Meistermann zu jung, um entartet zu sein

Der aus Solingen stammende Maler Georg Meistermann (1911-1990) schuf über eintausend Glasfenster an rund 250 Orten in Europa. Er war unter anderem Professor an der Frankfurter Städelschule, an der Akademie der Bildenden Künste München und an der Kunstakademie Düsseldorf sowie Präsident des Deutschen Künstlerbundes

Eine von den Nazis als neuen Machthabern im Februar 1933 geschlossene Ausstellung in Elberfeld ließ das Bild entstehen, Georg Meistermann sei ein verfemter Künstler gewesen. Neue Dokumente aus dem Solinger Stadtarchiv widerlegen diesen Mythos vom \“entarteten\“ Künstler Meistermann. Umfangreiche Recherchen in den Zeitungsbänden des Stadtarchivs offenbaren: Auch im \“Dritten Reich\“ wurde Georg Meistermann in Solingen und in der bergischen Region gezeigt.

Erst 1937 wurde die berüchtigte Ausstellung \“Entartete Kunst\“ im Münchner Haus der Kunst zum Signal für ideologische Verfolgung und Bildersturm. Im April 1937 stellte Georg Meistermann allerdings in Remscheid aus, 1941 in der Solinger Weihnachts-Kunstausstellung, und wie auch in den Jahren zuvor nahm das lokale Feuilleton davon detailliert Notiz (\“Beachtenswerte schöpferische Kräfte\“).

Die publizistischen Fundstücke untermauern, was Dr. Justinus Maria Calleen 1993 in seiner Dissertation über \“Georg Meistermann in St. Gereon zu Köln\“ wissenschaftlich belegt: Georg Meistermann sei, \“zu jung und zu unbekannt gewesen, um von den Nazis tatsächlich als ,entartet\“ verfolgt zu werden\“, er sei auch kein \“öffentlicher Widerstandskämpfer\“, als den ihn die Nachwelt gelegentlich zeichne, sehr wohl aber ein streitbarer NS-Gegner gewesen. Das Urteil des Kölner Kunsthistorikers, der zahlreiche Gespräche mit Meistermann selbst und mit seinen Weggefährten und Freunden führen konnte, hat Gewicht: Calleen ist ein Enkel Meistermanns.

Quelle: Wilhelm Rosenbaum, Solinger Tageblatt, 3.6.2006

INA-Archiv online

Das französische \“Institut national de l’audiovisuel\“ (INA) besitzt das Pflichtexemplarrecht fast aller Fernsehsendungen in Frankreich und der fünf Radiokanäle von Radio France. – Wie wurde 1940 in den französischen Wochenschauen über die Treffen zwischen Pétain und Hitler berichtet? Was sagte de Gaulle in seiner Fernsehansprache zwei Tage vor dem Referendum über die Unabhängigkeit Algeriens? Und wie klang die Stimme von Jean-Paul Sartre? 

Die jüngst eröffnete Website des INA erlaubt es, diese und zahllose ähnliche Fragen zu beantworten. Rund 100.000 Radio- und Fernsehsendungen sind nunmehr online verfügbar gemacht (80% frei zugänglich, der Rest gegen geringe Kosten von bis zu 12 Euro). Mit den Einnahmen der heruntergeladenen Sendungen sollen hauptsächlich die Urheberrechte und die weitere Digitalisierung bezahlt werden. Dank einer Suchmaschine und einer thematischen Einstiegsmöglichkeit ist die Recherche in vielen Fällen erfolgreich.

Die auch in Englisch abrufbare Website ist ein Nebenprodukt der 1999 begonnenen Digitalisierung der rund 3 Millionen Programmstunden des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Radios, die das INA konserviert. Bei einem Viertel der Archive muss das bis zum Jahr 2015 geschehen sein, andernfalls laufen sie aufgrund der Fragilität der Datenträger Gefahr, zerstört zu werden.

Link: http://www.ina.fr

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 2.6.2006

Jahrestreffen der Stormarner Archive

Der Frage der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Museen und den Archiven in Stormarn widmeten sich Stormarns Archivare auf ihrer Jahrestagung im Ahrenburger Rathaus. Neben den Archivaren waren auch Museumsfachleute sowie der Direktor des schleswig-holsteinischen Landesarchivs Professor Reimer Witt, Iris Groschek vom Staatsarchiv Hamburg und Dr. Martin Kleinfeld vom Kreisarchiv Harburg anwesend.

