Stadtarchiv Lünen: Recherche am heimischen PC

Was tun, wenn man in der Geschichte seiner Stadt stöbern und forschen will? Man geht auch in Lünen ins Stadtarchiv. Aber: Recherche ist vor Ort oftmals mühsam und zeitintensiv, denn eine umfangreiche Menge an Akten- und Urkundenmaterial erwartet den Besucher. Das geht jetzt einfacher. Recherchieren vom heimischen PC! Denn der Leiter des Stadtarchivs Lünen Fredy Niklowitz stellte den Archivbestand mit Hilfe der Sendener Software-Firma „Augias-Data“ nun ins Internet.

Allein seit 1945 liegen 10.000 städtische Verwaltungsakten vor. Die älteste Urkunde des Archivs datiert aus Jahr 1320. Dazu etliches Schriftgut aus den Gemeinden oder von Parteien, Vereinen und Verbänden aus der Neuzeit. Auch ist Material von Privatleuten und Adelsfamilien zur Verfügung gestellt worden. Firmenarchive und die Bestände von Sammlungen und Bibliotheken komplettieren das Angebot. All das verzeichnen die Mitarbeiter des Stadtarchivs fein säuberlich in sogenannten „Findbüchern“ auf Papier.

„Wir haben durch „Augias“ und ihr Angebot „findbuch.net“ die Möglichkeit genutzt, das Lüner Stadtarchiv elektronisch zu erfassen“, so Fredy Niklowitz. Das Ergebnis: Der Bestand kann nun auch über das Internet eingesehen werden. „Das erleichtert die Recherche ungemein“, weiß der Archivar Niklowitz, der sich in anderen deutschen Archiven oftmals erst vor Ort mit dem „Wust der Findbücher“ rumschlagen muss, bis er an die gewünschten schriftlichen Quellen kommt. „Unser Internetauftritt erleichtert es allen historisch Interessierten, schon von zu Hause eine Vor-Recherche ohne Zeitdruck zu unternehmen.“

Das „Internet-Findbuch“ ist einfach zu erreichen: Erst www.luenen.de, über die Pfade Kultur & Bildung/ Stadtarchiv/ Archivbestände, dann entweder über die einzelnen Bestände oder Findbuch.net.

Über Unterverzeichnisse und Kategorien erfolgt eine systematische Gliederung in Themenbereiche der 88 Archivbestände. Dieses System erscheint nur auf den ersten Blick nicht ganz so einfach – ist aber für alle, die ein wenig mit dem PC umgehen können, unkompliziert zu bedienen. Mit Hilfe eines „Begriff-Such-Systems“ kann schnell auf einzelne Akten- und Urkundenstücke zugegriffen werden. Natürlich sind die Texte der Akten und Urkunden selbst dort nicht einzusehen, wohl aber Inhaltsangaben und Signaturnummer.

Wer dann mit diesem Vorwissen ins Stadtarchiv kommt, kann sich die gewünschten Akten vom Personal schnell aushändigen lassen und spart Zeit. Auch eine Vorbestellung ist möglich.

„Das Software-Produkt „Findbuch.net“ findet in Deutschland immer mehr Anklang“, so Karl-Theo Heil und Christian Haps von der Firma „Augias-Data„. „Allerdings ist das Stadtarchiv Lünen neben denen in Marl und Hagen ein Vorreiter auf dem Gebiet, den Archivbestand in einem solch großen Detaillierungsgrad per Internet auszuweisen. „Uns ist es nun möglich, die inhaltlichen Angaben unseres digitalen Findbuchs von Zeit zu Zeit weiter zu aktualisieren“, so Niklowitz. Denn so manche Akte ist aus Datenschutzgründen gesperrt oder leider einfach noch nicht näher verzeichnet.

Kontakt:
Stadtarchiv Lünen
Willy-Brandt-Platz 1
44532 Lünen
Tel.: (02306) 104 – 1531
Fax: (02306) 104 – 1460
Fredy.Niklowitz.85@luenen.de

Quelle: WAZ, 23.1.2004

Hitlers Befehl zum Judenmord

„Der Führer hat Anweisung gegeben, daß die Juden und sonstigen Feinde in Frankreich verhaftet und abtransportiert werden.“ Hitlers persönliche Anweisung zur Ermordung der französischen Juden wurde jetzt im amerikanischen Nationalarchiv gefunden, wie die FAZ heute berichtet.

An der Verantwortung Adolf Hitlers für die Vernichtung der europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs besteht kein Zweifel. Doch rätseln die Historiker schon lange, wann genau der Diktator die Anweisung gab. Das jetzt im Nationalarchiv gefundene Schriftstück, das sich seit 1945 in amerikanischem Besitz befindet, ist eines der ganz wenigen Dokumente, die Hitler in direktem Zusammenhang mit einer Deportation und Ermordung größeren Umfangs nennen.

In dem neuen Dokument mit Datum vom 10. Dezember 1942 schreibt Heinrich Himmler, wie eingangs zitiert, den Inhalt eines Gesprächs mit dem „Führer“ nieder, das er mit Hitler über Sicherheitsprobleme in dem von Deutschland besetzten Frankreich führte.

Zur Einordnung der hier präsentierten Quelle in den Forschungskontext machte Michael Wildt in der NZZ vom 28.1.2004 einige Ausführungen.

Quelle: FAZ, 24.1.2004, 33.

