Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945

Als „wichtigen Baustein auf dem Weg zukunftsgerichteter Versöhnungsarbeit“ bezeichnete Karl Kardinal Lehmann die wissenschaftliche Dokumentation „Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945“, die am 8.4.2008 in Mainz vorgestellt wurde. Der 703-seitige Band dokumentiert das Schicksal von fast 6.000 Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkrieges zum Arbeitseinsatz in katholischen Einrichtungen verpflichtet waren. Neben einer historischen Einführung, einer Datendokumentation und Berichten aus den 27 Bistümern werden die Arbeit des Entschädigungsfonds der katholischen Kirche in Deutschland und die kirchlichen Versöhnungsinitiativen dargestellt. 

Mit der Publikation werde ein „vergessenes Kapitel kirchlicher Zeitgeschichte wissenschaftlich aufgearbeitet“, die Erinnerung an „das Schicksal und die Leiden der aus ganz Europa zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppten Männer, Frauen, Jugendlichen und Kinder“. Zwischen 1939 und 1945 arbeiteten nachweislich insgesamt 4.829 Zivilarbeiter und 1.075 Kriegsgefangene in insgesamt 776 katholischen Einrichtungen, u. a. in Krankenhäusern, Heimen, auf Klosterhöfen und Pfarrökonomien. Die hauptsächlich aus Polen, der Ukraine und der Sowjetunion stammenden Zwangsarbeiter waren überwiegend in Land- und Forstwirtschaft sowie in der Haus- und Garten- bzw. Friedhofsarbeit tätig. 

Gemessen an der Gesamtzahl von geschätzten 13 Millionen Zwangsarbeitern erreiche die vergleichsweise geringe Zahl nachgewiesener Arbeitskräfte in katholischen Einrichtungen nicht einmal die Promillegrenze. „Und dennoch bleiben sie eine historische Last, die unsere Kirche auch für die Zukunft herausfordert“, so der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Bis zum Abschluss der aktiven Suche nach ehemaligen Zwangsarbeitern am 31.12.2004 wurden 587 Fremdarbeiter mit insgesamt 1,5 Millionen Euro entschädigt. Aus dem Versöhnungsfonds wurden 206 Projekte mit 2,71 Millionen Euro gefördert. Die „Resultate der zeitgeschichtlichen Forschungen über den Fremdarbeiter-Einsatz bewahren uns davor, unter eine erfolgreiche Entschädigungs- und Versöhnungsarbeit einen geschichtlichen Schlussstrich zu ziehen“, so Lehmann.

Kardinal Lehmann erinnerte an die Versöhnungsarbeit der vor 60 Jahren gegründeten Pax-Christi-Bewegung, des Maximilian-Kolbe-Werks und der Aktion Sühnezeichen und wies auf die im letzten Jahr errichtete Maximilian-Kolbe-Stiftung für Wege der Versöhnung aus der Kraft der Erinnerung.

Unter dem Titel „Kooperativer Antagonismus“ skizzierte der Direktor der Kommission für Zeitgeschichte e.V., Dr. Karl-Joseph Hummel (Bonn), die Strategie der katholischen Kirche in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft und stellte die Folgen der Suche nach Zwangsarbeitern für die kirchliche Zeitgeschichtsforschung dar. Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in der katholischen Kirche sei nicht „flächendeckend“, ja nicht einmal die Regel gewesen, so Hummel. Die Verfolgung der katholischen Kirche habe auch in den Kriegsjahren zugenommen, einen Burgfrieden habe es nicht gegeben. Zwischen 1940 und 1942 ließ Heinrich Himmler mehr als 300 Klöster und katholische Einrichtungen entschädigungslos enteignen, weit über 10.000 Ordensleute wurden aus ihren Häusern ausgewiesen („Klostersturm“). 1943 waren mehr als 3.400 kirchliche und klösterliche Einrichtungen kriegsbedingt in Anspruch genommen. Die Kirche ihrerseits war mit der NS-Kriegsgesellschaft in vielfacher Weise verschränkt und hielt doch weltanschaulich einen klaren, christlich verwurzelten Abstand. Diese Gemengelage der Kriegsjahre beschreibe der Begriff „kooperativer Antagonismus“ besser als die einfache Alternative Kollaboration oder Widerstand. Die endgültige Auseinandersetzung mit der Kirche habe Hitler auf die Zeit nach dem „Endsieg“ vertagt.

Der stellvertretende Vorsitzende der Bundeskonferenz der kirchlichen Archive in Deutschland, Dr. Thomas Scharf-Wrede (Hildesheim), schilderte den Einsatz der Bistumsarchive bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Einsatzes von Zwangsarbeitern in Einrichtungen der katholischen Kirche. Dabei habe sich die Quellenrecherche von Hirtenworten und Amtsblättern über die Korrespondenzen der Bistumsleitungen, Visitationsberichte und Chroniken bis hin zu Protokollen, Zeitungsartikeln, Lohnbüchern und Zahlungsbelegen erstreckt. Die Bistumsarchive hätten dabei gezeigt, dass sie „Gedächtnis der Bistümer“ seien, so Scharf-Wrede.

Links:

Info:
Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945, Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung. Eine Dokumentation (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Band 110), hrsg. im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von Karl-Joseph Hummel und Christoph Kösters, Paderborn, München, Wien, Zürich 2008, 703 S. (ISBN 978-3-506-75689-3), 48 EURO (Verlagsinformation).

