Die Schweizer Unternehmen unterstützen die Kultur durch Sponsoring und Mäzenatentum mit rund 320 Millionen Franken pro Jahr. Der Löwenanteil der Kulturfinanzierung geht auf das Konto der Grossunternehmen, doch sind die kleinen Betriebe hinsichtlich Beitragshöhe pro Mitarbeiter am grosszügigsten. Dies geht aus einer schriftlichen Umfrage des Schweizerischen Bundesamtes für Statistik bei 7.500 Betrieben für das Jahr 2001 hervor, die jetzt in der NZZ vorgestellt wurde und die eine Wissenslücke schließt: Während über die Kulturausgaben der öffentlichen Hand relativ viel bekannt ist, da sie jährlich ausgewiesen werden, fehlten bisher genaue und aktuelle Informationen über die Kulturfinanzierung durch private Unternehmen und Haushalte.
In der Schweiz beteiligt sich fast jedes achte Unternehmen an der Kulturfinanzierung. Besonders hoch ist der Anteil bei den Firmen mit Sitz in der Deutschschweiz (15 Prozent). Wichtigste Geldgeber in Bezug auf die Branchen sind die Banken und Versicherungen, von denen 28 Prozent Kultur finanzieren. Der Anteil der Kulturfinanzierung wächst mit zunehmender Unternehmensgrösse. So weisen die grossen Firmen den höchsten Anteil auf (28 Prozent), gefolgt von den mittelgrossen (17 Prozent) und den kleinen Unternehmen (11 Prozent).
Die meisten Beiträge bewegen sich in der Grössenordnung zwischen 1.000 und 10.000 Franken. Die grossen Unternehmen sowie die Banken und Versicherungen bezahlen bedeutend höhere Beträge (zwischen 10.000 und 100.000 Franken oder mehr). Das durchschnittliche Unternehmen, das Kulturausgaben tätigt, leistet einen Beitrag von 2.000 Franken (Median).
Wie verteilen sich die Ausgaben der Firmen auf die verschiedenen Kultursparten? Die Bühnenkunst steht mit 46 Prozent an der Spitze, gefolgt von der Erhaltung der Kultur (Museen, archäologische Stätten, Archive) (20 Prozent) und der bildenden Kunst (19 Prozent). Die Audiovision, die Literatur und die Bibliotheken erhalten dagegen nur eine sehr bescheidene Unterstützung (jeder Bereich weniger als 5 Prozent). Vier von fünf Unternehmen unterstützen die unabhängigen Kulturschaffenden (Vereine, Privatpersonen). Der an sie geleistete Beitrag macht indessen nur einen Viertel des Gesamttotals aus. Rund ein Drittel geht an die etablierten Institutionen (Theater, Museen, Bibliotheken, Konzerthäuser).
Die Kulturfinanzierung findet vor allem in Form von Sponsoring statt, dessen Ziel – gemäss Definition der Studie – in erster Linie darin besteht, die Position einer Firma auf dem Markt zu festigen. Fast drei Viertel der Unternehmen (73 Prozent) praktizieren Sponsoring, während nur 37 Prozent der Unternehmen angeben, Mäzenatentum zu betreiben (als dessen primäre Absicht laut Studie die Förderung der Kunst genannt wird). Die für die beiden Finanzierungsarten aufgewendeten Beträge relativieren jedoch die Verteilung: Das Sponsoring beansprucht die Hälfte und das Mäzenatentum ein Drittel der Gelder. Der durchschnittliche von Mäzenen aufgewendete Betrag ist also höher als der durchschnittliche Sponsorenbetrag. 44 Prozent der Unternehmen unterstützen die Kultur auch mittels nichtfinanzieller Leistungen (Know-how, Räumlichkeiten, Publikationsplattformen), wobei dies nichts mit einem Mangel an Finanzmitteln zu tun hat, im Gegenteil: Je mehr Mittel eine Firma für die Kultur aufwendet, desto stärker hat sie auch die Tendenz, nichtfinanzielle Leistungen anzubieten.
