Bürgermeister-Familie, so Wermert. Er war Notar und Priester in Köln, später auch Kanoniker von St. Kunibert. Aus den Jahren zwischen 1476 und 1478 sind zehn unterschiedliche Drucke von ihm bekannt. Von denen befinden sich heute nur wenige Exemplare in Bibliotheken in Prag, Wien, Berlin und der des Britischen Museums in London. Sein Zuname ist nach der Gepflogenheit der Gelehrten damaliger Zeit latinisiert: in Altis. Seinen deutschen Namen erfuhren die Mitarbeiter des Stadtarchivs aus dem Immatrikulationseintrag an der Kölner Universität aus dem Jahre 1450. Dort heißt er »Petro de Alto alias van der Hoe«. Also: Petrus van der Hoe/ Peter von der Höhe. Er hatte sich 1450 für freie Künste und Geisteswissenschaften eingeschrieben. Und das Studium drei Jahre später abgeschlossen.

Wer in Norbert Scheeles »Olper Bürgerbuch« schaut, kommt schnell auf Peters Spur: 1450 gab es einen »Hannes op der Hoe«, 1487 einen »Joh. up der Hoe de Olppe«, ebenfalls als Student in Köln eingeschrieben. 1493 ein »Hinrich op der Hoe«, 1504 ein »Henrych uff der Hoy«, Alt-Bürgermeister zu Olpe, im Jahr 1511 Heynrich uff der Hoy«, Bürgermeister. Dazu Josef Wermert: »Wir sehen, die Familie gehörte damals zu den Honoratioren der Stadt Olpe.«

Quelle: Siegener Zeitung, 30.7.2003 (mit Foto).

Kölns Nachlässe bleiben betreut

Im Historischen Archiv der Stadt Köln sollen nun doch keine Stellen wegfallen. Wie der stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Rat, Jörg Frank, in der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses betonte, habe das schwarz-grüne Bündnis die Kürzungspläne der Verwaltung gestoppt. „Sammlungen und Nachlässe werden wie bisher betreut“, sagte Frank. Gegen die geplante Kürzung hatte sich heftiger Widerstand geregt – nicht zuletzt von Persönlichkeiten, die ihre Nachlässe dem Archiv anvertraut hatten. Zuletzt protestierten der Vorsitzende des Kölnischen Geschichtsvereins, Konrad Adenauer, wie auch der Kölner Männer-Gesang-Verein mit großem Nachdruck (Bericht).

Quelle: KStA, 29.7.2003

Säuerefraß bedroht 5 Mio. Berliner Bücher

Mindestens fünf Millionen Bücher in Berliner Bibliotheken sind in ihrem Bestand bedroht. Der Grund: Säurefraß zersetzt das Papier, im schlimmsten Fall zerbröseln die Seiten. Allein in der Staatsbibliothek mit rund zehn Millionen Büchern ist ein Fünftel des Bestandes so kaputt, dass die Seiten nur noch verfilmt werden können. „Damit sind wenigstens die Daten gesichert“, sagt Andreas Mälck, Leiter der Abteilung für Bestandspflege. Weitere zwei Millionen Bände müssten dringend entsäuert werden. Auch in den Regalen der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) frisst sich die Säure durch die Seiten.

Das Problem Säurefraß entstand Mitte des 19. Jahrhunderts mit der industriellen Herstellung von Papier. Bei der maschinellen Produktion entsteht Säure, die Zellulose angreift. Durchschnittlich 80 Jahre hält säurehaltiges Papier. Mit der so genannten „Entsäuerung“, einem Verfahren, das den PH-Wert neutralisiert, kann der Verfall verlangsamt werden. Kosten: etwa 30 Euro pro Kilogramm.

Die Zeitbombe tickt nicht nur in den Bibliotheken der Hauptstadt. Schätzungen zufolge sind bundesweit rund 60 Millionen Bücher betroffen. Die von zwölf Bibliotheken und Archiven gegründete „Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes“ erarbeitet zurzeit eine bundesweite Strategie zur Rettung des Bestandes. Hermann Leskien, Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek München und Leiter des Projektes, fordert die Länder zur verstärkten Zusammenarbeit und Absprache auf, damit beispielsweise nicht an zwei Orten das gleiche Buch erhalten wird. Leskien: „Es wird eine Aufteilung nach regionaler Literatur, nach Jahrhunderten und nach Fachgebieten geben.“ Berlin sei bekannt für die Spezialgebiete Ostasien und ausländisches Recht. Eine Geschäftsstelle konnte die Allianz noch nicht aufbauen, es fehlt das Geld.