Quelle: Deutsche Bischofskonferenz, Pressemitteilung 018, 8.4.2008

Die 68er in Hamburg – Gesellschaft in Bewegung

Ende der 1960er Jahre – unruhige Zeiten, nicht nur in Deutschland. Die Jugend revoltiert gegen Althergebrachtes und Obrigkeit, gegen Altnazis und Männerherrschaft, gegen den Staat und bestehende Werte. Auch in Hamburg wird demonstriert. Gegen den Vietnamkrieg, den Schahbesuch, die Springerpresse und gegen die (Hoch-) Schulpolitik. Die Gesellschaft ändert sich – für immer. 

Das Staatsarchiv Hamburg zeigt in seiner Ausstellung zur 68er Bewegung in Hamburg unter dem Motto „Gesellschaft in Bewegung“ Originaldokumente wie Fotos, Flugblätter, Plakate und Akten, die den Besuchern einen Einblick geben, was in Hamburg geschehen ist, wofür die „68er“ standen, welche Rolle ihre Forderungen in Hamburg spielten und wie die „68er“ die Gesellschaft veränderten. 

Mittelpunkt der Ausstellung bildet dabei das Originalbanner „Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“, das die Studenten Detlev Albers und Gert Hinnerk Behlmer als Zeichen des Protestes und für die Öffnung und Demokratisierung der Hochschulen bei der feierlichen Rektoratsübergabe in der Hamburger Universität 1967 vor den Professoren hergetragen haben. 

Info:
„Die 68er in Hamburg – Gesellschaft in Bewegung“ 
Ausstellung im Staatsarchiv Hamburg vom 14. April bis 23. Mai 2008 

Die Ausstellung ist im Foyer des Staatsarchivs, Kattunbleiche 19 (nahe U-Bahn Wandsbek Markt), montags bis freitags 10-16 Uhr, mittwochs bis 18 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei. 

Quelle: Staatsarchiv, Aktuelles, 7.4.2008, Die WELT, 8.4.2008

HiKo-Archiv bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften online

Das Archiv der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (ca. 6 lfm.) dokumentiert das Wirken dieser \“Akademie der deutschen Geschichtswissenschaft\“ (Leopold von Ranke). Das Material reicht von der Gründung durch Statut Maximilians II. von Bayern vom 26. November 1858 bis zum Jahr 1961. Es ist eine erstrangige Quelle für die historiographische Forschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Das Online-Findbuch mit ausführlichem Personen-, Institutionen- und Sachregister (139 S. und 336 Nummern, www.historischekommission-muenchen.de, Rubrik \“Geschichte und Aufgaben\“) erschließt:

– Schriftgut des Sekretariats bzw. der Geschäftsstelle der Historischen Kommission,
– Abteilungs- und Projektakten zu vielen der bis heute rund 650 Veröffentlichungen. Dies sind überwiegend die langfristig angelegten
– Quelleneditionen der Kommission
– \“Jahrbücher der Deutschen Geschichte\“,
– \“Deutsche Reichstagsakten\“,
– \“Wittelsbacher Korrespondenzen\“,
– \“Chroniken der deutschen Städte\“,
– \“Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit\“,
– \“Hanserezesse\“,
– \“Geschichte der Wissenschaften in Deutschland\“,
– \“Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts\“,
– Forschungen u. a. in der \“Schriftenreihe der Historischen Kommission\“ und
– \“Allgemeine Deutsche Biographie\“ und \“Neue Deutsche Biographie\“ als maßgebliche historisch-biographische Lexika im deutschen Sprachraum. Zeitlich reicht das Spektrum der Veröffentlichungen vom 14. Jahrhundert bis zur Zeitgeschichte.
– Protokolle und Akten (mit Anträgen, Projektskizzen, Denkschriften, Etatunterlagen etc.) der Jahresversammlungen, dem Entscheidungsorgan der Kommission,
– Korrespondenzen ihrer Präsidenten von Leopold von Ranke, Heinrich von Sybel, Alfred Ritter von Arneth, Moriz Ritter, Erich Marcks, Karl Alexander von Müller, Heinrich Ritter von Srbik und Walter Goetz bis zu Franz Schnabel und Hermann Aubin sowie die Korrespondenzen ihrer Sekretäre, Mitglieder und Mitarbeiter.

Zum Bestand des Archivs, das die Kommission mit Blick auf ihr 150-jähriges Jubiläum im Jahr 2008 von Peter Gohle M.A. ordnen und verzeichnen ließ, gehören auch die Teilnachlässe der Mitglieder Willy Andreas (6 Nummern), Karl Mayr (8 Nummern) und Friedrich Hermann Schubert (10 Nummern).

Auf der Grundlage des Quellenmaterials im Archiv der Historischen Kommission erscheinen zum Jubiläum im Mai 2008 eine Festschrift, eine Chronik sowie ein Sonderheft der Zeitschrift \“Akademie Aktuell\“:

– Lothar Gall (Hrsg.), »… für deutsche Geschichts- und Quellenforschung«. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2008. 384 S., Ln. 49,80 Euro, ISBN 978-3-486-58286-4

– Helmut Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik. München: Historische Kommission 2008. 200 S., Edelbroschur, Schutzgebühr 10,00 Euro, ISBN 978-3-929691-12-2

– Akademie Aktuell. Zeitschrift der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Heft 25, 02/2008, 78 S., ISSN 1436-753X

Das Archiv der Historischen Kommission liegt als Depositum im Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Alfons-Goppel-Str. 11, 80539 München) und kann dort nach Vereinbarung eingesehen werden. Das Online-Findbuch erreichen Sie unter www.historischekommission-muenchen.de in der Rubrik "Geschichte und Aufgaben". Benutzungsanfragen können direkt an die Archivarin der Akademie gerichtet werden: Dr. Sylvia Krauß (e-mail: krauss@badw.de).

