Spätes Gedenken an russische Gefangene

Die seit Jahren kursierenden Vermutungen über Gräber von russischen Kriegsgefangenen im Gewann „Schüpferloch“ haben sich bewahrheitet. Aus Unterlagen des Staatsarchivs Ludwigsburg geht zweifelsfrei hervor, dass dort sechs russische Soldaten beerdigt sind, schreibt die Stadt Bad Mergentheim in einer Pressemitteilung. Die Grabstellen der Gefangenen liegen im Böschungsbereich einer ehemaligen Panzerstraße.

Die Vertreter der Stadtverwaltung mit dem Oberbürgermeister und Repräsentanten des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge sprachen sich im Hinblick auf das weitere Verfahren für die Errichtung einer kleinen Gedenkstätte mit Stein und Inschrift auf einer etwa 25 Quadratmeter großen, vom Unterholz befreiten Fläche aus. Damit will man das ehrende Gedenken an die russischen Kriegsgefangenen in würdiger Weise erhalten. Hermann Hettenbach als Vertreter der Familie, auf deren Grundstück vor rund 20 Jahren Suchgrabungen stattgefunden hatten, hat sich von sich aus bereit erklärt, die Pflege der Gräber zu übernehmen.

Zur Vorgeschichte gab Hauptamtsleiter Scheidel unter Zuhilfenahme von Planunterlagen detaillierte Informationen: Seit geraumer Zeit gab es immer wieder Spekulationen, dass im Bad Mergentheimer Gewann „Schüpferloch“ russische Kriegsgefangene beerdigt sein könnten, die sich 1942 in einem Gefangenenlager befanden. Entsprechende Suchgrabungen in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in den Jahren 1983 und 1984 verliefen allerdings ergebnislos.

Jetzt wurden Unterlagen im Staatsarchiv Ludwigsburg gefunden, die belegen, dass im „Schüpferloch“ tatsächlich sechs russische Kriegsgefangene bestattet sind. Während zwei davon namentlich bekannt sind, sind von den weiteren vier weder Namen noch Geburtstag oder Sterbeort verzeichnet. Auch die Lage der sechs Gräber ist aus dem im Staatsarchiv gefundenen Plan nicht erkennbar, da es sich um einen Handskizze handelt. Das städtische Tiefbauamt hat daraufhin unter Zuhilfenahme anderer Planungsunterlagen und Vermessungen die Lage der sechs Gräber ermittelt.

Der Schlüssel für die jetzt erfolgte Feststellung des Standortes der Gräber war die im Staatsarchiv gefundene Handskizze, die möglicherweise nicht maßstabsgetreu angefertigt wurde. Deshalb besteht durchaus die Möglichkeit, dass die tatsächliche Lage der gefundenen Gräber russischer Soldaten vom jüngst ermittelten Standort eventuell um einige Meter in jegliche Himmelsrichtung abweicht.

Quelle: Fränkische Nachrichten, 5.3.2004

Stadtarchiv Pforzheim unter Zwängen

Der Mausklick im World-Wide-Web ermöglicht jetzt auch einen umfassenden Einblick in die Vergangenheit von Pforzheim. Fast ein Jahr dauerten die Vorbereitungen des Obermeisters der Löblichen Singergesellschaft von 1501, Claus Kuge, der als Inhaber der CKK-Werbeagentur die Voraussetzungen geschaffen hat, Geschichte und Geschichten, Kulturelles und Wissenswertes aus Stadt und Region im Internet zu archivieren. Auf rund 800 Seiten ist derzeit der Zugriff möglich, und das ist erst ein Bruchteil dessen, was geplant ist. Im PZ-Forum haben die Löblichen Singer ihre Homepage vorgestellt (siehe auch den pdf-Bericht).

