In der FAZ wurde im August 2010 darüber berichtet, dass das Bundesverfassungsgericht seine Akten erst nach neunzig Jahren für die Forschung öffnen will: "Nach dem Bundesarchivgesetz sind Bundesbehörden, also auch das Bundesverfassungsgericht, verpflichtet, ihre Akten nach Ablauf einer Frist dem Bundesarchiv zu übergeben. Nur das Auswärtige Amt unterhält traditionell ein eigenes Archiv. In der Regel sind die Akten nach einer Frist von dreißig Jahren für die Forschung zugänglich. Grundsätzlich auch die des Bundesverfassungsgerichts. Nach Paragraph 30 Bundesverfassungsgerichtsgesetz entscheidet das Gericht jedoch \’in geheimer Beratung\‘, woraus das Gericht ableitet, dass seine Akten grundsätzlich als \’geheim\‘ einzustufen sind. Der wichtigste, von ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeitern des Gerichts herausgegebene Kommentar des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes stellt sogar klar, dass die Akten auch im Falle einer Abgabe ans Bundesarchiv geheim bleiben." Gegen diese ausgedehnte Geheimhaltungsfrist erhebt sich unterdessen Widerspruch, wenngleich einzelne Stimmen aus dem Bundesarchiv laut FAZ durchaus "jede Frist als eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Rechtslage" bezeichnen. Denn grundsätzlich könne bei jeder Frist, und sei sie noch so lang, eine Verkürzung beantragt werden (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.8.2010, Nr. 199, S. 33).
Während des 38. Deutschen Rechtshistorikertags in Münster (15.-18. September 2010) wurde zur geplanten Geheimhaltungsfrist des Bundesverfassungsgerichts eine Resolution in großer Versammlung einstimmig unterstützt mit dem Wunsch sie umfassend zu verbreiten:
"Resolution des Deutschen Rechtshistorikertags in Münster, 15.9.2010
Das Bundesverfassungsgericht möchte seine Akten erst nach 90 Jahren zur Forschung freigeben, siehe die Meldung in F.A.Z. vom 28. August 2010. Damit geht es um den Rechtsrahmen bei der Erforschung der Zeitgeschichte.
1. Das Gericht schafft damit Normen, die dem Bundesarchivgesetz widersprechen. Das Gericht steht aber nicht über dem Gesetz und über dem Gesetzgeber.
2. Die Formulierung "geheime Beratung" im Bundesverfassungsgerichtsgesetz sagt noch nichts über die Frage wie lange die Akten geheim sein sollen. Jedenfalls dürfen diese Akten nicht länger geheim gehalten werden als andere sogenannte geheime Akten.
3. Bei einer 90-jährigen Geheimhaltungsfrist wird die Frage einer Benutzungserlaubnis zu einer Gnaden- oder Willkürentscheidung des Gerichts oder des Archivs.
4. Diese Perspektive wirft auf jeden Fall das Problem der Wissenschaftsfreiheit auf. Es kann nicht 90 Jahre lang auf eine einzelne Abwägung im Fall ankommen, vielmehr muss eine Regel gegeben werden, die eine gewisse Verlässlichkeit für Forschungsarbeiten ermöglicht.
5. Die notwendige Regel soll sich an die üblichen dreißig und maximal 60 Jahre halten. Es ist nicht ersichtlich, dass von den Akten des Bundesverfassungsgerichtes eine größere Gefahr für Beteiligte oder die Allgemeinheit ausginge, als von sonstigen Akten.
6. Für die Belange des Persönlichkeitsschutzes enthält das Bundesarchivgesetz bereits bewährte Regelungen.
Die Resolution wurde in großer Versammlung einstimmig unterstützt mit dem Wunsch sie umfassend zu verbreiten.
Für den Ständigen Ausschuss des RHT, gez. J. Rückert, Frankfurt a.M.".