Weitere Informationen: Dr. Karl-Ulrich Gelberg, Geschäftsführer der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Tel. 089/23031-1151, e-mail gelberg@hk.badw.de.

Quelle: Bayerische Akademie der Wissenschaften, Presse Info 04/2008, 9.4.2008

Das Overather Stadtarchiv hat neue Räume bezogen

Der bisherige Standort des Overather Stadtarchivs war nicht optimal – im Keller des Bauamtes platzte es aus allen Nähten, eine Erweiterung der Räumlichkeiten war nicht möglich. Das größte Problem für die wertvollen Archivgüter war jedoch die Feuchtigkeit – bei Starkregen stand der Keller gelegentlich unter Wasser. Aufgrund dessen musste dringend ein anderer Standort gefunden werden. 

Als ideale Lösung erwies sich ein geräumiger Raum im Keller des Schulzentrums Cyriax – auf rund 100 qm sind die stadtgeschichtlichen Dokumente jetzt in über 100 Metern Regalfläche sicher und trocken untergebracht. Nicht nur die klimatischen Bedingungen sind jetzt ideal, wie die Archivberaterin des Landschaftsverbandes Rheinland Angelika Neugebauer bestätigt, auch die räumlichen Kapazitäten sind großzügig bemessen, es stehen noch Reserven zur Verfügung. Besonders freut sich der städtische Archivar, Otmar Sedlaczek, dass er jetzt endlich ein Büro für die anfallenden Verwaltungsarbeiten hat. 

Auch der Bergische Geschichtsverein Overath profitiert von dem neuen Standort – so hat er einen vom Archiv abgetrennten Raum zur Lagerung seiner eigenen historischen Dokumente erhalten – die unmittelbare Nähe zum Stadtarchiv erleichtert den Mitgliedern natürlich auch die historische Forschung.

Nicht zuletzt aus pädagogischer Sicht ist der neue Standort ideal. \“Seit das Archiv im Schulgebäude untergebracht ist, erhalte ich viel mehr Anfragen und Besuche von interessierten Schülern, die in den gelagerten Dokumenten Recherchen für ihre Arbeiten betreiben,\“ berichtet Archivar Othmar Sedlaczek. 

So lagern hier viele historisch bedeutsame Dokumente, als älteste Bestände datieren wohl die Hofgerichtsprotokolle aus dem frühen 17. Jahrhundert. Auch die Urrisse der ersten Katasteraufnahmen sind kostbare Dokumente ebenso wie die gesammelten Ratsprotokolle und vieles andere historisch Bedeutsame mehr. 

Anlässlich der offiziellen Einweihung der neuen Räumlichkeiten durch Bürgermeister Andreas Heider hat das Archiv noch eine besondere Schenkung erhalten. Gabriele Supe-Kolzem hat dem Stadtarchiv aus dem Nachlass ihres Vaters Manfred Supe dankenswerterweise eine historisch wertvolle Fotosammlung über Overath überlassen. 

Overath ist eine mittlere kreisangehörige Stadt im Rheinisch-Bergischen Kreis im Süden von Nordrhein-Westfalen. Im Jahre 1064 erstmalig erwähnt, leben hier heute über 27.000 Menschen.

Kontakt:
Stadtarchiv Overath
Schulzentrum Cyriax
Perenchiesstraße
51491 Overath-Cyriax

Stadt Overath
Der Bürgermeister
Hauptstr. 25
51491 Overath 

Quelle: Stadt Overath, Aktuelles; Bergisches Handelsblatt, 8.4.2008

Erstes Verzeichnis von Filmbeständen für Berlin und Brandenburg

Die Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg veröffentlicht mit dem „CineArchiv Wegweiser 2008“ erstmals ein Verzeichnis audiovisueller Materialien und Archive in Berlin und Brandenburg.

Das über 100 Adressen umfassende Quellenverzeichnis präsentiert eine systematische Erfassung von Filmbeständen sowie deren Besitzer und Lagerungsort in der Region Berlin-Brandenburg. Zu jeder einzelnen Quellenangabe erhält der Benutzer ausführliche Informationen u.a. zu Umfang, Inhalt und Zeitbezug des Filmbestandes sowie zu den vorhandenen Filmformaten und Nutzungsmöglichkeiten. Der „CineArchiv-Wegweiser“ bietet somit Filmschaffenden, Interessierten und wissenschaftlich Arbeitenden ein wertvolles Nachschlagewerk bei der Suche nach bekannten und unbekannten Filmschätzen. 

Ab sofort ist der „CineArchiv Wegweiser 2008“ unter www.mb-babelsberg.de kostenfrei herunterzuladen oder als broschierte Ausgabe direkt bei der Gesellschaft gegen eine Schutzgebühr zu beziehen.

Die Publikation wurde im Rahmen des von der Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg initiierten Projektes „CineArchiv digital“ erstellt, dessen Schwerpunkt auf der Nutzbarmachung historischer Filmbestände und der Migration der Inhalte in die digitale Welt liegt.

