Kundige Rolle von 1489 nach siebzig Jahren zurück in Bremen

Einen Sensationsfund konnten Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen und der Bremer Staatsarchivdirektor Prof. Dr. Konrad Elmshäuser am 26.5.2014 im Bremer Rathaus präsentieren. Völlig unerwartet hat das Staatsarchiv Bremen eines der wertvollsten Dokumente zurückerhalten, das seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen war – die Kundige Rolle von 1489. Seit dem 15. Jahrhundert wurden Ergänzungen des Bremer Rechts auf dieser Pergamentrolle festgeschrieben. Bürgermeister Böhrnsen: „Das ist eine großartige Nachricht. Mit ihr erhält Bremen unerwartet das längst verloren geglaubte „missing link“ seiner über 700-jährigen Rechts- und Verfassungsgeschichte und ein imposantes und einzigartiges Dokument im Original zurück. Und das haben wir ganz wesentlich dem Ansehen und Verhandlungsgeschick von Konrad Elmshäuser zu verdanken.“

Rund sieben Meter lang ist die Kundige Rolle, 15 cm breit, in jedem Jahr trug der Bürgermeister die Regeln des Zusammenlebens in Bremen vor. Bürgermeister Böhrnsen: „Wir wollen, dass die Bremerinnen und Bremer sich selbst einen Eindruck verschaffen können von diesem Schatz aus unserer Geschichte. Deshalb werden wir die Kundige Rolle am Jubiläumstag zum zehnjährigen Weltkulturerbe Roland und Rathaus am 7. Juli 2014 in der Oberen Halle ausstellen.“

Abb.: Bürgermeister Böhrnsen und Professor Elmshäuser präsentieren im Bremer Rathaus die Kundige Rolle (Foto: Staatsarchiv Bremen)

Abb.: Bürgermeister Böhrnsen und Professor Elmshäuser präsentieren im Bremer Rathaus die Kundige Rolle (Foto: Staatsarchiv Bremen)

Die Freie Hansestadt Bremen blickt auf eine lange Geschichte der bremischen Gesetzgebung und Rechtsprechung zurück. 1303 wurde das Bremer Recht erstmals in einem Stadtrechtsbuch systematisch zusammengefasst, seit dem 15. Jahrhundert schrieb man Zusätze zum Bremer Recht auf eine Pergamentrolle. Diese Kundige Rolle wuchs im Laufe der Jahre zu einem fast sieben Meter langen Schriftstück mit 225 Artikeln an. Sie wurde bis 1756 jährlich vom Rathaus öffentlich verkündigt und gedruckt.

Die Originale der mittelalterlichen Handschriften wurden vom Senat als ehrwürdige Denkmäler des bremischen Rechts stets in hohen Ehren gehalten. Im Zweiten Weltkrieg zählten die Stadtrechtshandschriften daher zu den wertvollsten Archivalien, die in ein Bergwerk in Sachsen Anhalt ausgelagert wurden. Sie überstanden Luftangriffe und Krieg unbeschadet, wurden dort aber bei Kriegsende zunächst von amerikanischen, dann von sowjetischen Besatzungstruppen beschlagnahmt. Im Frühjahr 1945 verliert sich daher die Spur der Kundigen Rolle. Auf die Verbringung der Bremer Archivalien in die UdSSR folgten langwierige Rückgabeverhandlungen, die erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Erfolg hatten. Seither kamen fast alle vermissten Archivalien aus der ehemaligen UdSSR und ihren Teilrepubliken nach Bremen zurück – nicht jedoch die Kundige Rolle von 1489. Sie galt bis vor wenigen Tagen als verschollen.

Der Hinweis eines Londoner Auktionshauses hat das Staatsarchiv Bremen nun zu einer Adresse im kalifornischen Kunsthandel geführt. Dort war man im Besitz eines ungewöhnlichen mittelalterlichen Manuskripts, dessen Zweck und Herkunft unklar waren. Der Austausch von Fotos mit dem Staatsarchiv brachte schnell Gewissheit, dass es sich um das Original der Kundigen Rolle handelte. Die Besitzerin war sofort bereit, das Stück so schnell wie möglich seiner Archivheimat zuzuführen. Konrad Elmshäuser erzählt begeistert: „Sicher verpackt und gut behütet kam die Kundige Rolle am 14. Mai 2014 als Luftfracht aus den USA im Staatsarchiv Bremen an. Unbeschädigt, vollständig und perfekt erhalten – über 500 Jahre nach ihrer Entstehung und über 70 Jahre nach dem Beginn ihrer Odyssee.“

Links:

Kontakt:
Staatsarchiv Bremen
Am Staatsarchiv 1
28203 Bremen
Telefon: 0421 / 361-6221
Telefax: 0421 / 361-10247
office@staatsarchiv.bremen.de
www.staatsarchiv.bremen.de

Quelle: Staatsarchiv Bremen, 26.5.2014

Ausstellung zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Hessen

Das Hessische Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden hat eine Wanderausstellung über die Aufarbeitung von nationalsozialistischen Verbrechen durch die hessische Justiz erarbeitet. Sie trägt den Titel „Die historische Wahrheit kund und zu wissen tun„. Der Titel ist ein Zitat von Fritz Bauer, der von 1956 bis zu seinem Tod 1968 als hessischer Generalstaatsanwalt amtierte und wichtige Beiträge zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen leistete.

