Zusammenlegung von Stadt- und Kreisarchiv in Celle im Gespräch

23.700 Euro hat die Stadt Celle im Jahr 2002 für ein Gutachten ausgegeben, das die „haushaltswirtschaftlichen Effekte bei verändertem Aufgabenbestand“ untersuchen sollte. Während das nach seinem Verfasser „Diekwisch-Gutachten“ genannte Werk für die Region Südheide ein Schubladen-Dasein fristet, arbeiten Celler Stadt- und Kreisverwaltung damit. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat sich in den Behörden einiges getan.

Seit Oberbürgermeister Martin Biermann im Celler Rathaus der erste Mann ist, hat sich die Anzahl der Stellen in der Stadtverwaltung von 1146 im Jahr 1990 auf nun 825 Stellen verringert. Hauptursache des Stellenabbaus sind aber nicht Streichungen, sondern Auslagerungen und gemeinsam mit dem Landkreis geschaffene, eigenständige Organisationen wie der Zweckverband Abfallwirtschaft und die Tourismus Region Celle. Im Bereich des Landkreises verringerte sich die Zahl der Stellen im gleichen Zeitraum von 608 auf 519.

Um positive finanzielle Effekte durch Zusammenlegung von Aufgabenbereichen zu erzielen, haben Stefan Diekwisch und Gabriele Wauge in ihrem im Juli 2002 vorgelegten Gutachten sieben Aufgaben der Verwaltung beleuchtet. Es hat schon einige vorzeigbare Ergebnisse gezeitigt, wie Wilhelm von Fintel, bei der Celler Stadtverwaltung Fachbereichsleiter für Bildung, Jugend und Soziales, meint.

Bei einer Zusammenlegung von Stadt- und Kreisarchiv müsse man auch die Frage beantworten, auf welche Standards man sich einige. Das Raumangebot reiche an keinem der jetzigen Standorte aus, um beide Archive zusammenzulegen. Der Landkreis hat die Stadtverwaltung gebeten, dieses Thema zu verschieben, da dort „erhebliche Ressourcen durch die Übernahme der Schulträgerschaft gebunden waren“, erläutert von Fintel.

„Wir haben etwas anderes gemacht, um Kosten zu sparen. Wir streichen die A-14-Stelle der Leitung des städtischen Archivs. Damit sparen wir 110.000 Euro“, so von Fintel.

Kontakt:
Kreisarchiv für den Landkreis Celle
Kreisverwaltung,
Trift 26, Gebäude 6,
29221 Celle

Stadtarchiv Celle
Westerceller Str. 4,
29227 Celle

Quelle: Andreas Babel, Cellesche Zeitung, 7.4.2004

Initiative zum Schutz gefährdeter Archive

Die bisher größte internationale Initiative zum weltweiten Schutz gefährdeter Archive – das „Endangered Archives Programme“ – wird im Herbst unter der Ägide der British Library gestartet.   
   
Im Rahmen des Programms werden zehn Millionen Pfund (15,2 Mill. Euro), finanziert vom Lisbet Rausing Charitable Fund, aufgewendet, um von Kriegen, Naturkatastrophen, Ignoranz und Vernachlässigung gefährdete historische und kulturelle Aufzeichnungen zu erhalten. Die ersten Gelder sollen 2005 ausgeschüttet werden. 
   
Die gefährdeten Archive sollen identifiziert und danach in Archiv-Institutionen gebracht werden, die zwar dem selben kulturellen Umfeld angehören, aber als sicher erachtet werden. Darüber hinaus sollen solche Archive kopiert und allgemein zugänglich gemacht werden. Eine Masterkopie soll in der British Library aufbewahrt und dort für andere Institutionen und Forschungseinrichtungen verfügbar sein.

Das Programm werde „unzweifelhaft eine weit reichende und langfristige Auswirkung auf die internationale Forschung“ haben, so Clive Field, Direktor für Stipendien und die Sammlung bei der British Library.  „Wir glauben, dass es lebensnotwendig ist, diese heiklen kulturellen Aufzeichnungen zu bewahren und derzeitigen und zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu geben, von der Vergangenheit zu lernen“, so die Geldgeber Lisbet Rausing und Peter Baldwin.

Dies müsse in einer Weise geschehen, die jedermann Zugang zu den Archivaufzeichnungen gewährleistet. Die primäre Dotierung mit zehn Mio. Pfund garantiert eine Laufzeit von acht Jahren, mit Hilfe weitere Sponsoren hofft man, diese verlängern zu können. 

Kontakt:
The British Library
96 Euston Road
London
NW1 2DB

Quelle: ORF.at, 8.4.2004

Augenblicke der Ingelheimer Stadtgeschichte

Das Stadtarchiv Ingelheim zeigt bis zum 30. April die Ausstellung „Augenblicke der Ingelheimer Stadtgeschichte“ im Neuen Rathaus. Zu sehen sind historische Schriften, Karten, Zeitungen und Dokumente. Mit der Auswahl der gezeigten Archivalien möchte Stadtarchivar Hans-Jürgen Finkenauer einen Einblick in die Möglichkeiten einer thematischen Recherche im Stadtarchiv geben. Die Ausstellung möchte zudem historische Facetten der Ingelheimer Stadtgeschichte am Beispiel von zeitgenössischen Dokumenten beleuchten (siehe auch die Pressemitteilung).

