Hansestadt Stralsund? Vorpommern? Wer es bisher noch nicht kannte, hat zumindest mit dem Besuch des US-Präsidenten Bush davon gehört. Für Bundeskanzlerin Merkel ist es sogar das schönste Fleckchen Erde, zumindest in Deutschland. Wo sie Recht hat, hat sie Recht, denn hier kann der Besucher auf Schritt und Tritt Geschichte erleben und bekommt auch Geschichten erzählt. Die jüngste ist sicher die von der kurzen Visite des hohen Staatsgastes. Doch ein Stralsunder Stadtrundgang hat mit dem von der UNESCO anerkannten Welterbe jede Menge mehr zu bieten.
Bis ins 12. Jahrhundert war das Festland vor der Insel Rügen Siedlungsgebiet der slawischen Ranen. Bald nach der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert ließen sich deutsche Siedler aus westlichen Gebieten an der Meerenge des Strelasunds nieder und am 31. Oktober 1234 verlieh der Rügensche Fürst Wizlaw I. dem Ort Stralow das Stadtrecht. Handel, Schiffbau und Schifffahrt prägten in der Folgezeit die sich stetig entwickelnde Stadt. Davon zeugen auch die noch erhaltenen Kirchen, Klöster, das Rathaus und die vielen Bürgerhäuser.
Beginnen sollte der interessierte Gast seinen Rundgang durch die Stralsunder Altstadt zwischen Knieper- und Frankenteich und dem Strelasund am besten auf dem Alten Markt. In der Tourismuszentrale der Hansestadt kann man noch das aktuellste Material für einen Stadtrundgang erhalten oder sich sogar (empfehlenswert wegen der Geschichten) einer Führung anschließen. Der Alte Markt war um 1200 der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Stadt. Er wurde als \“forum antiquum\“ 1277 erstmals urkundlich erwähnt. Hier trieb man nicht nur Handel, man hielt auch Gericht und stellte an den Pranger. Der Markt zählt heute mit seiner Architektur, die die wechselhafte Geschichte widerspiegelt, zu den schönsten seiner Art im gesamten Ostseeraum. Neben dem sehenswerten, aus Backstein gebauten Rathaus (um 1270 erstmals erwähnt) sieht man hier hansetypische Giebelhäuser (z. B. das Wulflamhaus). Geprägt wird dieses Ensemble von einem wuchtigen Backsteinriesen, der Ratskirche St. Nikolai als Stralsunds ältester Pfarrkirche.
Lenkt der Tourist seinen Fuß dann in Richtung Fährstraße bis zum Hafen, kommt er an mehreren Gebäuden vorbei, die zu den ältesten der Hansestadt gehören. So stammt der Dachstuhl des Hauses Nr. 31 aus dem Jahre 1331. Die Hoffassade dieses Gebäudes zeigt ebenfalls noch den Originalzustand. Sehenswert auch das Haus in der Fährstraße 17. Es beherbergt eine der ältesten Kneipen Europas, die 1332 als \“taberna apud passagium\“ urkundlich bestätigt ist. Das beliebte Dünnbier des Mittelalters wird hier aber nicht mehr ausgeschenkt.
Bevor man für eine Pause in diese Kneipe einkehrt, lohnt sich noch ein Abstecher in die Schillstraße. Das Kloster St. Johannis wurde 1254 von Franziskanermönchen gegründet und war zur dieser Zeit die größte Niederlassung des Ordens im südlichen Ostseeraum. Es ist eines der ältesten Bauwerke der Hansestadt und besitzt wertvolle Gewölbe- und Wandmalereien. Mit Kapitelsaal, Kreuzgang, Räucherboden, Barockbibliothek und Rosengarten bietet die Klosteranlage ein herausragendes Kulturerlebnis. Außerdem beherbergt sie das Stralsunder Stadtarchiv, das Auskunft gibt über die wechselvolle Geschichte der gut 770-jährigen Stadt.
Nach einer Erfrischung in der Kneipe \“Zur Fähre\“ biegt man am besten in die Straße Am Fischmarkt ein und kommt an den Kanälen entlang zum Heilgeisthospital, auch Heilgeistkloster genannt. Es ist das älteste städtische Hospital, in dem ab Mitte des 13. Jahrhunderts Kranke, Alte und Hilfe Suchende Unterkunft fanden. Das Heilgeistkloster war eine Einrichtung der Stadt, kein Kloster. Zum Besitz gehörten um 1340 zum Beispiel die Insel Ummanz und ab 1836 die Insel Hiddensee sowie Dörfer des ganzen Umlandes. Dieser beträchtliche Wohlstand war auch die materielle Grundlage der Mildtätigkeit in diesem Hospital.
Besuchen sollte man auch die St. Jakobikirche, die in wenigen Minuten über die Heilgeiststraße erreicht wird. 1303 wird dieses Gotteshaus erstmals erwähnt. Es ist wohl die Stralsunder Kirche, die in den Jahrhunderten unter den vielen Kriegen und Unglücken, die über die Hansestadt hereinbrachen, am meisten zu leiden hatte. Während der französischen Besatzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts war sie sogar zum Pferdestall geworden. Der Besucher sollte sich auch in die dritte der großen Pfarrkirchen der Stadt, die riesige St. Marienkirche, begeben. Das Hauptschiff beeindruckt durch seine Größe und Perfektion. Besonders wertvoll ist die dort befindliche Friedrich-Stellwagen-Orgel. Wer bei schönem Wetter den herrlichen Blick über die Stadt, den Strelasund bis nach Rügen und im Osten bis zur Boddenstadt Barth genießen möchte, sollte den Kirchturm besteigen. Der Fußmarsch hoch hinaus lohnt sich.
Enden könnte der Rundgang durch die Stralsunder Altstadt vielleicht an oder in den beiden großen Museen der Stadt in der Mönchstraße. Das Kulturhistorische Museum widerspiegelt die Stadtgeschichte von den Ursprüngen über die Hansezeit bis zur historischen Gegenwart. Das wohl meistbesuchte Museum Norddeutschlands, das Deutsche Meeresmuseum, gibt in vielfältiger Form Auskunft über Flora und Fauna in den Weltmeeren und zeichnet gleichzeitig die Geschichte der einheimischen Fischerei und des Schiffbaus im Osten nach.
Noch etliche Stralsunder Geschichten warten darauf, erzählt zu werden. So sind das Burmeisterhaus in der Mönchstraße, das älteste Haus mit Pfeilergiebel in der Mühlenstraße, das Scharfrichterhaus in der Filterstraße, die Stadtmauer, die Stadttore, der Hafen und, und, und … noch zu entdecken. Wichtig ist vor allem eins, man nimmt sich Zeit, um auch Unscheinbares, Überraschendes und viele schöne Details oder romantische Plätze kennen zu lernen. Seit die Hansestadt Stralsund gemeinsam mit der Hansestadt Wismar von der UNESCO in die Liste des Welterbes aufgenommen wurde, steht die Stadt in einer Reihe mit den Pyramiden, mit Athen oder Florenz.
Links:
Quelle: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, Pressemeldung, 7.8.2006