Stadt Leer kann Historikerin nicht mehr bezahlen

Die vorbeugende pädagogische Arbeit gegen rechtsradikale Tendenzen ist in Leer eingestellt worden. Die Suche nach Fördergeldern blieb ergebnislos. „Es ist eine Katastrophe, dass die archivpädagogische Arbeit von Menna Hensmann nicht fortgesetzt werden kann.“ Martina Belling, Lehrerin an den Berufsbildenden Schulen der Stadt Leer (BBS II), steht mit ihrer Meinung nicht alleine da. Viele Leeraner bedauern, dass der Vertrag der Historikerin und Journalistin mit der Stadt nach zweimaliger Verlängerung zum 31. Dezember 2003 ausgelaufen ist. Bis Ende vergangener Woche hat die Jemgumerin noch die Anne-Frank-Ausstellung im „Zollhaus“ betreut. Jetzt ist sie arbeitslos.

Die 46-Jährige Menna Hensmann hat die Zeit des Nationalsozialismus in Leer aufgearbeitet und die Ergebnisse, unter anderem ausführliche Interviews mit Zeitzeugen, in der Dokumentation „Leer 1933 – 1945“ veröffentlicht. Parallel dazu entwickelte sie ein pädagogisches Modell, wie Jugendliche Geschichte unmittelbar erfahren können, indem sie deren Auswirkungen direkt vor Ort in ihrer Lebenswirklichkeit begreifen. Dazu gehörten unter anderem Stadtführungen auf den Spuren vertriebener jüdischer Bürger, die Einweisung von Schülern in die Arbeit im Archiv und die Organisation von Wanderausstellungen, die sich mit der nationalsozialistischen Thematik beschäftigen.

Phänomene wie Ausgrenzung oder Verleumdung blieben durch diese Form der Vermittlung keine leeren Begriffe, sondern wurden mit Inhalt und Erleben gefüllt. „Wir haben intern sehr intensiv nach Fördermitteln geforscht, um die sehr anerkannte, bundesweit ausstrahlende Arbeit von Frau Hensmann fortsetzen zu können. Leider ohne Ergebnis“, bedauert Stadtsprecher Erich Buß. Aufgrund der finanziellen Misere sei die Stadt gezwungen, Abstriche zu machen und Personal einzusparen. Zunächst müsse man freiwillige Leistungen beschneiden. Dazu zählen unter anderem die Öffnungszeiten der Stadtbibliothek, die seit 15. Februar mittwochs immer geschlossen hat, und die stark eingegrenzten Nutzungszeiten des Stadtarchivs auf dienstags von 15 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr.

Kontakt:
Stadtarchiv Leer
Rathausstraße 1 (Erdgeschoß, Zimmer 11)
26789 Leer
Telefon: 0491-9782411
Telefax: 0491-9782247
archiv@leer.de

Quelle: Ostfriesen-Zeitung, 9.3.2004

Kerber bleibt in Siegen ein Thema

Die Einrichtung der städtischen Zentralbibliothek im alten Kaufhof (Kaufhaus Kerber) am Siegener Markt bleibt auch nach den jüngsten Sparforderungen der Kommunalaufsicht Thema für den Siegener Rat. Bürgermeister Ulf Stötzel übersandte den Mitgliedern des Hauptausschusses jetzt eine Vorlage, in der er einen Planungsauftrag für das Gebäude erteilt bekommen will. Gemäß den Verhandlungen der Stadt mit dem Düsseldorfer Ministerium berichtet, in denen sowohl Zuschussmöglichkeiten als auch der „vorzeitige Maßnahmebeginn“ ausgelotet worden waren, will die Stadt das 1. und das 2. Obergeschoss mit Zentralbibliothek und Volkshochschule füllen, während die anderen Stockwerke privatwirtschaftlich genutzt werden sollen. In Düsseldorf hatte es von Seiten der Stadt Hinweise gegeben, dass eine Investorengruppe für die Nutzung der anderen Stockwerke bereit steht.