Dabei ist der Bogen weit gespannt. Das älteste Dokument der Ausstellung ist ein Ehevertrag aus dem Jahre 1767. Zu sehen sind aber auch originale Unterlagen zu Ingelheimer Stadtratswahlen und den Kreistagswahlen im Jahre 1946. In die Ausstellung eingebunden sind zudem Luftbildaufnahmen aus dem Jahre 1930, die vor allem die Stadtteile Ober- und Nieder-Ingelheim sowie Groß-Winternheim zeigen. Aber auch persönliche Fotografien gehören ebenso zum Ausstellungsinhalt, wie Lagepläne und Bauzeichnungen zum Beispiel vom alten Lokschuppen in Frei-Weinheim, dem Rathaus Nieder-Ingelheim oder dem Güterschuppen der Selztalbahn. Ein Band der historischen Katasterkarten aus dem Jahre 1844 ist darüber hinaus in einer Vitrine zu sehen.

Freunde alter Handschriften kommen auch auf ihre Kosten. Sie können eine Gewerberolle aus dem Jahre 1819 und die Ratsprotokollbücher aus den Jahren 1789, 1840 bis 1843 oder 1899 bis 1904 bewundern. Zu sehen ist auch das Goldene Buch der Stadt Ingelheim, 1940 bis 1978, mit dem Eintrag anlässlich des Besuches von Bundeskanzler Willy Brandt in Ingelheim im Jahre 1973. 

Die Ausstellung im Neuen Rathaus Ingelheim ist während der Dienstzeiten zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

Kontakt:
Stadtarchiv Ingelheim
Neuer Markt 1
55218 Ingelheim
Tel.: 06132-782131
Fax: 06132-782134
Ansprechperson:
Hans-Jürgen Finkenauer
Stadtarchivar
Tel.: 06132-782131
Fax: 06132-782134
http://www.ingelheim.de/

Quelle: Main-Rheiner, 7.4.2004

400 Jahre „Haager Vergleich“

Am 8. April 1603 wurde der „Haager Vergleich“ abgeschlossen. Mit diesem Vertrag zog man endgültig der Schlussstrich unter die Emder Revolution von 1595. Der Vergleich umfasst 15 Kapitel, ist in Niederdeutsch abgefasst und dokumentiert das Ende einer langen Phase von Auseinandersetzungen der Stadt Emden gegen die regierenden Landesherrn Edzard II. (1532 bis 1599) und Enno III. (1563 bis 1625).

Es gibt zwei Urkunden von diesem Vertrag. Die eine Ausfertigung lagert heute im Staatsarchiv in Aurich, die andere befindet sich im Emder Stadtarchiv. Mit diesen Papieren wird der Stadt die Eingliederung ihrer Vorstädte bestätigt, desweiteren die Steuerhoheit im städtischen Jurisdiktionsbereich, die militärische Hoheit. Der Vergleich nahm dem Grafen den letzten Einfluss auf die Emder Magistratsbesetzung; er schrieb den ostfriesischen Ständen das Recht zu, sich bei Einberufungsverweigerung durch den Grafen selbständig versammeln zu dürfen; er legte vor allem fest, dass Emden eine von den Ständen finanzierte, ständige Garnison von 600 bis 700 Mann Stärke erhalten solle.

Enno III. Cirksena war sich darüber klar, dass dieser Friede seine landesherrliche Hoheit weiter reduzierte und ihm zumal ihre Wiederherstellung in Emden vorerst unmöglich machte. Entsprechend sträubte er sich, den „Haag’schen Vergleich“ anzunehmen. Aber die generalstaatischen Friedensvermittler konfrontierten ihn kühl mit der Macht der Verhältnisse: „Ihr sollet willigen, was wir wollen oder Kriegh haben.“ Angesichts einer solchen Alternative blieb Enno III. Cirksena nur eine Wahl. Er musste unterschreiben, was er dann auch am 8. April 1603 tat.

So konnte Emden – im Schutz der Generalstaaten – seine Selbständigkeit gegenüber dem Landesherrn auch rechtlich so weit ausdehnen wie bisher noch nie. Den Emder Patrioten aber reichte zunächst dieser Erfolg noch nicht; ihre Wünsche gingen auf radikales Zerschneiden aller Bindungen zum lutherischen Landesherrn. Aber schließlich fügten sich die Emder, besonders auf Druck der vereinigten niederländischen Generalstaaten.