Abb.: Ausstellung 'Die historische Wahrheit kund und zu wissen tun.' Die justizielle Aufarbeitung von NS-Verbrechen in Hessen

Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus war die Justiz als Handlangerin dieses verbrecherischen Systems zunächst diskreditiert. Die unter der NS-Herrschaft begangenen Straftaten beschäftigten seither immer wieder Ermittlungsbehörden und Gerichte, wenngleich mit unterschiedlicher Intensität. Unbestrittener Höhepunkt der Strafverfolgung war der „1. Frankfurter Auschwitz-Prozess„, den der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer auf den Weg gebracht hatte. Das Hessische Hauptstaatsarchiv dokumentiert in seiner Wanderausstellung über den Auschwitz-Prozess hinaus exemplarisch wichtige, in Hessen geführte NS-Verfahren der Nachkriegszeit.

Das ursprüngliche Verbrechen wird dabei seiner justiziellen Aufarbeitung gegenübergestellt. Die bemerkenswerte Ausstellung zeigt somit Opfer und Täter der Nazi-Zeit sowie die Staatsanwälte und Richter, die nach dem Krieg in Hessen Recht über die Verbrechen sprachen. Kurator Johann Zilien vom Hessischen Hauptstaatsarchiv hat dafür die Akten der Justiz in seinem Archiv ausgewertet, die nun erstmals in größerem Stil der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie sagen mehr, als der Laie von nüchternen Justizdokumenten erwarten würde, wie die FR konstatiert. In den Prozessakten finden sich Briefe, Postkarten und Persönliches.

Aus diesen Dokumenten spricht das Grauen des Nazi-Terrors. Die Prozessakten dokumentieren aber auch, auf welche Weise die Angeklagten in Schutz genommen wurden. Ein Gießener Psychiater attestierte beispielsweise dem früheren SS-Mann Hubert Gomerski,, der bereits am Verbrennungsofen der Tötungsanstalt Hadamar gestanden hatte und später als Wachmann im Vernichtungslager Sobibór eingesetzt wurde, dass „speziell bei ihm denkbar ungünstige Voraussetzungen zum Widerstand“ vorgelegen hätten – nämlich „Autoritätsgläubigkeit, Werkzeugpersönlichkeit, hohe Abhängigkeit vom Denken und Handeln seiner jeweiligen Bezugsgruppe“.

Die Aufarbeitung in der Ausstellung umfasst vor allem die Zeit von 1945 bis 1970, reicht aber auch bis zum Prozess gegen a href=“http://de.wikipedia.org/wiki/John_Demjanjuk“>John Demjanuk vor wenigen Jahren in München. Dabei zeigt sie, wie sich die Rechtsprechung im Laufe der Jahre veränderte. Schon kurz nach Kriegsende nahmen US-Militärgerichte ebenso wie unbelastete Justizbedienstete in den neu aufgebauten hessischen Behörden die Arbeit auf. Es gab zahlreiche Prozesse, teilweise drakonische Strafen – und mit dem Frankfurter Euthanasie-Prozess (1946-1948) ein herausragendes Verfahren.

Im Mai 2014 waren die 53 großformatigen Tafeln der Ausstellung im Foyer des Hauptstaatsarchivs in Wiesbaden zu sehen. Die Wanderausstellung kommt bis 2015 auch in andere Städte. Der Katalog umfasst die gesamte Ausstellung außer den Ton- und Filmdokumenten. Er kann auf der Internetseite www.hauptstaatsarchiv.hessen.de vollständig heruntergeladen werden.

Schulen können die Ausstellung als Poster erhalten. Ansprechpartner ist der Kurator Johann Zilien.

Kontakt:
Dr. Johann Zilien
Hessisches Hauptstaatsarchiv
Mosbacher Str. 55
65187 Wiesbaden
Tel.: +49 (0) 611/8 81-1 16
Johann.Zilien@hhstaw.hessen.de

Quelle: Pitt von Bebenburg, Frankfurter Rundschau, 27.5.2014; Hessisches Hauptstaatsarchiv, Aktuelles.

Notfallübung des Koblenzer Notfallverbandes

Gerüstet sein für die hoffentlich niemals eintretende Katastrophe – das war das Ziel einer Übung des im Herbst 2012 gegründeten Koblenzer Notfallverbundes auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle in Koblenz-Metternich am 14. Mai 2014.

Dem Koblenzer Notfallverbund gehören das Bundesarchiv, das Landeshauptarchiv Koblenz, das Stadtarchiv Koblenz, die Stadtbibliothek Koblenz und das Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz an. Rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Einrichtungen probten jetzt den Ernstfall, professionell begleitet und unterstützt von Vertretern der Koblenzer Berufsfeuerwehr.

Zunächst konnte an Kassationsgut und Makulatur aus den teilnehmenden Häusern das Brandverhalten unterschiedlicher Arten von Archiv- und Bibliotheksgut – einschließlich verschiedener Verpackungs- und Lagerungsformen – studiert werden. Im Hauptteil der Übung praktizierten die Teilnehmer danach das fachgerechte Bergen und Sichern der verbrannten und gelöschten Unterlagen. Einzelne Teams waren dabei zum Beispiel für Bergung, Transport, Sortierung, Schadenserfassung, Reinigung und Verpackung sowie für die Gesamtleitung verantwortlich. Ein wesentliches Anliegen der Übung bestand darin, mit- und aufeinander abgestimmte Abläufe zwischen den einzelnen Teams zu trainieren, die auch in einem echten Notfall funktionieren müssen und dann aufgrund der Praxiserfahrung leichter abgerufen werden können.