\“Museen und Archive leisten historische Bildungsarbeit und haben ein gemeinsames Ziel: Die Rettung von Kulturerzeugnissen\“, leitete Martin Kleinfeld seinen Vortrag ein. Aus erster Hand konnte er berichten, wie eine Kooperation funktionieren kann. Kleinfeld ist neben seiner Tätigkeit beim Genossenschaftlichen Archiv in Hanstedt einen Tag in der Woche auch im Freilichtmuseum am Kiekeberg in Harburg anzutreffen.

Eine vergleichbare Zusammenarbeit gibt es in Stormarn nicht. Das soll sich ändern. Stefan Watzlawik vom Kreisarchiv Stormarn hält gemeinsame Sonderausstellungen, aber auch eine Zusammenarbeit bei Kulturportalen im Internet für wünschenswert.

Quelle: Alice Friedrich, Hamburger Abendblatt, 1.6.2006

Zwanzig Jahre Vaihinger Stadtarchiv

„Das Stadtarchiv kann man als das Gedächtnis der Stadt bezeichnen,“ meint Vaihingens Stadtarchivar Lothar Behr. Rund 1500 laufende Meter Akten in zwei Magazinräumen, 6700 Bücher in der Präsenzbibliothek, ein Benutzerraum mit acht Arbeitsplätze und anderes mehr gehören zum Vaihinger „Gedächtnis“. Am Maientag vor 20 Jahren weihte Oberbürgermeister Heinz Kälberer das Stadtarchiv in dem sanierten Gebäude Spitalstraße 8 ein. Behr und seine Mitarbeiterin Hedwig Heidrich laden am Sonntag (04. Juni) zwischen 13.00 Uhr und 18.00 Uhr zum Tag der offenen Tür ein. Wer mehr über das Stadtarchiv wissen will, kann an den Führungen um 14.00 Uhr oder um 16.00 Uhr teilnehmen. 

„In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Archiv als kulturelle Institution etabliert. Dank der Ausstellungen und den Veröffentlichungen ist es gelungen, das Interesse der Bevölkerung für die Stadtgeschichte zu wecken und zu stärken,“ erklärt der Stadtarchivar. Jedem, der ein berechtigtes Interesse nachweist, steht das Archiv offen. Behr freut sich, dass die Anzahl der Besucher und Benutzer ein konstant hohes Niveau hat. Sie können in den Akten und Büchern recherchieren. Das Archiv-Team unterstützt die Interessierten bei ihren Forschungen. 

Das Archiv bewahrt rechtlich und historisch wichtige Unterlagen auf – das ist die Kernaufgabe des städtischen „Gedächtnisses“. In den Rollregalen der Spitalstraße 8 liegen nicht nur Unterlagen über die Stadtgeschichte Vaihingens, sondern auch aus den Archiven der übrigen acht Stadtteile. Die Dokumente sind sowohl amtliche Unterlagen als auch private. „Teilweise stellen uns Privatpersonen, aber auch Firmen und Vereine ihre Überlieferungen zur Verfügung,“ erklärt Behr. Zu den Büchern der Präsenzbibliothek gehören unter anderem allgemeine Nachschlagewerke, Schriften zur Landes-, Orts- und Familiengeschichte. Die Dauerausstellung „Stadtgeschichte in Dokumenten“ gibt einen Überblick zu den Unterlagen im Stadtarchiv. 

Auch ein Archiv muss an die Zukunft denken: Die Stadt plant, das Gebäude zu erweitern. Erste Bauarbeiten haben die Spitalstraße 8 mit dem Nachbarhaus Neue Gasse 4 bereits verbunden.

Quelle: Pressemitteilung, 1.6.2006

Shoa.de ausgezeichnet

Das bundesweite \“Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt\“ hat in seinem zum fünften Mal durchgeführten Wettbewerb \“Aktiv für Demokratie und Toleranz\“ den Arbeitskreis Shoa.de e.V. ausgezeichnet und damit das Projekt für seine vorbildlichen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten gewürdigt.