Allerdings war mit der Unterschrift von Enno III. Cirksena unter diesem Vergleich nicht alles geleistet, denn diesem sogenannten „Haager Vergleich“ mussten die ostfriesischen Landstände noch zustimmen, was ihnen sehr schwer fiel. Sahen sie doch, wohin das Emder Stadtregiment sie gebracht hatte. Die Landstände sollten sich nämlich an den Kosten für die niederländische Garnison in der Stadt Emden beteiligen, ein Punkt der zu unendlichen Streitereien in den kommenden Zeiten führte.

Vergebens protestierte Kaiser Rudolf II. dagegen, und auch König Jacob I. von England und Schottland äußerte seine Bedenken. Beide Herrscher befürchteten ein politisches Übergewicht der Generalstaaten. Tatsache ist, dass es langer Verhandlungen bedurfte, um endlich den „Haager Vergleich“ zu ratifizieren. Das geschah dann schließlich am 28./29. November 1603, dokumentiert mit den Unterschriften und Siegeln des Grafen Enno, der Stadt Emden, der Generalstaaten durch deren Abgesandten Maximilian von Cruiningen, Freiherrn von Seeland, und des Vertreters der Stände, des Freiherrn Ico, Reichsfreiherr zu Inn- und Knyphausen (1555 bis 1604).

Die Geschichte des Vertrags geht auf den 18. März 1595 zurück. In der „Emder Revolution“ triumphierten die Emder über Graf Edzard II. und trieben ihn aus der Stadt. Unterstützung fanden sie durch eine Garnison der 17 Staaten der vereinigten niederländischen Provinzen, genannt Generalstaaten. So unterzeichneten diese auch mit ihrem anhängenden Siegel den Delfzijler Vertrag vom 15. Juli 1595.

Das erste Siegel der Generalstaaten, das sich auch am Delfzijler Vertrag findet, zeigt die Umschrift „Siggium Ordinum Belgii“. Später wurde es noch mit der lateinischen Aufschrift „Concordia res parvae crescunt“ (Durch Einigkeit wachsen die kleinen Dinge) vermehrt, eben der Aufschrift die sich heute noch am erhaltenen Renaissanceportal des Emder Rathauses, aber auch am „Stadhuis“ von Appingedam, findet.

Um die Spannungen zwischen dem Grafenhaus, den ostfriesischen Ständen und der Stadt zu mildern, wurde am 7. November 1599 ein Vertrag geschlossen. Zuerst schien der Friede auch wieder hergestellt, doch dann entwickelte sich ab 1600 ein Bürgerkrieg zwischen Emden und Enno und dessen gräflichen Landesteilen. Die vereinigten niederländischen Generalstaaten entsandten im September 1602 als General und Befehlshaber Werner von dem Holze mit seinen Garnisonen, um den Emdern gegen den Cirksena-Grafen zu helfen. Er nahm die von Enno angelegte Logumer Schanze – gelegen außerhalb des Seedeiches in der Nähe Emdens – in einer siegreichen Schlacht gegen den gräflichen Heerführer Wilhelm zu Inn- und Knyphausen. Dieser erfolgreiche Kampf, der vom 4. bis zum 14. Oktober 1602 dauerte, sorgte bei den Generalstaaten, aber auch bei den Emdern für große Genugtuung.

Nach der verlorenen Schlacht war Enno III. sofort abgetaucht. Wohin er ging, ist indes nie bekannt geworden. Tatsache ist, dass seine vollständige Niederlage die wahren Machtverhältnisse offen gelegt hatten, auch seine Berufung auf den Kaiser Rudolf II. hatte keinen Erfolg gebracht. Im übrigen zogen im Winter 1602 auf 1603 Beauftragte der Stadt Emden allenthalben in Ostfriesland Kontributionen ein; das heißt, die Stadt Emden übte, wenn auch nur für kurze Zeit, die landesherrlichen Funktionen aus, die vorher nur Enno erlaubt waren.

Erst im Februar 1603 tauchte Enno wieder aus der Versenkung auf. Er erschien mit dem Kanzler des mit ihm verwandten Bremer Erzbischofs, dem Rechtsgelehrten Caspar Coccius, mit Wilhelm zu Inn- und Knyphausen (1557 bis 1631), gräflicher Heerführer an der Logumer Schanze und mit Dothias Wiarda (1565 bis 1637) in Den Haag. Letzterer, später gräflicher Kanzler und vorher als Syndicus auf der Seite der Emder Vierziger, hatte sich „als verschlagener und unverschämter Mann“, so der ostfriesische Historiker Ubbo Emmius, auf die Seite des Grafen geschlagen.

Als man in Emden von der Ankunft dieser Leute in Den Haag erfuhr, wurden schnellsten auch Gesandte von dort mit dem Emder Stadtsiegel „Engelke up’t Mür“ nach Den Haag geschickt. Bürgermeister Ubbo Remets (gestorben am 26. Juli 1627) fuhr nach Den Haag, begleitetet von dem Emder Stadtsekretär Daniel Alting und nahm in der Funktion des Stadtsyndicus den vierten Emder Bürgermeister Harmannus Meyer mit (gestorben 22. Mai 1614).