Quelle: Die WELT, 28. Juli 2003.

Bericht vom Tag der österreichischen Ordensarchive

Die Einladung zum ersten gesamtösterreichischen Treffen der Archivarinnen und Archivare der katholischen Ordensgemeinschaften und selbstständigen Einzelklöster sprachen die Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften in Österreich sowie die Vereinigung der Frauenorden Österreichs aus. Die Initiative ging von einer, seit einigen Jahren bestehenden informellen Arbeitsgruppe aus, welche auch die Vorbereitung übernahm. Die Tagung wollte einen ersten Schritt zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft setzen. Diese war dem Vorbereitungsteam, dem die Verfasserin dieses Berichts angehörte, besonders im Hinblick auf die spezielle Archivsituation der österreichischen Klöster ein wichtiges Anliegen, verfügen dieselben doch über bemerkenswerte historische Bestände: allein über 40 österreichische Klosterarchive haben bis heute einen Mittelalterbestand. Ein wichtiger Impuls zum Zustandekommen der Tagung ging von P. Laurentius Koch OSB (Abtei Ettal) aus, dem ehemaligen Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft deutscher Ordensarchive. Er nahm lebhaften Anteil an den Vorbereitungsarbeiten und sicherte sein Kommen zu, er verstarb jedoch plötzlich und unerwartet am 29. März 2003 (Bericht). Die Tagung stand im Zeichen seines Andenkens.

Im einleitenden Impulsreferat gab Univ. Prof. DDr. Floridus Röhrig CanReg., Archivar des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg, einen Überblick über die österreichische Ordensarchivlandschaft. Er führte markante Unterschiede in den Beständen der Archive der großen Stifte der „alten Orden“ und jener der „jüngeren“ Ordensgemeinschaften mit ihrer Einteilung in Provinz- und Hausarchive an. Weiters hob er die besondere Bedeutung der Archivarbeit in den Orden hervor und die Notwendigkeit, ihr Image – auch innerhalb der Orden selbst – zu verbessern.

Danach präsentierten Mag. Günter Katzler (Herzogenburg) und Dr. Christine Schneider (Wien) die Auswertung eines Fragebogens, der in Vorbereitung der Archivtagung an alle Ordensgemeinschaften in Österreich ergangen war. Von den 226 Bögen (138 Frauen- und 88 Männerorden bzw. -kommunitäten) wurden rund die Hälfte (109) ausgefüllt retourniert. In 57 Fragebögen wurde die Frage nach dem Vorhandensein eines Archivs bejaht, acht Mal wurde angegeben, ein solches sei in Planung. Ergänzend muss hinzugefügt werden, dass der Begriff des „Archivs“ einige terminologische Unsicherheiten barg und auch Angaben eingingen, nach denen zwar kein Archiv vorhanden sei, jedoch die „alten Akten“ in einem Kasten gut verwahrt lägen. Der Fragebogen enthielt  Erhebungen zu den Bereichen „Archivar/in und Archivpersonal“, „Größe und Ausstattung des Archivs“, „Lagerung“, „Ordnung“, „Benutzung“, „Bedeutung und Vernetzung des Archivs“ und „Wünsche und Anliegen“. Ein prägnantes Ergebnis war, dass nahezu alle ArchivarInnen diese Tätigkeit nur nebenbei ausüben. Die überwiegende Mehrheit sind Ordensangehörige und Autodidakten, nur im seltensten Fall gibt es angestelltes Fachpersonal, doch verschiedentlich ehrenamtliche MitarbeiterInnen. Lediglich ein Drittel bezeichnete die Archivbestände als „geordnet“, in mehr als der Hälfte der Archive gibt es Verzeichnisse nur für einzelne Bestände. Dieser Befund trifft auf die historisch reichhaltigen Stiftsarchive der Männerklöster ebenso zu wie auf die meist wesentlich jüngeren Archive der neueren Frauenorden. Bemerkenswert erscheint weiters, dass ein Großteil der Archive auch bereits Schriftgut des 21. Jahrhunderts verwahrt, also Registraturfunktionen übernimmt. In Österreich besteht schon seit 1976 eine „Arbeitsgemeinschaft der DiözesanarchivarInnen Österreichs“, von der Dr. Thomas Aigner, Diözesanarchivar in St. Pölten und derzeitiger Vorsitzender der ARGE, in seinem Referat berichtete. Auch Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Diözesan- und Ordensarchiven wurden dabei angesprochen. Über Geschichte und Aufgaben der „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ordensarchive“ (AGOA), die 1997 gegründet wurde und heute 164 Ordensgemeinschaften als Mitglieder hat, referierte das Vorstandsmitglied Dr. Clemens Brodkorb, Archivar der Jesuiten in München.