Eröffnung des „Hauses der Stadtgeschichte“ in Offenbach

Nach einer Vorbereitungszeit von mehreren Jahren wird am Wochenende das neue Stadtmuseum in Offenbach eröffnet. Neues Domizil des Museums ist das unter Denkmalschutz stehende Gebäude der ehemaligen Schnupftabakfabrik „Gebrüder Bernard“ in der Herrnstraße 61, die Offenbachs erste Fabrik war. Die Stadt nutzte den Umzug aus der ehemaligen Villa im Dreieich-Park in den 1896 errichteten sogenannten Bernardbau, um das Museum neu zu gestalten. Dabei arbeitete Museumsleiter Jürgen Eichenauer mit der Hochschule für Gestaltung (HfG) zusammen. Bereits vor einiger Zeit war das Stadtmuseum mit dem Stadtarchiv zum „Haus der Stadtgeschichte“ vereinigt worden.

Das von Hans-Georg Ruppel geleitete Archiv ist seit mehr als einem Jahrzehnt im Bernardbau untergebracht. Nach Angaben des Kulturdezernenten Stephan Wildhirt (SPD) hat der in Zusammenarbeit mit einem Bauunternehmen aus Regensburg ausgeführte Umbau des Gebäudes zirka 1,2 Millionen Euro gekostet; für den Umzug habe die Stadt 40.000 Euro ausgegeben.

Im Bernardbau verfügt das Stadtmuseum über eine 576 Quadratmeter große Fläche, fast 170 Quadratmeter mehr als bislang. Das Museum erstreckt sich auf zwei Ebenen, wie Eichenauer erläuterte. Die Grundidee sei, die „Stränge der Stadtgeschichte bis in die Gegenwart zu führen“. So wird im Erdgeschoß die Geschichte Offenbachs chronologisch dargestellt: von der Vor- und Frühgeschichte über das Fischerdorf zur Industriestadt bis zur Gegenwart mit dem Wandel zum Dienstleistungszentrum.

Mit der „Industriehalle“ ist ein Raum vorhanden, der für Wechselausstellungen und Veranstaltungen genutzt werden soll. Im ersten Stockwerk wurde eine Gemäldegalerie untergebracht, die bislang nicht gezeigte Werke aus dem Museumsbesitz präsentiert, zum Beispiel Arbeiten von Georg Oswald May und Georg Heinrich Hergenröder. Der größte Teil des Raumes wird von einem „Thementableau“ gefüllt, das den Blick auf „verlorene Geschichten“ und „vergessene Orte“ lenken soll: Goethes Besuche in Offenbach, die Schriftstellerin Sophie von La Roche, den Sport in der Stadt, das jüdische Leben, das Wirken der Hugenotten. Eichenauer zufolge sollen die auf Stelen angebrachten Texttafeln dem Besucher eine „Erstinformation“ vermitteln. Wer mehr zu einem Thema wissen will, kann am Bildschirmterminal im ersten Stockwerk weitere Informationen aus dem Computer abrufen.

Offiziell eröffnet wird das „Haus der Stadtgeschichte“ am Sonntag.  Zwischen 17 und 22 Uhr können die Besucher bei freiem Eintritt das Museum besichtigen. Mitarbeiter erläutern jede halbe Stunde bei Führungen die Gestaltung des Museums.

Kontakt:
Stadtmuseum Offenbach
Herrnstraße 61
Offenbach
Telefon: 069 / 80 65 24 46
Fax: 069 / 80 65 24 69

Quelle: FAZ, 22.1.2004

Historisches Archiv in St. Petersburg wird geschlossen

Aleksandr Lavrov berichtet heute in der FAZ, dass das Historische Archiv in Petersburg, das zentrale Akten zur Geschichte Russlands im 19. Jahrhundert beherbergt, geschlossen wird, weil die Russische Föderation scharf ist auf seine Gebäude.

Die Bestände des Russischen Staatlichen Historischen Archivs in St. Petersburg haben eine durch die starke Zentralisierung des russischen Archivsystems bedingte einzigartige Bedeutung für die Erforschung der russischen Geschichte vom Anfang des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Hier befinden sich die Archive des Senats, des Heiligen Synods, der die Russische Orthodoxe Kirche verwaltete, und der Ministerien des Zarenreichs.

Besondere Bedeutung hat das Archiv für die neue Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche, weil hier die wichtigsten Quellen der Kirchengeschichte von 1721 bis 1918 liegen, d.h. von der petrinischen Kirchenreform bis zur Wiedereinführung des Amtes des Patriarchen.

Im Januar 2004 bekamen die Besucher des Lesesaals nur noch Akten ausgehändigt, die sie im Dezember bestellt hatten. Neue Bestellungen werden nicht mehr angenommen.

Die Mitarbeiter des Archivs kämpfen gemeinsam mit Vertretern der Öffentlichkeit auf zwei Websites gegen die Schließung: http://rgia.narod.ru und http://www.rgia-sos.narod.ru

Quelle: FAZ, 23.1.2004, 35

Zeitzeugen zum Stader Bunker „Sokrates“ gesucht

Dieter-Theodor Bohlmann ist Stader Ratsherr, Vorsitzender mehrerer Vereine, ehrenamtlicher Museumsdirektor in Jork und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Museen im Landkreis Stade, darüber hinaus pensionierter Lehrer und Autor mehrerer Bücher. Für ein neues Projekt benötigt er die Unterstützung von den Stadern. Es geht um den Bunker „Sokrates“, der im Zweiten Weltkrieg auf dem Schwarzen Berg in Stade gestanden hat.

