Tagungsbericht zum BKK-Fortbildungsseminar in Magdeburg

Das 16. Fortbildungsseminar 2007 der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag (BKK) fand vom 12. bis 14. November 2007 in Magdeburg in Räumlichkeiten der dortigen Stadtsparkasse statt. Das vom BKK-Unterausschuss für Aus- und Fortbildung konzipierte Thema lautete Neue Anforderungen an die archivische Vorfeldarbeit – analoge und elektronische Unterlagen aus amtlichen und nichtamtlichen Registraturen. Allein die Teilnehmerzahl von über 100 Personen, die aus allen Teilen der Bundesrepublik angereist waren, darf als Beleg dafür gewertet werden, dass die Organisatoren mit der Wahl des Themas und des Tagungsortes das richtige Gespür hatten.

Die Begrüßung der Teilnehmenden erfolgte durch Horst Eckert, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Magdeburg, der einen Bogen von der Gründung der Sparkasse im Jahre 1823 bis zur aktuellen Digitalisierung von Bankunterlagen schlug und sich damit mitten im Thema bewegte.

Die Eröffnung der Tagung nahm Dr. Ernst Otto Bräunche (Vorsitzender der BKK) zum Anlass, sich bei dem im nächsten Jahr aus dem Amt scheidenden Prof. Dr. Reimann herzlich für dessen langjährige engagierte und erfolgreiche Arbeit in der BKK und als Vorsitzender des BKK-Unterausschusses Aus- und Fortbildung zu bedanken. Ein Grußwort der Stadt Magdeburg überbrachte deren Beigeordneter für Kultur, Schule und Sport, Dr. Rüdiger Koch. Darin betonte er insbesondere auch den hohen Stellenwert, den das Tagungsthema gerade im Bereich der Dokumentenmanagement-Systeme und deren Folgewirkungen gegenwärtig für die Verwaltungen hat.

Den fachlichen Einstieg in die Fortbildungstagung übernahm Dr. Jochen Rath vom Stadtarchiv Bielefeld, dessen Einführungsvortrag mit dem Titel \“Records Management: Neues Berufsbild oder Berufsfeld – und für wen?\“ überschrieben war. Bisherige Defizite in der vorarchivischen Registraturpflege wurden dabei ebenso behandelt wie die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung des Berufsbildes hinsichtlich der Anforderungen an die Archive auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie. Rath plädierte eindringlich dafür, das Arbeitsfeld Records Management verstärkt als archivische Kernaufgabe wahrzunehmen und entsprechende Arbeitsschwerpunkte zu setzen.

Die erste Arbeitssitzung widmete sich der archivischen Vorfeldarbeit im amtlichen Bereich wurde von Dr. Karten Uhde (Archivschule Marburg) moderiert. Petra Rauschenbach vom Bundesarchiv in Berlin stellte darin Normen und Standards im Bereich Records Management vor. ISO-Norm 15489, DOMEA, SAGA, MoReq1/Moreq2, DOD 5015.2, ISAD(G) und ISAAR waren die anfänglich kryptisch anmutenden Bezugsgrößen, deren Relevanz im Laufe des Beitrags aber schnell ersichtlich wurde. Diesen grundlegenden Ausführungen folgten zwei Praxisbeispiele. Die bereits im Eröffnungsvortrag skizzierten Unzulänglichkeiten bei der Schriftgutverwaltung haben in der Stadtverwaltung Hannover dazu geführt, aktuell eine Projektstelle beim Stadtarchiv Hannover einzurichten, die mit einer Verwaltungskraft besetzt ist und sich mit der Verbesserung des Status quo befasst. Unter dem Titel \“Aktenpläne, Aktenverzeichnisse, Fristenüberwachung – Projekte des Stadtarchivs Hannover zur Revitalisierung und Weiterentwicklung der (konventionellen) Schriftgutverwaltung\“ gewährte Dirk Resch einen Einblick in den bisherigen Projektverlauf. Über längere Erfahrungen mit den Unwägbarkeiten der Schriftgutverwaltung verfügte die Leiterin des Archivverbundes Bautzen, Grit Richter-Laugwitz. Aus ihrem Beitrag \“Der lange Weg zur Akzeptanz: Vom Verwaltungsarchiv zur Zentralregistratur – ein Erfahrungsbericht aus 15jähriger Tätigkeit\“ wurde ersichtlich, dass sich langfristige Planung, Beharrlichkeit und Engagement letzten Endes auszahlen und zu einer positiven Ausgestaltung des Arbeitsfeldes Records Management führen können. Den abschließenden Vortrag der ersten Arbeitssitzung hielt Dr. Michael Scholz von der Landesfachstelle für Archive und öffentliche Bibliotheken im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam über \“Archive und die ‚Flucht ins Privatrecht’ – kommunale Unternehmensformen und archivische Zuständigkeit\“. Er beschrieb die möglichen Rechtsformen kommunaler Betriebe vom Regiebetrieb bis zur Aktiengesellschaft und erläuterte, für welche dieser Betriebe eine Anbietungspflicht an das Kommunalarchiv besteht. 