Emden verfügte im Frühjahr 1603 über keinen offiziellen Rechtsberater: der Emder Stadtsyndicus Dothias Wiarda war auf die gräfliche Seite gewechselt, und der Rechtsgelehrte Johannes Althusius kam erst im Jahre 1604 nach Emden. Der Ratspensionär und Sachverwalter der Generalstaaten, der den Vertrag von Den Haag am 8. April diktierte, war Johan von Oldenbarnevelt (1547 bis 1619). Dieser war zusammen mit Maurits von Nassau, Prinz von Oranien dem Sohn von Willem (1533 bis 1584), bei den Beginn der Verhandlungen in Den Haag anwesend. Maurits von Nassau und Johan von Oldenbarnevelt hatten wichtige Heeresreformen durchgeführt.

Ab 1589 eroberte Maurits gemeinsam mit seinem Vetter Willem Lodewijk, Graf von Nassau, in den nördlichen Niederlanden einen Ort nach dem andern, den die Spanier besetzt hielten. Doch diese Ereignisse waren schon lange Geschichte, als Enno „mit eigener Hand“ jenen Vertrag unterzeichnete, den er zwar selber vereinbart hatte, den er aber wohl kaum freudigen Herzens abgeschlossen hatte.

Quelle: Gudrun Dekker, Emder Zeitung, 7.4.2004

Arndts Beziehungen zur Uni Greifswald

Den 75. Geburtstag feiert das Garzer Ernst-Moritz-Arndt-Museum auf besondere Weise: Mit einer ersten Sonderausstellung zu dem wortgewaltigen, bewunderten und geschmähten Pommern, dessen Namen die Greifswalder Universität seit sieben Jahrzehnten trägt.

Sie ist Arndts Verhältnis zu der Hohen Schule an der er studierte und lehrte gewidmet, umfasst also im Wesentlichen die Zeit bis 1812. Weitere thematische Ausstellungen sollen folgen, kündigte Direktorin Sylvia Knöpfel bei der mit über 60 Interessenten sehr gut besuchten Eröffnung der Ausstellung am Sonnabend an. Ein Besuch in Garz lohnt sich schon wegen der Exponate. So haben die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim das Originalstammbuch Arndts zur Verfügung gestellt. Ein farbenprächtiger Blick in das Greifswalder Studentenleben. Das Stadtarchiv Bonn steuerte ein Schulheft des 12-Jährigen bei, das Universitätsarchiv Greifswald Hörerzettel von Kommilitonen, die verraten, wer wann mit wem auf einer Bank saß.

In großen Linien zeichnet die Ausstellung auch die viele Druckseiten füllende und bis heute andauernde Auseinandersetzung um Arndt nach, wie Universitätsarchivar Dr. Dirk Alvermann in seiner Rede zur Eröffnung sagte. Alvermann, der den Rüganer als eine „kantige Persönlichkeit“ des 19. Jahrhunderts bezeichnete, führte die Gäste zu dem „jungen Arndt“, den Theologiestudenten und späteren Geschichtsprofessor der Uni Greifswald. Der in Schoritz Geborene suchte geradezu den geistigen Austausch, den er einst mit dem Zusammenschlag von Kieselsteinen verglich. Die Universität sei für das Funkenschlagen der ideale Lebensraum gewesen, bestätigte Dr. Alvermann. Dieser Lebensausschnitt ist Bestandteil eines biographischen Überblicks von 1769 bis 1812 und der Darstellung wertvoller Zeitzeugnisse.

Der Bogen dieser Sicht auf Arndts Lebenswelt schließt sich mit der Namensverleihung an die Uni Greifswald 1933 und die dieser Tage geführte Debatte um die Bedeutung des streitbaren Professors. „Dieser Streit, von dem ausgiebig Gebrauch gemacht wurde und wird“, so Dirk Alvermann, „spiegelt nur zu gut die sich entwickelnde öffentliche Meinung über Arndt wider“. Die Ausstellung solle eine grobe Linie für diese Auseinandersetzung vorgeben, die Frage „Können wir Arndt lieben?“ aber nicht beantworten.

Dafür ist auch die Verewigung auf dem Greifswalder Rubenowdenkmal (1856) ein Beispiel, die mit dem Faksimile von Arndts Dankes-Brief illustriert wird. Ein Bild vom Festzug zur 500-Jahrfeier der Uni 1956, das ihn inmitten von Burschenschaftern zeigt, belegt die seinerzeitige Traditionslinie Richtung Arndt.

Durch die Fülle seiner Publikationen und Äußerungen hat er verschiedensten Interpretationen und Vereinnahmungen Tür und Tor geöffnet, so von der Deutschtümelei bis zur Vision von der EU. „Ich bin so geboren, dass ich reden und sprechen muss, damit meine Gefühle und Gedanken sich ordnen; ich bedarf der umrollenden und gegeneinander Funken schlagenden Kieselsteine des Gesprächs und der Rede, damit mein bisschen Geist aus mir herauskomme“, zitierte Alvermann nicht von ungefähr aus Ernst Moritz Arndts Erinnerung an das Lehrverbot, mit dem man ihn 1819 im Zuge der „Demagogenverfolgung“ belegte.