Abb.: Während der Notfallübung des Koblenzer Notfallverbandes am 14. Mai 2014 (Foto: LHA Koblenz)

Abb.: Während der Notfallübung des Koblenzer Notfallverbandes am 14. Mai 2014 (Foto: LHA Koblenz)

In der abschließenden gemeinsamen Manöverkritik haben die Teilnehmer die in der Übung gewonnenen Erkenntnisse kritisch aufgearbeitet, aber zugleich auch den positiven Effekt für das Funktionieren des Verbundes in einem etwaigen Ernstfall betont.

Quelle: Landeshauptarchiv, Aktuelles, 15.5.2014

28. Archivpädagogenkonferenz in Weimar zur Reformation

Erstmals widmete sich eine Archivpädagogenkonferenz mit dem Thema „Reformation“ einem einzigen inhaltlichen Schwerpunkt. Die 28. Archivpädagogenkonferenz, die am 23. und 24. Mai 2014 in Weimar stattfand, beschäftigte sich mit dem Einsatz frühneuzeitlicher Quellen in7 Archivpädagogik und Historischer Bildungsarbeit, also nicht zuletzt: im schulischen Unterricht.

Die Konferenz, die mit einer Führung durch das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar begann, fand im Herderzentrum statt, dem im Sommer 2013 eröffneten zentralen kirchlichen Veranstaltungsort in direkter Nachbarschaft zur Stadtkirche St. Peter und Paul (sog. „Herderkirche“). Die traditionell enge Zusammenarbeit zwischen dem Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Weimar und dem Hauptstaatsarchiv Weimar, das die Archivpädagogenkonferenz für den VdA-Arbeitskreis Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit organisiert und durchgeführt hat, drückte sich in den einleitenden Grußworten von Superintendent Henrich Herbst und von Staatsarchiv-Direktor Dr. Bernhard Post, aber auch in jenen von Dr. Christina Kindervater (Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur) und Dr. Andreas Jantowski (Direktor des Thillm in Bad Berka) aus. Sie betonten die Notwendigkeiten und Möglichkeiten quellengestützten Lernens für die kritische Rezeption historischer Traditionsbestände, die in Thüringen als Kernland der Reformation anhand zahlloser authentischer Quellen und Orte stattfinden kann. Sie wiesen dabei darauf hin, dass die kritische Geschichtsaneignung gerade in Weimar eine besondere Chance beinhalte, aber auch Verantwortung impliziere, da hier nicht nur die Geistesgrößen der deutschen Klassik, wie Goethe, Schiller, Wieland und Herder, öffentlich gewirkt hätten, sondern auch schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit offen praktiziert wurden – woran unter anderem die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald erinnert.

Abb.: Teilnehmende an der 28. Archivpädagogenkonferenz sowie Ltd. Archivdirektor Dr. Bernhard Post (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar) bei seiner Begrüßung (Foto: Susanne Freund, Potsdam)

Abb.: Teilnehmende an der 28. Archivpädagogenkonferenz sowie Ltd. Archivdirektor Dr. Bernhard Post (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar) bei seiner Begrüßung (Foto: Susanne Freund, Potsdam)

Die Fachvorträge des ersten Konferenztages bauten sinnvoll aufeinander auf. Zunächst präsentierte Prof. Dr. Anke John (Geschichtsdidaktik Universität Jena) empirische Befunde zum Quelleneinsatz im Geschichtsunterricht. Grundlage bildeten zwei Schullehrbücher in ihren Thüringer Ausgaben: „Geschichte und Geschehen 7/8“ sowie „Das waren Zeiten 2“. Schulbücher stellen immer noch das „Leitmedium“ dar, zumal Lehrerinnen und Lehrer mit anderen Medien nicht derart vollumfänglich vertraut seien, wie John am Beispiel Historischer Spielfilme (hier: dem Spielfilm „Luther“ von 2003) aufzeigte. Der Unterricht habe es zu leisten, Legenden um Luther bzw. des Lutherbildes zu hinterfragen und die Unterscheidung von Quelle und Deutung zu ermöglichen. John konstatierte eine „Rekonventionalisierung der Geschichtsvermittlung“ und kritisierte, dass Bildquellen häufig nur illustrativ eingesetzt würden. Im Rahmen von „Methodentrainings“ zum Filmeinsatz müssten hingegen Absichten von Bildern sowie Beziehungen von Bildelementen erkannt und herausgearbeitet werden. Bei der Quellenauswahl für die Thüringer Geschichtsbücher zeige sich zudem, dass die regionalgeschichtliche Konkretion von Themen zugunsten der europäischen Dimension verloren gehe. Auch kämen Gender-Perspektiven zu kurz. Dem ließe sich begegnen, indem z.B. auf die Beteiligung von Frauen an der Reformation wie an der Gegenreformation hingewiesen werden würde: als Flugfschriftenautorinnen, als Predigerinnen oder als Dichterinnen. Johns empirischen Befunde verdeutlichten, dass der Einsatz von Bildquellen und von Textquellen ein sehr unterschiedliches Profil habe. Das zeige sich beispielsweise in der höheren Aufmerksamkeit, die Bildquellen gemeinhin erführen, aber auch in der längeren Bearbeitungszeit für Textquellen. Empirisch belegbar sei, so fasste John abschließend zusammen, dass es einen  hohen Nutzen von Quellenarbeit im Geschichtsunterricht gebe, wenn es um die Faktoren Wissensvermittlung, Einnehmen von unterschiedlichen Perspektiven, Umgang mit Quellen sowie Konstruktion von Geschichte gehe.