Einen Kostenbeitrag erwartet man sich aus dem Verkauf von freiwerdenden Häusern, etwa dem, in dem derzeit Volkshochschule und Stadtarchiv untergebracht sind. Auch für das Stadtarchiv wird eine neue Bleibe gesucht. In dem Planungsauftrag sollen Fragen der Fassade, der Statik, des künftigen Gemeinschaftseigentums und der Stellplätze geklärt werden. – Die Stadt hatte schon vor Monaten eine Projektgruppe „Reaktivierung Kerber“ ins Leben gerufen, die bisher aber noch nicht getagt hat.

Kontakt:
Stadtarchiv Siegen
Oranienstraße 15 • 57072 Siegen
Postfach 100352 • 57003 Siegen
0271 / 404-3901
0271 / 404-3900
l_burwitz@siegen.de

Quelle: Westfalenpost, 8.3.2004

UB Marburg gibt Bücher an NS-Opfer zurück

Die Marburger Uni-Bibliothek durchforstet in einem aufwändigen Projekt ihren Bestand nach Büchern, die im Dritten Reich beschlagnahmt wurden. – „Ich habe immer gedacht, die Bücher wären damals verbrannt worden“: Mit diesen Worten reagierte der 97-jährige Frankfurter Egon Alfhart, als ihm Dr. Bernd Reifenberg von der Marburger Uni-Bibliothek das Buch „Dem jungen Morgen zu“ von Martin Andersen-Nexö zurückgab, das in der UB im Zuge des Recherche-Projekts als NS-Raubgut erkannt wurde. Im Jahr 1934 war der 1923 verfasste Bericht einer Reise nach Russland neben rund 20 weiteren sozialistischen Büchern bei einer Razzia der Nazis in der Wohnung Alfharts beschlagnahmt worden. Aus Dank für das Interesse und die Buch-Rückgabe von seiten der Bibliothek schenkte er der UB fünf Bücher des Göttinger Philosophen und Sozialisten Leonard Nelson.

Alfhart arbeitete damals in der von des jüdischen und sozialistischen Fabrikbesitzer Max Wolf geleiteten Dreiturm-Seifenfabrik in Steinau und verteilte noch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 als Mitglied im Internationalen Sozialistischen Kampfbund illegale Flugblätter. „Die Razzia war ein Schlag gegen die Firma. Die haben mich mitgenommen und die Bücher bei mir beschlagnahmt“, erinnert sich Alfhart. Alfhart überlebte die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und die Kriegswirren: nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in mehreren Konzentrationslagern kam er frei.

Das Buch von Andersen-Nexö hatte sich wie weitere Bände des Fabrikbesitzers Max Wolf aus der Werksbibliothek in einer Lieferung des Landratsamts Schlüchtern befunden, die der Uni-Bibliothek Marburg in der Nazi-Zeit zum Kauf angeboten wurde. Bereits im November 2001 waren von der UB nach dem ersten Erfolg in dem Recherche-Projekt zum NS-Raubgut sechs Bücher aus dieser Lieferung an den Sohn des nach England emigrierten Max Wolf zurückgegeben worden.

Nur mit Hilfe von langer und detektivischer Kleinarbeit gelang es UB-Öffentlichkeitsreferent Dr. Reifenberg, nun den ersten noch lebenden Besitzer von NS-Raubgut zu ermitteln. Er fand in dem Buch, das seinen Recherchen zufolge zu derselben Lieferung des Landratsamtes Schlüchtern gehörte, den handschriftlichen Namenszug „E. Alfhart“. Daraufhin entdeckte er den Namen Egon Alfhart in dem Register eines Buches der Historikerin Christine Wittrock, die diesen als Zeitzeugen interviewt hatte.

Im Anschluss an die Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocausts im Jahr 1998 in Washington verabschiedeten Bund, Länder und Gemeinden eine „Erklärung zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts“. Nicht nur Kunstsammlungen und Archive, sondern auch Bibliotheken sollen in ihren Beständen nach NS-Raubgut suchen und diese an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgeben.

Die Marburger Bibliothek ist laut Reifenberg die erste und einzige öffentliche Bibliothek, die ihre Bestände systematisch nach diesen „Beute-Büchern“ durchforstet. Es geht dabei um rund 10.000 Bände, die in der Zeit zwischen 1933 und 1950 von der Bibliothek aus zweiter Hand erworben wurden. Dabei muss jedes einzelnes Buch angeschaut werden. Bisher wurden rund 5.000 Bücher auf Besitzvermerke, Exlibris und andere Herkunftsspuren untersucht. Alle Ergebnisse werden in einer Datenbank erfasst, die demnächst auch per Internet abrufbar sein wird.