Die Ausstellung ist bis Oktober geöffnet.

Kontakt:
Ernst-Moritz-Arndt-Museum
An den Anlagen 1
18574 Garz auf Rügen
Tel. 038304 / 12212
arndt-museum-garz@gmx.de

Quelle: Quelle: A. Farin, Ostsee-Zeitung, 4.4.2004; Ostsee-Zeitung, 6.4.2004

Verwaltung des Krankenmordes

Der Geschichte des Wiesbadener Landeshauses am Kaiser-Friedrich-Ring im Dritten Reich, heute Wirtschaftsministerium, hat der Historiker und Archivar am Hauptstaatsarchiv, Peter Sandner, in seinem Buch „Verwaltung des Krankenmordes“ nachgespürt (siehe früheren Bericht). Im Wiesbadener Kurier stellt Lothar Bembenek Sandners Arbeit vor:

Nach den Wirren des Ersten Weltkriegs versuchte in diesem Gebäude der Wiesbadener Separatist Dr. Dorten eine „Rheinische Republik“ einzurichten. Das Landeshaus war 1907 als Sitz des preußischen Kommunalverbandes gebaut worden.

Am 12. September 1933 tagte hier der 3. (evangelische) Landeskirchentag unter der „Peitsche“ des Bierstadter Nationalsozialisten August Jäger. Die erste Sitzung dauerte nur eindreiviertel Stunden, inklusive eines dreifachen „Sieg Heils“ und dem Singen des Deutschlandliedes. Bei drei Gegenstimmen schickte Jäger, der bald versuchen sollte, die gesamte Evangelische Kirche Deutschlands „gleichzuschalten“, den Landesbischof Kortheuer in den Ruhestand – er drohte ihm mit Einweisung ins KZ – und ließ den Arier-Paragraphen verabschieden, das heißt Pfarrer konnte nur werden, wer „arischen Blutes“ war.

Im Oktober 1945 führten die Amerikaner im Landeshaus den ersten Kriegsverbrecher-Prozess gegen Verantwortliche der NS-Euthanasie in Hadamar. Es fehlte aber der Hauptbeschuldigte Fritz Bernotat. Er war mit seiner Frau in Neuhof bei Fulda unter falschem Namen untergetaucht. Unbehelligt von Strafverfolgung starb er 1951.

Die Geschichte des Landeshauses in der NS-Zeit ist eng mit der Karriere des SS-Mannes Bernotat verbunden, der 1925 dort als kleiner Landesverwaltungsassistent des Bezirksverbandes Nassau begann. Am 15. März 1933 organisierte er zusammen mit dem SA-Standartenführer Reutlinger einen „spontanen Volksauflauf“. Ein neuer „Landeshauptmann“ der SS übernahm die Macht, sein „Adjutant“ und gelehriger Schüler wurde der kaum qualifizierte Bernotat. Als „politischer Diktator“ brachte er die anpassungsbereite Belegschaft „auf Vordermann“.

Im Jahr 1936, Bernotat sprach sich bereits öffentlich für die Ermordung von Geisteskranken aus, nahm sein Vorgesetzter Dienstsitz in Kassel, und Bernotat, vier Dienstränge überspringend, zog in dessen Büro um. Er wurde „Anstaltsdezernent“ und Landesrat. Protegiert von NSDAP-Gauleiter Jakob Sprenger war dem Choleriker nun fast keine Schranke mehr gesetzt. Das Personal aller Heilanstalten wurde „nazifiziert“ – und die Pflegesätze pro Patient wurden drastisch gesenkt.

Über eine SS-Tarnorganisation „entkonfessionalisierte“ der 47-jährige Landesrat die kirchlichen Heilanstalten. Kranke wurden zentralisiert und die Immobilien verkauft. So wurde das katholische Antoniusheim Wiesbaden-Bahnholz bald „Lebensborn“-Entbindungsheim mit einer Adoptionsstelle im Landeshaus. Statt um „Fürsorge“ ging es nun um skrupellose „rassehygienische Volkspflege“ durch Überbelegung und reduzierte Pflegesätze, die große wirtschaftliche Gewinne brachten.

Bereits ein Jahr vor Beginn der offiziellen NS-Euthanasie setzte in hessischen Anstalten ein Massensterben durch Nahrungs- und Medikamentenentzug ein. Diese Art des Mordes durch übereifrige Verwaltungsbeamte prädestinierte den Bezirksverband Nassau dazu, der aktivste Unterstützer des Krankenmord-Programms der NS-Euthanasie zu werden. In der „Tiergartenstraße 4“ (T4) in Berlin befahl Hitler im Oktober 1939 den Gasmord an „lebensunwertem Leben“ im Deutschen Reich. Bernotat überließ die Anstalt Hadamar kostenlos „T4“. Gaskammer, Sezierraum und Krematorium wurden eingebaut. Von Januar bis August 1941 wurden über 10 000 Kranke vergast. Der 10 000. Tote wurde aufgebahrt und in einem makabren Saufgelage „gefeiert“.