Dagmar Blaha, die die Abteilung für ältere Bestände im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar leitet, konnte diese Befunde aufgreifen und ein neues Produkt für die Nutzung reformationsgeschichtlicher Quellen im Schulunterricht präsentieren: das Digitale Archiv der Reformation. Ab Ende 2015 werden in einer Internetplattform reformationsgeschichtliche Schriftzeugnisse aus Staatsarchiven „Mitteldeutschlands“ präsentiert und digital nutzbar gemacht. Projektbeteiligt sind die Länder Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Es sollen ganz unterschiedliche Zielgruppen erreicht werden, von interessierten Bürgern bis hin zu Wissenschaftlern, für die aber jeweils unterschiedliche Module bereit gestellt werden (so ein „Forschungsmodul“ und ein „Wissensmodul“). Zunächst sollen 119 intensiv aufbereitete Dokumente, z.B. umfangreiche Visitationsprotokolle, sowie zudem „Schlüsseldokumente“ der Frühen Neuzeit präsentiert werden. Das Angebot wird dabei neben dem Digitalisat auch Kurzregesten (mit Signatur), Abschriften, Übertragungen in modernes Deutsch, historische Einführungen und nach Möglichkeit auch Übersetzungen ins Englische umfassen. Das Portal „DigiRef“ ist ausbaufähig und soll perspektivisch neben Schriftzeugnissen auch digitalisierte Fotos und Baudenkmäler etc. beinhalten. Der Einsatz der mehrstufig erschlossenen Quellen wird sich vermutlich gut für Schulen eignen, Wissenschaftler werden hingegen ihre eigene Quellenauswahl treffen wollen und auch weitere Bestände zur Kontextualisierung ihrer jeweiligen Fragestellungen vor Ort in den Archiven nutzen müssen.

Im dritten Fachvortrag des Tages benannte Rigobert Möllers vom Arbeitsbereich „Medien und Informationstechnologien“ der Thillm die Aktivitäten dieses „Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien“ (Bad Berka) im Rahmen der Lutherdekade. Er will Originalquellen sowie deren Digitalisate als „Zumutung“, also als positiv verstandene Herausforderung für Schülerinnen und Schüler verstanden wissen. In seinem sehr engagierten Vortrag, der implizit die Anteile politischer Bildungsarbeit in der Geschichtslehrerfortbildung verdeutlichte, stellte er die Luther-Wanderausstellung des Thillm in ihrer animierten, dreidimensional online-gestellten Form vor. Mit ihr könne man lernen (und lehren), den Freiheitsbegriff Luthers differenziert zu betrachten: als individuelle Freiheit und als gesellschaftliche Verantwortung. So leiste die Ausstellung jene für die Pädagogik notwendige Verbindung aus problemorientierter Aufbereitung historischer Probleme und deren lebensweltlicher Adaption. In der Ausstellung werden das geistliche und das weltliche Regiment in je drei Stelen vorgestellt (2 x Glaube und Freiheit, Kirche und Welt, Mensch und Kultur, Sprache und Medien, Erziehung und Schule). – Dass angesichts des bevorstehenden Reformationsjubiläums 2017 die besondere Chance für die unterrichtliche Befassung mit frühneuzeitlichen Quellen gerade darin liege, dass man es nicht mit einem solitären Reformationsereignis, sondern mit einem langen Reformationsprozess im 16. und 17. Jahrhundert zu tun habe und dass man die ausgerufene „Lutherdekade“ bis zum Jubiläumsjahr eher als „Reformationsdekade“ auffassen müsse, kam an verschiedenen Stellen der Archivpädagogenkonferenz zum Ausdruck.

Traditionell beschliesst eine Runde der Konferenzteilnehmer mit eigenen kurzen „Berichten aus den Archiven“ den ersten Konferenztag. In diesen knappen Jahresrückblicken wurde beispielsweise auf das Angebot von Erarbeitungsvorschlägen modularer Art für Lehrerinnen und Lehrer als Service von Archiven bzw. Archivpädagogen hingewiesen (so im Staatsarchiv Hamburg, im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden oder im Landesarchiv NRW Abt. Detmold). Aufgrund großer Nachfrage hat das Stadtarchiv Hilden zusammen mit der dortigen VHS eine „Stadtführerausbildung“ für Senioren etabliert. Das Stadtarchiv bereitet zudem Thementafeln für „Haltestellen“-Geschichten auf, die den Wartenden an Bushaltestellen insbesondere biografische Hintergründe der Namenspatrone der jeweiligen Hildener Haltestellen liefern. Das Westfälische Wirtschaftsarchiv in Dortmund hat einen „Archivführerschein“ für Lehrerinnen und Lehrer der gymnasialen Oberstufe entwickelt. Das Historische Archiv der Stadt Köln interaktive Führungen, in denen beispielsweise Fließbandarbeit in einer Werkshalle nachgestellt wird. Und im Landesarchiv Baden-Württemberg geht man derzeit an die Planungen für die nächsten Karlsruher Tagung zur Archivpädagogik, die dort am 6.3.2015 stattfinden wird.