Kontakt:
Universitätsbibliothek Marburg
Wilhelm-Röpke-Str. 4
35039 Marburg
Telefon: (06421) 28-21321
Fax: (06421) 28-26506

Quelle: Oberhessische Presse, 8.3.2004

Streit über die Vergangenheit eines PDS-Wahlmannes

Im Streit zwischen der PDS und dem Magazin «Focus» um die Entsendung des Wahlmannes Hans Lauter haben beide Seiten ihre Juristen in Stellung gebracht. Der «Focus» forderte am Montag von der Partei einen Widerruf des Vorwurfs der Geschichtsfälschung. Die PDS drohte im Gegenzug damit, von einem Gericht feststellen zu lassen, dass sie den Begriff «elende Geschichtsfälschung» weiter im Zusammenhang mit der Berichterstattung des Magazins über Lauter und dessen Rolle bei der Sprengung der Leipziger Paulinerkirche 1968 verwenden darf. Der 89-jähriger Hans Lauter, der für die PDS am 23. Mai in der Bundesversammlung den Bundespräsidenten mitwählen soll, erklärte, er sei niemals Urheber der Sprengung der Kirche gewesen.

Der «Focus» hatte der PDS vorgeworfen, mit Lauter entsende sie einen «Altkommunisten» in die Bundesversammlung, der Ende der 60er Jahre großen Anteil an der Sprengung der Kirche gehabt habe. PDS-Bundeschef Lothar Bisky und der Vorsitzende der PDS-Fraktion im sächsischen Landtag, Peter Porsch, sprachen daraufhin von einer «elenden Geschichtsfälschung», da Lauter aufgrund seiner reservierten Haltung zur Kirchensprengung später aus der Bezirksleitung der SED abberufen worden sei. In der jüngsten Ausgabe veröffentlicht das Magazin indes ein von Lauter unterzeichnetes Dokument von 1964 aus dem Sächsischen Staatsarchiv, in dem dieser in einem so genannten Maßnahmenplan die Vorbereitung und die Pressebegleitung der Sprengung aufzeichnet.

Erstmals meldete sich Montag offiziell die Hauptperson des Streits, Hans Lauter, zu Wort. In einer zweiseitigen Erklärung gab er an, mehrfach gegen den Plan der SED zur Sprengung der Kirche Einwände erhoben zu haben. Zu dem vom «Focus» veröffentlichten und von ihm unterzeichneten Dokument erklärte der 89-Jährige, es gebe möglicherweise keine anderen Dokumente mehr, die seine Ablehnung belegten und so könnte der Anschein entstehen, er sei Urheber des Kirchenabrisses. «Das war ich nie», erklärte Lauter.

Quelle: Freie Presse Online, 8.3.2004

Bundestag verweigert Fortzahlung der Archiv-Zuschüsse an die Rosa-Luxemburg-Stiftung

Die Bundestagsverwaltung hat der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Zuschuesse für die Aufbereitung von Archivalien der aus dem Parlament ausgeschiedenen PDS-Fraktion gestrichen. Die Stiftung sieht darin einen Präzedenzfall.

In dem seit einem Jahr schwelenden Streit zwischen der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Bundestagsverwaltung um eine Finanzierung des Archivs der einstigen PDS-Bundestagsfraktion sind alle Bemühungen um eine Lösung erfolglos geblieben. Das zuständige Haushaltsreferat hatte bereits im Februar 2003 entschieden, kuenftig keine Fördermittel mehr an das „Archiv des Demokratischen Sozialismus“ zu überweisen. Einer Weiterfinanzierung, so die Bundestagsverwaltung, stehe das Ausscheiden der PDS-Fraktion aus dem Bundestag entgegen. Auch mehrfache Interventionen der Stiftung blieben erfolglos.

