1.300 Akten über die Franzosen in Mainz

Unter dem Titel \“Munizipalverwaltung und Mairie der Stadt Mainz 1798-1814" stellte die Diplom-Archivarin Ramona Göbel jetzt ein neues Findbuch im Stadtarchiv Mainz der Öffentlichkeit vor. Kern des Buches ist das Leben unter den französischen Besatzern, wie es sich in der \“einzigartigen Dichte im Aktenbestand der damaligen französischen Stadtverwaltung widerspiegelt". Über 1.300 dieser Akten durchforstete und katalogisierte Göbel, die die Arbeit von ihrem Vorgänger übernahm, seit 1997 und stellte sie in dem 565 Seiten starken Findbuch zusammen. 

Das Verzeichnen der 20 laufenden Regalmeter unsortierten Papiers sei manchmal eintönig, manchmal hochspannend gewesen. Am Ende waren die Akten durchgesehen und in einer Datenbank erfasst. Für Dr. Wolfgang Dobras, dem Leiter des Stadtarchivs, besitzt das Werk Handbuch-Charakter für das weitere Forschen und Studieren.

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Stadtarchiv Mainz
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55116 Mainz
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Quelle: Allgemeine Zeitung, 11.10.2004

FU-Immatrikulationen

Unter dem Motto "Zukunft von Anfang an" eröffnet die FU Berlin am 16. Oktober eine große Wissenschafts- und Geschichtsausstellung über die Geschichte und das Profil der Freien Universität (FU). Das Motto ist Programm. Zum 50-jährigen Bestehen des Henry-Ford-Baus, des ersten offiziellen Gebäudes der FU, widmet sich die Ausstellung der bewegten Vergangenheit der heute größten Universität Berlins, präsentiert aber auch ihre Gegenwart und künftige Vorhaben.

Die Universitätsgründung ging 1948 von Studenten aus, die nach den bitteren Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur eine abermalige Gleichschaltung der Berliner Universität Unter den Linden ablehnten. Die Ausstellung kann mit zahlreichen Exponaten aus dem eigenen Archiv bestückt werden. Im Reaktorraum des früheren Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik gelang Otto Hahn 1938 die erste Kernspaltung. Heute dient der Raum dem Archiv der Freien Universität Berlin als Endlager für seine Immatrikulationsakten. Es stapeln sich dort die Studienbewerbungen mehrerer Generationen von Weltveränderern, von denen Jochen Staadt in der FASZ einige vorstellte (u.a. Rudi Dutschke, Gudrun Ensslin, Benno Ohnesorg, Gesine Schwan, Hans Eichel).

Die 1940 geborene schwäbische Pfarrerstochter Gudrun Ensslin zog es 1964 zum Germanistikstudium nach Berlin. In ihrer Studienbewerbung hob sie besonders ihre Zeit als Austauschschülerin in Pennsylvania hervor. "Mein Interesse galt vorwiegend der gesellschaftlichen Struktur und ihren Funktionen, wie sie sich in einer mittelgroßen nordamerikanischen Stadt zeigen, die – bei aller Vorsicht – für einigermaßen repräsentativ gehalten werden darf. Meine Beobachtungen und Erfahrungen führten zu einer erweiterten und sicher zutreffenden Beurteilung der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung und Lage Westdeutschlands."

Kontakt:
Universitätsarchiv der FU Berlin
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14195 Berlin 
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Quelle: Jochen Staadt, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10.10.2004

Angst der Archive vor digitalem Datenverlust

Im Bundesarchiv in Koblenz existiert seit zwölf Jahren ein Referat für sichere elektronische Archivierung. Dessen Sachbearbeiter Burkhart Reiß erläutert die Grundprobleme aller digitalen Speichermedien: ihre Beschichtungen zersetzen sich und zudem ist der technische Fortschritt rasant. Das Bundesarchiv überspielt daher aus Gründen der Sicherheit alles auf zwei verschiedene Medien, die an zwei verschiedenen Orten bei gleich bleibenden Temperaturen gelagert werden. Beide Datenbestände werden auf absolute Übereinstimmung miteinander verglichen.

Das Bundesarchiv ist Vorreiter bei der elektronischen Archivierung: Schon in den neunziger Jahren übernahm es große elektronische Datenbestände der ehemaligen DDR. Die Daten von Tausenden alter DDR-Magnetbänder haben die Koblenzer Archivare auf neue Speichermedien überspielt. Alle fünf Jahre kopieren sie diese Daten erneut. In Papierform gibt es da nichts mehr.