Am zweiten Tag der 28. Archivpädagogenkonferenz in Weimar ging es im Rahmen dreier Fachvorträge um Praxisbeispiele der Geschichtsvermittlung in Schule, Kirchenarchiv und Stadtmuseum: Heike Fiedler, die vom Grabbe-Gymnasium in Detmold stundenweise an die dortige Landesarchiv-Abteilung abgeordnete Archivpädagogin, und Tobias Knecht, derzeit Studienreferendar am Gymnasium Leopoldinum in Detmold, zeichneten im Rahmen ihrer „Reflexion zum Lernen im Archiv am Beispielen von Zeugnissen der Reformation in Lippe“ eine aktuelle gemeinsame Unterrichtsreihe nach. Wichtig war ihnen, dass dieses Pilotprojekt sorgfältig an die jeweiligen infrastrukturellen Voraussetzungen und inhaltlichen Bedürfnisse der Partner Schule und Archiv angepasst wurde. Die Unterrichtsreihe zielte auf die gleichsam vertikale Progression in der Fachwissenvermittlung ab – vom Sachurteil bis hin zum abschließenden Werturteil über die Religionsfreiheit als Menschenrecht. An historischen Quellen standen aus Gründen der didaktischen Reduktion zwei Dokumente im Zentrum. Sie sollten zudem den Beginn und den Abschluss der zeitgenössischen Entwicklung repräsentieren: Zu Beginn wurde ein Ablassbrief für Simon V. zur Lippe aus dem Jahr 1515 genutzt, im weiteren Verlauf dann der – im original 16 Seiten umfassende – Röhrentruper Rezess von 1617, mit dem sich der reformierte Graf zur Lippe und die lutherische Stadt Lemgo verglichen. Insgesamt 14 Unterrichtsdoppelstunden, von denen zwischen Ende März und Anfang Mai 2014 sechs in der Schule und acht im benachbarten Archiv durchgeführt wurden, widmeten sich in verschiedenen Modulen den archivischen Methoden und historischen Inhalten. Das von beiden Seiten (sowie insbesondere von der beteiligten Lerngruppe) als sehr gelungen bezeichnete Unterrichtsprojekt war von Zwischen- und Abschlussevaluationen begleitet worden, so dass deren differenzierte Ergebnisse auch als Handreichung für vergleichbare Projekte dienen können.

In ihrem anschließenden Vortrag zeigte Dr. Hannelore Schneider, die mit ihrem Landeskirchenarchiv in Eisenach jüngst einen neuen Standort beziehen konnte, wie sie mit wenig Mitteln und Kapazitäten für die Archivpädagogik dennoch ihrem Interesse an einer schulischen Begegnung mit dem Archiv nachzukommen versucht. Neben einem Seminarraum, der ihr nunmehr im neuen Gebäude zur Verfügung steht, verfügt sie über einen alten Schrank (aus dem Historismus). Hier, unter anderem in einem eingebauten Geheimfach, hinterlegt sie archivisches Schaumaterial, um mit Schülern anschließend gemeinsam „Geschichte aus dem Schrank“ heben zu können. Als naheliegende Kooperationspartnerin für die Kirchenarchivpädagogik bietet sich nunmehr die benachbarte Evangelische Grundschule an, für die Schneider im Zuge der Archivbauarbeiten extra eine eigene Gartenpforte auf das Archivgelände in den Zaun hat einbauen lassen. Dadurch ist ein kurzer Weg ins Archiv – und in die Geschichte – gewährleistet.

Ganz andere Bedingungen für die Geschichtsvermittlung besitzt naturgemäß ein Stadtmuseum: Gudrun Noll-Reinhardt, Stadtarchäologin vom Stadtmuseum Erfurt, präsentierte im abschließenden Vortrag der Archivpädagogenkonferenz, das von ihr und Museumsdirektor Hardy Eidam entwickelte „Geschichtslabor“ vor, einer Ausstellung zum komplexen Thema „Rebellion – Reformation – Revolution„, die am Reformationstag 2012 im Stadtmuseum Erfurt eröffnet wurde. Noll-Reinhardt, die im Zuge der Ausstellung, die sie kuratierte, auch museumspädagogische Kompetenz erwarb, führte die Konferenzteilnehmer virtuell durch die platzgreifende Ausstellung, die sie als „installative Konfrontation von Geschichte und Gegenwart“ verstanden wissen will. Das Museum bietet Platz und Gelegenheit für eine kreative Aneignung von Geschichte. Einerseits werden in eher klassischer Form Erfurt, wo Martin Luther zwischen 1501 und 1511 gelebt und studiert hatte, als „Wiege“ der Reformation vorgestellt. Andererseits führen eindrucksvolle, großformatige Installation verschiedene Fragehinsichten an (z.B. „Ich und das Andere?“), mit denen das Fortwirken reformatorischer Errungenschaften im eigenen Leben überprüft werden kann. Das Stadtmuseum erinnert mit dieser Ausstellung en passant daran, dass die Reformation, wenn man dabei den Fokus von Erfurt auf Wittenberg aufzieht, zunächst ein Universitätsereignis gewesen ist, der man die Entwicklung einer kritischen und unabhängigen Wissenschaft zu verdanken hat.