Konkret geht es um rund 104.000 Euro aus dem Etat des Bundestages, die der Luxemburg-Stiftung bislang zur „Aufbereitung und Erhaltung zeitgeschichtlich bedeutsamer Archivalien“ gewaehrt wurden. Im Bundeshaushalt werden fuer diese Arbeit der politischen Stiftungen seit Jahren rund 2,2 Millionen Euro bereitgestellt. Eine gesetzliche Finanzierungsregelung besteht zwar nicht. Allerdings galt bisher eine gemeinsame Erklaerung der wichtigsten parteinahen Stiftungen als Grundlage. In dem auch von der Luxemburg-Stiftung unterstuetzten Papier ist u.a. die Ausschuettung von Projektmitteln wie jenen zur Finanzierung des PDS-Archivs vereinbart.

Entsprechende Gelder sollten auch nach dem Ausscheiden einer Partei aus dem Bundestag „mindestens fuer die Dauer einer Wahlperiode“ weitergewaehrt werden, heisst es in dem Papier. Diese Vereinbarung werde mit der Verweigerung von Projektmitteln fuer die 2002 als Fraktion aus dem Bundestag ausgeschiedene PDS torpediert, kritisiert Evelyn Wittich vom Vorstand der Luxemburg-Stiftung die Entscheidung der Bundestagsverwaltung und warnte vor einem Praezedenzfall. Bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung bedauerte man zwar den Vorgang, sah allerdings „keine Moeglichkeit einer weiteren Intervention“.

Offenbar, so Wittich, bestehe seitens der Parlamentsbehoerde kein Interesse mehr an den PDS-Unterlagen, die Luxemburg-Stiftung werde behandelt „wie eine Stiftung in Abwicklung“. Wie die Arbeit des als wissenschaftlich wertvoll eingeschaetzten Stiftungsarchivs in Zukunft finanziert werden soll, steht nun in den Sternen – zumal die eingelagerten Fraktionsunterlagen mit 337 von insgesamt rund 400 laufenden Regalmetern den weitaus ueberwiegenden Teil der Dokumente umfassen.

Von den Bestaenden der Wahlperiode 1998 bis 2002 hat man bislang lediglich einige der Akten des Ex-Fraktionschefs Gregor Gysi aufbereitet, der groesste Teil harrt in Kisten verpackt seiner Bestimmung. Fuer eine erfolgreiche Fortsetzung der bislang mit den Bundestagsgeldern finanzierten Archivarbeit hofft die Vorstaendlerin nun auf Spenden und die ehrenamtliche Hilfe durch interessierte Archivare.

Kontakt:
Rosa-Luxemburg-Stiftung
Franz-Mehring Platz 1
10243 Berlin

Telefon: +49-(0)30-44310221
Fax: +49-(0)30-44310222

Quelle: Neues Deutschland, 28.2.2004

Aktives Museum Spiegelgasse dokumentiert deutsch-jüdische Stadtgeschichte

Das Aktive Museum Spiegelgasse wurde 1988 in Wiesbaden gegründet. Es diente ursprünglich der Rettung des Gebäudekomplexes Spiegelgasse 9 bis 11. Das „wertvollste noch erhaltene Zeugnis jüdischen Lebens in Wiesbaden“ beherbergte im 18. und frühen 19. Jahrhundert ein jüdisches Badehotel, die Rabbinerwohnung, einen Betraum und lange Zeit das rituelle Bad, wie Dorothee Lottmann-Kaeseler, Vorsitzende des Museums, erläutert.

Das kleine Haus mit der Nummer 11 wurde 1735 erbaut und ist damit das drittälteste Wohnhaus Wiesbadens. Seit Sommer 1999 nutzt der Verein das im Jahr zuvor sanierte Gebäude zu Ausstellungszwecken. Die Büros, das Archiv und die Bibliothek sind in der Spiegelgasse 7 untergebracht. Größere Veranstaltungen, wie die Eröffnung von Teofila Reich-Ranickis Ausstellung am 17. März, finden im Rathaus statt. „Sonst platzt unser kleines Häuschen aus den Nähten“, erklärte Dorothee Lottmann-Kaeseler.