Oberstaatsanwalt Quambusch protestierteAbgemagert und oft verwirrt kamen die Opfer in Bussen mit Milchglasscheiben – die Kinder Hadamars nannten sie „Mordkisten“ – aus den „Zwischenanstalten“ an. Der Krematoriumsschornstein blies ständig schwarzen Ruß heraus, die Kinder redeten vom „Backofen“. Der Ruß setzte sich auf den Fensterbänken fest.

Auch in Wiesbaden gerieten durch das Personal im Landeshaus und durch „Trostbriefe“ der Verwaltung an die Hinterbliebenen Gerüchte im Umlauf. Der Wiesbadener Oberstaatsanwalt Dr. Quambusch und der katholische Bischof von Münster Graf von Galen waren die ersten, die öffentlich gegen die Euthanasie protestieren, der Bischof von Limburg folgte.

Aus Furcht, dass die Unruhe in der Bevölkerung die Front im Osten verunsichern könnte, ließ Hitler die Gasmorde in Hadamar einstellen. Die Gaskammer wurde abgebaut und in den Osten geschafft, zur Weiternutzung in einem Konzentrationslager. Der Mord der so genannten Kinder-Euthanasie durch Verhungernlassen, ging indessen weiter. Bald folgten die Morde mittels Medikamenten durch Ärzte und Pfleger. Bernotat, in seiner Machtentfaltung nicht mehr gehemmt, weitete – ohne Anweisung von Berlin – den Kreis der zu Ermordenden aus: jüdische „Mischlingskinder“, „Gemeinschaftsfremde“, „Erziehungsunfähige“, Tbc-kranke Zwangsarbeiter. Später, nach dem Krieg konnte der Landeswohlfahrtsverband einen Bezirksverband mit hohen finanziellen Rücklagen übernehmen. Die vielen Korruptions- und Veruntreuungsvorwürfe gegen Bernotat hatte Gauleiter Sprenger nur mit großer Mühe unterdrücken können.

Nichts charakterisiert Fritz Bernotat klarer als folgende Aussage im Landeshausprozess 1945, in dem drei Personen aus Hadamar die Todesstrafe und andere lebenslange Haftstrafen erhielten: Der 53 jährige Bernotat habe seine junge Geliebte Ruth Pappenheimer, eine „Halbjüdin“, die als geistig und körperlich völlig gesund und als außerordentlich schön bezeichnet wurde, in der Anstalt Kalmenhof (Idstein) durch eine Morphiumspritze beseitigen lassen. Benutzt wurde wohl auch bei ihr der wiederverwendungsfähige „Klappsarg“, den Bernotat zur Kostenersparnis hatte einführen lassen.

Haupttäter Bernotat nie zur Rechenschaft gezogenWie anfangs erwähnt, tauchte Bernotat, die schrecklichste Figur der hessischen NS-Euthanasie, mit seiner Frau im Zuge der Evakuierung der Wiesbadener Stadtverwaltung und der NS-Organisationen im Raum Schlüchtern unter. Von den willfährigen Verwaltungsbeamten im Landeshaus wurde nach dem Krieg keiner strafrechtlich belangt. Es wurden lediglich zwei Drittel der Belegschaft aus politischen Gründen entlassen.

Info:
Peter Sandner, Verwaltung des Krankenmordes. Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus (Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Hochschulschriften Bd. 2), Psychosozial-Verlag Gießen 2004, 788 Seiten, 35 Euro.

Quelle: Lothar Bembenek, Wiesbadener Kurier, 6.4.2004

DFG-Projekt für Stadtarchiv Grimma

Wie bereits vor einem Monat berichtet, ist das Grimmaer Stadtarchiv bzw. das Pressezentrum Gegenstand eines von der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft (DFG) finanzierten wissenschaftlichen Projektes (siehe Bericht). Ironie des Schicksals: Die Zusage für das Projekt „Sachinventar zur Grimmaer Verlags- und Pressegeschichte von den Anfängen bis 1945“ wurde am 13. August 2002 erteilt. Da versank das Grimmaer Stadtarchiv gerade in den Fluten der Mulde. Nach Ansicht von Historiker Dr. Matthias John gab es in der neueren deutschen Geschichte nur einen vergleichbaren Fall, in dem ein Stadtarchiv so stark geschädigt wurde, jenes von Königsberg am Ende des zweiten Weltkrieges.