Shoa.de ist eine gemeinnützige Initiative, die sich unter dem Gedanken zivilgesellschaftlichen Engagements der wissenschaftlich-didaktischen Auseinandersetzung mit den Themen Drittes Reich, Antisemitismus und Holocaust sowie ihren Nachwirkungen bis in die Gegenwart widmet.

Ohne jegliche institutionelle Förderung und allein durch das Engagement von über 120 ehrenamtlichen Autoren, bietet das Portal einen einzigartigen, virtuellen Informations- und Gedenkort, der jedem Interessierten auch die Möglichkeit eröffnet, sich einzubringen und das Portal aktiv mitzugestalten.

Mit seinem Auftrag, zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland zu vernetzen, hat das Bündnis für Demokratie und Toleranz mehr als 1.300 Gruppen – von großen Verbänden bis zu kleinen Initiativen – unter seinem Dach sammeln können. Seine Aufgaben erstrecken sich dabei von der Beratung und Unterstützung einzelner Initiativen über die Initiierung eigener modellhafter Projekte bis hin zu zentralen Aufklärungskampagnen in Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Akteuren.

Links:

Kontakt:
Arbeitskreis Shoa.de e.V.
Stefan Mannes
Choriner Str. 23
10435 Berlin
Tel. +49 (0)30-48493931
Fax. +49 (0)30-44032329
mannes.s@shoa.de
www.shoa.de

Tagung des Westfälischen Altertumsvereins in Arnsberg

Zum ersten Mal in seiner über 180-jährigen Geschichte hält der Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Paderborn e.V. eine gemeinsame Sitzung seines Vorstandes und Beirates in Arnsberg ab. 

Der traditionsreiche Verein, einer der ältesten Geschichtsvereine Deutschlands (gegründet 1824), bietet mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen wie der \“Westfälische Zeitschrift\“ oder der Zeitschrift \“Westfalen\“ sowie seinem abwechslungsreichen Jahresprogramm, zum Beispiel den Tag der Westfälischen Geschichte, Vorträgen und Exkursionen, für Jeden an der Westfälischen Landesgeschichte Interessierten Informationen und Anregungen auf hohem Niveau. Informationen gibt es beim Stadtarchiv Arnsberg, Telefon 02932/201-1241, oder unter www.altertumsverein-paderborn.de

Die circa 25 Vorstands- und Beiratsmitglieder werden unter der Leitung des Vereinsdirektors Dr. Hermann-Josef Schmalor, der selbst aus Sundern-Hagen stammt, am Donnerstag, 8. Juni, nachmittags im neugestalteten Westflügel des ehemaligen Klosters Wedinghausen, Klosterstraße 11, tagen. Das Stadt- und Landständearchiv bleibt aus diesem Grunde an diesem Nachmittag für die öffentliche Nutzung geschlossen.

Kontakt:
Dr. Hermann-Josef Schmalor
Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens,
Abt. Paderborn e.V.
Pontanusstr. 55 (Stadtarchiv)
33095 Paderborn
Tel.: 05251/881595
Fax: 05251/882047
E-Mail: direktor@altertumsverein-paderborn.org 
http://www.altertumsverein-paderborn.org

Skizze zur Laterne in der Gladbacher Rathausstraße

Um eine Neuerwerbung reicher ist jetzt das Stadtarchiv Mönchengladbach. Franz Köster schenkte der Stadt den Entwurf seines Vaters Heinrich für dessen Meisterstück als Schlosser: die Laterne mit großem Ausleger in der Rathausstraße am Abteiberg gegenüber der Balderichstatue. Heinrich Köster (1889-1964) fertigte 1913 für seine Meisterprüfung einen Ausleger samt Laterne an. Er machte es sich zur Aufgabe, Symbole weltlicher und kirchlicher Gewalt zusammenzuführen. So arbeitete Köster das Stadtwappen und eine Helebarde ein, es ist aber auch ein Abtsstab zu erkennen. 

Nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg setzten Vater und Sohn Köster die Lampe wieder instand. 1962 konnte sie erneut an ihren Standort montiert werden. Das Stadtarchiv stellt nun die Skizze in einer Vitrine aus, in der sie mit Abbildungen des eisernen Tores der Hofeinfahrt des Rathauses Abteiberg verglichen werden kann. Auch diese exzellente Schmiedearbeit stammt aus der Werkstatt von Heinrich Köster. Dessen Vater Franz (1859-1932) hatte dieses 1896 ursprünglich für die Mönchengladbacher Niederlassung der Firma Bayer gefertigt. 1959 konnte das Tor für das Rathaus erworben werden. Die Familie Köster hinterließ mit ihrem Kunsthandwerk über drei Generationen bleibende Spuren in der Stadt.