\“Von der analogen zur elektronischen Akte – Archivischer Umgang mit einem Medienbruch\“ war die zweite Arbeitssitzung am 13. November überschrieben, deren Moderation in den Händen von Dr. Robert Zink vom Stadtarchiv Bamberg lag. Einen umfassenden und allgemeinen Überblick zu dem Themenfeld der elektronischen Archivierung bot Dr. Andrea Wettmann vom Staatsarchiv Dresden in ihrem Beitrag über \“Langzeitspeicherung und elektronische Archivierung – Anforderungen und Lösungsansätze\“. Ihre klar strukturierten Ausführungen verdeutlichten den Tagungsteilnehmern, dass es keine elektronische Archivierung von der Stange, keine Komplettlösungen gibt. In der Konsequenz muss sich jedes Archiv mit der jeweiligen Situation vor Ort auseinandersetzen und zu eigenständigen Lösungen kommen. Obwohl hierbei nicht nur in Einzelfällen durchaus eine Hemmschwelle seitens der Archive zu beobachten ist, wäre eine daraus resultierende Abwartetaktik der größte Fehler, da ein solches Verhalten zu massiven Überlieferungsverlusten führen wird. Wie bereits Rauschenbach am Vortag betonte auch Wettmann die große Bedeutung von Standards wie DOMEA, Moreq2 etc. und verdeutlichte, dass elektronische Archivierung ohne Standardisierung nicht möglich ist. Der generalisierende Beitrag war flankiert von zwei Werkstattberichten, die aufzeigten, wie Archive strategisch und operativ den Umstieg von der konventionellen Papierwelt auf die elektronische Datenwelt bewältigen können. Dr. Maren Ballerstedt, Stadtarchiv Magdeburg, skizzierte unter dem Vortragstitel \“Projekt Langzeitarchivierung in der Landeshauptstadt Magdeburg – ein Werkstattbericht\“ die Situation im Stadtarchiv Magdeburg, das sich seit relativ kurzer Zeit mit der Thematik auseinandersetzt und derzeit mit Erfolg die in der Stadtverwaltung beteiligten Dienststellen aber darüber hinaus auch den politischen Raum für das Thema sensibilisiert. Zudem verwies Ballerstedt auf die Bedeutung des interkommunalarchivischen Informationsaustausches. Einige Schritte weiter ist bereits das Stadtarchiv Stuttgart, dessen Vertreterin Dr. Katharina Ernst im Beitrag über \“Erste Schritte auf dem Weg zur Langzeitarchivierung – ein Werkstattbericht\“ auf die große Vielfalt bereits existierender Fachverfahren und Datenbanken in der Verwaltung einging und auf die Gefährdung digitaler Daten sowie bereits erfolgte Datenverluste hinwies. Ernst schilderte die technische Umsetzung von Datenübernahmen aus den Verwaltungen in das Archiv und die damit verbundenen Schwierigkeiten und verdeutlichte dabei auch die Sinnhaftigkeit der Einbindung externer Berater. Neben diesen drei Beiträgen, die sich mit der Archivierung elektronischer Daten auseinandersetzten, gewährte Dr. Harald Stockert vom Stadtarchiv Mannheim in seinem Referat über \“Vorgänge aus Bits und Bytes: Arbeiten mit einem Dokumentenmanagement-System in der Praxis\“ einen ebenfalls praxisbezogenen und detaillierten Einblick in die Umstellung von einer klassischen Aktenführung und -verwaltung auf ein Dokumentenmanagement-System am Beispiel der Aktenregistratur des Stadtarchivs Mannheim als kommunaler Dienststelle. Stockert ging dabei auf die Grundzüge eines Vorgangsbearbeitungssystems, auf Vorgangsprotokollierung und Revisionssicherheit, auf Recherchierbarkeit sowie den internen Datenschutz ein. Bestätigt wurde nochmals die Einsicht, dass eine Schriftgutverwaltung bereits im konventionellen Rahmen funktionieren muss, weil ansonsten eine reibungslose Einführung von Dokumentenmanagement-Systemen nicht möglich ist. Stockert wies in diesem Kontext auch auf das Empfehlungspapier der BKK zur Einführung von Dokumentenmanagement- bzw. Vorgangsbearbeitungssystemen hin, dass auf der Homepage der BKK abrufbar ist (www.bundeskonferenz-kommunalarchive.de).