Kontakt:
Bundesarchiv
Potsdamer Str. 1
56075 Koblenz
Telefon: ++49/261/505-0
Telefax: ++49/261/505-226
koblenz@barch.bund.de
http://www.bundesarchiv.de 

Quelle: Jens Albes (dpa), Hamburger Morgenpost, 8.10.2004

Attendorner Wappengeschichte im Internet

Das schwarze, durchgehende Kreuz im Attendorner Stadtwappen, das auch in zahlreichen anderen Ortswappen des Rheinlandes und Westfalens nachzuweisen ist, verweist auf die territoriale Zugehörigkeit der Stadt zum Kurfürstentum Köln. Die Bedeutung des Mondes im Wappen ist weitaus schwieriger zu erklären. Die neuere Literatur deutet den Mond als Hinweis auf Christus, was aber unbewiesen ist.

\"Wappenabbildungen

Die Stadt Attendorn hat die Rubrik \“Stadtinfo-Geschichte\“ auf ihrer Homepage www.attendorn.de nun um die Geschichte des Attendorner Stadtwappens erweitert, da das Attendorner Stadtarchiv nach Auskunft von Stadtarchivar Otto Höffer sehr häufig nach der Bedeutung des einzigartigen Wappens mit Halbmond und Kreuz gefragt wird.

Die Attendorner Wappenattribute Kreuz und Mond erscheinen erstmals auf einem Kölner Pfennig aus der Zeit des Erzbischofs Konrad von Hochstaden (1237-1261). Ohne Kreuz erscheint der Mond bereits auf Münzprägungen aus der Zeit des Erzbischofs Dietrich (1208-1212) (Abb. 1). Auch das heute im Südsauerlandmuseum Attendorn befindliche kostbare silberne Siegeltypar aus der Zeit um 1400 zeigt die Wappenattribute Kreuz und Mond, wobei die Anordnung der Attribute bereits der heutigen entspricht (Abb. 2).

Eine weitere historische Darstellung des Attendorner Stadtwappens findet man in der auf das Jahr 1700 zurückgehenden sog. \“Arnsberger Wappensammlung\“ im Landesarchiv NRW, Staatsarchiv Münster (Abb. 3). 1910 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung die Überarbeitung des Stadtwappens und beantragte die Verleihung einer Mauerkrone. Außerdem wurde das schwarze Kreuz mit weißen Linien durchzogen (Abb. 4).

\"Wappenabbildung

Durch Urkunde des Regierungspräsidenten in Arnsberg vom 12. August 1970 ist der Stadt Attendorn das Recht zur Führung von Wappen, Flagge und Siegel verliehen worden. Dabei wurde das Stadtwappen wie folgt beschrieben: \“In Silber (Weiß) ein durchgehendes schwarzes Kreuz, rechts oben begleitet von einer auswärts gerichteten roten Mondsichel\“ (Abb. 5).

Kontakt:
Stadtverwaltung Attendorn
Stadtarchiv
Kölner Str. 12
57439 Attendorn
stadtarchiv@rathaus.attendorn.de

Quelle: My-Sauerland.de, 8.10.2004

Alte Kamellen aus Aschersleben im Web

Für den veralteten, seit langem nicht aktualisierten Internetauftritt der Stadt Aschersleben (www.aschersleben.de) führt die Mitteldeutsche Zeitung einige prägnante Beispiele an.

So erfährt der Internet-User beispielsweise über das Stadtarchiv, \“dass es sich in einem Teil des ältesten Gebäudes der Stadt Aschersleben, dem Grauen Hof, befindet\“. Zwar ist das Archiv bereits 1953 in dem im Jahr 1309 erstmals erwähnten Gebäude eingerichtet worden. Es wurde aber bereits vor Monaten ausquartiert und befindet sich längst im ehemaligen Gefängnis, wo auch das Kriminalpanoptikum eine Heimstatt gefunden hat. 