Kontakt:
Stadtarchiv Mönchengladbach
Aachener Str. 2
41050 Mönchengladbach
Telefon: 02161-253241
Telefax: 02161-253259
stadtarchiv@moenchengladbach.de

Quelle: Stadt Mönchengladbach, Pressemeldung, 31.5.2006

Erstes Fernsehmuseum als Dauerheimat und Präsenzbibliothek

Mit der Eröffnung des ersten deutschen Fernsehmuseums am 1. Juni 2006 in Berlin erhält das faszinierende Medium aus der Alltagskultur der heutigen Gesellschaft eine dauerhafte Heimat. Das von der Stiftung Deutsche Kinemathek realisierte Großprojekt in den großzügigen Räumlichkeiten im \“Sony Center\“ am Potsdamer Platz versteht sich als Präsenzbibliothek, die unter anderem repräsentative Sendungen der zahlreichen Programmsparten von preisgekrönten Produktionen bis unvergessenen Live-Shows zeigt. Zur Zeitreise durch die bewegten Bilder gehören neben Filmen und Unterhaltungsformaten auch Politik und Zeitgeschehen wie der Nachrichtenklassiker \“Tagesschau\“ sowie das TV-Angebot im digitalen Zeitalter. 

Die Finanzierung des Fernsehmuseums (Baubeginn: Juli 2005) wurde aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und dem Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE) getragen. Einen Großteil des geschätzten Jahresbudgets von einer Million Euro übernimmt der Sponsor Veolia Wasser GmbH. Dazu kommt die Unterstützung vom Senat für Kultur und Wissenschaft des Landes Berlin und die Förderung von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Die Fernsehsender selbst halten sich nach Informationen von \“TV Spielfilm\“ allerdings stark zurück – die ARD beteiligte sich demnach mit 60.000 Euro, das ZDF noch mit 40.000 Euro, und die privaten Senderfamilien öffneten ihre Schatullen erst gar nicht. 

\“Das Fernsehmuseum strebt nicht danach, durch ein etwa lückenloses Archiv zu glänzen. Es wird stattdessen ein lebendiges Forum der Geschichte und Gegenwart des Fernsehens sein, wobei das schon bestehende Filmhaus in idealer Weise komplettiert wird\“, erläuterte Pressesprecherin Sabine Sasse gegenüber pressetext.

Die Verantwortlichen um Peter Paul Kubitz, Programmdirektor Fernsehen, wollen den Besuchern eine klare Aufteilung bieten. So gibt es einerseits die ständige Ausstellung zur Fernsehprogrammgeschichte in West und Ost mit medienpolitischen Hintergründen von 1952 bis heute. Über eine Wendeltreppe geht es zur Programmgalerie, in der eine Auswahl deutscher Fernseh- und Radiosendungen der letzten 50 Jahre individuell – und nach Wunsch auch in voller Länge – abgerufen werden kann. Schließlich sind Sonderausstellungen vorgesehen, in denen sich das Museum mit einzelnen Themenschwerpunkten zur Programmgeschichte und Programmgegenwart befassen wird. In diesem Jahr stehen \“Tor!\“, eine bis 30. Juli anberaumte Fernseh-Revue zur Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, und \“Die Politiker\“, ein kritischer Rückblick auf die Darstellung und Inszenierung von Politik im Fernsehen, auf dem Plan. – Loriot eröffnet am 31. Mai 2006 mit einer Festrede das Fernsehmuseum der Stiftung Deutsche Kinemathek

Kontakt:
Fernsehmuseum der Stiftung Deutsche Kinemathek 
Filmhaus am Potsdamer Platz (Sony Center) 
Potsdamer Str. 2
10785 Berlin
Tel: 030/300 903-0 
info@deutsche-kinemathek.de 

Öffnungszeiten:
Di-So 10 bis 18 Uhr
Do 10 bis 20 Uhr
montags geschlossen

Eintritt:
Erwachsene 6 € (Fernseh- und Filmmuseum)
Ermäßigt 4 €
Sonderausstellungen 4 €
Ermäßigt 3 €