Mag. Helga Penz, Mitarbeiterin des Archivs der österreichischen Provinz der Gesellschaft Jesu in Wien sowie des Archivs des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg in Niederösterreich, stellte das Projekt „Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs“ vor und schlug dabei, in Anlehnung an die Statuten der AGOA, folgende Aufgabenbereiche vor:

  1. Förderung von Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit
  2. Beratung, Hilfestellung und Service
  3. Abstimmung gemeinsamer fachlicher und rechtlicher Interessen und Erstellung diesbezüglicher Empfehlungen und Vorlagen
  4. Vertretung der Interessen der Ordensarchive im kirchlichen und öffentlichen Bereich
  5. Angebote zur Grund- und Weiterbildung
  6. Entwicklung, Umsetzung und Mitarbeit in Projekten zur fachlichen und wissenschaftlichen Bearbeitung der Ordensarchive und ihrer Bestände

In den Arbeitskreisen der Archivtagung wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedene Anliegen formuliert. Als eine der vordringlichsten Aufgaben wurden vor allem zwei Dinge angesehen: Zum einen sollen Richtlinien für Bewertung und Skartierung erstellt werden, die die Dachverbände der Ordensgemeinschaften als Empfehlungen für ihre Mitglieder aussprechen. Zum
anderen wird ein Angebot der Aus- und Weiterbildung gewünscht, in denen den Archivarinnen und Archivaren ein Rüstzeug für das konkrete Arbeiten an die Hand gegeben werden soll. Zahlreiche Konvente äußerten auch den Wunsch nach Fachberatung vor Ort, also nach einer, an die spezielle Archivsituation angepassten Anleitung. Als wichtiger Punkt wurde auch der EDV-Einsatz im Archiv angesprochen. Gerade in diesem Bereich wurde Erfahrungsaustausch, Zusammenarbeit und fachliche Beratung als besonders wichtig erachtet.

Das von rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus über 40 der 220 verschiedenen Orden bzw. Klöster besuchte Treffen der Ordensarchivarinnen und -archivare endete mit der Bestellung eines Komitees, welchem die Aufgabe übertragen wurde, Statuten für eine „Arbeitsgemeinschaft österreichischer Ordenarchive“ auszuarbeiten und eine Archivtagung im nächsten Jahr vorzubereiten.

Quelle: Tagungsbericht zum Tag der österreichischen Ordensarchive am 30. Mai 2003 in Wien von Helga Penz, Jesuitenarchiv Wien, in: „archivliste“, 29.7.2003

Kontakt:
Archiv der österreichischen Provinz der Gesellschaft Jesu
Dr. Ignaz Seipel Platz 1
A-1010 Wien
Tel.: +43 (0)1 512-5232-53
Email: archiv.sj-at@Eunet.at

Das Chronos Film Archiv in Berlin

Auf dem Gelände am Nordrand von Babelsberg, auf dem vor 1945 das Althoff-Atelier seine Studios hatte, wohnt unter dem Firmennamen „Chronos“ das Gedächtnis Deutschlands, wird hier gepflegt und verwaltet. Eine kleine Gruppe von Archivaren ist derzeit damit beschäftigt, Bestandsaufnahme zu machen. Einige Millionen Meter Dokumentarfilm lagern in Tausenden Büchsen in einer kühlen Halle direkt hinter dem kleinen Haus, in Metallregalen aufeinandergestapelt, grob geordnet, aber noch nicht vollständig systematisch erfasst – historische Aufnahmen aus der Kaiserzeit, vom Aufstieg der Nationalsozialisten, von Parteitagen, Aufständen, von Revuen und alltäglichen Begebenheiten, vom Prozess gegen die Angeklagten des 20. Juli, all dies Material, das einst im Reichsfilmarchiv gesammelt und nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten beschlagnahmt worden war.