Es handelte sich dabei um den Teil eines Abwehrsystems gegen die alliierten Luftangriffe. Das System wurde – so Bohlmann – ab 1940 aufgebaut. Ein Großgefechtsstand befand sich ab 1. Februar 1942 auf dem Schwarzen Berg in Stade, arbeitete zunächst in einem großen Backsteingebäude an der Bremervörder Straße. Genau dort, wo sich heute der Parkplatz des Stader Krankenhauses befindet.

Ab Ende 1943 gab es einen großen Bunker am Südosthang des Schwarzen Berges oberhalb des Heisterbusches. Um ihn herum war ein Barackenlager für bis zu 1.000 Luftwaffensoldaten angesiedelt. Er bestand – die Tarnbezeichnung lautete „Sokrates“ – bis zum 19. April 1945. Die Baracken waren nach Kriegsende Lager für entlassene russische und polnische Gefangene. Der Bunker war Lagerraum, ab 1947 auch für einige Zeit Sitz der Schuhfabrik Filatzek. Am 1. November 1948 wurde der Bunker auf Befehl der britischen Militärbehörde gesprengt, Trümmer sollen noch bis 1955 beseitigt worden sein. Die Baracken verschwanden erst in den 60er-Jahren, damals wurde dann an dieser Stelle das Stader Krankenhaus gebaut.

Dieter-Theodor Bohlmann möchte nicht nur alte Akten für sein Buch verwerten. Er hofft auf den Kontakt zu Zeitzeugen und deren Berichte. Einige zivile „Nachnutzer“ und Angehörige des Bunkerpersonals dürften noch im Stader Raum ansässig sein. Bohlmann hofft, dass sie ihm auch Dokumente und Fotografien leihweise zur Verfügung stellen werden.

Kontakt:
Dieter-Theodor Bohlmann
Telefon 04141/8 33 50
oder über das
Stadtarchiv Stade
Johannisstraße 5,
21682 Stade
Tel. 04141/401-461
Juergen.Bohmbach@stadt-stade.de
Leitung: Herr Dr. Bohmbach

Quelle: Hamburger Abendblatt, 23.1.2004

Die Birthler-Behörde von Bagdad

Hunderttausende Seiten Dokumente der entmachteten irakischen Regierung stapeln sich in den frisch bezogenen Räumen der Iraq Memory Foundation in Bagdad. Als Organisation von Exil-Irakern aus den USA soll das Archiv als eine Art Birthler-Behörde von Bagdad Vergangenheitsbewältigung betreiben.

Da noch nicht geklärt ist, wie die Dokumente sinnvoll archiviert werden können und welche rechtlichen Grundlagen den Zugang zu den brisanten Informationen regeln könnten, suchen die Iraker praktische Tipps vor allem in Deutschland. Denn seit mehr als 13 Jahren werden in Berlin die Akten der DDR-Staatssicherheit ausgewertet. Am Donnerstag sahen sich der Gründer der Iraq Memory Foundation, Kanan Makiya, und sein Mitarbeiter Hassan Mneimneh, bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, um.

Makiya regte ein Austausch-Programm mit der Birthler-Behörde an, um ein funktionierende Archivwesen im Irak aufzubauen. Birthler sicherte zu, bei der Suche nach Partnern für ein solches Programm zu helfen.

Wie ihr Berliner Vorbild will auch die Iraq Memory Foundation der Bevölkerung und Forschern Einblick in die Akten gewähren und so einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte leisten. Ins Leben gerufen wurde die Organisation von Exil-Irakern um den Harvard-Professor Makiya. Seit Jahren befasst sich der 1968 in die USA ausgewanderte Wissenschaftler mit irakischen Akten. Er leitete ein Forschungsprojekt auf der Grundlage von Dokumenten, die nach dem Golfkrieg von 1991 von Oppositionsgruppen in Nordirak sichergestellt worden waren.

Damals gab es dafür neben zahlreichen privaten Spenden auch Gelder aus der US-Staatskasse. Doch als nach dem Sturz von Saddam Hussein rund 300 Millionen Seiten Dokumente ans Licht kamen und eine Aufarbeitung der 35 Jahre Herrschaft der Baath-Regierung erst richtig beginnen konnte, blieb Unterstützung aus Washington aus.

Für Birthler ist finanzielle Unterstützung aus Deutschland denkbar, etwa durch die politischen Stiftungen. Sie selbst stehe weiterhin für den Austausch mit den Irakern bereit. Im Gegensatz zur Birthler-Behörde steht die Iraq Memory Foundation noch ganz am Anfang. „Wir kratzen gerade erst an der Oberfläche“, sagt Makiya. Während in den Birthler-Archiven in Berlin-Lichtenberg 180 Kilometer Akten lagern, kommen die Dokumente der Memory Foundation auf gerade einmal 2,5 Kilometer.

Nur ein Prozent des gesamten Aktenbestandes aus der Saddam-Ära liegt in den Archiven der Iraq Memory Foundation, während rund 80 Prozent in den Händen der Koalitionstruppen sind. Etwa zehn Prozent werden von irakischen Parteien wie dem Obersten Rat der Islamischen Revolution (SCIRI) oder dem Irakischen Nationalkongress (INC) gehütet.

Aber die Quantität sage nicht unbedingt etwas über den Wert der Dokumente aus, ist Mneinmeh überzeugt. Die Iraq Memory Foundation verfüge über Dokumente der Baath-Partei, die von großer Bedeutung seien. Dagegen sei der Großteil der Akten in US-Besitz unbedeutend.