Dabei kann nun nicht nur ein virtueller Rundgang durch die Geschichte der Löblichen Singer unternommen werden. Mit einbezogen ist stets das, was in all den Jahrhunderten in Pforzheim und in der Welt geschehen ist. Der Zugriff ist auch auf Vorträge von Versammlungen und Matineen zugänglich. Links sorgen für ergänzende Informationen über die Themen oder ihre Autoren. „Unser Ziel ist es, nach und nach alles ins Internet zu stellen, um damit dem Verschwinden von Wissen vorzubeugen“, sagte Kuge, der sich erfreut darüber zeigte, dass er beim Stadtarchiv bereits auf offene Ohren gestoßen sei. Jetzt werde er auch mit den Archiven der Region Verbindung aufnehmen.

Dass heute ohne Internet manches undenkbar sei, betonte Bürgermeister Gert Hager. Dennoch sei sein erster Gang morgens um sechs Uhr der zum Briefkasten, um die Pforzheimer Zeitung zu holen. Deren Verdienst sei es auch, dass hier vieles festgehalten werde, das sonst zu einem vergänglichen Wissen werde. In diesem Zusammenhang räumte er ein, dass das Pforzheimer Stadtarchiv als kulturelles und historisches Gedächtnis einer Stadt sich in der Tat besser präsentieren müsste. Doch die räumliche wie personelle Ausstattung sei angesichts der derzeitigen Finanzsituation nicht zu ändern. Wobei das Stadtarchiv nicht nur unter diesen schwierigen Umständen leide, es sei auch durch den Luftangriff am 23. Februar 1945 vieles verloren gegangen. Daher ist Hager froh, dass mit dem Internetauftritt der Löblichen Singergesellschaft von 1501 nun ein Archiv vorhanden sei, „von dem wir alle profitieren können“.

Kontakt:
Stadtarchiv Pforzheim
Kronprinzenstr. 28
75177 Pforzheim
07231-39 2899
07231-39 1674
archiv@stadt-pforzheim.de

Quelle: Pforzheimer Zeitung, 4.3.2004

Fritz Huhnens seltsame Tiere im Buch

Im Tresor des Stadtarchivs Krefeld wird derzeit ein besonderer Schatz aufbewahrt. Es handelt sich um zwei kleine Bücher, die im Jahre 1930 im Berliner Verlag von Bruno von Cassirer in bibliophiler Ausgabe erschienen sind: Christian Morgensterns „Palmström“ und die „Galgenlieder“. Es sind aber nicht diese Buchausgaben, die so ganz besonders wertvoll sind. Der Schatz ist gewissermaßen aus zweiter Hand zwischen die gelben Buchdeckel geraten.

Der Kenner glaubt schon in den ersten Sekunden des Durchblättern zu erkennen, dass alle die Illustrationen, die die Texte auf fast jeder Seite umspielen, nur von einem einzigen stammen können: von dem Krefelder Künstler Fritz Huhnen. Worauf dann auch die beiden Widmungen auf dem Titelblatt verweisen. Die beiden Bücher sind leider kein Eigentum des Stadtarchivs, wurden diesem vielmehr von einem Berliner Antiquariat zum Ankauf angeboten und für einige Zeit als Anschauungsobjekte zur Verfügung gestellt.

Leider können sich die Krefelder Kulturinstitute in diesen Zeiten des Sparens die Kosten für den Ankauf eine vierstellige Summe nicht mehr leisten. Im Stadtarchiv wird übrigens ein kleiner Teil des Nachlasses dieses wichtigen Krefelder Künstlers aufbewahrt. Fritz Huhnen war ein fast genialer Illustrator und dafür weithin bekannt. Vor allem solchen skurrilen Texten wie denen von Morgenstern konnte sich der im weiten Feld der Literatur bestens bewanderte Krefelder auf seine Art verblüffend anverwandeln und dem textlichen Inhalt weitere Varianten hinzufügen: die der heiteren, leicht ironisierenden Art, aber auch solche, die den dunklen Seiten noch einen weiteren bösen Strich abgewinnen.