Als „Ort des lebendigen Erinnerns“ richtet das Museum den Blick auf die jüdische Geschichte der Stadt und dabei vor allem auf Verschüttetes aus der NS-Zeit. Im Kampf gegen das Vergessen bedient sich der Verein vielfältiger Mittel. Dazu gehören eigenproduzierte Broschüren und Filme ebenso wie geführte Stadtrundgänge und Ausstellungen. Das Zeitzeugenprogramm bringt Schüler der Klassen acht bis 13 zu Gesprächen mit Menschen zusammen, die das Dritte Reich noch selbst erlebt haben. Desweiteren organisiert der Verein Fortbildungen für Lehrer und andere Berufsgruppen. Die Bibliothek ist einmal wöchentlich (donnerstags von 16 bis 18 Uhr) geöffnet. Eine Dauerausstellung im Wiesbadener Rathaus informiert multimedial und interaktiv über Orte, an denen sich Spuren der Stadtgeschichte finden lassen. „Wir bemühen uns außerdem um die Kennzeichnung historischer Stätten in der Stadt.“ Die Installation „Fragmente“ am Michelsberg beispielsweise rekonstruiert den Grundriss der 1938 zerstörten Synagoge.

Wie die meisten sozialen und kulturellen Einrichtungen sei auch das Aktive Museum von den Kürzungen nach dem „Rasenmäher-Prinzip“ betroffen. „Wir bangen um unseren Zuschuss von knapp 50.000 Euro“, so Lottmann-Kaeseler. Ohnehin lasse diese Summe keinen Spielraum für Projekte, „das Geld geht für Miete, Material und Technik drauf“. Die Arbeit werde zu 99 Prozent ehrenamtlich geleistet, lediglich Dorothee Lottmann-Kaeseler erhalte ein „geringfügiges Honorar für meine 60-Stunden-Woche“. „Wenn der Zuschuss wegfällt, können wir die Miete nicht mehr bezahlen“, fürchtet die Vorsitzende. Sponsoren seien nur schwer für die Thematik zu begeistern. Die Menschen wollten mit der Vergangenheit nicht „belästigt“ werden, wie die Hohmann-Debatte sehr deutlich gezeigt habe. Das gelte besonders für „unbequeme“ Vorträge wie den von Dieter Schenk, der im Januar über die „braunen Wurzeln des BKA“ referierte. Aber auch für unverfängliche Kunstprojekte fänden sich kaum Geldgeber.

Kontakt:
Aktives Museum Spiegelgasse
für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden e.V.
Spiegelgasse 7
65183 Wiesbaden
Spiegelgasse@web.de
Tel: +49 611 30 52 21
Fax: +49 611 30 56 50
http://www.am-spiegelgasse.de/

Quelle: Wiesbadener Kurier, 6.3.2004

Neue alte Bilder für das Stadtarchiv Peine

Vergessene Straßen, verschwundene Fassaden, verschollene Ansichten: Wie Peine in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg aussah, belegen neue alte Bilder, die dem Stadtarchiv jetzt aus Aktenbeständen des Planungsamtes zugänglich wurden. Auch in den Kellern von Schulen lagerten historische Schätze: Listen, Protokolle und Rechnungen, die bis 1749 zurückreichen.

Wenn Beamte im Dienst fotografieren, richten sie den Fokus meist auf öffentliche Gebäude, in Peine dürfte etwa die wechselhafte Baugeschichte des „Weißen Schwans” bilderreich dokumentiert sein. Ihre Kollegen aus der Adenauer-Ära fühlten sich auch den Schattenseiten der Stadt verpflichtet. So entdeckte Archivar Michael Utecht unter alten Akten des Planungsamtes ein rot eingebundenes Album mit Fotos altersschwacher Gebäude. In Schnörkelschrift notierte der Autor beginnenden Verfall, drohenden Abriss, nötigen Neubeginn.

Noch penibler agierte sein Kollege, der am 3. November 1971 eine rare Momentaufnahme der Innenstadt herstellte: Vom Marktplatz bis zum Bahnhof fotografierte er jedes Gebäude. „Das ist ein kleiner Schatz”, freut sich Stadtarchivar Michael Utecht, der das üppige Fotomaterial samt „laufendem Meter Akten” im vergangenen Jahr von der Abteilung Stadtplanung übernahm, archivierte und damit dauerhaft sicherte.