Unter der Vielzahl von Aktenhütern sei die Iraq Memory Foundation die einzige unabhängige Organisation, sagt Mneimneh. Interesse an einer gemeinsamen Archivierung und damit an einer gemeinsamen Aufarbeitung der Vergangenheit komme weder von den Parteien, noch von den Besatzern. Die Akten würden „nicht für die nationale Versöhnung“ benutzt, sondern „für politische Spiele“, klagt der Archivar. „Wir verhandeln mit den Parteien und den Koalitionstruppen über eine Zusammenarbeit“, sagt er. Dabei würde es seiner Stiftung zunächst genügen, wenn lediglich der Inhalt der Akten übermittelt würden. Gelingt die Einrichtung eines Archivs mit Dokumenten aus der Baath-Ära, wäre dies bislang einzigartig in der arabischen Welt. „Wir können es uns nicht leisten, zu scheitern“, sagt Makiya.

Derzeit arbeiten die Exil-Iraker an einem Gesetzentwurf und hoffen, dass damit bald eine Rechtsgrundlage für die Archivierung und den Zugang zu den sensiblen Dokumenten geschaffen wird. Deutschland dürfe jetzt nicht einfach zuschauen, fordert Makiya. Berlin müsse finanzielle und praktische Hilfe vor Ort leisten. Die Differenzen zwischen Berlin und Washington über den Irakkrieg hätten mit dem Wiederaufbau Iraks nichts zu tun. „Warten Sie nicht, bis die Vereinten Nationen nach Irak kommen“, fordert Makiya. „Kommen Sie jetzt!“

Link: http://www.iraqmemory.org/

Quelle: SZ, 23.1.2004

Fall Sieburg: Warum die NS-Mitgliederkartei zweifelhaft ist

Die Frage bewegt seit Wochen historisch interessierte Gemüter: Konnte man Mitglied der NSDAP werden, ohne davon Kenntnis zu haben? Walter Jens, wortgewaltiger Intellektueller der alten Bundesrepublik, nimmt dies für sich in Anspruch. Michael Buddrus, Mitarbeiter des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, schließt dies hingegen aus, weil ein persönlich unterzeichneter Aufnahmeantrag zwingend erforderlich gewesen sei (F.A.Z. vom 25. November 2003). Zwar sind von verschiedener Seite inzwischen Bedenken gegen diese Einschätzung geäußert worden. Aber bislang konnte noch niemand beweisen, daß es Einzel- oder gar Sammelaufnahmen ohne das Wissen der Betroffenen gegeben hat.

Bislang unbekannte Dokumente zur NSDAP-Mitgliedschaft des Publizisten Friedrich Sieburg zeigen jetzt, wie groß mitunter die Schwierigkeiten sein können, wenn man auf dem Gebiet der Parteimitgliedschaften in der NS-Zeit zu sicheren Ergebnissen gelangen will. Sieburg (1893 bis 1964) war bis 1939 Auslandskorrespondent der „Frankfurter Zeitung“ und danach bis Ende 1942 als Botschaftsrat unter Otto Abetz in Paris tätig. Im Jahr 1956 übernahm er die Leitung des Literaturteils dieser Zeitung, er galt als führender Literaturkritiker der Adenauer-Ära.

Aufnahmeantrag abgelehnt

Das Sieburg betreffende Material nährt Zweifel an der Zuverlässigkeit der Angaben in der NSDAP-Mitgliederkartei. Folgt man den dort gemachten Einträgen, so hat der damalige Botschaftsrat Sieburg sich am 9. April 1941 um die Aufnahme in die NSDAP beworben. Zum 1. September 1941 wurde seinem Antrag stattgegeben, und er erhielt die Mitgliedsnummer 8537221. In Sieburgs Nachlaß im Deutschen Literaturarchiv Marbach befindet sich jedoch ein diesen Angaben widersprechender maschinenschriftlicher Brief vom November 1942, den das „Amt für Beamte“ in der NSDAP-Auslandsorganisation an ihn richtete.

Der Inhalt des Schreibens lautet: „Berlin-Wilmersdorf 1, den 28. 11. 1942. Persönlich! Herrn Botschaftsrat Friedrich Sieburg, Paris/Frankreich, Deutsche Botschaft über Landesgruppe der AO der NSDAP in Frankreich – Der Leiter der Auslands-Organisation der NSDAP hat Ihr Gesuch vom 9. 4. 1942 um Aufnahme in die Partei abgelehnt. Eine Mitteilung der Ablehnungsgründe kann bestimmungsgemäß nicht erfolgen. Heil Hitler! Schenk.“

Vielleicht nur ein Datierungsfehler?

Wie paßt das zusammen? Warum sollte Sieburg im April 1942 einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP gestellt haben, wenn er ihr doch schon seit einem halben Jahr angehörte? Ist es denkbar, daß er von dieser Mitgliedschaft nie erfahren hat? Warum ist man bei der Bearbeitung seines Aufnahmegesuchs aus dem Jahr 1942 nicht auf die Mitgliedsnummer gestoßen? Jedenfalls muß man annehmen, daß Sieburg wahrheitsgemäß zu antworten glaubte, als er nach Kriegsende im Fragebogen der französischen Militärregierung eine Mitgliedschaft in der NSDAP verneinte.