Im Anschluss an eine Konferenzzusammenfassung der Koordinatorin des VdA-Arbeitskreises Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit, Dr. Annekatrin Schaller (Stadtarchiv Neuss), die zugleich die nächste, die 29. Archivpädagogenkonferenz 2015 in Koblenz avisierte, bot Hausherr Dr. Bernhard Post den Teilnehmern eine kurzweilige Führung durch das Hauptstaatsarchiv Weimar und seine beeindruckenden Bestände, die in der aktuellen Archivausstellung zur Geschichte der Pädagogik in Thüringen endete und eine Generalprobe für die anschließende Lange Nacht der Museen in Weimar darstellte. Die von Katrin Göring, Ina Maletz und weiteren Mitarbeitenden des Hauptstaatsarchivs Weimar professionell und liebevoll organisierte 28. Archivpädagogenkonferenz gab den mehr als 40 Teilnehmern, darunter erneut einige Studierende der FH Potsdam, etliche Anregungen nicht nur zum Einsatz frühneuzeitlicher Archivquellen im Unterricht mit auf den Heimweg. Angesichts dieses Potenzials an motivierten und kompetenten Menschen, vielfältigen Archivbeständen und behördlicher Einsicht in die Notwendigkeit von Archivpädagogik ist es kaum erklärbar, dass es in Thüringen und manch anderen Bundesländern die zwischenzeitlich an die Staatsarchive abgeordneten Archivpädagogen nicht mehr gibt.

Jens Murken, Bielefeld

»Ihr lebt in einer großen Zeit …« Propaganda und Wirklichkeit im Ersten Weltkrieg

Der Titel der aktuellen Ausstellung „Ihr lebt in einer großen Zeit …“ im Steiermärkischen Landesarchiv ist ein wörtliches Zitat aus einem Plakat mit der Aufforderung zur Zeichnung der zweiten Kriegsanleihe im Mai 1915. „Ihr lebt in einer großen Zeit, der größten Eures Volkes. Sie verlangt starke Herzen, starkes Selbstvertrauen, die Kraft, sich zu behaupten im festen Ausharren – bis zum endlichen Siege.“

Der Begriff Propaganda hat von seinem ersten Auftauchen bis zu dessen heutiger Bedeutung einen starken inhaltlichen Wandel erfahren. Propaganda war im Ersten Weltkrieg sowohl nach innen – an die „Heimatfront“ – als auch an die Bevölkerung der Kriegsgegner sowie an die Menschen der nicht unmittelbar am Krieg beteiligten Staaten gerichtet.

Ausstellungsplakat © StLA

Abb.: Ausstellungsplakat © StLA

Erstmals wurde massiv das Mittel systematisch betriebener Propaganda eingesetzt, um die Moral von Soldaten wie Zivilbevölkerung zu stärken. Da der Krieg nicht nur von den Militärs an der Front geführt wurde, musste die gesamte Bevölkerung hinter dem kriegerischen Ziel vereint werden. Bewusste und zielgerichtete Manipulation stellte ein besonderes Charakteristikum in diesem Krieg dar.

Leistungen und Ereignisse der eigenen Seite an der Front wurden in idyllischer Weise verklärt, Taten des Gegners als unglaubliche Gräueltaten dargestellt. Für den Empfänger der Nachricht war es oft nicht möglich, die propagandistischen Lügen zu erkennen. Sowohl auf Seite der Mittelmächte als auch der Entente spielten in der Propagandamaschinerie Künstler, Schriftsteller, Intellektuelle und Wissenschaftler eine wichtige Rolle. Alle verfügbaren Kommunikationskanäle wurden zu Propagandazwecken aktiviert.

Die Ausstellung im Steiermärkischen Landesarchiv spricht anhand authentischer Quellen jene „Informationen“ an, die das „Leben in einer großen Zeit“ prägten und die Menschen beeinflussen sollten. Dem wird die Realität gegenübergestellt: die Grausamkeit des Geschehens an der Front sowie die Not, die Restriktionen im Alltagsleben, das Elend im Hinterland bzw. der Heimatfront und der daraus resultierende propagandistische Wandel vom Verteidigungskrieg hin zum Kampf einer Opfer- bzw. Leidensgemeinschaft.

DDie Ausstellung kann bis zum 16.6.2014, also auch noch während des Steirischen Archivtags am 12.6.2014, der sich mit „Quellen zum Ersten Weltkrieg aus regionalen Archiven und Sammlungen“ beschäftigen wird, zu den Öffnungszeiten des Steiermärkischen Landesarchivs/a> in Graz bei freiem Eintritt besucht werden.

Kontakt:
Landesarchiv Steiermark
Karmeliterplatz 3
8010 Graz
www.landesarchiv.steiermark.at

Quelle: Landesarchiv Steiermark, Medieninformation

Ausstellung zum 100. Jahr der Fürther Fußballmeisterschaft

Beinahe wäre die Spielvereinigung Greuther Fürth vergangene Woche wieder in die 1. Fußball-Bundesliga aufgestiegen und damit zugleich einen aktuellen Erfolg feiern sowie eines historischen gedenken können. Denn am 31. Mai 2014 jährt sich zum hundertsten Mal der erste Titelgewinn der Spielvereinigung Fürth. Aus diesem Anlass wurde eine sehenswerte Ausstellung konzipiert, die ab diesem Tag bis zum 6. Juli 2014 im Foyer des Stadtmuseums Fürth gezeigt wird. Begleitend dazu gibt es ein extra erstelltes Heft im Design der damaligen Zeit, um den ersten großen Triumph der Vereinsgeschichte zu feiern.

