Quellen zur Geschichte der Anstaltspsychiatrie in Westfalen

Das Hungersterben in den psychiatrischen Anstalten im Ersten Weltkrieg, die Weimarer Geisteskrankenfürsorge im Zeichen von Reform und Weltwirtschaftskrise, der nationalsozialistische Vernichtungsfeldzug gegen die psychisch Kranken und geistig Behinderten sowie die Psychiatrie der 1950er Jahre zwischen politischem Neuanfang und Reformbeginn, zwischen Verdrängung und Aufarbeitung – das sind die Schwerpunkte des soeben in der Veröffentlichungsreihe des LWL-Instituts für Regionalgeschichte erschienenen zweiten Bandes der großen Quellensammlung zur Geschichte der Anstaltspsychiatrie in Westfalen. Die Publikation knüpft an den ersten, ebenfalls epochenübergreifenden Band von Thomas Küster an, der den Zeitraum von 1800 bis 1914 umfasst. Eine vergleichbare Quellensammlung zur Psychiatriegeschichte gibt es bislang für keine andere deutsche Region. 

Der über 800 Seiten umfassende Band von Franz-Werner Kersting und Hans-Walter Schmuhl spiegelt und vertieft die breite zeithistorische Forschung zur Geschichte (und Vorgeschichte) der NS-Psychiatrie. Gleichzeitig greifen die beiden Herausgeber erstmals systematisch über die Zäsur von 1945 hinaus. Sie bieten eine Auswahl von 210 Einzeldokumenten unterschiedlicher Herkunft. Ihre Zusammenstellung berücksichtigt die Perspektiven der Akteure – und Täter – aus Verwaltung, Ärzteschaft und Pflegepersonal, trägt aber auch den leidvollen Erfahrungen von Patienten, Opfern und betroffenen Familien Rechnung. Alle Dokumente sind mit textkritischem Kommentar und ergänzenden Erläuterungen versehen. Eine umfangreiche Einleitung führt in die Gesamtthematik und in die Quellenauswahl ein.

Gleichwohl bildet der Band keine Aktenedition im strengen herkömmlichen Sinne. Er versteht sich vielmehr als \“Studienausgabe\“, die den Leserinnen und Lesern mit Hilfe aussagekräftiger Quellen den Einstieg in ein vielschichtiges und schwieriges Problemfeld erleichtern möchte. In diesem Sinne wendet sich die aktuelle Veröffentlichung des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte ganz bewusst nicht nur an Wissenschaft, Forschung und Studierende, sondern auch an heutige oder ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter psychiatrischer Einrichtungen innerhalb wie außerhalb Westfalens.

Info:
Franz-Werner Kersting/Hans-Walter Schmuhl (Hg.), 
Quellen zur Geschichte der Anstaltspsychiatrie in Westfalen.
Bd. 2: 1914-1955, "Forschungen zur Regionalgeschichte", Band 48. 
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004.
ISBN 3-506-71694-8, Euro 64,-. 
Subskriptionspreis bei Abnahme der Bände 1 und 2: 
Bd. 1: Euro 44,-
Bd. 2: Euro 52,-.

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