Welche anderen Erklärungsmöglichkeiten gibt es? Liegt vielleicht nur ein Datierungsfehler vor? Dafür spricht, daß es sowohl 1941 als auch 1942 gleichermaßen der 9. April gewesen sein soll, an dem Sieburg angeblich einen Aufnahmeantrag gestellt hat – eine auffällige, um nicht zu sagen: äußerst unwahrscheinliche Koinzidenz. Doch welche Daten wären dann zu korrigieren: die in der Mitgliederkartei oder die im Schreiben der NSDAP-Auslandsorganisation? Die Mitgliedsnummer gibt allenfalls einen groben Anhaltspunkt für eine zeitliche Einordnung. Für die auf den ersten Blick keiner Logik gehorchende Reihenfolge der Nummern gibt der auf den Internetseiten des Bundesarchivs verbreitete Aufsatz „Personenbezogene Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus“ eine Begründung. Danach wurden Mitgliedsnummern unmittelbar nach dem Eingang eines Aufnahmeantrags bei der Reichsleitung der NSDAP vergeben. Ist dieser abgelehnt oder zurückgezogen worden, hat man die Nummer einem anderen Antragsteller zugewiesen. Diese Erklärung basiert auf den Aussagen, die Anton Lingg, der Leiter des Mitgliedsamtes, im Januar 1947 bei einer Befragung im Internierungslager Regensburg gemacht hat. Ob sie jemals überprüft wurden, geht aus dem Aufsatz, der auch in einer gedruckten Fassung vorliegt, leider nicht hervor (Herold-Jahrbuch. Neue Folge. Verlag Degener & Co., Neustadt a. d. Aisch 2000. Hier die Seiten 147-186).

Sieburgs Rolle im „Dritten Reich“

Nehmen wir aber an, Sieburg habe nur einen Antrag gestellt, und zwar am 9. April 1941. Nehmen wir weiter an, der Verfasser des Schreibens der NSDAP-Auslandsorganisation habe seinen Bescheid tatsächlich erst eineinhalb Jahre später geschrieben, sich dabei vertippt und irrtümlich 1942 statt 1941 als Jahr der Antragstellung angegeben. Wie erklärt man dann, daß Sieburg laut NSDAP-Zentralkartei zum 1. September 1941 in die Partei aufgenommen wurde? Und vor allem: Warum wurde er dort trotz der ihm im November 1942 mitgeteilten Ablehnung seines Aufnahmegesuchs bis Kriegsende weiterhin als Mitglied geführt? Der Vorgang ist dubios. Alle Bemühungen, ihn aufzuklären, blieben bislang erfolglos.

Von der Lösung dieses Problems hängt die Bewertung von Sieburgs Rolle im „Dritten Reich“ indes nicht ab. Um zu ermessen, wie schillernd sein Verhalten war, reicht das Studium seines beruflichen Werdegangs und seiner Veröffentlichungen. Nach dem Beginn der journalistischen Laufbahn auf seiten der politischen Linken (er war unter anderem Mitarbeiter der radikaldemokratischen „Weltbühne“) bewegte er sich Ende der 1920er Jahre zunehmend nach rechts, pflegte Kontakte zum „Tat-Kreis“ um Hans Zehrer und befürwortete die Politik des 1934 beim sogenannten Röhm-Putsch ermordeten Generals Kurt von Schleicher. Sein Buch „Es werde Deutschland“, das 1932 geschrieben wurde, aber wegen erheblicher politischer Bedenken im Frankfurter Societäts-Verlag erst nach der „Machtergreifung“ erscheinen konnte, war ein flammendes Plädoyer für eine nationale Erneuerung, enthielt allerdings auch eine scharfe Kritik am Antisemitismus der Nationalsozialisten. Manche glaubten, unter ihnen Harry Graf Kessler und Kurt Tucholsky, das Buch sei eine Apologie Hitlers und seiner Politik. Doch die Partei las es genauer und zog es 1936 aus dem Verkehr. Sieburgs 1935 erschienene Biographie „Robespierre“ ist ebenfalls ein Zeugnis politisch nonkonformer Literatur im „Dritten Reich“, denn das Werk legt nahe, die deutsche mit der französischen Schreckensherrschaft zu vergleichen. Der nach Frankreich emigrierte Publizist Wolf Franck schrieb damals in einer Rezension für die Exilzeitschrift „Das Tage-Buch“: „Das kann Historie sein, – es gibt dennoch kaum eine Seite, auf der der Leser nicht hundertfünfzig Jahre weiter und neunhundert Kilometer abseits gelenkt wird. Dies ist zumindest der Effekt des Buches. Es hieße, einen Autor unterschätzen, wollte man ihm zutrauen, daß ein so starker Effekt unabsichtlich entstanden sei. Ganz unmißverständlich war es Sieburgs Absicht, an Dinge unserer Gegenwart zu rühren, – und es möglichst unmißverständlich zu tun.“

Politisches Bekenntnis bleibt interpretationsbedürftig

Betrachtet man Sieburgs weiteres Verhalten bis 1945, so folgte er offensichtlich einer Maxime, die er in seinem 1929 veröffentlichten Buch „Gott in Frankreich?“ zum besten gab: „Der Realist gibt dem Teufel den kleinen Finger in der Hoffnung, dann wenigstens die andere Hand frei zu haben.“ Sein vor moralischen Skrupeln nicht gerade strotzender Pragmatismus brachte es im März 1941 mit sich, daß er in einer „France d'hier et de demain“ überschriebenen Rede vor der „Group Collaboration“ in Paris erklärte, er sei durch das Leben in Frankreich „zum Kämpfer und Nationalsozialisten“ erzogen worden.