Aus einer Anmerkung Huhnens geht hervor, dass zu diesen beiden Bändchen noch ein drittes gehörte. Sie alle waren einer jungen Schauspielerin gewidmet, die im Jahre 1930, zu ihrem 21. Geburtstag, in Krefeld weilte. Fritz Huhnen war damals als Bühnenbildner am Theater tätig. Die Dame war ihm damals aufgefallen. Vielleicht taucht dieser dritte Band irgendwann noch auf.

Kontakt:
Stadtarchiv Krefeld
Konrad-Adenauer-Platz 17
47803 Krefeld
Telefon: 02151/86 – 2700
Telefax: 02151/86 – 2710
stadtarchiv@krefeld.de

Quelle: Westdeutsche Zeitung, 3.3.2004

Katalog persischer Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek

In Zusammenarbeit mit der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Link) und dem Institut für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat der international anerkannte iranische Bibliotheksfachmann Iraj Afshar persische Handschriften beschrieben, die in Wien aufbewahrt werden. Der Katalog ist nun erschienen.

Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt 170 persische Handschriften, die von 1868 bis 1994 in ihre Bestände gelangten. Es handelt sich dabei um Texte zu Wissenschaft, Technik, Religion, Theologie, Literatur, Geschichte, Geographie, Miniaturen und Kalligraphien.

Die seit dem 16. und 17. Jahrhundert entstandene Sammlung umfasste um die Mitte des 19. Jahrhunderts bereits rund 2.050 orientalische Handschriften, die Gustav Flügel 1865 und 1879 publiziert vorlegte. Für die danach erworbenen weiteren rund 1.100 orientalischen Handschriften wurde eine nach Sprachen getrennte Katalogisierung festgelegt. 1970 erschien der Katalog der arabischen Handschriften, ein Verzeichnis der türkischen Handschriften ist derzeit in Ankara in Produktion.

Mit dem jetzt vorliegenden Katalog der persischen Handschriften ist – bis auf die 248 aus dem Südjemen stammenden arabischen Handschriften der Sammlung Eduard Glaser, die derzeit restauriert werden – damit die Katalogisierung der orientalischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek abgeschlossen.

In einem zweiten Teil des soeben erschienenen Katalogs sind auch 21 persische Handschriften des Haus-, Hof- und Staatsarchivs beschrieben.Der im Fehrestgan Institute in Teheran und im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erschienene Katalog (336 Seiten, 94 Abbildungen) ist zum Preis von Euro 59,- erhältlich.

Kontakt:
Österreichische Nationalbibliothek
Mag. Irina Kubadinow
Leiterin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
Tel (+43 1) 534 10-270, Fax DW 257
irina.kubadinow@onb.ac.at
http://www.onb.ac.at

Quelle: Presseportal.at (APA OTS), 4.3.2004

Gegenstände des Alltags im Fundus „Pflug“

Seit einem Jahr arbeitet Gertraud Hommel beim Wittenberger „Pflug“ e. V. Dort sortiert sie mit einer Kollegin im Schein kalten Neonlichts das, was andere Leute aus ihren Häusern und Wohnungen verbannt haben. Weil sie es nicht mehr haben wollen. Vor allem aber, weil sie ihren Nachlass bei „Pflug“ gut aufgehoben wissen. Und tatsächlich eröffnet sich dem Besucher eine beeindruckende, womöglich sogar einmalige Sammlung alltagsgeschichtlicher Gegenstände. Die stammen überwiegend aus der DDR, aber nicht nur. Hinter Schranktüren, in Kisten und Kartons sowie in meterhohen Regalen finden sich Alltagsgegenstände des 20. Jahrhunderts. Zentnerweise Bekleidung, frisch gereinigt und gebügelt. Küchengerätschaften, ohne Ende. Kinderspielzeug, Schallplattensammlungen, komplette Tafelservices und wertvolle Einzelstücke. Radios, Telefone, Bücher, Mobiliar verschiedenster Epochen und so weiter, und so weiter. Körbeweise Ewigkeit offenbaren sich beim Blick in diese verwinkelten Magazine.