Doch auch Ortschronisten dürfen sich freuen: Im Nachlass des früheren Schwicheldter Bürgermeisters und Gemeindedirektors Wilhelm Brendecke fanden sich stapelweise amtliche Unterlagen, Protokollbücher des Schulvorstandes, Archivalien des Schulzweckverbandes, Akten zu Flüchtlingsfragen und Feuerwehrbedarf, Einwohner- und Häuserlisten. Dietrich Rogner, Enkel des früheren Vöhrumer Lehrers Willy Tuschy, übereignete dem Archiv Dorfansichten des Onkels aus den 50-er Jahren, als am Ortseingang noch per Holzschild auf Vöhrum verwiesen wurde.

Noch weiter in die Vergangenheit reist, wer in den Amts- und Schulbüchern blättert, die sich in der Wall- und der Wilhelmsschule fanden. Stockfleckig und verquollen, aber gut lesbar zeigt sich das älteste Zeitzeugnis im Aktenberg: Aus der Zeit von 1749 bis 1810 datieren die Chorrechnungen der Wallschule, in denen sich penibel verzeichnet findet, wie viel die Stadtkasse ausgewählten Sängern für Auftritte etwa bei Beerdigungen oder Gottesdiensten zahlte. Die Auswertung der von den Rektoren verwahrten Notizen steht noch aus. Utecht aber ist sicher: „Da entdecken wir noch einige bekannte Namen”.

Kontakt:
Stadtarchiv Peine
Windmühlenwall 26
31224 Peine
Tel.: 05171/49538
eMail: stadtarchiv@peine.de

Quelle: Peiner Allgemeine Zeitung, 6.3.2004

Stadtarchiv Dessau erhält Material zum Bombenkrieg

Während eines Bombenangriffes am 7. März 1945 wurde Dessau endgültig in Schutt und Asche gelegt wurde. Der schwerste von insgesamt 20 Luftangriffen erfolgte an jenem Abend vor 59 Jahren zwischen 21.49 und 22.40 Uhr. 668 Menschen starben in den Trümmern.

Die Erinnerungen an den Krieg sind auch nach so vielen Jahrzehnten wach. Jüngste Bombenfunde in der Mosigkauer Heide – dort spürte der Kampfmittelbeseitigungsdienst zwei amerikanische Fliegerbomben auf – haben viele Zeitzeugen zum Anlass genommen, sich an diese Zeit zu erinnern und der Lokalzeitung sowie dem Stadtarchiv Dessau zeitgenössische Fotos und Beiträge zu übergeben. „Viele Dessauer haben sich gemeldet, die vielleicht nie den Weg zu uns gefunden hätten“, fasst Frank Kreißler, Leiter des Stadtarchivs, zusammen und freut sich über eine Reihe von zugesagten Berichten, über Anrufe, Anfragen, Erzählungen, alte Briefe und Bilder.

„Geschichte sind nicht nur Zahlen und Fakten, sie wird nachvollziehbar durch die unterschiedlichen Schilderungen“, will der Archivar weitere Dessauer ermuntern. Längst ist nicht alles bekannt über die Luftangriffe auf Dessau. Da Dessaus Vororte noch eigenständige Gemeinden waren, findet sich über die Zeit des Krieges wenig Material in den Archiven. Das Stadtarchiv plant nun die Veröffentlichung noch unbekannter Dias. Innerhalb einer Ausstellung im Mai sowie in einem Bildband soll an die Luftangriffe vor 60 Jahren erinnert werden. Pfingsten 1944 waren viele von den Angriffen amerikanischer Luftstreitkräfte wirklich überrascht worden.

Kontakt:
Stadtarchiv Dessau
Lange Gasse 22
06844 Dessau
Fon: 0340 215550
Fax: 0340 5169620
E-Mail: archiv@stadtarchiv.dessau.de

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 6.3.2004

Moerserinnen zum Internat. Frauentag

„Man hat auf einmal so viele Bilder im Kopf, wenn man durch die Stadt geht“, beschreibt Heide Bongen das Wissen um Moerser Frauen-Geschichten. Sie kennt die Wirkungsstätte der vermeintlichen Hungerkünstlerin aus der Neustadt, die Praxis der ersten Moerser Kinderärztin auf der Uerdinger Straße, das Geburtshaus der bekannten Kammersängerin. Gemeinsam mit Brigitte Scherzer, Hildegard Finger, Gisela Bonnekamp und anderen Kolleginnen von der Frauengeschichtswerkstatt hat sie deren Schicksale erforscht, in Archiven gestöbert und wenn möglich Zeitzeugen befragt. Bewegendes, erzähltes Leben, das schnell den Rahmen eines Buches gesprengt hat, das zweite ist schon fertig.

