Seinen 75. Geburtstag feierte am Dienstag Dr. Wilhelm Eckhardt. Er hat über viele Jahre nicht nur das Marburger Archivleben, sondern auch Marburger Politik und Vereinsleben mit bestimmt. Eckhardt kam zwar am 27. Januar 1929 in Kiel zur Welt, fühlt sich aber ganz als Marburger: Seit 1679 haben alle direkten Vorfahren der Familie Eckhardt – und natürlich auch er selbst – in der Stadt an der Lahn studiert. Der Vater seiner Mutter ist der Marburger Professor und Universitätsrektor Alfred Thiel.
Von 1982 bis zu seiner Pensionierung 1994 war der Jubilar Leiter des Marburger Staatsarchivs. Dort hat er noch heute ein kleines Arbeitszimmer. „Ich sitze hier wie die Made im Speck“, freut sich Eckhardt über die Lage des Raumes zwischen Bibliothek und Urkundensaal. Denn wissenschaftliches Arbeiten bleibt für den Historiker für Mittelalterliche Geschichte auch in seiner Zeit als Pensionär ein bedeutender Aspekt.
An ihn gestellte Anfragen regen ihn immer wieder aufs Neue zur Forschungsarbeit an. Nützlicher Nebeneffekt für das Marburger Staatsarchiv: Sind Bestände, die Eckhardt benutzen will, noch nicht verzeichnet – also für den Benutzer noch unzugänglich -, so erledigt er diese noch ausstehende Archivarsarbeit ganz nebenbei.
In einem Abschnitt seines Lebens kam die wissenschaftliche Arbeit jedoch zu kurz. In den „wilden“ 1968er Jahren wurde Eckhardt für die FDP in das Marburger Stadtparlament gewählt. Oberbürgermeister war zu dieser Zeit Georg Gassmann. Er gehörte zu der Generation Politiker, die alte Bausubstanz radikal durch Modernes ersetzen wollte. Für den Historiker Eckhardt ein Graus.
Doch als Archivar nutzte er sein Wissen aus den ihm zur Verfügung stehenden Materialien: In einer Chronik des Jahres 1222 wurde Marburg erstmals als „civitas“ benannt. Grund genug für die Stadt, im Jahr 1972 eine 750-Jahrfeier auszurichten und dazu den Hessentag nach Marburg zu holen. Die dafür renovierten Häuser gab man nun nicht mehr so bereitwillig zum Abriss frei. Auch im Bauausschuss und in der Initiativgruppe Marburger Stadtbild habe er sich den Abbruchbestrebungen zumindest zum Teil widersetzen können.
Die strittigen Oberbürgermeisterwahlen im Jahr 1970 bedeutete für Eckhardt dann das Ende der Arbeit in der FDP. Trotz Absprachen hatte ein Teil der Fraktion für den SPD-Kandidaten Hanno Drechsler gestimmt, so dass der CDU-Kandidat Walter Wallmann überraschend keine Mehrheit bekam. Durchaus bittere Erinnerungen hat Eckhardt an diese Zeit. „Aber aufregend war sie“, sagt er. Außerdem war er mit Drechslers Altstadtsanierungs-Konzept einverstanden.Die Politik hat er auch 1970 nicht aufgegeben: Im Kreistag war er Mitglied der Freien Wählergemeinschaft.
Schon seit seiner Schulzeit spielt für ihn das Engagement in Vereinen eine große Rolle: Als Vorsitzender des VfL 1860 Marburg oder als Vorsitzender der Lebenshilfe Marburg-Biedenkopf.
Seit vergangenem Jahr hat sich Eckhardt jedoch von allen Ämtern zurückgezogen. „Man muss rechtseitig den Jüngeren Platz machen“, heißt seine Devise. Das Forschen im Archiv gehört jedoch weiter zu seinem Leben. Zur Zeit sucht er nach der Bedeutung eines Flurnamens im Hinterland.
Quelle: Marburger Neue Zeitung, 27.1.2004