Daneben türmen sich Filme aus den Geheimarchiven des KGB und der CIA, des polnischen, englischen und schwedischen Geheimdienstes, Dokumentaraufnahmen aus den Konzentrationslagern, vom Kampf um Berlin, aus den zerstörten deutschen Städten unmittelbar nach Kriegsende und vieles andere mehr.

Aufgespürt, erworben, eingetauscht, gesammelt und zum Teil selbst gedreht hat all dies ein Privatmann: Bengt von zur Mühlen. Nach vierzig Jahren ist aus seiner Sammlung eines der weltweit größten Privatarchive historischer Bildquellen geworden. Kaum ein Geschichtsfilm kommt ohne das Chronos Archiv aus, alle wichtigen Fernsehanstalten nicht nur aus Deutschland sind hier Kunden, dazu auch Filmemacher.

Vor einigen Jahren hat Bengt von zur Mühlen das Chronos Archiv an seinen Sohn Konstantin verkauft, da zur endgültigen Erfassung aller Teile, zur Pflege und vor allem zur Digitalisierung des vergänglichen Materials Investitionen nötig geworden waren, für die das Kapital fehlte. Konstantin von zur Mühlen, der vielleicht mit einem besseren Geschäftssinn als sein Vater ausgestattet ist, schwebt als ehrgeizigstes Produktionsvorhaben eine fünfzehnteilige DVD-Serie über die Geschichte Deutschlands vor. Im Augenblick aber konzentriert er sich auf die Entwicklung einer neuen Software für eine Filmdatenbank.

Kontakt:
Chronos-Film GmbH
Am Hochwald 30/3
14532 Kleinmachnow
Tel.: 033203 / 28201
Fax: 033203 / 28551
http://www.dhm.de/lemo/chronos/

Quelle: FAZ, 29.7.2003, S. 36.

Kontinuitäten ordnungsstaatlicher Archivgutschutz-Bestrebungen

Im Zuge des Zusammenbruchs des Kaiserreichs 1918 waren die Archive des Adels reine Privatarchive geworden. In ihnen spiegelte sich allerdings nicht nur die Familiengeschichte der Besitzer, sondern auch ein erheblicher Teil der allgemeinen Geschichte wider. Aus diesem Grunde empfanden es die staatlichen Archive als ihre Pflicht, die Aufsicht über dieses Archivgut zu fordern. Überlegungen in Richtung einer umfassenden Aufsicht der Staatsarchive über alle nichtstaatlichen, also kommunalen, kirchlichen und privaten Archive hatten bereits bald nach Kriegsende eingesetzt. 1922 arbeitete Heinrich Otto Meisner einen entsprechenden Gesetzentwurf aus. Dennoch gingen die Bemühungen um ein „Archivalienschutzgesetz“ nicht nur von Preußen aus, sondern auch von den staatlichen Archiven anderer Länder sowie vom Reichsarchiv. Die preußische Archivverwaltung hatte allerdings Ende der 1920er Jahre die Initiative in die Hand genommen, da eine reichseinheitliche Regelung nicht durchzusetzen war. Ein neuer Gesetzentwurf für Preußen nahm wesentliche Bestimmungen von 1922 wieder auf und sah ein „ständiges staatliches Aufsichts- und Fürsorgerecht“ vor, das „die staatlichen Aufsichtsbehörden im Benehmen mit dem Staatsarchiv“ ausüben sollten.

Deutliche Kritik an diesem Entwurf kam zuerst von den Kirchen, deren archivischen Eigenaktivitäten von der staatlichen Archivverwaltung mit großem Argwohn verfolgt wurden. Die kritischen Stellungnahmen von kirchlicher und auch kommunaler Seite führten immerhin zu einer grundlegenden Überarbeitung des Entwurfs. Dieser „Dezemberentwurf“ von 1931 wurde dann allerdings nicht nur von den Kirchen scharf abgelehnt, sondern stieß auch unter den bereits seit 1923 in den „Vereinigten Westfälischen Adelsarchiven e.V.“ zusammengeschlossenen westfälischen Adelsarchivbesitzern auf helle Empörung.