Man erfährt zum Beispiel von dem „Schutzengel von Moers“, Franziska Feeger. Bilder der selbstlosen Krankenpflegerin sind leider nicht überliefert. Ein westfälischer Mundartdichter porträtiert sie wenig vorteilhaft: „Eine ältere, unansehnliche Person, in dunkles Umschlagtuch gehüllt und einen schweren Korb am Arm tragend, kam heran, etwas müden und wackelnden Ganges.“ Wenig später wird er bewundernd sagen: „Man fragte sich, wann sie eigentlich schlafe, denn sie war oft in später Abendstunde und in früher Morgenstunde auf den Straßen anzutreffen, im strengsten Winter gegen Eis und Schnee ankämpfend.“

Franziska Feeger habe Mitte des 19. Jahrhunderts Aufgaben übernommen, die heute die Caritas wahrnehme, schildert Brigitte Scherzer. Deswegen ist bei der Stadtführung die Residenz des Wohlfahrtverbandes in der Haagstraße Ausgangspunkt für die Geschichte der selbstlosen Frau. Franziska Feeger wird 1827 in Geldern geboren, die Eltern ziehen aber bald in die Moerser Meerstraße.

Sie stammt aus einfachen Verhältnissen, bleibt ledig und verdient ihren Unterhalt als Wäscherin und Büglerin. Ihre Freizeit widmet sie notleidenden Menschen. Sie pflegt Kranke, steht Todgeweihten bei. Von ihrem kargen Lohn kauft sie Decken und Liegen, die sie an Bedürftige verleiht. Während der Pockenepedimie 1870/71 geht die Mitvierzigerin so in der Krankenpflege auf, dass sie ihrem Broterwerb nicht mehr nachkommen kann. Sie erhält Unterstützung aus der Stadtkasse. Für den katholischen Geistlichen der Gemeinde, Pfarrer Koeven, ist sie der „Schutzengel von Moers“.

Aber auch ein großes Herz für Arme verleiht keine übermenschlichen Kräfte. Franziska Feeger merkt, dass sie ihre kräftezehrende Arbeit nicht ewig durchhält. Immer wieder bearbeitet sie Pfarrer Koeven, es sollen doch Barmherzige Schwestern die Krankenpflege in der katholischen Bevölkerung übernehmen. Kurz vor ihrem Tod im Juni 1893 erlebt Franziska Feeger noch den Einzug der Schwestern in die Filder Straße 2. Ein erster Schritt zum Bau des St. Josef-Hospitals, so Brigitte Scherzer.

Auch Helene Middelhoff hat ihr Leben einer Aufgabe gewidmet: dem Grafschafter Heimatmuseum. Wie aus der Mutter und Kriegswitwe eine versierte und hochgeschätzte Museumsleiterin wurde, erzählt Hobbyforscherin Hildegard Finger. Erst 27 Jahre alt ist Helene Middelhoff, als sie ihrem Mann Kurt aus Duisburg nach Moers folgt. Viel Zeit bleibt Dr. Middelhoff allerdings nicht, hier seinen Beruf als Museumsleiter auszuüben. Nach nur zwei Jahren wird er zu Kriegsbeginn an die Front gerufen. Er kommt nicht mehr zurück.

Witwe Helene, inzwischen Mutter des Jungen Klaus, tritt in seine Fußstapfen. „Das war damals noch möglich, es spielte keine Rolle, ob sie eine entsprechende Ausbildung hatte“, so Hildegard Finger. 1947 wird sie offiziell zur Museumsleiterin ernannt. Damit ist Helene Middelhoff Herrin über zwei Räume im Schloss, in den restlichen Gemächern residiert bis 1952 die Stadtverwaltung.

Zunächst heißt es, ausgelagerte Museumsschätze heimzuholen. Gar nicht so einfach. Auf Schloss Ehrenbreitstein bei Koblenz, damals in der französischen Besatzungszone, will man sich gar nicht von den schönen Truhen, Schränken, Messing- und Kupfersachen trennen. Charme und Hartnäckigkeit führen Helene Middelhoff zum Erfolg. „Fast alle Gegenstände fanden wieder ihren Weg nach Hause“, weiß Hildegard Finger.