Quelle: pressetext.deutschland, 30.5.2006

Der Astronom Christian Mayer SJ (1719-1783)

An der Universität Heidelberg hatte Professor Christian Mayer SJ die ersten Lehrstühle für Experimentalphysik und Astronomie inne und leitete das erste physikalische Kabinett – Würdigung seiner vielseitigen wissenschaftlichen und pädagogischen Tätigkeit Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch eine klare Abgrenzung zwischen Forschung und Lehre, eine Abgrenzung, die am deutlichsten in der Verschiedenheit der Aufgaben der Universitäten und der Akademien der Wissenschaften zum Ausdruck kam. Nach der Bemerkung Albrecht von Hallers waren erstere \“zur Belehrung der Jugend\“, die zweiten \“zum Erfinden\“ da. Die Synthese beziehungsweise die Einheit von Forschung und Lehre, eines der Leitprinzipien des modernen Universitäts- und Wissenschaftsbetriebs, kann in Bezug auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts somit nicht anhand der Geschichte einzelner Institutionen oder Einrichtungen wie den Universitäten und den Akademien der Wissenschaften untersucht werden. Nur eine Studie über jene Wissenschaftler, die in dieser Zeit sowohl als Gelehrte als auch als Universitätsprofessoren wirkten, kann den Zusammenhang von Forschung und Lehre aufzeigen und analysieren. In den Kreis dieser Wissenschaftler gehörte auch der bedeutendste Naturwissenschaftler der Universität Heidelberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Christian Mayer SJ (1719-1783).

Die von dem emeritierten Heidelberger Historiker Prof. Dr. Eike Wolgast betreute Dissertation ist die erstmalige Würdigung der vielseitigen wissenschaftlichen und pädagogischen Tätigkeit Christian Mayers. An der Universität Heidelberg hatte er die ersten Lehrstühle für Experimentalphysik und Astronomie inne und leitete das erste physikalische Kabinett sowie die erste Naturaliensammlung der Universität. Zu seinen Verdiensten gehört die Errichtung der Sternwarten in Schwetzingen und in Mannheim auf Kosten des kurpfälzischen Kurfürsten Karl Theodors, die wegen der Heranziehung Heidelberger Studenten und Dozenten zu den astronomischen Beobachtungen auch die ersten Universitätssternwarten genannt werden können.

Als erster Forscher bewies der Mannheimer Hofastronom Christian Mayer, dass Doppelsterne nicht nur ein rein optisches Phänomen waren, sondern dass es Systeme von aufeinander bezogene und physikalisch zusammengehörige Sterne bzw. \“Fixsterntrabanten\“ gab. Nicht der Astronom Wilhelm Herschel, dem heute vor allem das Verdienst zugeschrieben wird, die Doppelsterne beobachtet und verzeichnet zu haben, sondern Christian Mayer war der Bahnbrecher auf dem Gebiet der Doppelsterne, deren ersten modernen Katalog er veröffentlichte. Als erster auch erstellte er geographisch genaue Karten der Kurpfalz \“Basis Palatina\“ und \“Charta Palatina\“.

Als einer der ersten Wissenschaftler beobachtete Mayer den 1781 entdeckten Planeten Uranus und nahm als einziger Gelehrter seiner Zeit an allen drei internationalen naturwissenschaftlichen Projekten des 18. Jahrhunderts teil: am europäischen Kartierungsprojekt von César François Cassini de Thury, am Projekt der Beobachtung des Venusdurchganges von 1761 in Schwetzingen und 1769 in Sankt Petersburg und am Aufbau des ersten internationalen meteorologischen Netzwerkes \“Societas Meteorologica Palatina\“.

Im Auftrag des kurpfälzischen Kurfürsten erarbeitete Mayer das Projekt zur besseren Wasserversorgung der Stadt Mannheim. Im Auftrag der Petersburger Akademie der Wissenschaften entwickelte er eine Methode zur schnellen, genauen und kostengünstigen Kartierung des Russischen Reiches.

Der mehrmalige Rektor der Universität Heidelberg und Dekan der Philosophischen Fakultät Christian Mayer stiftete testamentarisch das einzige Stipendium im 18. Jahrhundert für bedürftige katholische Studierende.