Auch zukünftig wird die Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg an diesem fortzuschreibenden Projekt arbeiten und damit die Bemühungen auf dem Gebiet der Erschließung und Digitalisierung historischer Filmdokumente verstärken.

Das Projekt wurde realisiert mit Unterstützung der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH.

Kontakt:
Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg gemeinnützige GmbH 
Frau Claire Müller 
Dianastraße 44 / 14482 Potsdam
Tel.: +49.(0)331.721 21 69 
Fax: +49.(0)331.721 21 77
cmueller@mb-babelsberg.de 
www.mb-babelsberg.de 
www.cinearchiv.de

Quelle: Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg gGmbH, Pressemitteilung, 27.3.2008

Mülheimer Kompetenzzentrum Geschichte

Der 2001 begonnene und 2007 fortgeschriebene "KulturDialog" in Mülheim an der Ruhr dient der Entwicklung der städtische Kulturarbeit als Ergebnis eines öffentlichen Diskussionsprozesses. Beispielsweise sind der demografische Wandel, das bürgerschaftliche Engagement, die Entwicklung der Kulturwirtschaft oder die Integration von Migrantinnen und Migranten aufgrund ihrer hohen kultur- und gesellschaftspolitischen Relevanz Themen des KulturDialogs. Nicht zuletzt stellt die Verleihung des Titels Kulturhauptstadt Europas 2010 an das Ruhrgebiet die kommunale Kulturarbeit vor neue inhaltliche Herausforderungen.

Im KulturDialog ist unter anderem festgeschrieben, dass das Mülheimer Stadtarchiv als \“Kompetenzzentrum Geschichte\“ im \“Haus der Stadtgeschichte\“ aufgehen soll. Als Gebäude dafür soll der Stadt die alte Augenklinik an der Von-Graefe-Straße dienen (siehe Bericht vom 22.5.2007). Ziel sei die Eröffnung im Jahr der Kulturhauptstadt 2010, so Kulturbetriebsleiter Dirk Schneider. Dort soll in enger Zusammenarbeit mit den anderen Instituten ein Mülheimer Geschichtsnetzwerk entstehen. Als Steuerungsstelle ist das Stadtarchiv künftig organisatorisch für die historischen Museen zuständig. Dabei steht die Weiterentwicklung der Konzepte für die Museen Schloss Broich, Tersteegenhaus und Büromuseum im Vordergrund.

Die Zusammenarbeit mit Schulen soll ausgebaut und ein archivpädagogisches Konzept erstellt werden. So wird das laufende Projekt \“Archiv & Schule\“ im Haus der Stadtgeschichte auf eine neue Basis gestellt. Daneben soll es zu den laufenden Vorträgen zur Mülheimer Geschichte eine neue Schriftenreihe geben. Ausgewählte Schriften sollen online gestellt werden.

Kontakt:
Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Aktienstraße 85
45473 Mülheim an der Ruhr 
Tel: 02 08 / 455 4260
Fax: 02 08 / 455 4279
stadtarchiv@stadt-mh.de

Quelle: Margitta Ulbricht, WAZ, 4.4.2008

Deutsches und französisches Fernsehen bis 1963

Das Fernsehen entwickelte sich im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts aus dem Experimentalstadium heraus zum Leitmedium. Es stand dabei immer in der Spannung zwischen Transnationalität (Funkwellen kennen keine Grenzen) und nationalstaatlicher Organisation. Michael Rother stellt diese Entwicklung eines großtechnischen Systems wie eines publizistischen Mediums im binationalen Raum der Nachbarländer Deutschland und Frankreich dar. Er untersucht dabei nicht zwei Fernseh-Geschichten, sondern geht der Frage nach, inwieweit \“Fernsehen\“ sich in zwei nationalen Systemen und den Beziehungen zwischen ihnen konkretisiert, wie zwei nationale Fernseh-Systeme sich zeit- und teilweise zu einer Art Super-System verbinden. 

Die Arbeit reicht von den Anfängen in den 1930er Jahren bis zum Jahre 1963, als sich durch Elysée-Vertrag und beginnende Ausweitung und Differenzierung des Fernsehens durch zusätzliche Programme in beiden Ländern neue Rahmenbedingungen und Strukturen ergeben. 

Die systematische Perspektive, das Bemühen, in Analyse und Darstellung beiden nationalen Perspektiven gerecht zu werden, über Veränderungen und Brüche im Verhältnis beider Länder hinweg Kontinuitäten herauszuarbeiten, sind für die Arbeit bestimmend. Sie verbindet historische und systematische Aspekte und zeigt den Zusammenhang nationaler und transnationaler Entwicklungen auf: im Nebeneinander, Miteinander, Gegeneinander. 

Info:
Michael Rother: 
Kooperation – Kollaboration – Konkurrenz. Deutsches und französisches Fernsehen bis 1963 
Berlin : Verl. für Berlin-Brandenburg 2008. – 337 S.
ISBN 978-3-86650-602-2 
Preis: 30.00 EUR 
Dieses Buch ist über den Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich.