Vor diesem Hintergrund ist die jetzige wissenschaftliche Aufarbeitung der verbliebenen Bestände um so wichtiger, sagt John. Ohne die Unterstützung der DFG, die das Grimmaer Projekt als Teil ihrer Förderung des wissenschaftlichen Bibliothekswesens sieht, „wäre Quellenforschung im Grimmaer Archiv nicht mehr möglich gewesen.“

Der Leipziger Wissenschaftler hat bereits bei früheren Projekten über und in Grimma geforscht. Das brachte ihn zu der Erkenntnis, dass Grimma in der deutschen und sächsischen Verlagsgeschichte „eine ganz besondere Rolle spielte“. In den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts war die Stadt neben Leipzig und Dresden Zentrum der sächsischen Presse und sogar „die Hochburg der sächsischen oppositionellen Presse.“ Mit seinem jetzigen Projekt, das die vor wenigen Wochen ausgeschiedene ehemalige Grimmaer Archivleiterin Marita Schön und Prof. Dr. Wolfgang Flach von der Universität Leipzig gemeinsam beantragt hatten, will John den Boden für spätere Forschungen zur Grimmaer Pressegeschichte bereiten.

Kontakt:
Stadtarchiv Grimma im Stadthaus, 3. OG
Stadt Grimma
Markt 16/17
04668 Grimma
Tel. 03437/98 58 217

Quelle: Andrè Neumann, Leipziger Volkszeitung, 4.4.2004

Verschollenes von Gustav Knuth

Er war einer der großen deutschen Volksschauspieler der Nachkriegszeit und berühmtes Kind der Stadt Braunschweig – Gustav Knuth. Am 7. Juli 1901 in Braunschweig geboren, blieb er vielen Menschen aufgrund seiner Filmrollen – unter anderem an der Seite von Romy Schneider, Heinz Rühmann oder Hans Albers – in Erinnerung. Jetzt ist durch einen Zufall ein Koffer aus dem Privatbesitz Knuths aufgetaucht: mit Fotos, Dokumenten, Briefen und mehr.

Bei Aufräumarbeiten im nordrhein-westfälischen Velen kam das bislang unbekannte Material zum Vorschein. Darunter Knuths in Braunschweig ausgestellte Geburtsurkunde, mehr als 1000 private und offizielle Theater-Fotos, Gagenabrechnungen, Briefe von Knuth an Intendanten sowie von seinem zu Hause sehnsüchtig auf ihn wartenden Sohn Klaus.

Doch vorher stammen diese Dinge? Die Antwort gibt Angelika Bone. Ihr Lebensgefährte, der Restaurator und Antiquitätenhändler Richard Schmitz, nahm vor genau 20 Jahren nach der Rückkehr von einer Reise aus Marokko den Koffer vom Sperrmüll vor einer Hamburger Villa mit, um dessen Inhalt auf dem Trödelmarkt zu Geld zu machen. Doch dazu kam es nicht. Vielmehr landete der Koffer auf dem eigenen Dachboden und geriet mit der Zeit in Vergessenheit.

„Im Nachhinein ist wirklich ärgerlich, dass mein Freund damals aufgrund der Reise so müde war“, bedauert Angelika Bone. Hätte bei der Haushaltsauflösung doch wohl noch vieles mehr aus dem privaten Besitz der Familie in der Dunkelheit gestanden. „In dem Haus hat früher Klaus, Gustav Knuths Sohn aus erster Ehe mit der Schauspielerin Gustel Busch, bei einem gewissen Willi Knauer gewohnt; bevor ihn sein Vater im Alter von 12 Jahren zu sich und seiner zweiten Frau Elisabeth Lennartz nach Basel holte“, so die 42-Jährige.

Sie war es, die den Koffer beim Umbau der Geschäftsräume wieder gefunden und die Bedeutung des wertvollen Inhalts erkannt hat: „Ich war sofort fasziniert; schließlich handelt es sich dabei um historisch-einzigartige Dokumente über einen großen deutschen Schauspieler, die nicht auf irgend einem Dachboden verstauben, sondern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten.“

Entsprechend engagiert machte sich Angelika Bone auf die Suche nach einem Interessenten; allerdings unter der Prämisse, dass der Inhalt des Koffers als Ganzes erhalten bleibt. Zunächst wandte sie sich an das Braunschweiger Stadtarchiv. Dort sei man zwar sehr interessiert gewesen, habe jedoch rechtliche Bedenken hinsichtlich etwaiger Ansprüche der Erben geäußert. Auch beim Filmmuseum in Frankfurt am Main hatte sie kein Glück. Dort wurde das Fundstück mit der Begründung abgelehnt, dass es sich ja um Souvenirs aus Knuths Theaterkarriere handele. Blieb letztlich das Theatermuseum in München. „Auch hier hat man großes Interesse geäußert, will das Ganze aber ebenfalls von der hausinternen Rechtsabteilung prüfen lassen. Wir warten zwar noch auf eine Rückmeldung, gehen aber davon aus, dass es am Ende klappen wird“, äußert sich Angelika Bone hoffnungsfroh.