Kontakt:
Stadtarchiv Aschersleben
Am Grauen Hof
06449 Aschersleben
Tel: 0 34 73/ 9 58-4 13
archiv@aschersleben.de

Quelle: Angelika Adam, Mitteldeutsche Zeitung, 7.10.2004

US-Bundesstaat eröffnet digitales Archiv

Der US-amerikanische Bundesstaat Washington hat am Montag das vermutlich erste staatliche digitale Archiv eröffnet. Das digitale Archiv beinhaltet eine breite Palette an Digitalisaten von Geburtsurkunden bis hin zu den ersten Wahlergebnissen im Staate Washington aus dem Jahr 1854. Die 14,5 Mio. US-Dollar teuren und in einem neuen Gebäude der Eastern Washington Universität untergebrachten "Washington State Digital Archives" ermöglichen den Zugriff auf Archivalien und elektronische Dokumente, ohne dass Beschädigungen gefürchtet werden müssten.

Diese Gebrauchsform der Unterlagen sei speziell für die Nutzung hergestellt worden und könne durch diese keinen Schaden nehmen, erklärte eine Bezirks-Auditorin. Sofern man technisch in der Lage sei, der Öffentlichkeit jene Informationen anzubieten, die ihr naturgemäß zustehen, sei dies ein großer Fortschritt.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren hätten Freiwillige für das Projekt rund eine Million Scans von historischen Unterlagen transkribiert, erklärte der Washingtoner Staatsarchivar Jerry Handfield. So beinhalteten beispielsweise die Steuerunterlagen demographisches Datenmaterial für das Land aus den Jahren 1847 bis 1892, und die Heiratsunterlagen reichten zurück bis 1900.

Beglaubigte Urkunden können nunmehr über einen sicheren Kanal im Internet ausgestellt werden, ohne dass der Gang in die Bezirksverwaltungen noch notwendig wäre, sagte der digitale Archivar Adam Jansen. Zukünftig würden auch e-Mails und andere elektronische Dokumente staatlicher Behörden auf digitalem Wege vorgehalten werden. Das Washingtoner Pilotprojekt stößt bereits auf Interesse in anderen Bundesstaaten; so plant auch Vermont ein vergleichbares Unternehmen.

Das digitale Datenarchiv, das auf eine Größe von 800 Terabyte erweitert werden kann (was 200 Mrd. Seiten Text entspricht), wurde von Microsoft und EDS entwickelt. Die elektronischen Unterlagen werden durch einen digitalen Schlüssel gegen Fälschungen, Beschädigungen und Verlust gesichert, sollen damit einen Vorteil zum herkömmlichen papiernen Dokument besitzen. 

\“Authentische Akten stärken das Vertrauen in die Regierung\“, mutmaßt Staatssekretär Sam Reed, unter dessen Ägide das Projekt entstanden ist, und ergänzt mit typisch amerikanischem Pathos: \“Unsere Mission lautet, unsere alltäglichen Erfolge und Misserfolge für jene Menschen zu dokumentieren, die in 100 Jahren und später in diesem Staat leben werden.\“ 

Link: www.digitalarchives.wa.gov  

Quelle: John K. Wiley, Associated Press, 6.10.2004

Osnabrücker Urkundenkrieg

Begleitend zur Ausstellung \“Karl der Große und Osnabrück\“ im Osnabrücker Diözesanmuseum verfolgt die Neue OZ im Rahmen einer Artikelserie diese ebenso facettenreiche wie spannende Geschichte. Besonders nachhaltig dürfte sich der \“Osnabrücker Urkundenkrieg\“ um die Echtheit der Karlsurkunde vom 19. Dezember 804 auf die regionale Karlstradition ausgewirkt haben. 

Dieser wissenschaftliche Streit hatte einen konfessionellen Hintergrund, weil der evangelische Fürstbischof Ernst August II. Argumente gegen den Verbleib der Jesuiten in Osnabrück suchte. Ernst Augusts Bruder, Kurfürst Georg von Hannover, sandte ihm dazu seinen Historiker Johann Georg Eckhart, der die Urkunde von 804 prüfte und 25 Argumente gegen ihre Echtheit benannte. 1717 publizierte er diese Ergebnisse und forderte damit erbitterten Widerspruch auf katholischer Seite heraus.

Die spätere Forschung des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts hat Eckharts Überlegungen weitgehend bestätigt, und die Karlsurkunde von 804 ist inzwischen als Fälschung erwiesen. Dieser Umstand wird im 19. Jahrhundert dazu beigetragen haben, dass Kaiser Karl der Großen als heiliger Bistumsgründer zusehends aus der allgemeinen Erinnerung verabschiedet worden ist.