Link: Inhalt und Vorwort (PDF)

Jüdisches Archivwesen

Der 2007 von der Archivschule Marburg publizierte Sammelband "Jüdisches Archivwesen" umfasst neben einer Einleitung des Leiters des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden (Heidelberg), Peter Honigmann, und dem Leiter der Archivschule Marburg, Frank M. Bischoff, ein Grußwort des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, drei Beiträge zum Thema „Formen jüdischer Archivorganisation“, vier Beiträge zum Thema „Displaced Archives – Entstehung einer archivischen Nachkriegsordnung“, drei Beiträge zum Thema „Spezielle Quellengruppen“, drei Beiträge zum Thema „Nationale Modelle und Erfahrungen“, drei Beiträge zum Thema „Bedingungen der Kommunikation“ und drei Beiträge zum Thema „Spezialinventare“ sowie Kurzbiografien der beteiligten Kolloquiumsteilnehmer.

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Aus internationaler Perspektive bieten die fundierten Beiträge einen guten Einblick in die Entwicklung jüdischer Archive in den USA, Deutschland, Israel, Großbritannien, Frankreich, Polen, Russland vor, während und nach der Katastrophe des Holocaust. Die ersten Beiträge verdeutlichen die diversen Methoden der Akquisitionspolitik während und nach dem Zweiten Weltkrieg, als hunderte von jüdischen Gemeinden nicht mehr existierten.

Inka Arroyo berichtet, dass zum Zwecke der Bereitstellung von Beweismaterial für die geplanten Prozesse gegen die NS-Kriegsverbrecher sowie für wissenschaftliche Zwecke seit April 1944 das JGHA in Jerusalem, die Wiener Library in London, der Jewish World Congress und das YIVO in New York, das Centre de Documentation Juive Contemporaine in Paris, das Hilfskomitee der Jewish Agency, der zionistische Gewerkschaftsbund und die Central Zionist Archives in Israel einem Aufruf nachkamen, um Material über die NS-Verfolgung der jüdischen Jugend (S. 80) zu sammeln. Hier muss es sich um einen Schreib- bzw. Übersetzungsfehler handeln. Warum sollte die Dokumentation der Verfolgung von Juden und sog. Mischlingen jeglichen Alters nicht genauso wichtig sein? 
Insbesondere aufgrund der Verhandlungen des Direktors der Central Zionist Archives, Alexander Bein, mit den jüdischen Gemeinden Berlin West/Ost konnten 1951 53 Kisten und 1958 95 Kisten mit Akten aus den Beständen des ehemaligen Gesamtarchivs nach Israel ins JHGA, dem heutigen CAfHJP, transloziert werden. Ein kleiner Teil gelangte 1972 mit dem Nachlass Jacob Jacobsons in das Archiv des Leo Baeck Institut in New York. Weitere Teilbestände gelangten ins Moskauer Sonderarchiv und in das Archiv des Jüdischen Historischen Institut in Warschau. Ein weiterer Teil des ehemaligen Gesamtarchivs überlebte auch die DDR und wird heute im CJA 1 von der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum verwahrt.

Die ersten Beiträge berichten über die Gründungsanlässe und die Archivpolitik des Philadelphia Jewish Archives Center (1975-2005), des Gesamtarchiv der deutschen Juden in Berlin (1905-1938) und des Central Archives for the History of the Jewish People (gegr. 1969) in Jerusalem. Die nächsten Beiträge explizieren das Schicksal jüdischen Archivgutes der Jüdischen Gemeinde Hamburg, der ins Moskauer Sonderarchiv als „Trophäen-Bestände“ nach dem Ende des „Großen Vaterländischen Krieg“ translozierten jüdischen Akten sowie das Schicksal der Bestände des YIVO-Archivs (gegr. 1926). Das Archiv des Holocaust Memorial Museum (geöffnet seit 1993; Sammlungsbeginn seit 1986) in Washington D.C. sammelt Material mit Bezug zu den Opfern, Tätern, Überlebenden und zur Frage der Rechtsprechung. 

Feliks Tych, ehemaliger Direktor des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau, verdeutlicht den großen Stellenwert des Quellenkorpus von 7.300 Zeugenaussagen, die auf der Grundlage von expliziten Fragebögen für Erwachsene und Kinder im Auftrage der Zentralen Jüdischen Historischen Kommission von August 1944 bis Dezember 1947 gesammelt wurden. 

Hartmut Heinemann expliziert den Wert der bis in die letzten Kriegstage des Zweiten Weltkriegs von der Firma Gebrüder Gatermann im thüringischen Schloss Rathsfeld am Kyffhäuser mikroverfilmten jüdischen Personenstandsregister, die den Beständen des Gesamtarchivs der deutschen Juden entstammten und vom Reichssippenamt für antisemitische Zwecke genutzt worden waren. 

David Frei gibt einen Überblick über die Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der rechtlichen Emanzipation britischer Staatsbürger jüdischen Glaubens im allgemeinen und hinsichtlich des britisch-jüdischen Personenstandswesens im besonderen. 

Laura Jockusch berichtet über die Gründung eines Informationsbüros in Odessa durch die russisch-jüdischen Intellektuellen Simon Dubnow (Historiker), den zionistischen Theoretiker Ascher Ginzburg (Achad Haam) und den Dichter Chaim Nachman Bialik als Reaktion auf den Pogrom von Kischinjow in der russischen Provinz Bessarabien im April 1903. Bialik wurde an den Ort des Pogroms gesandt, um Informationen in Krankenhäusern von Schwestern und Ärzten zu erhalten und Fotos zu sammeln. Die Publikation eines Buches Kischinjow verzögerte sich bis nach dem Ersten Weltkrieg, da die Pogrome 1905/06 viel mehr Opfer forderten, aufgrund der russischen Zensur und der finanziellen Situation der Gruppe. 