Es gibt also anders als bei Walter Jens nicht den geringsten Anlaß, an Sieburgs politischem Konformismus und seiner Absicht zu zweifeln, Anfang der 1940er Jahre Mitglied der NSDAP werden zu wollen. Daß man sie ihm schließlich verwehrte, erscheint angesichts seiner politischen Haltung in der Weimarer Republik wenig erstaunlich. So eindeutig Sieburgs politisches Bekenntnis kurz vor Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg aber auch war, so interpretationsbedürftig bleibt es. Nicht ein bislang bekanntgewordenes Dokument spricht etwa für die Annahme, er habe Verbrechen des NS-Regimes gutgeheißen. Doch wie gesagt: Zu einem differenzierten Gesamtbild trägt der Beweis oder die Widerlegung einer NSDAP-Mitgliedschaft nichts Entscheidendes bei.

Noch viel zu tun

Vor dem Hintergrund der jüngsten Debatten um die politischen Jugendsünden deutscher Gelehrter gewinnt die Auseinandersetzung mit diesem Fall jedoch eine andere Bedeutung. Denn die widersprüchlichen Dokumente über Sieburgs Parteimitgliedschaft geben Anlaß, über die unumstößliche Beweiskraft der Einträge in der NSDAP-Zentralkartei weiter nachzudenken. Vor allem erscheint es dringend geboten, daß sich Historiker über die zahlreichen noch unerschlossenen Quellen beugen. So soll es, wie von der „Stuttgarter Zeitung“ unlängst gemeldet wurde, bei den Entnazifizierungsverfahren in der schwäbischen Landeshauptstadt eine Reihe von Fällen gegeben haben, bei denen Angeklagte unwissentlich Parteimitglied gewesen seien. Zu prüfen wäre daher, ob in den erhaltenen Akten lediglich die meist wenig bis gar nichts beweisenden Erinnerungsprotokolle und Zeugenaussagen zu finden sind oder auch aussagekräftige amtliche Dokumente aus der Zeit vor 1945. Zu suchen wäre besonders nach offiziellen, beispielsweise städtischen Schreiben, in denen ausdrücklich auf eine nicht vorhandene oder wie bei Sieburg abgelehnte Parteimitgliedschaft Bezug genommen wurde, obwohl die NSDAP-Zentrale die Betroffenen als Mitglied geführt hat. Fünfhunderttausend Faszikel mit den Stuttgarter Spruchkammerakten, die etwa tausend Regalmeter füllen, lagern bis heute unaufgearbeitet im Staatsarchiv Ludwigsburg. Auch von den zu achtzig Prozent überlieferten Parteiakten ist kaum mehr als ein Prozent ausgewertet worden. Mit anderen Worten: Es gibt noch sehr viel zu tun.

Info:
Der Verfasser Gunther Nickel ist Mitherausgeber des „Geheimreports“ von Carl Zuckmayer. Er arbeitet beim Deutschen Literaturfond und lehrt Neuere deutsche Literaturgeschichte in Mainz.

Quelle: FAZ, 21.1.2004, Nr. 17, S. 33

Von wegen Paragraphenreiter

In zweieinhalb Wochen, am 8. Februar, wählt Braunsbach seinen neuen Bürgermeister. Beworben hat sich auch der Künzelsauer Stadtarchivar Stefan Kraut (Link). HZ-Redakteurin Barbara Griesinger hat sich mit ihm über seine Ambitionen auf den Bürgermeistersessel in der Nachbarschaft unterhalten. 
 
Ist der Wahlkampf stressig, haben Sie viele Termine jetzt und macht's Spaß?

Kraut: Stress – was ist das? Im Ernst: Wenn mich das stresste, dürfte ich das Amt des Bürgermeisters gar nicht ausüben. Ich habe sieben eigene Vorstellungsgespräche, eine offizielle Kandidatenvorstellung und das HT-Forum. Dazu kommen Besuche bei den Firmen, unzählige Gespräche mit Bürgern. Insgesamt: Es macht Spaß und ist eine große persönliche Bereicherung.

Archivaren wird nachgesagt, dass sie eher zurückhaltende menschenscheue Wesen sind, die am liebsten mit ihren Folianten alleine sind. Bürgermeister dagegen stehen zwangsläufig mitten in der Öffentlichkeit. Gegensätzlicher geht es kaum. Sind Sie also eher ein untypischer Archivar oder werden Sie ein untypischer Bürgermeister?

Kraut: Kennen Sie mich als menschenscheu? Sicher bin ich nicht auf dem Stand vor 18 Jahren stehen geblieben. Ein untypischer Bürgermeister werde ich sicher, denn ich werde mich nicht in die Reihe der Paragraphenreiter und Bedenkenträger einreihen lassen. Gerade in unseren Tagen müssen wieder Visionen entwickelt werden.

Sie sind den Künzelsauern als Stadthistoriker und Stadtarchivar bekannt. Haben Sie jetzt genug von der Künzelsauer Stadtgeschichte?

Kraut: Bei der Stadtverwaltung Künzelsau habe ich eine große Vielfalt von Aufgaben bekleidet, dank meiner äußerst flexiblen Einsatzfähigkeit. Und das letzte wäre, nicht über den Tellerrand der jeweiligen Gemeinde sehen zu können. Wenn Sie schon die Geschichte ansprechen: Sie lehrt uns, dass Künzelsau nie isoliert da lag, sondern stets mit seiner Nachbarschaft ein gemeinsames Schicksal hat. Genau das ist ja die Botschaft, die die Initiative Pro Regio entwickelt hat. Übrigens hat Braunsbach unheimlich viel historische Parallelen zu Künzelsau.