Infos und Rückfragen zur Ausstellung, zu Führungen und dem museumspädagogischen Begleitprogramm für Kinder unter Telefon 0541/318-481 oder unter www.bistum-osnabrueck.de/s41.html

Kontakt:
Domschatzkammer und Diözesanmuseum
Im Kreuzgang des Domes,
Kleine Domsfreiheit 24, 
49074 Osnabrück,
Telefon: 0541-318-486
Fax: 0541-318-482
MUSEUM@kg.bistum-os.de

Quelle: Hermann Queckenstedt, Neue Osnabrücker Zeitung, 6.10.2004

Das digitale Archiv

Thomas Grotums Darmstädter Dissertation, die die Erstellung und Auswertungsmöglichkeiten einer Datenbank behandelt, die nach Angaben des Verfassers \“alle vorhandenen Quellen über die ehemaligen Auschwitz-Häftlinge\“ beinhalten soll, rezensierte Karin Orth für H-Soz-u-Kult. Sie wies darauf hin, dass sich von 1990 bis 1996 drei Arbeitsgruppen mit diesem Vorhaben beschäftigt hatten: die Projektgruppe Historische Fachinformatik am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen, die Computerabteilung des Archivs im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau und die am Institut für Geschichte der TU Darmstadt angesiedelte Projektgruppe \“Archiv Auschwitz-Birkenau\“.

\"Grotum:

Vier Ziele wurden bei dem Unternehmen angestrebt: Man wollte mit der Datenbank erstens ein Denkmal für die Opfer errichten, zweitens eine Grundlage für weitere quellengestützte Forschungsarbeiten schaffen, drittens die Archivalien durch Digitalisieren dauerhaft konservieren und viertens eine Vernetzung mit ähnlichen Projekten in anderen KZ-Gedenkstätten bzw. Archiven erreichen, um so letztendlich ein \“,digitales Archiv\‘ zur Geschichte der NS-Konzentrationslager\“ zu etablieren. Im Mittelpunkt der Studie von Thomas Grotum steht die Entwicklung eines (Daten-)Modells für ein derartiges Archiv am Beispiel der Häftlingsakten von Auschwitz.

Im letzten Abschnitt des Buches zeigt Grotum am Beispiel zweier Teilbestände (\“Sterbebücher\“, \“Stärkebuch\“), dass und wie die dort vorhandenen Informationen sozialgeschichtlich ausgewertet und in den Kontext einer Lagergeschichte gestellt werden können. Schildert er zuvor, nach Ansicht der Rezensentin, zu ausführlich die technischen Verfahren und Abläufe, so weiss er dennoch um die Problematik einer \“digitalisierten Geschichte\“. Das Individuum soll nicht (erneut) hinter Zahlen und Codes verschwinden. So biete das beschriebene \“digitale Archiv\“ tatsächlich vielfältige, zuvor nicht realisierbare Chancen, sich mit dem Geschehen auseinander zu setzen und die Opfer der Anonymität zu entreißen – sei es durch öffentlich zugängliches, digitalisiertes Bildmaterial, sei es durch Gedenkbücher, sei es durch fachhistorische Analysen zur Sozialstruktur der Häftlingsgruppen.

Info:
Thomas Grotum: Das digitale Archiv. Aufbau und Auswertung am Beispiel der Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz.
Frankfurt am Main: Campus Verlag 2004. ISBN 3-593-37481-1; 381 S.; EUR 39,90.

Quelle: Karin Orth (Historisches Seminar, Universität Freiburg), Rezension für H-Soz-u-Kult: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-013

\“Timberwölfe\“ landen im Stadtarchiv Halle

Im April 1945 befreite die 104. US-Infanteriedivision, die sog. \“Timberwölfe\“, die Stadt Halle an der Saale, bewahrten die Stadt damit angeblich vor der weiteren Zerstörung durch ein Bombardement. Im Alter von 13 Jahren war Wilfried Krause damals Zeitzeuge des Einmarsches der Amerikaner. Fortan ließ ihn das Geschehen nicht mehr los.

Jetzt übergab Krause, der 1953 in den Westen ging, seine akribisch zusammengetragene Dokumentation mit Namenslisten, Zeitungsartikeln und Fotos über die legendäre US-Division dem Stadtarchiv Halle. Matthias J. Maurer, Vorstandsvorsitzender des Monetarium-Vereins, Gesellschaft zur Förderung von Kultur und Heimat, sagte in seinen Dankesworten, dass die Dokumentation nicht in einem Schrank verschwinden, sondern den Hallensern zugänglich gemacht werde. \“Sie trägt dazu bei, Geschichtsbewusstsein zu erzeugen\“.