Mayer genoss großes Ansehen in der Gelehrtenrepublik, und die Akademien der Wissenschaften und Gelehrtengesellschaften von Bologna, Düsseldorf, Göttingen, Halle, London, Mannheim, München und Philadelphia zählten ihn zu ihren Mitgliedern. Zu den Korrespondenten Mayers gehörten Johann und Daniel Bernoulli, Sebastiano Canterzani, Jean Nicolas Delisle, Johann Albrecht Euler, Jean Henri Samuel Formey, Joseph Jérôme Lefrançais de Lalande, Andreas Lexell, Nevil Maskelyne und andere.

Trotz der überragenden Bedeutung Mayers für die Geschichte der Naturwissenschaften und die Geschichte der Heidelberger Universität fehlte bislang eine auf Quellen und modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Untersuchung seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit. Dies lässt sich zum einen durch einen erschwerten Zugang zu den Quellen erklären, denn Mayers Archiv verbrannte im Jahre 1776 vollständig in der Mannheimer Sternwarte, und wegen des Fehlens eines zentralen Aufbewahrungsortes müssen seine Briefe und Abhandlungen in unterschiedlichen Archiven und Bibliotheken weltweit aufgespürt werden. Zum anderen erstreckte sich Mayers Forschungs- und Lehrtätigkeit auf mehrere Wissenschaften zugleich, und zwar auf die Experimentalphysik, die Mathematik, die Kartographie, die Geodäsie, die Astronomie, die Meteorologie und auf die Metrologie, wodurch eine systematische Studie zu Mayers wissenschaftlicher Leistung und Bedeutung einen breiten interdisziplinären Ansatz erfordert. Eine weitere Schwierigkeit in der Erforschung von Mayers Werk besteht in der dafür notwendigen Mehrsprachigkeit: Mayers Arbeitssprachen waren Latein, Deutsch, Französisch und Englisch. 1769 wurde seine umfangreiche Abhandlung über den Venusdurchgang ins Russische übersetzt. Sekundärliteratur zu Mayer gibt es außer in den genannten Sprachen auf Italienisch, Tschechisch und Ungarisch.

Die hier vorgestellte Arbeit beruht auf umfangreichen Quellenstudien. Im Laufe der systematischen Suche nach Mayers wissenschaftlicher Korrespondenz wurden Quellenfonds und Handschriftenabteilungen in mehr als 40 Archiven, Bibliotheken und Forschungseinrichtungen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen, Russland, Tschechien, der Schweiz, Ungarn und den USA durchforscht. Das Ergebnis waren über 140 Texte, von denen ein beträchtlicher Teil aus der Petersburger Abteilung der Akademie der Wissenschaften von Russland stammt, und das umfangreiche Schriftum Mayers, das aus mehr als 60 gedruckten Arbeiten besteht. Durch die Einträge der von Mayer entdeckten Sternensysteme in die Doppelsternkataloge und außerdem durch die Benennung eines Mondkraters nach ihm im östlichen Teil des Kalten Meeres (Mare Frigoris) – als einem von wenigen Naturwissenschaftlern und Universitätsprofessoren des 18. Jahrhunderts – wurde sein Name verewigt. An das Gebäude der ehemaligen Sternwarte in Mannheim, heute ein Künstleratelier, ist eine Gedenktafel angebracht, auf der auch Mayer erwähnt wird. Im Jahre 1984 wurde die zwischen Heidelberg und Mannheim liegende Volkssternwarte in Schriesheim nach \“Christian Mayer\“ benannt, wodurch, wie es der Internetseite der Volkssternwarte zu entnehmen ist, \“das Andenken und die Erinnerung an diesen verdienten Wissenschaftler, der in unserer Region gewirkt hat, wach gehalten werden\“ soll.

Allerdings ist im Straßenverzeichnis weder Mannheims noch Heidelbergs der Name Christian Mayers vorhanden. Auch gibt es an der Universität Heidelberg weder ein Stipendium noch ein Forschungspreis seines Namens. Die Veröffentlichung der astronomischen Beobachtungsbücher und der wissenschaftlichen Korrespondenz Mayers, eines der wichtigsten Vermächtnisse aus seinem Testament, bleibt – trotz einiger in der vorgestellten Monographie übersetzten Texte – auch weiterhin ein Desiderat.