Welche Aufgabenbereiche haben Sie in der Stadtverwaltung und was ist Ihr Haupttätigkeitsbereich?

Kraut: Mein derzeitiger Schwerpunkt ist Veranstaltungsmanagement, Kultur und Städtepartnerschaft.

Was sind für Sie Ihre größten Erfolge während Ihrer Tätigkeit für die Stadt Künzelsau ?

Kraut: Die Erfolge waren immer damit verbunden, dass man seinen Mitmenschen helfen konnte. Das konnte dann auch was ganz kleines sein, dass jemand beispielsweise eine Rente bekommt. Oder dass ich Menschen zusammenführen konnte. Oder dass ein Fest gut gelungen war. Was immer ich den Menschen Gutes tun konnte, empfand ich als einen Riesenerfolg. Auch das Jubiläumsjahr 1998 etwas Besonderes.

1997 haben Sie bereits bei der Bürgermeisterwahl in Weikersheim Ihren Hut in den Ring geworfen. Was reizt den gelernten Historiker an einem Bürgermeistersessel?

Kraut: Mich reizt die verantwortungsvolle Aufgabe, eine Gemeinde zu führen, Zukunftsperspektiven zu entwickeln, der die vielfältigen Aufgaben energisch anzugehen und eine ausgesprochen reizvolle Gemeinde mit ihren Ortsteilen weiter voranzubringen.

Und wo sehen Sie die Perspektiven für Braunsbach?

Kraut: Da möchte ich mit Stichworten antworten: Fortsetzung der laufenden Hochwasserschutzmaßnahmen, Förderung des Fremdenverkehrs, Hilfe bei der Umstrukturierung der Landwirtschaft, Umnutzung leer stehender Gebäude, Förderung der Vereinsarbeit, und so vieles andere mehr.

Sie sind kein gelernter Verwaltungsmann. Ist man nach einen Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie fit genug, um die Zukunft einer Kommune zu gestalten?

Kraut: Meine Ausbildung, meine berufliche Entwicklung haben mir Einblicke ins System vermittelt und erheblich an Rüstzeug mitgegeben. Daher fühle ich mich absolut fit. Zumal mir bekannte Bürgermeister meine Qualifikation für das Amt bestätigt haben.

So ein Wahlkampf kostet auch Geld? Finanzieren Sie Ihren Wahlkampf selbst oder haben Sie die Unterstützung einer Partei?

Kraut: Bis heute habe ich alles aus eigener Tasche bezahlt. Ich bin parteilos. Als unabhängiger Bewerber um den Braunsbacher Bürgermeisterposten werde ich allen Braunsbacher Bürgerinnen und Bürgern, allen politischen Gruppierungen sowie den zahlreichen Vereinen offen begegnen.

Quelle: Stimme.de, 21.1.2004

Admont: Stiftsbibliothek wird generalrestauriert

Die Admonter Stiftsbibliothek soll bis zum Jahr 2008 generalsaniert werden. Ein Teil der kostbaren Bücher, aber auch die gesamte innenarchitektonische Anlage samt Dekor – von den barocken Fresken über die Skulpturen bis hin zu den Fenstern und Fehlstellen im Marmorboden -, sollen im Zuge des Restaurierungsprojektes fachgemäß aufpoliert werden. Rund fünf Mio. Euro netto soll das Gesamtprojekt kosten, das Land Steiermark und die EU beteiligen sich an der Finanzierung, hieß es auf Anfrage der Austria Presse Agentur von Seiten des Stiftsbaumeisters und Projektleiters Lambert Gabauer.

Finanzierungszusage. Dieser Tage ist die erste finanzielle Entscheidung für das Admonter Großprojekt gefallen: Für die Restaurierung des Buchbestandes hat die Steiermärkische Landesregierung eine Finanzierungszusage von 300.000 Euro gemacht, ebenso viel steuert die EU bei. „Die Renovierung nur der Buchbestände schätzen wir zurzeit auf rund 1,5 Mio. Euro“, so Gerald Unterberger, der den Projektteil „Bücher“ koordiniert. Rund 200.000 Bücher umfasst die Bibliothek, darunter 1.400 Handschriften und rund 900 Inkunabeln.

„Die Handschriften sind in gutem Erhaltungszustand, die wurden auch immer wieder restauriert“, so der Admonter Bibliotheksleiter und Archivar Johann Tomaschek. Nun will man sich vor allen Dingen die Druckwerke des 16. bis 19. Jahrhunderts vornehmen: „Es gibt Schäden bei den Einbänden, teils fehlen Schließen, die Buchstöcke haben sich gelockert und teils sind die Blätter verschmutzt“, umreißt Tomaschek das Schadensausmaß, das laut dem Bibliothekar „auf natürliche Alterserscheinungen“ zurückzuführen ist.

Innenausstattung. Die Maßnahmen zur Erhaltung der Bücher machen aber nur einen kleinen Teil der geschätzten Gesamtrenovierungskosten des weltweit größten klösterlichen Bibliothekssaales und des Inventars aus, so Stiftsbaumeister Gabauer. Die berühmten Deckenfresken von Bartholomeo Altomonte, die Skulpturengruppe des Admonter Barockbildhauers Joseph Stammel, Reliefs, Geländer und Marmorboden des Prunksaales sollen generalüberholt werden.