Der Entwurf eines Archivgutschutzgesetzes wurde dann erst unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten durch Albert Brackmann wieder aufgegriffen, wie Norbert Reimann in seiner Antrittsvorlesung anlässlich der Ernennung zum Honorarprofessor am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam am 15. Mai 2003 darlegt. Sein Vortrag behandelt die Bestrebungen der staatlichen Archivverwaltungen, ein generelles Aufsichtsrecht, also eine Hegemonie, über die nichtstaatlichen Archive gesetzlich zugewiesen zu bekommen. Der Höhepunkt dieser Bestrebungen um den archivischen Kulturschutz liegt in der Mitte der 1930er Jahre und war damals nachhaltig politisch motiviert.

Der junge und engagierte Mitarbeiter Brackmanns, Georg Winter, der 1950 erster Präsident des Bundesarchivs werden sollte, verfasste ein „Memorandum über die Eingliederung der Archivverwaltungen in die staatliche Organisation“. Der darauf basierende neue Gesetzentwurf übertraf an Umfang und Regelungsintensität alle bisherigen. Grundsatz war die Hegemonie der staatlichen Archivverwaltung über alle anderen Archivsparten. Die Arbeit der Archive sollte bewusst in den Dienst des neuen Staates gestellt werden.

Doch die maßgeblichen politischen Instanzen waren keineswegs bereit, einer Fachbehörde wie der Archivverwaltung derart weitgehende Rechte über das öffentliche Schriftgut einzuräumen. So kam man in der Generaldirektion der Preußischen Staatsarchive bzw. im Reichsarchiv zu dem Schluss, die Frage des Archivgutschutzes von dem Vorhaben der „Verreichlichung“ des gesamten Archivwesens zu trennen. 1936 wähnte man dann die Verabschiedung des erneut überarbeiteten Archivgutschutzgesetzes in trockenen Tüchern, zumal Hitler bereits zugestimmt haben sollte. Vieles von den einstigen Wünschen Brackmanns und Winters war im neuen Entwurf auf der Strecke geblieben und die archivfachlichen Bestimmungen waren zugunsten politischer Willensbekundungen stark in den Hintergrund getreten. Dennoch lehnte Hitler im Dezember 1936 den Gesetzentwurf unerwarteterweise ab, er gab offenbar zu bedenken, dass „durch das Gesetz in allzu großem Umfange in die rein private Sphäre der Familien eingegriffen“ würde.

In der Folge reichten sich immer neu geänderte Gesetzentwürfe und Einwände Hitlers die Hand, bis dieser im Juni 1938 schließlich bat, von der Weiterverfolgung des Gesetzes Abstand zu nehmen. Man spekulierte damals, Hitler habe das Gesetz aus Rücksicht auf die Familie Wagner und den Nachlass Richard Wagners zurückgewiesen, doch waren seine Bedenken angeblich durchaus allgemeinerer Art. Seine Entscheidung gegen das Gesetz war, so Norbert Reimann, „ein bewusste und ganz persönliche“. Es scheint, als habe der frühere Direktor der Vereinigten Westfälischen Adelsarchive, Heinrich Glasmeier, Hitler vom Erlass des Archivgutschutzgesetzes abgeraten. Ihm als Gaugeschäftsführer der NSDAP im Gau Westfalen-Nord war Hitler seit dem Lipper Wahlkampf im Januar 1933 („Durchbruchsschlacht in Lippe“) tief verbunden.

Die Archivgutschutzgesetzgebung war jedenfalls endgültig gescheitert. Neuen Auftrieb erhielt dadurch jedoch der Gedanke eines aktiven Archivgutschutzes durch ein System von Archivberatungsstellen, deren Einrichtung dann besonders in der Kriegszeit segensreich gewirkt hat, deren Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings nur in NRW durch die Archivberatungsstellen der Landschaftverbände fortgesetzt wurde.