Info:
Alexander Moutchnik: Forschung und Lehre in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Naturwissenschaftler und Universitätsprofessor Christian Mayer SJ (1719-1783) (= ALGORISMUS. Studien zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften, Band 54), Dr. Erwin Rauner Verlag, Augsburg, Mai 2006, 523 Seiten mit 8 Tafeln EUR 27,50 (zzgl. Versand) ISBN 3-936905-16-9

Das Buch kann unter folgender Adresse bestellt werden: http://www.erwin-rauner.de/algor/ign_publ.htm#H54

Kontakt:
Dr. Alexander Moutchnik
Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg
Tel.: 06221/542940
alexander.moutchnik@awi.uni-heidelberg.de

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft, Pressemitteilung RKU Heidelberg, 29.5.2006

Werner Schülerin forschte über katholische Jugend in NS-Zeit

Für ein Referat arbeitete Franziska Thiemann (16) Akten aus den Jahren von 1933 bis 1945 auf. Die Schülerin fand Hinweise auf den katholischen Widerstand im NS-Reich.

Das Thema stand fest, das Abgabedatum auch. Ein Referat über den Widerstand in der NS-Zeit sollten die Schüler der zehnten Klasse am Anne-Frank-Gymnasium schreiben. Am Anfang hatte Franziska Thiemann keine rechte Vorstellung, womit sie beginnen sollte. Das Thema war schließlich nicht gerade einfach zu fassen. Franziska begann Gespräche zu führen. Erst mit der Großmutter, dann mit weiteren Verwandten. \“Ich wollte wissen, was in Werne damals passiert ist\“, sagt die 16-Jährige. Eine Woche Zeit hatte die Geschichtslehrerin ihren Schülern gegeben. Franziska arbeite ganze drei Wochen an ihrem Referat, das Thema ließ sie einfach nicht los.

Zwölf Akten der Ordnungspolizei Werne hatte Wernes Stadtarchivarin Susanne Maetzke der Schülerin zur Verfügung gestellt.

Seltene Originalakten aus dem Jahr 1933 bis 1944 in Kopie, die aus dem Diözesanarchiv Münster nach Werne zurückkehrten. Sie geben Hinweise auf die Auflösung der katholischen \“Jungmännerverbände\“ der Diözese Münster durch die Staatspolizei, ein loser Zusammenschluss katholischer Jugendlicher im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, die sich regelmäßig auf den Höfen der Region trafen. Die \“Jünglingssodalität\“, eine weitere Jugendorganisation der Kirche, die in Werne von Kaplan Raphael Graf Droste zu Vischering geführt wurde, blieb vorerst bestehen. Wie die Akten zeigen, war es der Werner Bürgermeister, der schließlich auch ihre Auflösung initiierte. Er schrieb am 9. November 1937 an die Gestapo Münster einen Brief, dessen Inhalt am 5. Dezember 1938 zum Verbot der \“Jünglingssolidität\“ führte.

Was bei den Treffen der katholischen Jugendlichen geschah, darüber kann die Archivarin nur mutmaßen. \“Wahrscheinlich haben sie einfach untereinander ihre Meinung geäußert\“, sagt Maetzke über eine Form des passiven Widerstands in der katholischen Landbevölkerung. Warum die Verbände der Obrigkeit ein Dorn im Auge waren, auch darauf geben die Akten Hinweise: Offensichtlich verzeichneten sie eine Zeit lang mehr Zulauf als die Hitlerjugend.

Maetzke hofft, dass sich weitere Schüler für solche historischen Themen interessieren. \“Ich stellte gerne Material zur Verfügung\“, sagt die Archivarin. Franziska jedoch will nicht Historikerin, sondern Polizistin werden. \“Es war ganz schön viel Arbeit\“, sagt die Schülerin. Fest steht, dass sich die Mühe gelohnt hat. Für ihr Referat \“Widerstand im Dritten Reich in Werne und Umgebung\“ bekam Franziska eine eins.

Kontakt:
Stadtarchiv Werne
Verw.-Gebäude \“Altes Amtsgericht\“
Bahnhofstr. 8
Tel.: 02389/71-538
Fax: 02389/71-524
s.maetzke@werne.de

Quelle: Pressemeldung Stadt Werne mit Material des Westfälischen Anzeigers, 29.5.2006