Aachener Stadtpuppenbühne »Öcher Schängche« besteht seit 100 Jahren

Inspiriert nicht zuletzt durch ein Gastspiel des bekannten Puppenspielers Ivo Puhonny im Aachener Kurhaus gründeten vor 100 Jahren der Aachener Mundartdichter und Zeitungswissenschaftler Will Hermanns, der Bildhauer Alfred Pieper, der Kunstmaler Willi Kohl, der Dekorateur Hein Lentzen und der Ingenieur Joseph Lausberg gemeinsam die „Aachener Marionettenspiele“, die heutige Stadtpuppenbühne Öcher Schängchen.


Abb.: Puppenspielfigur „Schängchen“ (Bildergalerie Öcher Schängche)

Als Hauptinitiator schrieb Will Hermanns (1885-1958) die ersten Theaterstücke für die neue Bühne und kreierte damit die bis heute maßgeblichen Hauptfiguren: das alterslose, gewitzte Schängche, seine Freundin et Jretche, die als rabiates, großmäuliges und schimpfwütiges Marktweib mit gutem Kern agierende Tant Hatzor, die Freunde Nieres und Veries wie auch den Polizisten Noppeney und nicht zuletzt den Teufel Krippekratz.


Abb.: Puppenspielfigur „Teufel Krippekratz“ (Bildergalerie Öcher Schängche)

Mit dem noch heute jeweils zur Spielzeiteröffnung gezeigten Stück „Der Teufel in Aachen oder Et Schängche köllt der Krippekratz“ wurde das Puppentheater am 4. Mai 1921 in der Hartmannstrasse im Saal der Gaststätte „Zur Maus“ eröffnet. Bei der Bevölkerung fand es sofort großen Anklang.

Die fünf Puppenspielliebhaber waren nicht nur durch die Freude am Spiel mit Figuren motiviert, sondern wollten mit künstlerischer Aktivität auch dem „jugend- und volksverderbenden Sensationsfilm“ etwas entgegensetzen und den Mitbürgern mit kleinem Geldbeutel anspruchsvolles Theatererlebnis ermöglichen.

Zum Repertoire des Stabpuppenspiels „Öcher Schängche“ gehören neben Märchenadaptionen, Aachener Sagen und Kinderstücken auch Stücke für Erwachsene, darunter Kriminalstücke, eine jährlich zu Karneval stattfindende Puppen-Karnevalssitzung sowie seit 2008 auch das Stockpuppenkarabarett „Pech&Schwefel“.


Abb.: Aufführung des Öcher Schängchens (Foto: Nina Krüssmann)

Für ihre Verdienste um die Aachener Mundart wurde die Bühne 1986 mit dem Thouet-Mundartpreis der Stadt Aachen ausgezeichnet. Neben der Stockpuppenbühne in Lüttich und dem „Hännesche Theater“ in Köln ist das „Öcher Schängche“ eine Bühne, die auf die große Zeit des Figuren- und Puppentheaters verweist, aus dem schon Johann Wolfgang von Goethe Motive für „Faust“ geschöpft hat.

In seiner wechselvollen Geschichte hatte das „Öcher Schängche“ insgesamt acht Spielstätten, unter anderem in der heutigen Stadtbibliothek und im Ballsaal des Alten Kurhauses. Im Winter 1981/82 erfolgte schließlich der finale Umzug vom Jugendheim Kalverbenden in das dauerhafte Domizil in der Barockfabrik am Löhergraben, dem heutigen Kulturhaus Barockfabrik in Trägerschaft der Stadt Aachen.

Im Laufe der Jahrzehnte erlebte das Öcher Schängchen, wie die Bühne bald hieß, unterschiedlichste Höhen und Tiefen, wobei auch die leitenden Personen immer mal wechselten. 1989 löste der bis dahin bereits als Spieler tätige Otto Trebels Matthias Stevens in der künstlerischen Leitung ab, die er bis heute innehat. Peter Reuters spielt seit vielen Jahren die Figur des Schängche. Die Bühne blieb jedoch stets auch ein Herzenskind von Will Hermanns.

Hermanns, der auch zahlreiche Mundart-Bücher veröffentlichte, begann Anfang der 1930er Jahre eine Zusammenarbeit mit dem Maler Bert Heller (1912-1970), der einige seiner Publikationen illustrierte. Als die Bühne im September 1942 in den Saal im Mittelstandshaus in der Wirichsbongardstraße umzog, ließ er diesen Saal von Heller passend ausmalen.

Bert Heller, geboren und aufgewachsen in Aachen und nächster Umgebung, hatte an der Kunstgewerbeschule Aachen von 1927 bis 1930 studiert und sich dann in Laurensberg als freischaffender Künstler niedergelassen. Sein Geld verdiente er zu dieser Zeit vor allem mit Gebrauchsgrafik wie Warenhausschildern, Kinoreklamen und Illustrationen. Ab 1940 absolvierte er noch ein zusätzliches Studium an der Kunstakademie in München.

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den 1930er Jahren entwarfen Hermanns und Heller gemeinsam einige Postkarten mit direktem Bezug zu den Figuren des Öcher Schängchen. Diese blieben jedoch wohl unveröffentlicht.

Aus Anlass des Jubiläums des Öcher Schängchens präsentiert das Stadtarchiv Aachen aus dem Nachlass Will Hermanns einen dieser Postkarten-Entwürfe.


Abb.: Die zart aquarellierte Zeichnung von Bert Heller zeigt das Marktweib Tant Hatzor mit einer Käuferin und einem Jungen, im Hintergrund das Aachener Rathaus (Stadtarchiv Aachen)

Unter der Zeichnung ist von der Hand von Will Hermanns der Text gesetzt:

„Wat? Ming Schavoue sönd net jot?

Madämmche, kaucht Üch Ühre Hot!

Do sönd noch Vitamine dren,

Sue wohr ich de Tant Hatzor ben!“ WH“

Übersetzt heißt der Text „Was? Meine Wirsingkohlköpfe sind nicht gut? Verehrte Dame, kochen Sie doch Ihren Hut! Da sind noch Vitamine drin, so wahr, wie ich die Tante Hatzor bin!“

Mit der Ausstellung dieser Zeichnung von Bert Heller gratuliert das Stadtarchiv Aachen dem Öcher Schängchen zum Jubiläum. Corona-bedingt wurde das 100-jährige Jubiläum Anfang Mai 2021 lediglich digital gefeiert. Aktuell laufen jedoch schon die Planungen für einen Nachholtermin der verschobenen Jubiläumsfeierlichkeiten am 19. September 2021.

Man kann bis dahin dem Schängchen und seinen hölzernen Freunden aus der Stadtpuppenbühne auch auf @ Kulturhaus Barockfabrik auf Facebook und Instagram folgen.


Abb.: Titelblatt der Jubiläums-Festschrift von 2021 (Nina Krüsmann / iStock.com)

Außerdem ist passend zum Gründungsjubiläum genau 100 Jahre später, ebenfalls am 4. Mai 2021, eine digitale Festschrift erschienen, die alle Fans des „Öcher Herzbuben Schängche“ hier downloaden können.

Kontakt:
Stadtarchiv Aachen
Reichsweg 30 (Nadelfabrik)
52068 Aachen
Tel.: 0241 / 4324972
Fax: 0241 / 4324979
stadtarchiv@mail.aachen.de

Quelle: Stadtarchiv Aachen, Neuigkeiten, Archival des Monats Mai 2021, 30.04.2021; Stadt Aachen, Aktuellste Pressemitteilungen, 30.04.2021

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