Am Nachmittag bestand Gelegenheit zur Besichtigung der Außenstelle Magdeburg der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Deren Leiter Jörg Stoye stellte Arbeit und Quellen der Einrichtung vor, die Schriftgut und Karteikarten der ehemaligen Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Magdeburg und deren achtzehn Kreisdienststellen verwahrt. Der Tag klang abschließend mit einem gemeinsamen Abendessen im Rathauskeller aus.

Die dritte Arbeitssitzung am 14. November hatte die archivische Vorfeldarbeit im nichtamtlichen Bereich zum Thema. Moderiert wurde sie von Prof. Dr. Norbert Reimann (LWL-Archivamt für Westfalen in Münster). Der archivische Umgang mit Personalvertretungen als Überlieferungsbildner von Hans-Jürgen Höötmann, ebenfalls LWL-Archivamt für Westfalen, lautete der erste Beitrag, der sich mit einem Sonderfall archivischer Überlieferungsbildung im nichtamtlichen Bereich auseinandersetzte. Schwerpunkte bildeten dabei der Rechtsstatus der Personalräte, die Archivwürdigkeit der Überlieferung und die Besonderheiten bei der Überlieferungsbildung. In den Folgebeiträgen wurden anschließend umfassendere Themenbereiche behandelt. Überlegungen zur Überlieferungsbildung im Bereich privater Nachlässe von Dr. Antje Bauer (Stadtarchiv Erfurt), Überlieferung von Wirtschaftsbetrieben in den ostdeutschen Bundesländern am Beispiel des Stadtarchivs Kamenz von Thomas Binder (Stadtarchiv Kamenz) und Archivische Vorfeldarbeit bei Vereinen und Verbänden in Dresden von Thomas Kübler (Stadtarchiv Dresden) lauteten die Titel der drei Referate. Allen war die Grundaussage gemein, dass archivische Einflussnahme auf die Registraturbildner im nichtamtlichen Bereich schwieriger zu realisieren ist als im amtlichen Umfeld und die klassischen Hilfsmittel des Records Management nur bedingt einsetzbar sind. Insbesondere Kübler wies auf die Bedeutung personeller Kontinuität bei der Betreuung der Vereine und Verbände hin. Einhellig wurde in der Arbeitssitzung auch die Meinung vertreten, dass die Außendarstellung des Archivs, die öffentliche Wahrnehmung archivischer Kompetenz ein entscheidendes Kriterium für die Bereitschaft nichtamtlicher Registraturbildner zur Deponierung von Archivgut im Archiv ist und dessen Akzeptanz maßgeblich prägt.

Die Beiträge des Fortbildungsseminars werden 2008 gemeinsam mit den Beiträgen des vorangegangenen Fuldaer Fortbildungsseminars in der Reihe Texte und Untersuchungen zur Archivpflege des LWL-Archivamtes für Westfalen veröffentlicht.

Hans-Jürgen Höötmann (Münster)

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