Dafür, dass dort nicht einfach gehortet und verwahrt, sondern alles wissenschaftlich korrekt erfasst wird, sorgt Christel Panzig. Die promovierte Historikerin, die den Verein „Pflug“ vor gut zehn Jahren aus der Taufe hob, kann inzwischen auf diverse digitale Archive verweisen. Mit Zettelwirtschaft gibt sie sich nicht ab. Ihre diesbezügliche Professionalität weiß man auch andernorts zu schätzen und lobt die „methodisch-fundierte historisch-anthropologische“ Forschungsarbeit. Der Rückhalt jedenfalls, erzählt Christel Panzig, sei groß, soweit es Wissenschaftskollegen betrifft – in den neuen wie in den alten Bundesländern gleichermaßen.

Vor Ort hielt sich die Zustimmung lange in Grenzen. Vor allem dem vom Verein betriebenen „Haus der Geschichte“ eilte der Ruf voraus, nicht mehr als eine nostalgische Kultstätte für die untergegangene DDR zu sein. Heute findet Christel Panzig: „Wir konnten das uns entgegengebrachte Misstrauen peu à peu abbauen.“ Als Indiz für die gestiegene Akzeptanz wertet die Historikerin nicht nur Kooperationen mit renommierten Einrichtungen wie etwa dem Haus der Geschichte in Bonn. Auch die Besucherzahlen sprächen für sich: „Im vergangenen Jahr waren es 24.000.“ Davon dürften Gertraud Hommel und ihre Kolleginnen nicht viel mitbekommen haben. Sie tummeln sich draußen in den Katakomben und bereiten bienenfleißig auf, was andere Leute nicht mehr haben wollen.

Am 13. März öffnet der Verein seinen Fundus für Besucher. Ab 10 Uhr führen Mitarbeiter durch die Sammlungen.

Kontakt:
PFLUG e.V.
Vorsitzender: Dr. Klaus-Alexander Panzig
Teucheler Weg 29a
06896 Reindorf
Telefon: 0 34 91 / 64 25 11
Fax: 0 34 91 / 64 25 12
service@pflug-ev.de

PFLUG e.V.-Wittenberger Haus der Geschichte
Schloßstraße 6
06886 Lutherstadt Wittenberg

PFLUG e.V.-Archive
Am Elbufer 30
06886 Lutherstadt Wittenberg-Piesteritz
Tel.: 03491 / 611607
PFLUGev.panzig@t-online.de

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 5.3.2004

Heimatverein Steglitz macht weiter

Das aufgrund eines fehlenden Vorstandes zeitweise drohende Aus des Heimatvereins Steglitz konnte endgültig nun abgewendet. Die Neubesetzung des Vereinsvorstandes glückte, die Mitglieder wählten den Diplom-Betriebswirt Wolfgang Schönebeck einmütig zum neuen Vorsitzenden. 

Die 280 Mitglieder des 1923 gegründeten Steglitzer Heimatvereins hüten das Gedächtnis des Bezirks. Sie präsentieren Dauerausstellungen über die drei Ortsteile und verfügen über ein Archiv mit 3.500 historischen Fotos und Postkarten, Sammlungen zu 300 bekannten Persönlichkeiten und Dokumente. Geschichtsinteressierte und Schüler, die Informationen aus vergangenen Jahrhunderten benötigen, geben sich im Vereinsdomizil an der Drakestraße 64A die Klinke in die Hand.

Der 63-jährige Schönebeck war Manager eines Mineralölkonzerns und ist zu Monatsbeginn in den Ruhestand getreten. „Ich will für diesen Verein eine Balance finden, zwischen Museumsbetrieb mit Ausstellungen, Kulturveranstaltungen, Führungen und Reisen“, sagt der gebürtige Niedersachse. Ihm sei wichtig, „Museum, Geschichte und Tradition als Element unserer Kultur und des Lebens begreifbar zu machen“, sagt Schönebeck. Er wolle den Verein beleben, den Vorstand erweitern und neue, vor allem auch junge Mitglieder und Schüler werben.