Kontakt:
Stadtarchiv Halle an der Saale
Rathausstraße 1
06108 Halle (Saale)
Tel: (0345) 221 33 00 /01
Telefax: (0345) 221 33 30
stadtarchiv@halle.de

Quelle: Kornelia Privenau, Mitteldeutsche Zeitung, 5.10.2004

Umgang mit Archiven der Geheimpolizei nach 1989

Der Sammelband "Die Überlieferung der Diktaturen" von Agnés Bensussan, Dorota Dakowska und Nicolas Beaupré, den Katarzyna Stoklosa für H-Soz-u-Kult rezensiert hat, bietet nach den Worten der Verfasser einen Vergleich \“der deutschen und polnischen Erfahrungen in ihrem jeweiligen Umgang mit den Polizeiarchiven des Kommunismus\“. Die meisten Buchbeiträge betreffen die Öffnung der Archive der Geheimpolizeien und deren Auswirkungen auf politische und wissenschaftliche Debatten in Deutschland und Polen, wodurch mögliche Analogien bzw. Konvergenzen festgestellt werden sollen. Der Sammelband gliedert sich in zwei Teile: \“Geheimpolizeiarchive: Archive wie andere?\“ (I.) und \“Geschichte schreiben\“ (II.).

\"Überlieferung

Die Autoren des ersten Teiles, die überwiegend Mitarbeiter der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) und des polnischen Instituts für Nationales Gedenken (IPN) sind, beschreiben die beiden Institutionen, ihre Funktionsweisen, die Gründungsgeschichten sowie Möglichkeiten und Probleme, die sich aus dem Zugang zu den Archivquellen ergeben. Bei der Analyse der rechtlichen Voraussetzungen kommt der Historiker Krzysztof Persak zu dem Schluss, Wissenschaftler hätten leichteren Zugang zu den Akten als die \“Geschädigten\“ selbst.

Günter Bormann schildert aus der internen Perspektive die Arbeit der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen mit dem Ziel, die für die Wissenschaftler relevanten Probleme und Chancen erkennbar zu machen. Das BStU-Archiv sei \“ein besonders schwieriges, anspruchsvolles und in der Erschließung befindliches Archiv\“, das den Wissenschaftlern mit Einschränkungen zur Verfügung stehe. Johannes Beleites übt dabei in seinem Beitrag deutliche Kritik an den Eingriffen in die Wissenschaftsfreiheit durch die Vorauswahl der vorzulegenden Unterlagen seitens der BStU und den begrenzten Zugang zu Findmitteln. Er plädiert für uneingeschränkten Aktenzugang und die Anonymisierungspflicht nicht schon vor der Auswertung der Unterlagen, sondern erst vor deren Veröffentlichung.

Im Teil II des Sammelbandes beschäftigen sich deutsche und polnische Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologen mit Themen, die dank der Nutzung der Akten der Geheimdienste der DDR und der VR Polen wissenschaftlich bearbeitet werden konnten. Im abschließenden Artikel plädiert Konrad H. Jarausch "für eine differenzierte DDR-Geschichte\“. Wenn die Welt zu stark aus der Sicht des Geheimdienstes betrachtet werde, drohe eine \“dichotomische Perspektive\“, \“die überall Feinde sieht, wo nur Andersdenkende vorhanden sind, und Verschwörungen auch dort wittert, wo es nur um unabhängige Aktivitäten geht\“, so Jarausch. 

Für diejenigen, die mit Unterlagen der Geheimdienstarchive arbeiten, wird sich der Band, so die Rezensentin, mit Sicherheit als nützliches Nachschlagewerk erweisen. 

Info:
Dakowska, Dorota; Bensussan, Agnés; Beaupré, Nicolas (Hrsg.): 
Die Überlieferung der Diktaturen. Beiträge zum Umgang mit Archiven der Geheimpolizei in Polen und Deutschland nach 1989. 
Essen: Klartext Verlag 2004. ISBN 3-89861-164-7; 247 S.; EUR 39,90.

Quelle: Rezension für H-Soz-u-Kult von Katarzyna Stoklosa, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, TU Dresden
Katarzyna.Stoklosa [at]mailbox.tu-dresden.de

URL zur Zitation dieses Beitrages: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-012