Erstaunlicherweise schien führenden Köpfen des deutschen Archivwesens nach dem Kriege, trotz der sichtbaren Not, eine Frage von besonderem Interesse zu sein, nämlich das seinerzeit gescheiterte Archivgutschutzgesetz nun endlich doch noch durchzubringen. Der einzige, der Bedenken zu haben schien, war Georg Winter, der Deutsche Archivausschuss beschloss hingegen schon 1948, das Gesetzesvorhaben voranzutreiben. Auf dem Deutschen Archivtag 1951 in Marburg wurde gar ein förmlicher Gesetzentwurf verabschiedet. Er wanderte allerdings wie seine sechs Vorgänger seit 1921 in die Akten, wurde im Gebiet der der Britischen Zone auch nachdrücklich zurückgewiesen. Mitte der 1950er Jahre schlief die Diskussion um ein solches Gesetz ein.

Und dennoch gab es einen weiteren Versuch der staatlichen Archive: In NRW wurde noch 1972 von der staatlichen Archivverwaltung ein erneuter Gesetzentwurf ausgearbeitet, der die alten Regelungsvorschläge unbekümmert wieder aufgriff. Die Kontinuität der ordnungsstaatlichen Archivgutschutzbestrebungen fand erst durch die moderne Archivgesetzgebung seit 1987 ihr Ende, als man andere Ziele verfolgte, nämlich insbesondere das, Archivarbeit auch vor dem Hintergrund eines umfassenden Schutzes von personenbezogenen Informationen weiterhin zu ermöglichen. Das gesamte nichtöffentliche Archivwesen ist – mit geringen Einschränkungen – nach wie vor von jeder gesetzlichen Regelung frei.

Quelle:
Norbert Reimann: Kulturschutz und Hegemonie. Die Bemühungen der staatlichen Archive um ein Archivalienschutzgesetz in Deutschland 1921 bis 1972 (Antrittsvorlesung anlässlich der Ernennung zum Honorarprofessor am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam am 15. Mai 2003)

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Aufruf zum Tag der Archive 2004

2001 hatte der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare erstmals zu einem bundesweiten TAG DER ARCHIVE aufgerufen, der am 19. Mai des Jahres erfolgreich durchgeführt werden konnte. Rund 70.000 Besucher konnten an diesem Tag der offenen Tür in den deutschen Archiven gezählt werden. Die Bilanz dieses Ereignisses ist in dem auf dem 72. Deutschen Archivtag in Cottbus gegebenen Erfahrungsbericht enthalten (Tagungsband zum 72. Deutschen Archivtag 2001 in Cottbus, Der Archivar, Beiband 7, S. 351-365).

Nach den guten Erfahrungen anlässlich der erstmaligen Veranstaltung eines solchen Tages ruft der der Vorstand des VdA nunmehr für den 25. September 2004 erneut zu einem TAG DER ARCHIVE auf. In Anlehnung an den Tag des offenen Denkmals und an den Museumstag sollen die deutschen Archive an diesem Tag für Interessierte außerhalb der normalen Öffnungszeiten zugänglich sein. Die Archive erhalten dadurch eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Aufgaben – nicht nur in den Medien – vorzustellen sowie ihre Bedeutung für die Identität und Kultur unserer Gesellschaft herauszustellen. Die konkrete Ausgestaltung für den TAG DER ARCHIVE ist den einzelnen Archiven überlassen.

Die Archive sollten am 25. September 2004  zum einen den bisherigen Benutzern einen vertieften und ungewohnten Blick ins Archiv erlauben und zum andern die Neugier potentieller Archivbenutzer wecken. Führungen, Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen, Filmvorführungen haben sich als Programmelemente bewährt. Um eine größtmögliche Bandbreite des Archivwesens darzustellen, empfiehlt es sich, örtliche Kooperationspartner zu suchen. So könnten mehrere Archive an einem Ort einen „Archivwanderweg“ anbieten oder einzelne Archive die Zusammenarbeit mit anderen Kultureinrichtungen suchen.

Für die Archive werden seitens des VdA bis zum Frühjahr 2004 wieder Handreichungen mit Anregungen sowie Hilfen bei der Organisation und Durchführung der Aktion erarbeitet.

Quelle: Aufruf des VdA zum TAG DER ARCHIVE 2004 („Aktuelles“ auf der VdA-Homepage www.vda.archiv.net)

„Tag der offenen Tür“ im Sächsischen HSTA Dresden

Am 23. August 2003 beteiligt sich das Hauptstaatsarchiv Dresden in diesem Jahr erstmals mit einem „Tag der offenen Tür“ am „Tag des Gläsernen Regierungsviertels“. Wer sich dafür interessiert, wie die Unterlagen der Ministerien, der Gerichte und Behörden im Regierungsbezirk Dresden archiviert werden, welchen wichtigen Beitrag Archive leisten, um Verwaltungshandeln transparent zu machen und wie sie den Informationsanspruch von Bürgern, Wissenschaft und Verwaltung sichern, ist an diesem Tag herzlich zu einem Besuch eingeladen.