Im Laufe der Zeit bereichert Helene Middelhoff das Schloss um viele wertvolle Exponate und macht es zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt der Stadt. Sie initiiert Konzerte, Ausstellungen, Empfänge und nicht zuletzt die gemütlichen Museumssonntage.

Dem Erhalt historischer Stätten von Berufs wegen verpflichtet, setzt sie sich auch für alte Häuser in Moers ein, sucht und findet Mitstreiter in der Stadt. Besonders das so genannte Bügeleisen, eine Häuserzeile auf der Haagstraße, liegt ihr am Herzen. Ein Kampf gegen Windmühlen. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts herrscht Modernisierungswille, die Häuser fallen 1965.

Nach 40 Jahren verabschiedet sich die Schlossherrin aus den liebgewonnenen Gemächern. Nicht ohne ein Abschiedsgeschenk. 1979 erhält sie den Ehrenring der Stadt. 14 Jahre später stirbt Helene Middelhoff in Gummersbach.

Info:
Am morgigen Sonntag (7.3.) lädt die Frauengeschichtswerkstatt Moers zur historischen Stadtführung ein. Treffpunkt ist das Alte Rathaus, Unterwallstraße, 11 Uhr.

Quelle: WAZ Moers, 6.3.2004

Spätes Gedenken an russische Gefangene

Die seit Jahren kursierenden Vermutungen über Gräber von russischen Kriegsgefangenen im Gewann „Schüpferloch“ haben sich bewahrheitet. Aus Unterlagen des Staatsarchivs Ludwigsburg geht zweifelsfrei hervor, dass dort sechs russische Soldaten beerdigt sind, schreibt die Stadt Bad Mergentheim in einer Pressemitteilung. Die Grabstellen der Gefangenen liegen im Böschungsbereich einer ehemaligen Panzerstraße.

Die Vertreter der Stadtverwaltung mit dem Oberbürgermeister und Repräsentanten des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge sprachen sich im Hinblick auf das weitere Verfahren für die Errichtung einer kleinen Gedenkstätte mit Stein und Inschrift auf einer etwa 25 Quadratmeter großen, vom Unterholz befreiten Fläche aus. Damit will man das ehrende Gedenken an die russischen Kriegsgefangenen in würdiger Weise erhalten. Hermann Hettenbach als Vertreter der Familie, auf deren Grundstück vor rund 20 Jahren Suchgrabungen stattgefunden hatten, hat sich von sich aus bereit erklärt, die Pflege der Gräber zu übernehmen.

Zur Vorgeschichte gab Hauptamtsleiter Scheidel unter Zuhilfenahme von Planunterlagen detaillierte Informationen: Seit geraumer Zeit gab es immer wieder Spekulationen, dass im Bad Mergentheimer Gewann „Schüpferloch“ russische Kriegsgefangene beerdigt sein könnten, die sich 1942 in einem Gefangenenlager befanden. Entsprechende Suchgrabungen in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in den Jahren 1983 und 1984 verliefen allerdings ergebnislos.

Jetzt wurden Unterlagen im Staatsarchiv Ludwigsburg gefunden, die belegen, dass im „Schüpferloch“ tatsächlich sechs russische Kriegsgefangene bestattet sind. Während zwei davon namentlich bekannt sind, sind von den weiteren vier weder Namen noch Geburtstag oder Sterbeort verzeichnet. Auch die Lage der sechs Gräber ist aus dem im Staatsarchiv gefundenen Plan nicht erkennbar, da es sich um einen Handskizze handelt. Das städtische Tiefbauamt hat daraufhin unter Zuhilfenahme anderer Planungsunterlagen und Vermessungen die Lage der sechs Gräber ermittelt.

Der Schlüssel für die jetzt erfolgte Feststellung des Standortes der Gräber war die im Staatsarchiv gefundene Handskizze, die möglicherweise nicht maßstabsgetreu angefertigt wurde. Deshalb besteht durchaus die Möglichkeit, dass die tatsächliche Lage der gefundenen Gräber russischer Soldaten vom jüngst ermittelten Standort eventuell um einige Meter in jegliche Himmelsrichtung abweicht.

Quelle: Fränkische Nachrichten, 5.3.2004