Ansuchen um Förderungen. Das Stift erhofft sich von Seiten des Landes für die nächsten vier Jahre eine weitere finanzielle Zuwendung in der Höhe von zwei Mio. Euro aus dem Tourismusbudget. Zusätzlich will man auch beim Bund vorstellig werden. Der Eigentümer kalkuliert einen Eigenmittelanteil von 1,4 Mio. Euro. Für den im Sommer letzten Jahres abgeschlossenen Stiftsmuseumsum- und -ausbau wurden in den vergangenen vier Jahren – ebenfalls unter Beteiligung des Landes – rund 13 Mio. Euro investiert. 

Kontakt:
Benediktinerstift Admont
Kulturressort
A-8911 Admont 1
Tel.: +43(0)3613-2312-601
Fax: +43(0)3613-2312-610
kultur@stiftadmont.at

Quelle: Kleine Zeitung, 21.1.2004

Bilder sprechen nicht selber

Das britische Nationalarchiv hat im Internet fünf Millionen Luftbilder der Royal Air Force aus dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht, die neben der Landung der US-Truppen am „Omaha-Beach“ auch Nazi-Gräuel zeigen (s. Nachricht). In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung wird der Militärhistoriker Professor Gerd Krumeich (Düsseldorf) zu den digitalisierten Luftaufnahmen aus dem 2. Weltkrieg befragt.   
  
SZ: Herr Krumeich, haben Sie sich die Fotos im Internet angesehen?

Gerd Krumeich : Der Server ist völlig überlastet, man hat keinen Zugriff. Ich habe aber einige Bilder in der „Kulturzeit“-Sendung auf 3Sat gesehen, also einen Eindruck davon.

SZ : Teilen Sie die Auffassung des „Guardian“, der schrieb, dass diese Bilder, die auch ein brennendes Massengrab in Auschwitz zeigen, Hunderttausende von Menschenleben hätten retten können, wären sie noch im Krieg veröffentlicht worden?

Krumeich : So einfach ist das nicht. Sehen Sie, man darf den Diskurs von heute nicht einfach so mit dem von damals vermischen. Wir wissen heute so viel über das, was „die Alliierten“ damals hätte interessieren sollen und was sie auch interessiert hätte, wenn sie es genauer gewusst hätten. Natürlich kann man heute sagen, dass es seit 1943 präzise Informationen über Massenvernichtungen gab. Die Frage ist nur, was man von diesen Informationen hat glauben können und glauben wollen. Nach dem, was ich im Fernsehen gesehen habe, sind die Auschwitz-Bilder keineswegs so scharf, dass man ohne weiteres sagen kann: Da brennen Leichenhaufen! Sie sind nicht eindeutig.

SZ : Man sieht aber sehr deutlich ein KZ, Menschen, die herumlaufen und, in der oberen Ecke, weißen Qualm.

Krumeich : Ja. Aber wenn jemand gesagt hätte: Da werden Tierkadaver verbrannt. Wer hätte das entscheiden können? In der 3Sat-Sendung wurde behauptet, man hätte trotz der Luftbildaufnahmen, die eine sehr kleine Zahl britischer Intelligence-Offiziere auszuwerten hatten, „weggeschaut“. Aber nein! Sie haben nicht weggeschaut! Die Alliierten hatten ein Ziel: „knock out Germany“. Was sie interessierte, waren detaillierte Bilder von den IG-Farben-Werken acht Kilometer von Auschwitz entfernt. Natürlich fragt man sich, warum sie nicht trotzdem auch Bomben auf die Gleise von Auschwitz geworfen haben. Allerdings bin ich überzeugt, dass man sich anders verhalten hätte, hätte man präzise Informationen über Auschwitz gehabt.

SZ : Also sahen die Intelligence-Offiziere damals, so wie wir heute, auf den Bildern nur das, was sie schon wussten?

Krumeich : Allerdings. Das ist das Grundproblem der Imagologie: Erkenntnis und Interesse. Wir sind an bestimmten Inhalten interessiert und den Rest nehmen wir nicht unbedingt wahr. Marc Bloch hat einmal gesagt, die Todsünde des Historikers sei der Anachronismus. Etwas nicht aus seiner Zeit heraus zu beurteilen. Hegel vorzuwerfen, Marx nicht gelesen zu haben. Wir können den Offizieren von damals nicht vorwerfen, was sie auf den Bildern nicht gesehen haben.

SZ : Und was bedeuten die Aufnahmen heute für die Geschichtswissenschaft?

Krumeich : Es gibt detaillierte Aufnahmen von der Vorbereitung der von den Deutschen so genannten „Invasion“ in der Normandie. Wahrscheinlich ließe sich die Geschichte dieser Invasion anhand der Bilder bald neu schreiben. Da sind jetzt neue Quellen auf dem Tisch!

SZ : Wäre eine digitale Veröffentlichung von Luftaufnahmen aus dem Weltkrieg auch in Deutschland denkbar? Hier liegen sie verstreut in Bildarchiven und verschiedenen Ämtern.

Krumeich : Eine Sammlung deutscher Luftbilder wäre sicher nicht uninteressant. Doch muss man genau wissen, was man will. Bilder sprechen nicht selber. Bilder antworten auf Fragen.

Interview: Julia Encke

Quelle: SZ, 22.1.2004