Uriel Gast erläutert als Hauptzweck der 1995 durch den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund und der ETH Zürich gegründeten Stiftung Jüdische Zeitgeschichte den Aufbau der Dokumentationsstelle Jüdische Zeitgeschichte.

Georges Weill, u.a. ehemaliger Inspecteur général des Archives de France, gründete 1962 mit Kollegen die Commission Française des Archives Juives zur Beratung der jüdischen Registraturbildner. Obwohl das Archivgut der Israelitischen Konsistorien vor 1905 in Frankreich und im Elsaß noch heute als staatliches Archivgut angesehen wird, verzögert sich ihre Abgabe bzw. Archivierung aus verschiedenen Gründen: profanes Verwaltungsschriftgut hat keinen religiösen Wert; jüdische Einwanderer haben wenig Interesse daran, die Unterlagen der Altgemeinden zu bewahren; jüdische Funktionäre haben kein großes Interesse an der Archivierung ihrer Unterlagen und an ihrer Öffnung für die Forschung. Eine kleine Zahl von Archivaren hat sich aber in den letzten Jahren zur Aufgabe gemacht, die jüdischen Archivbestände Frankreichs zu retten.

Peter Honigmann stellt in seinem Beitrag seine praktischen Erfahrungen hinsichtlich der Bewertung und Nutzung von Unterlagen unter rechtlichen Aspekten dar, die aufgrund von Depositalverträgen mit den abgebenden Gemeinden bzw. Autoren im Heidelberger Zentralarchiv verwahrt werden. Zum einen besteht die relativ seltene Gefahr, dass der Eigentümer sich entschließt, sein Archivgut wieder zurückzunehmen. Um den Persönlichkeitsschutz zu garantieren, verlangen viele jüdische Gemeinden den Genehmigungsvorbehalt im Depositalvertrag hinsichtlich der Nutzung ihrer Altunterlagen. Da die staatlichen Archivgesetze für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften keine Gültigkeit haben, da sie keine von Bund oder Land beaufsichtigten Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, im Unterschied zu Kommunen, Universitäten und Berufskammern, stellen die jüdischen Organisationen ihre eigenen Regeln hinsichtlich des Datenschutzes und Durchführung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes auf. Bei der Publikation von Findmitteln mit expliziten Namenslisten steht der Archivar vor dem Problem, möglichen Schaden und Nutzen, der bei ihrer Publikation entstehen könnte, abzuwägen. Aufgrund der unterschiedlichen Sperrfristen für personenbezogene Unterlagen in verschiedenen Archivgesetzen und der Frage ihrer Anwendbarkeit im Falle des Zentralarchivs plädiert Honigmann für den Rekurs auf und Anwendung traditioneller jüdischer Rechtsvorschriften, da schon Tora und Talmud die Verbreitung schädigender Informationen verbieten.

Aubrey Pomerance, Leiter des Historischen Archivs des Jüdischen Museums Berlin und der Zweigstelle des Leo Baeck Archiv New York in Berlin, erörtert die Sammlungspolitik und -methodik, Stand der Erschließung, Zugänglichkeit der Bestände für die wissenschaftliche Öffentlichkeit und die Motivation der Stifter, dem Museum persönliche Unterlagen zu überlassen. Die gegenwärtige Herausforderung besteht darin, die Informationen über die gesammelten Objekte digital so zu erschließen, dass sie online recherchierbar sind. 

Frank Mecklenburg, Archivar und Forschungsdirektor am Leo Baeck Institute New York, stellt einige virtuelle Zeitschriftenarchive und Internetportale für jüdische Familienforscher und Genealogen vor mit eigenen Datenbanken, Suchmaschinen hinsichtlich ausgelöschter Gemeinden in Osteuropa, Gräber und Friedhöfe, Familiengeschichten und -stammbäume und Hilfsfunktionen zum Austausch von Informationen der Internetnutzer hinsichtlich der Übersetzung von Texten. Bei dem Portal „JewishGen“ handelt es sich also um ein interaktives Portal.

Friedrich Battenberg, Leiter des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt, begründet seine Ansicht, warum bei der sachthematischen Inventarisierung von archivischen Judaica-Betreffen nur zwei Methoden akzeptabel seien: a) die traditionelle Urkundenregesten-Technik, b) der Aufbau eines virtuellen Judaica-Bestandes, der mittels Internet über die Datenbank HADIS öffentlich zugänglich gemacht wird. Schlichte Meta- bzw. Auswahlverzeichnisse würden zukünftig durch die Bereitstellung von elektronischen Findbüchern mit ihren Suchfunktionen obsolet gemacht. 

Albrecht Eckhardt, ehem. Leiter des Staatsarchivs Oldenburg, berichtet über die Durchführung des Projektes „Quellen zur Geschichte und Kultur des Judentums im westlichen Niedersachsen vom 16. Jhdt. bis 1945. Albrecht Eckhardt, Jan Lokers, Matthias Nistal (Leitung). Bearb. v. Heike Düselder und Hans-Peter Klausch. Teile 1-4. Göttingen 2002“. Es wurden die Bestände der drei Staatsarchive Aurich, Oldenburg und Osnabrück nach gleicher Systematik nach jüdischen Betreffen durchgesehen. Von 14.000 Akten wurden 6.000 Akten ausgewählt und intensiv mit Enthält-Vermerken verzeichnet. Der vierte Band enthält einen Gesamtindex für alle drei Bände. 