Im Koffer befinden sich außerdem: Autogrammkarten, Theateraushänge, ein Haushaltsbuch, Taxiquittungen, eine Übersicht über Mieteinnahmen. Die privaten Bilder zeigen Knuth in seiner Freizeit mit Freunden und Schauspiel-Kollegen in der Kneipe, Familienaufnahmen mit Gustel und Klaus und im Italienurlaub. Außerdem barg der Koffer Lohnabrechnungen von Gustel, die zu jener Zeit als Souffleuse und Synchronsprecherin arbeitete, sowie Zeitungsausschnitte mit Notizen des Sohnes von Auftritten des Vaters.

Quelle: Sven Wiebeck, newsclick.de, 6.4.2004

Wahlkampfrede Hitlers im pädagogischen Einsatz

Die vom Göttinger Stadtarchiv Anfang März veröffentlichte Multimedia-CD, in deren Mittelpunkt eine Rede Adolf Hitlers vom 21. Juli 1932 in der Universitätsstadt steht, hat für aufgeregte Diskussionen gesorgt (siehe Bericht). Diese greift Ulrich Kurzer in der Wochenzeitung FREITAG auf, um die Notwendigkeit der Heranziehung von sorgfältig editierten Originaldokumenten, wie es dem Göttinger Stadtarchiv mit der CD gelungen sei, für die sachgerechte historische Bildungsarbeit herauszustellen.

Die CD enthalte eben neben der Hitler-Rede zehn Tage vor der Reichstagswahl Ende Juli 1932 zudem erläuternde und kommentierende Texte, weiterführende Literatur über die NSDAP in Göttingen, die Geschichte der Stadt während der NS-Herrschaft und schließlich ausgewählte Dokumente aus dem Stadtarchiv, die im Zusammenhang mit dieser Rede entstanden (etwa die Anmeldung der Kundgebung durch die örtliche NSDAP oder die Verfügung der Ortspolizeibehörde zur Regelung des Verkehrs an diesem Tage).

Die Kritik des engagierten Göttinger DGB-Vorsitzenden Sebastian Wertmüller, der mit „Erstaunen“ auf die Ankündigung des Stadtarchivs, diese CD herauszubringen, reagiert hatte (siehe Bericht und Presserklärung) und von „Verkaufsförderung mit dem größten Verbrecher der deutschen Geschichte“ sprach, gehe dabei fehl, da die CD nach den Worten von Ernst Böhme, dem Leiter des Göttinger Stadtarchivs, nicht frei im Handel erhältlich sein wird, sondern vor allem im Schulunterricht zum Einsatz kommen soll (diese Information hatte allerdings in der gekürzten Presseerklärung des Stadtarchivs, die im Göttinger Tageblatt veröffentlicht worden war, gefehlt).

Wie denn anders, so fragt Kurzer, als auch unter Verwendung authentischer Originaldokumente könne Geschichte Schülerinnen und Schülern anschaulich gemacht werden? Was spreche gegen historische Originaldokumente, die mit sorgfältig bearbeiteten Begleittexten bereitgestellt werden und es so ermöglichen, einen „Zugang“ zum Gegenstand zu finden, der nicht durch vorweggenommene Interpretationen, wie beispielsweise in den Doku-Dramen des ZDF, verstellt wird?

Kontakt:
Stadtarchiv Göttingen
Hiroshimaplatz 4
37083 Göttingen
0551/400-3122
0551/400-2764
stadtarchiv@goettingen.de

Quelle: Ulrich Kurzer, FREITAG 15 – Die Ost-West-Wochenzeitung, 2.4.2004

Vermisste Bach-Kantate in Japan wieder aufgetaucht

Seit 80 Jahren vermisste Original-Manuskripte einer Kantate von Johann Sebastian Bach sind im Nachlass einer japanischen Pianistin entdeckt worden. Dabei handelt es sich um acht Seiten der Hochzeitskantate von 1728 (BWV 216), wie der Musikwissenschaftler Tadashi Isoyama jetzt in Tokio mitteilte.

Für die Wissenschaft ist der Fund von hohem Wert, da bisherige Kopien der Noten in einigen Details vom Original abweichen. Es wird vermutet, dass die Handschrift von Bach-Schülern unter der Aufsicht des Meisters erstellt wurde und auch der Uraufführung der Kantate zugrunde lag.

Bis 1926 war das Manuskript mit Alt- und Sopran-Stimmen im Besitz der Nachfahren des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy und galt seitdem als verschollen. Aufgetaucht ist es jetzt im Nachlass der Pianistin Chieko Hara, die vor allem in Europa auftrat und vor drei Jahren verstarb.

Hara war mit dem spanischen Cellisten Gaspar Cassado (1897-1966) verheiratet. Es wird vermutet, dass der Cellist die Noten einst von der Familie Mendelssohn erhalten hat. Die Musikhochschule Kunitachi in Tokio plant jetzt eine Faksimile-Edition der wertvollen Notenhandschrift.

Quelle: ORF.at, 4.4.2004