Kontakt:
Heimatverein Steglitz
gegr. 1923 e.V.
Drakestr. 64A
12205 Berlin
Tel.: (030) 833 21 09
Fax: (030) 843 06 309
www.heimatverein-steglitz.de
info@heimatverein-steglitz.de

Quelle: Morgenpost, 4.3.2004

Zugang zu türkischen Archiven

Es kann wieder geforscht werden in türkischen Bibliotheken und Archiven! – Über Jahre hinweg waren ausländische Wissenschaftler, die in Bibliotheken und Archiven der Türkei arbeiten wollten, einer Behördenirrfahrt ausgesetzt. Grund dafür war ein Gesetz vom 26. September 1986. Nationalistische Ministerialbürokraten hatten es sich ausgedacht und unbemerkt durch alle Kanäle geschleust. Erreicht hatten sie, dass jeder, der ein altes arabisches oder osmanisches Manuskript aus Mikrofilm bekommen wollte, dies beim Kulturministerium in Ankara beantragen musste. Dieses ließ sich vielleicht nach sechs Monaten durchaus eine Zustimmung entlocken, aber nur zu horrenden Gebühren.

Der damalige Ministerpräsident Turgut Özal war regelrecht verdutzt, als ihm der Direktor des Instituts für die Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften an der Universität Frankfurt diese Praxis sowie den Inhalt des Gesetzes von 1986 erläuterte. Den Passus über die Mikrofilme konnte Özal rasch streichen lassen. Doch die Forschungsgenehmigung für ausländische Wissenschaftler blieb – auch unter späteren Regierungen – obligatorisch.

Nun aber ist die gute Nachricht doch noch eingetroffen: Die AKP-Regierung hat die Forschungsgenehmigung als Voraussetzung für Bibliotheks- oder Archivstudien abgeschafft. Kein Kopenhagener Kriterium hat es verlangt, keine Menschenrechtskommission hat es gefordert. Die Regierung hat nur rasch gehandelt, als ihr der Missstand bekannt wurde.

Links: Generaldirektion der türkischen Staatsarchive:

Quelle: FAZ, 4.3.2004, 38

Russischer Tag der Archive

Erstmals feiern die Russischen Archivarinnen und Archivare am 10. März ihren „professionellen Urlaub“: den Tag der Archive, der im März 2003 nach einer Entscheidung der Generalversammlung Russischer Staatsarchive begründet worden ist.

Das Datum dieses Feiertages, nach dem alten Kalender 28. Februar, nach dem neuen 10. März, erinnert an die Unterzeichnung des ersten russischen Staatsgesetzes durch Zar Peter den Großen (1672-1727). Dieses Generalstatut legte nicht nur die Grundlage der staatlichen Verwaltung im Lande, sondern beauftragte auch in allen staatlichen Verwaltungsbehörden einen „actuarius“ (Archivar), der angehalten wurde die Schriftverkehr ordentlich zu sammeln, Register anzulegen und die Seiten zu nummerieren. – Aus diesem Grunde erachtet das russische Archivwesen in Peters Reformen den Beginn seiner eigenen Geschichte und feiert dieses Ereignis nunmehr entsprechend in einem Tag der Archive.

Kontakt:
Vladimir KOZLOV
Head of Federal Archives Service of Russia
interdept@rusarchives.ru

Hungern für Karl Valentins Nachlass

Nachdem die bunten Blätter bereits über den Hungerstreik zweier Münchner Wirtinnen, darunter die stadtbekannte Performance-Künstlerin Petra Perle (Link), berichtet hatten, ist diese Aktion, die Karl Valentins Nachlass von Köln nach München heim holen soll, nun auch Thema der Feuilletons, denen es freilich wie ein verspäteter Faschingsscherz erscheint.