Gail T. Reimer, Gründungsdirektorin des virtuellen Jewish Women\’s Archive, erläutert den Reichtum des umfassenden Informationspotentials dieses zehn Jahre alten Projektes. U.a. werden Informationen zu 1700 Frauen, 737 archivische Sammlungen in 178 unterschiedlichen Findbüchern, 1.000 Dokumente, die Digitalisierung der Zeitschrift „The American Jewess“ (1895-1899) dem Internet-Nutzer zur Verfügung gestellt. In einem Dokumentationspilotprojekt sammelten hunderte von jüdischen Frauen Material und Informationen über ihre Erfahrungen in ihren Gemeinden und führten Oral History Interviews durch mit 90 Frauen aus drei amerikanischen Großstädten, transkribierten, indexierten und erschlossen sie in lokalen Findbüchern und werden sie im Internet zugänglich machen. Ein neuer Internetauftritt erforscht die wechselseitige Beziehung zwischen der jüdischen Frauengeschichte und der zweiten Welle des amerikanischen Feminismus in den 1960er und 70er Jahren. Persönliche Sammlungen von 74 Aktivisten dokumentieren die vielfältigen Aktivitäten dieser Bewegung. 

Insgesamt geben die Beiträge – ausgehend von rechtlichen, technischen, archivpolitischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen – eine gute internationale Übersicht über die laufenden praktischen Tätigkeiten und Probleme moderner jüdischer Archive oder deutscher Staatsarchive, die Archivgut jüdischer Provenienz verwalten und erschließen. Während das Gesamtarchiv der deutschen Juden als zentrales jüdisches Archiv in Deutschland angesehen wurde, sammeln das CAfHJP in Jerusalem und das Archiv des Holocaust Museum in Washington weltweit Archivgut. 

Info:
Frank M. Bischoff, Peter Honigmann (Hrsg.): Jüdisches Archivwesen. Beiträge zum Kolloquium aus Anlass des 100. Jahrestags der Gründung des Gesamtarchivs der deutschen Juden zugleich 10. Archivwissenschaftliches Kolloquium der Archivschule Marburg, 13.-15. September 2005. Marburg: Veröffentlichungen der Archivschule Marburg. Institut für Archivwissenschaft Nr. 45, 2007, ISBN 978-3-923833-10-8, 430 S., € 28,60. 

Volker Beckmann, Herford

Gründung der Universität des Saarlandes vor 60 Jahren

Vor 60 Jahren, am 9. April 1948, wurden in Paris die Weichen zur Gründung der Universität des Saarlandes gestellt. Im Außenministerium traf sich der erweiterte Verwaltungsrat des 1947 eingerichteten Homburger Hochschulinstituts und beriet über Lage und Perspektiven dieser Institution. Dabei fasste der aus französischen und saarländischen Mitgliedern gebildete Verwaltungsrat mehrere grundlegende Beschlüsse: So müsse das Homburger Institut in eine saarländische Universität \“mit internationaler Ausstrahlung\“ umgewandelt werden. Diese Universität werde von einem von Saarländern und Franzosen paritätisch besetzten Verwaltungsrat geleitet. An der Spitze dieses Verwaltungsrates stehe \“ein französischer Präsident aus der wissenschaftlichen oder literarischen Welt\“. Die Universität werde durch einen französischen Rektor und einen saarländischen Vize-Rektor verwaltet. Die Universität werde Fakultäten für Recht, Medizin, Philosophie und Naturwissenschaften umfassen. Ebenso erörterte man den \“europäischen Charakter\“ der neuen Universität: \“Die Universität des Saarlandes muss eine internationale Ausstrahlung haben … Wenn die Universität eine internationale Ausstrahlung aufweist, ist es möglich, die Fragen der Berufsmöglichkeiten, der materiellen Existenz der Universität zu lösen und es so einzurichten, dass diese die saarländischen Studenten anzieht und die Rolle einer Brücke zwischen Frankreich und Deutschland spielt.\“ 

Die Umsetzung der Pariser Beschlüsse vom 9. April 1948 verzögerte sich aber. Der Streik der Studierenden des Homburger Hochschulinstituts im Mai dokumentierte diesen Schwebezustand und die ungelösten Probleme. Der französische Hochkommissar Gilbert Grandval ernannte am 15. September 1948 den von der Universität Nancy kommenden Physiker Jean Barriol zum Rektor der neuen Universität. Anfang Oktober konstituierten sich die vier Fakultäten. Mitte November 1948 nahm dann die Universität des Saarlandes an ihren beiden Standorten Saarbrücken und Homburg den Lehrbetrieb auf. 
Daher wird die Universität auch zu Beginn des kommenden Wintersemesters, im Oktober 2008, ihr 60-jähriges Jubiläum begehen. 