Die Ausstellung zeigt einige besondere Exponate, wie zum Beispiel den original Meisterwimpel von 1914, eine von der Spielvereinigung in Auftrag gegebene Kopie des damaligen Pokals zur Deutschen Meisterschaft, der Viktoria, sowie ein hundert Jahre altes Buch mit gesammelten Bildern und Zeitungsausschnitten von 1914. Zudem wird auf reich bebilderten Tafeln der Weg zur Meisterschaft nachgezeichnet.

Am Eröffnungstag (31. Mai 2014) findet auch ein kleines Rahmenprogramm im Stadtmuseum statt: Jürgen Schmidt, der Archivar der SpVgg Greuther Fürth, würdigt um 13.30 Uhr und um 15.00 Uhr in jeweils einem Kurzvortrag dieses Jubiläum und beantwortet gerne Ihre Fragen zur Ausstellung. Ferner wird das Heft zum Jubiläum vorgestellt, in dem zahlreiche, bisher noch nie gezeigte Fotos aus der Meistersaison abgedruckt sind.

Der Eintritt zu den Kurzvorträgen beläuft sich auf 3 Euro pro Person, ermäßigt 2 Euro, und berechtigt auch zum Besuch der Dauerausstellung und der aktuellen Sonderausstellung „Im Wandel der Zeit – Fürth damals und heute“.

Der Besuch der Foyer-Ausstellung ist frei.

Kontakt:
Stadtmuseum Fürth Ludwig Erhard
Ottostraße 2
90762 Fürth
Tel.: 0911/97922290
Fax: 0911/97922299
info@stadtmuseum-fuerth.de
www.stadtmuseum-fuerth.de

Britischer Historiker brütet im Archiv des Enzkreises über Auswanderer-Quellen

Drei Wochen lang spürte der britische Historiker Dr. James Boyd bei seinem Forschungsaufenthalt in Baden-Württemberg südwestdeutschen USA-Auswanderern nach – die meiste Zeit davon im Kreisarchiv des Enzkreises. Dort ist Boyd durchaus kein Unbekannter: Bereits 2011 und 2012 verbrachte er hier zahlreiche Tage für die Arbeit an seiner Doktorarbeit, die dann im vergangenen Jahr an der Universität Cardiff erschien. Sie befasste sich mit den Ursachen der deutschen Massenauswanderung im 19. Jahrhundert. Boyds regionale Forschungsschwerpunkte waren damals Diefenbach und Ölbronn.

Nun erhielt der dreißigjährige Wissenschaftler aus London ein Stipendium der Düsseldorfer Gerda-Henkel-Stiftung, das ihn sein Thema vertiefen und zugleich auf das 18. Jahrhundert ausweiten ließ. Archivleiter Konstantin Huber findet es bemerkenswert, dass südwestdeutsche Landesgeschichte immer wieder von ausländischen Universitäten aus erforscht wird: „Das liegt einerseits an der guten Quellenlage aufgrund der fortschrittlichen württembergischen Verwaltung in der Frühen Neuzeit“, vermutet Huber. Außerdem sei Württemberg aufgrund von Parallelen in der eigenen Verfassungsgeschichte für Briten und Nordamerikaner besonders interessant.

Sie haben gut lachen: Im Kreisarchiv erhielt der britische Historiker Dr. James Boyd (Mitte) wertvolle Unterstützung von Konstantin Huber und Eveline Sommer-Turkalj. (enz)

Abb.: Sie haben gut lachen: Im Kreisarchiv erhielt der britische Historiker Dr. James Boyd (Mitte) wertvolle Unterstützung von Konstantin Huber und Eveline Sommer-Turkalj. (enz)

Die Mitarbeiterinnen im Kreisarchiv beeindruckte, wie kompetent sich ein junger Brite in schwierige fremdsprachliche Handschriften einlesen konnte, die zudem noch voller Dialektausdrücke stecken. Denn dank der Unterstützung der Bürgermeister Norbert Holme und Jörg-Michael Teply konnte Boyd die Ölbronner und Wurmberger Archivalien zentral in Pforzheim einsehen.

Boyd schreibt aktuell an einem Aufsatz für eine englischsprachige Fachzeitschrift und freut sich schon auf seine Präsentation des Themas, die er im Juni am Deutschen Historischen Institut in Washington DC halten wird. Der Historiker interessiert sich insbesondere für die beiden Auswanderungswellen um 1750 und dann 1816/17, dem „Jahr ohne Sommer“, als ein Vulkan in Indonesien ausbrach und die Aschenwolke auch hierzulande zu Ernteausfall und Hungersnot führte.