Es wird darüber informiert,

  • welche Unterlagen ins Archiv kommen und wie sie ausgewählt werden,
  • was Archivare tun, um die Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
  • welche Maßnahmen Archivare und Restauratoren ergreifen, um die Unterlagen auch für die nächsten 1000 Jahre zu erhalten,
  • wie man die Dienstleistungen des Archivs als Benutzer in Anspruch nehmen und
  • wie man Archivar oder Archivarin werden kann.

Außerdem kann man auf einem Rundgang über 12 Stationen einmalige Originale aus der sächsischen Geschichte betrachten, beim Buchbinden selbst Hand anlegen, historische Filme ansehen oder erfahren was es heißt, 40.000 Meter Archivgut zu verpacken. Diese und viele andere Informationsangebote werden dafür sorgen, dass der „Tag der offenen Tür“ im Hauptstaatsarchiv ein echter Publikumsmagnet sein wird.

Zum „Tag der offenen Tür“ ist das Hauptstaatsarchiv von 11.00 bis 16.00 Uhr geöffnet. Gruppen, die an Führungen teilnehmen wollen, werden um Voranmeldung gebeten.

Kontakt:
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden
Frau Dr. Andrea Wettmann
Archivstr. 14
01097 Dresden
Tel.: 0351/8006-138
andrea.wettmann@archive.smi.sachsen.de
www.sachsen.de/archiv

Kölns Nachlässigkeiten

„Return to Spender“ übertitelt die FAZ ihren Artikel über die drohende Schließung der Abteilung Sammlungen und Nachlässe im Historischen Archiv der Stadt Köln, das lange als Flagschiff unter den deutschen Kommunalarchiven galt, zudem das größte und eines der ältesten ist (vgl. Bericht).

Im Juni hatte die Kölner Stadtverwaltung eine Beschlussvorlage über die Auflösung der Abteilung eingebracht. Die Bestände sollen eingemottet, Schenkungen zurückgegeben werden und künftige Erwerbungen unterbleiben.

Seit zehn Jahren bereits ist das Historische Archiv dem kommunalen Spardruck ausgesetzt. Von einst 50 Mitarbeitern sind 30 übrig geblieben. Die allmähliche Auszehrung bekam vor allem die Abteilung Sammlungen und Nachlässe zu spüren, da deren Archivierung – anders als die des amtlichen Schriftgutes – nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Doch gerade diese Sammlungen machen das Renommee des Kölner Stadtarchivs aus. Neben dem mit 380 Kartons größten Nachlass Heinrich Bölls liegen hier 700 private Einzelfonds.

„Das Vermächtnis der Sammler würde rückgängig gemacht“, erklärt der Leiter der Abteilung, Eberhard Illner, der um die eigene Glaubwürdigkeit fürchtet. Viele der Nachlässe sind Schenkungen, die mit der Zusicherung, das sie wissenschaftlich aufgearbeitet werden und öffentlich zugänglich gehalten werden, anvertraut wurden. Andere wurden mit Drittmitteln erworben. Diese Gelder müssten zurückgezahlt, Spendenbescheinigungen aberkannt werden. Den erwarteten Einsparungen in Höhe von 138.000 Euro stünden, so Illner, Regressansprüche von mehr als einer halben Million Euro gegenüber.

Doch weder dieses finanzielle Argument, noch Bedenken des Rechtsamtes konnten die Beschlussvorlage bisher kippen.

Siehe auch den Kommentar von Konrad Adenauer (CDU), Vorsitzender des Kölnischen Geschichtsvereins: „Ein Akt der Barbarei“ (KSTA, 28.7.2003)

Kontakt:
Historisches Archiv der Stadt Köln
Severinstr. 222-228
D-50676 Köln
Telefon: 0221-221-22329
Telefax: 0221-221-22480
hastk@netcologne.de
http://www.stadt-koeln.de/kulturstadt/

Quelle: FAZ, 25.7.2003, S. 33.