Zum Volkssänger, Komiker, Literatur- und Filmemacher Karl Valentin haben die hungerstreikenden Frauen ein direktes Verhältnis. Sie bewirtschaften das Turmstüberl im Münchner Valentin-Musäum. Die Damen, die von Statur und Umfang das Hungern vermutlich eine Weile durchhalten könnten, vielleicht sogar den Nebeneffekt einer Gewichtsabnahme in der Fastenzeit listig einkalkulierten, sprechen von einer Streikdauer von bis zu zwei Wochen. Falls „die Kölner“ bis dahin nicht zu Kreuz kriechen sollten, wird es ernst. Ein „Protestmarsch“ gen Norden ist avisiert. Die Valentiade der Wirtinnen wurde in der vergangenen Woche durch die Anfrage zweier der CSU-Opposition angehörender Stadträte ausgelöst, wie München es denn in Zukunft mit Karl Valentin zu halten gedenke (siehe dazu die Pressemitteilung des Münchner Kulturreferates vom 1.3.2004).

Die Frage berührt eine himmelschreiende Peinlichkeit. Um den genialen Spaßmacher, den größten, den Deutschland im zwanzigsten Jahrhundert hervorbrachte, macht München seit seinem Tod einen Bogen. Ja, noch zu Lebzeiten wurde er dort vergessen. Der Mann, dem manche den Rang eines Chaplin beimessen, verbrachte seine letzte Lebenszeit als Lagerist und Depotarbeiter im Münchner Stadtmuseum. Er starb verarmt 1948. Sowohl in der NS-Zeit wie in den frühen Nachkriegsjahren paßte der „traurige Hanswurst“, wie ihn der Münchner Literat Ernst Hoferichter genannt hat, nicht in die politische Landschaft.

Von den Indianern und Eskimos abgesehen, bemerkte er einmal, sei er nirgends so wenig bekannt wie bei seinen Landsleuten. Als seine Witwe 1953 den Nachlaß Valentins der Stadt München für 7.000 Mark anbot, schlug diese ihn aus. Und noch einmal, in den Achtzigern, bekundete sie ihr Desinteresse, als über die Möglichkeit diskutiert wurde, Valentins Geburtshaus in der Au zu einer Gedenkstätte zu machen, der eine Forschungsstelle hätte angegliedert werden können.

Aufgekauft wurde der Nachlaß von dem Theaterhistoriker an der Universität Köln, Carl Niessen. Vermutlich hat es ihn befriedigt, den Fang seinem Kontrahenten, dem Münchner Theaterprofessor Arthur Kutscher, vor der Nase weggeschnappt zu haben. Wie viele obsessive Sammler saß Niessen dann zunächst einmal auf seiner Beute fest, auch nachdem er sie für 380.000 Mark 1959 an die Universität Köln verkauft hatte. Er wollte die Papiere selbst bearbeiten. Dazu kam es nie. Nach seinem Tod 1969 gab es ein langes Trauerspiel mit der Witwe um die Auswertung des Nachlasses. Erst 1985 wurde er durch richterlichen Beschluß öffentlich zugänglich gemacht. In einem Stiftungsvertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen wurde verfügt, die Privatsammlungen Niessen an Ort und Stelle zu belassen. Ob das die Münchner Wirtinnen wissen? Sie mögen noch so effektvoll hungern, marschieren, zetern – rechtlich haben sie keinerlei Chance. „Die Kölner“ haben den Valentin schließlich nicht geklaut.

Valentins Texte liegen inzwischen in einer zum Teil heftig befehdeten kritischen Gesamtausgabe des Piper Verlags vor. Und ob der Nachlaß in Köln oder München bearbeitet wird, ist für die interessierte Nachwelt unerheblich. Allerdings ist bisher von einem größeren Interesse daran nichts zu hören. Dabei wäre dort nach Auskunft von Wolfgang Till, dem Leiter des Münchner Stadtmuseums, der den Katalog anläßlich einer Ausstellung zum 100. Geburtstag Valentins herausgab, durchaus einiges zu entdecken. Laut Till ist Valentins Bildwelt noch wenig erforscht. Der Künstler, den man heute „multimedial“ nennen würde, sammelte Postkarten, Fotos, Plakate als Anregung für seine Texte und Filme.