Eine von Boyds Grundfragen lautet: Welchen Einfluss hatten die Auswanderer von 1750 auf die Emigranten um 1816/17? Außerdem will er wissen, warum aus einigen Gemeinden – eben Ölbronn und Wurmberg – bereits um 1750 Viele ihr Glück in der Ferne suchten, in anderen Orten wie Sternenfels dagegen erst knapp 70 Jahre später. Hierbei fand er heraus, dass die späteren Emigranten oft Verwandte der frühen Auswanderer waren. Und Boyd entdeckte, dass aus Maulbronn und Ludwigsburg gebürtige Kaufleute von Philadelphia aus die Verknüpfung zwischen der Alten und der Neuen Welt aufrecht hielten. Die Obrigkeit hierzulande bezeichnete sie als „Seelenverkäufer“, die andere Untertanen zur Auswanderung verführten.
James Boyd besuchte auch das Hauptstaatsarchiv und das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart sowie die staatlichen Archive in Ludwigsburg und Karlsruhe. Generell zeigte er sich beeindruckt von der Nutzerfreundlichkeit der deutschen Archive, insbesondere des Enzkreis-Archivs. Deshalb zögerte er keinen Moment, dem Enzkreis für die kommende Ausgabe seiner Jahrbuchreihe „Historisches und Aktuelles“ einen Beitrag mit seinen Forschungsergebnissen zu versprechen.

Kontakt:
Kreisarchiv des Enzkreises
Zähringerallee 3
75177 Pforzheim
Telefon 07231 308-9423
Telefax 07231 308-9837
Kreisarchiv@enzkreis.de

Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung 134 / 2014, 15.5.2014

Aachener Archivdirektor im Ruhestand

Archivdirektor Dr. Thomas Kraus, der seit 1979 im Stadtarchiv Aachen wirkte und seit 1997 – nach dem Ausscheiden des langjährigen Archivdirektors Dr. Herbert Lepper – dessen Leiter war, ist Ende April 2014 in den Ruhestand verabschiedet worden.

Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp würdigte den gebürtigen Recklinghäuser zusammen mit einer hochrangigen Gästeschar beim Abschied im Weißen Saal des Rathauses. Er erinnerte unter anderen an die Ausstellung „Aachen in französischer Zeit“, die die Sichtweise auf die französische Epoche Aachens in napoleonischer Zeit deutlich verändert habe.

Auch der Umzug des historisch bedeutenden Stadtarchivs Aachen vom Grashaus am Fischmarkt in die Nadelfabrik am Reichsweg im Jahr 2013 zählte zu den Höhepunkten im beruflichen Leben des gelernten Historikers. In seinem Ruhestand wird sich Kraus weiterhin dem historischen Grundlagenwerk „Aachen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart“ widmen. Den dritten Band, der die Jahre bis 1500 umfasst, wird Thomas Kraus im Alleingang bearbeiten.

Kontakt:
Stadtarchiv Aachen
in der Nadelfabrik
Reichsweg 30
52068 Aachen
Tel.: +49 / (0)241-432-4972
Fax: +49 / (0)241 / 432-4979
stadtarchiv@mail.aachen.de

Quelle: Aachener Zeitung, 28.4.2014

Der »Hellseher« Arthur Orlop (1912-1984): Archivalien zu einem »medialen Berater« in der Nachkriegszeit

Ein kleiner, nunmehr erschlossener Aktenbestand im Archiv des Freiburger Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) dokumentiert das Leben und Wirken des in den ersten Nachkriegsjahrzehnten in Deutschland berühmt gewordenen „Hellsehers“ Arthur Orlop (1912-1984). Die überlieferten Unterlagen zum Fall Orlop sind vor allem im Hinblick auf die Frage nach dem juristischen Umgang mit „medialen“ Anbietern in der Nachkriegszeit von größerem Interesse.

Arthur Orlop in einem Beitrag in der Zeitschrift

Abb.: Arthur Orlop in einem Beitrag in der Zeitschrift „Revue“ vom 28.4.1957 (IGPP)

Arthur Orlop wurde am 18.2.1912 in Mannheim geboren und war auch später durchgängig dort wohnhaft. Nachdem er eine Lehre zum Elektromechaniker abgebrochen hatte, absolvierte er eine Ausbildung als Schauspieler. Seit 1935 arbeitete er in diesem Beruf. Seit 1948 verlegte sich Orlop jedoch auf eine Tätigkeit als sogenannter „medialer Berater“ und erlangte damit im Verlauf der 1950er Jahre einen erheblichen Bekannheitsgrad.

Orlop wurde von zahlreichen Personen und Institutionen, u.a. durch Polizeibehörden, konsultiert, musste sich aber auch vor mehreren Karlsruher Gerichtsinstanzen verantworten. Schon Ende 1950 hatte man ihn wegen „Hellseherei“ belangt. 1959 wurde vom Verwaltungsgericht Mannheim gegen Orlop ein Berufsverbot als „Handschriftendeuter“ verhängt.

Die möglichen hellseherischen Fähigkeiten Orlops war zudem eine mehrfach diskutierte Forschungsfrage, verstärkt auch dem Karlsruher Gerichtsurteil. Mehrere Wissenschaftler führten wissenschaftliche Experimente mit ihm durch. Orlop selbst hatte das Interesse, durch die wissenschaftlichen Experimente eine offizielle Bestätigung seiner Fähigkeiten zu erhalten. Er arbeitete schwerpunktmäßig mit „psychometrischen Objekten“ (vor allem Handschriften), anhand derer er Aussagen über Personen, Orte oder Sachverhalte machte. Orlop war bis etwa Mitte der 1970er Jahre aktiv, dann wurde er durch einen schweren Unfall sehr beeinträchtigt.

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