Benjamin-Nachlass kommt nach Berlin

Im Herbst kommenden Jahres wechselt das Walter-Benjamin-Archiv von Frankfurt/Main nach Berlin. Diese Nachricht rührt an, weil sie das Bild einer späten Heimkehr assoziieren lässt. War doch der 1892 in Berlin geborene Schriftsteller jüdischer Herkunft, der sich 1940 auf der Flucht vor den Nazis in Port Bou an der französisch-spanischen Grenze das Leben nahm, in seinen letzten Jahren entwurzelt und unbehaust. Gestern teilten der Berliner Archivdirektor Wolfgang Trautwein und Philipp Reemtsma von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur mit, das Theodor-W.-Adorno-Archiv in Frankfurt/Main werde Benjamins dreiteiligen Nachlass an das Archiv der Berliner Akademie der Künste übergeben.

„Was sollte Benjamin auch in Frankfurt? Dort wurde er nicht einmal habilitiert. Weil das Verhältnis zwischen Adorno und Benjamin nicht das beste war, schien es uns schon immer misslich, Benjamins Texte in Frankfurt zu parken“, hieß es aus Kreisen des Adorno-Archivs. In dessen Räumen hatte man das Schriftenkonvolut – darunter Korrespondenzen, Notizen, Entwürfe und Erstfassungen seiner Hauptwerke wie „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“ und „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“ – 18 Jahre lang gelagert.

In Berlin wird dem Nachlass ungleich mehr Platz eingeräumt als in der Main-Metropole. Als Einrichtung der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, in deren Besitz Benjamins Vermächtnis ist, soll den Dokumenten als Bestandteil der Stiftung Archiv Akademie der Künste auf 250 Quadratmetern eigene Räume in der Abteilung Literatur, die in der Luisenstraße 60 (Mitte) untergebracht ist, zugewiesen werden.

Als Leiter der Benjamin-Sammlung wird kommissarisch Erdmut Wizisla fungieren. Der Leiter des gleichfalls in Berlin ansässigen Brecht-Archivs ist Benjamin-Kenner. Gelobt wurde „Aber ein Sturm weht vom Paradies her“, eine von ihm mitherausgegebene Anthologie mit Texten über Benjamin. Im Suhrkamp Verlag veröffentlicht Wizisla, der das Archiv später der Öffentlichkeit zugänglich machen will, demnächst eine Studie zum Verhältnis von Brecht und Benjamin. Er hoffe, „diese Herausforderung zu meistern“, sagte Erdmut Wizisla gestern.

Kontakt:
Theodor W. Adorno Archiv
Friedberger Anlage 24
D-60316 Frankfurt am Main
Tel: 069 – 43 23 23
Fax: 069 – 48 00 87 56
info@adorno-archiv.de

Quelle: Morgenpost, 31.10.2003; FAZ, 31.10.2003

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