Kontakt
Universität des Saarlandes
Universitätsarchiv
Dr. Wolfgang Müller
Postfach 15 11 50
66041 Saarbrücken
Tel.: 0681 / 302 – 2699
Fax: 0681 / 302 – 2687
w.mueller@univw.uni-saarland.de 

Quelle: Uni-Protokolle der Universität des Saarlandes, 28.3.2008

Schätze im Bad Homburger Stadtarchiv

Die Städte Bad Homburg und Münster planen gemeinsam eine Ausstellung, bei der die älteste bislang bekannte Ansicht der westfälischen Stadt im dortigen Museum gezeigt werden soll. „Dieser Wunsch ist aus Münster an unser Stadtarchiv herangetragen worden, nachdem die Karte dort überraschend bekannt geworden ist“, berichtet Oberbürgermeisterin Dr. Ursula Jungherr, „Bad Homburg stellt das wertvolle Stück selbstverständlich gerne zur Verfügung.“ 

Die Entdeckung der Karte durch den Marburger Historiker Dr. Holger Th. Gräf hatte vor allem in Münster, dann aber auch in Bad Homburg ein breites Medienecho ausgelöst. Die Karte von Münster ist ein gutes Beispiel dafür, dass in Archiven scheinbar unentdeckte Schätze schlummern. Sie sind allerdings – wie die Karte auch – in den Findbüchern der jeweiligen Archive verzeichnet. Doch erwarten die Historiker, die ihre Bedeutung einschätzen könnten, solche Stücke nicht an diesem Ort. Zugang zu den Findbüchern anderer Archive haben sie aber nur, wenn sie dort mit interessanten Archivalien rechnen. Für die Leiterin des Bad Homburger Stadtarchivs, Dr. Astrid Krüger, ist dieser „Sensationsfund“ deshalb ein Grund, in einem Beitrag für die „Hessischen Archivnachrichten“ für Online-Findbücher zu plädieren. Damit hätten Heimatforscher die Chance, Bestände der Archive im Internet zu erkunden.

Tatsache ist, dass keiner der westfälischen Heimatforscher diesen Schatz im Archiv der hessischen Kurstadt vermutet hatte – und deshalb auch niemand im Gotischen Haus gesucht hat. Dabei ist das wertvolle Stück längst erfasst und verzeichnet. Wäre das Findbuch online abrufbar, wäre die Karte von Münster für jeden Interessenten auffindbar gewesen. So aber bedurfte es eines Zufalls: Eine Gruppe von Marburger Studenten mit ihrem Dozenten Dr. Holger Gräf vom Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde bekam diese bei Archivführungen gerne gezeigte Karte zu sehen. Das frühneuzeitliche Stück zog die Aufmerksamkeit des Wissenschaftlers auf sich. Er stellte den „Fund“ bei einer kurz darauf stattfindenden Tagung des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster vor. Dort war man begeistert! Die Forscher in Münster identifizierten die Stadtansicht schnell als älteste bislang bekannte. Sie zogen damit die Aufmerksamkeit der Medien auf den Fund. Das Ergebnis: Ende April 2008 wird das gute Stück den Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit im Stadtmuseum von Münster präsentiert und anschließend eine Woche lang ausgestellt werden.

Das Blatt gehört zu einem Nachlass, der weitere Kostbarkeiten enthält. Er stammt von dem 1885 in Homburg verstorbenen preußischen Archivrat Friedrich Ludwig Carl von Medem. Dabei handelt es sich um einen von 62 im Stadtarchiv aufbewahrten Nachlässen. Von Medem war zunächst am Staatsarchiv in Stettin tätig, bevor er versuchte, in dem sich entwickelnden westfälischen Archivwesen Fuß zu fassen. In dieser Zeit „archivischer Unordnung“ baute er sich eine hochrangig bestückte Sammlung auf, zu der neben zahlreichen Urkunden aus dem Pommerschen auch Stücke westfälischer Provenienz gehören. Zu letzteren zählt ein Handschriftenfragment, dessen Wert für die historische Forschung mit dem der Münster-Karte durchaus vergleichbar ist: Es handelt sich um die zweite Seite eines Briefes des Theologen Ratramnus von Corbie († nach 866) an Erzbischof Rimbert von Bremen und Abt Adalgar von Corvey. Thema ist die Ehe unter Verwandten. Das Schreiben stammt aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Es wurde im 10. Jahrhundert auf frei gebliebenen Seiten des so genannten „Herforder Evangeliars“ abgeschrieben. Später hat jemand Seiten aus dem Evangeliar entfernt, darunter auch die Seite, die sich in von Medems Nachlass befindet. Das Bad Homburger Stadtarchiv kann somit das heute in Krakau aufbewahrte „Herforder Evangeliar“ um ein interessantes Blatt ergänzen.

Die Stadtansicht von Münster und das frühmittelalterliche Handschriftenfragment sind nur zwei Beispiele bedeutender Archivalien, die im Nachlass von Medem ruhen und deren Relevanz die Grenzen der Homburger Stadtgeschichte sprengt. „Ihre Existenz ist den Homburger Heimatforschern und den Mitarbeitern des Stadtarchivs zwar sehr wohl bekannt, doch würde kein anderer Forscher dieses Material in unserer Stadt vermuten“, so Oberbürgermeisterin Dr. Jungherr. Zumindest bei von Medem soll sich das auch ohne Online-Findbücher ändern. „Das Stadtarchiv Bad Homburg plant für das kommende Jahr eine Tagung, die der Person des Archivrates und den Archivalien seines Nachlasses gewidmet sein wird“, kündigt Jungherr an. Für Historiker ein Termin, der mit Spannung erwartet werden wird.

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Quelle: Pressemeldung Stadt Bad Homburg, 1.4.2008