Quelle: FAZ, 3.3.2004, Nr. 53, S. 39

Mehr Platz fürs Zürcher Staatsarchiv

Das Staatsarchiv des Kantons Zürich stöhnt unter der Last kilometerlanger Aktenstapel. Deshalb ist ein Erweiterungsbau vonnöten, der voraussichtlich 2006 bezugsbereit sein soll. Gestern fiel der Startschuss mit dem ersten Spatenstich in den frostigen Boden des Irchelparks.

Das Staatsarchiv Zürich ist sozusagen das Gedächtnis des Kantons, oder, laut Staatsarchivar Otto Sigg, dessen «Erbe». In diesem Gebäude wird alles Mögliche an Akten aufbewahrt – von Urkunden aus der Karolingerzeit im 9. Jahrhundert bis hin zu aktuellen Dokumenten aus Politik, Schule, Kirchen, Vereinen oder Gemeinden – und vieles, vieles mehr. Insgesamt haben sich 20 Laufkilometer Akten angesammelt, und jedes Jahr kommt ein weiterer Kilometer hinzu. Das braucht Platz.

Doch der heutige Bau, der 1982 bezogen wurde und der damals, als man aus dem engen Predigerchor in den Irchelpark zügelte, für die nächsten 50 Jahre hätte herhalten sollen, ist längstens übervoll – und zwar sowohl das Hauptgebäude als auch unterirdisch der Milchbucktunnel, ja sogar ein Aussenlager in Oerlikon wurde schon gefüllt. Deshalb kommt nun – mit der ideellen und finanziellen Unterstützung des Parlaments, welches hierfür, bei nur zwei Gegenstimmen, einen Kredit von 20,4 Millionen Franken sprach – bis 2006 ein Erweiterungsbau zustande.

Die Planungszeit sei lange gewesen und habe einer Odyssee geglichen, so Regierungsrat Markus Notter am gestrigen Spatenstich. Schliesslich werde so ein Staatsarchiv ja nicht alle Tage gebaut. «Archivbauten sind massgeschneidert, und es gibt wenig Vorbilder», so Notter. Es benötige Räume zur Aktenbewirtschaftung, Erfassung, Verarbeitung und Benutzung der Dokumente, dazu Spezialräume für Mikrofilme und andere neue Medien. Zudem werde der Erweiterungsbau nach neuestem Kenntnisstand erdbebensicher gebaut und müsse als Betongebäude mit dem bestehenden Altbau optisch «ein Ensemble» bilden, so Kantonsbaumeister Stefan Bitterli. Und nicht zuletzt soll er zeitlich und finanziell genau in den vorgegebenen Rahmen passen.

Am wichtigsten ist aber sozusagen die innere Beschaffenheit, welche «technisch anspruchsvoll» sei, führte Bitterli während der Medienorientierung weiter aus. Denn: «Die Dokumente sind empfindlich.» Solches bestätigte auch Staatsarchivar Otto Sigg, der sich verschiedene solcher Bauten in Europa und sogar in den Vereinigten Staaten angesehen hat. Dort habe man nützliche Werte zur Klimatisierung der Räume mit auf den Weg bekommen: «Die Temperatur muss etwa 18 Grad betragen und die Luftfeuchtigkeit 45 Prozent», erklärte Sigg.

Obschon man 1982 von der Uni Irchel «nicht gerade mit offenen Armen» auf dem Parkareal empfangen worden war, sei nun das Verhältnis beider Institutionen gut. Das Staatsarchiv hüte nämlich auch das Archiv der Uni, betonte Otto Sigg. Doch wie beim Altbau habe man auch beim Erweiterungsbau darauf geachtet, optisch «unauffällig zu bleiben und nicht gewaltig aufzutreten», damit das Gesamtbild des universitären Geländes nicht noch mehr vom Staatsarchiv geprägt sei.

Kontakt:
Staatsarchiv des Kantons Zürich
Winterthurerstr. 170
Postfach
CH-8057 Zürich 
Telefon 01/635 69 11     
Fax 01/635 69 05
staatsarchivzh@ji.zh.ch

Quelle: Der Zürcher Oberländer, 3.3.2004