Die Unternehmen unterstützen die Kultur nach eigenen Angaben vor allem aus einem Gefühl der gesellschaftlichen Verantwortung heraus. Der Banken- und Versicherungssektor stellt eine Kategorie für sich dar: Diese Unternehmen sehen in der Unterstützung der Kultur in erster Linie ein Kommunikationsmittel, mit dem sie ihren Bekanntheitsgrad erhöhen können (Marketing). Über ein eigenes Kulturbudget sowie extra Personal für die Kulturförderung verfügen, wenig überraschend, vor allem grosse Betriebe, die beträchtliche Summen aufwenden (über 100.000 Franken). Nur 9 Prozent der Unternehmen, welche die Kultur finanziell unterstützen, machen dies in Zusammenarbeit mit einem Partner (meist einem anderen Betrieb). Am ehesten zu einer Kooperation bereit ist der Banken- und Versicherungssektor. Insgesamt haben die Unternehmen die Tendenz, ihre finanzielle Unterstützung auf eine bestimmte Kultursparte zu konzentrieren. So vergibt mehr als die Hälfte (56 Prozent) ihre Mittel an eine einzige Sparte, während lediglich 2 Prozent mindestens fünf Sparten berücksichtigen. Eine besonders interessante, weil scheinbar im Gegensatz zu anderen Tendenzen stehende Feststellung ergibt sich bei der Analyse des Verhältnisses zwischen Unterstützungsbeitrag eines Betriebs und der Zahl seiner Mitarbeiter: Während der absolut grösste Teil der Unterstützungssumme von den wenigen Grossunternehmen stammt, sind die kleinen Unternehmen mit 400 Franken pro Mitarbeitenden am grosszügigsten (Median: 330 Franken).
Info:
Yvan Cuche, Valérie Friedrich, Eric Fragnière: Kulturfinanzierung durch die Unternehmen. Erhebung über die Kulturausgaben der Unternehmen in der Schweiz im Jahr 2001. Bundesamt für Statistik, Neuenburg 2003.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 24.2.2004
Wo die Narren springen
Das alte Römerstädtchen Rottweil in Baden-Württemberg ist für seine jährlich zur Fasnacht «springenden» Narren weithin bekannt. Die Rottweiler Fasnet, zu der jährlich etwa 20 000 bis 25 000 Zuschauer pilgern, hat auch in diesem Jahr bereits am 6. Januar begonnen, als sich schwarzbefrackte Männer auf den Weg machten, um die Narrenkleider und Masken abzustauben.
Richtig in Fahrt kommen die verschiedenen Narrentypen vom «Gschell» über «Schantle» und «Federahannes» bis hin zum «Bennerrössle» aber erst am Rosenmontag beim Narrensprung. «Dann hüpfen sie vor Freude», erklärt Stadtarchivar Winfried Hecht. Das Besondere dieser alemannischen Tradition: Der Narr hüpft durch die Gassen, spricht die Menschen an und sucht auf humorvolle Weise den Dialog mit ihnen.
«Dem Betreffenden sollen der Spiegel vorgehalten und Beobachtungen von Begebenheiten aus dem vergangenen Jahr mit Witz dargeboten werden», sagt Hecht. Im Narrenkleid sei man ein anderer und sage sich Dinge, die man sonst nicht ansprechen würde. In einer Art «Regierungserklärung» der Narren, die Hecht als Zunftschreiber alljährlich hält, geht es immer um die gleichen Inhalte: Wie herrlich die Fasnet ist, wie wenig Geld zur Verfügung steht, was andere falsch gemacht haben, Diskussionsstoff aus dem Rathaus. Das Wichtigste jedoch sei: «Die Fasnet ist jedem zur Freud und niemandem zum Leid», betont er.
Links:
www.narrenzunft-rottweil.de
www.rottweil.de
Kontakt:
Stadtarchiv Rottweil
Engelgasse 13
78628 Rottweil
Tel.: 07 41 / 4 94 – 3 30
stadtarchiv@rottweil.de
Quelle: Heilbronner Stimme, 24.2.2004
Fürstenfeldbruck entlässt Archivleiterin fristlos
Die Kreisstadt Fürstenfeldbruck hat ihre Archivleiterin Monika Sadler fristlos entlassen. Zu den Gründen wollte sich Pressesprecher Christian Kieser am Freitag nicht äußern, weil es sich um eine Personalangelegenheit handelt. Die Archivarin sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, ihr sei zum 1. Februar gekündigt worden. Sadler hat sich an die Gewerkschaft Verdi gewandt. Deren Vertreter Jupp Stier wunderte sich, weil die Stadt quasi gleichzeitig zwei Kündigungen ausgesprochen hat und Sadler hilfsweise drei Jahre Sonderurlaub gewährt, um ihre Mutter zu pflegen. Sadler arbeitete seit fast 24 Jahren für die Stadt.
Kontakt:
Stadtarchiv Fürstenfeldbruck
Hauptstr. 31
82256 Fürstenfeldbruck
Fon 08141 / 61 13 12
Fax 08141 / 61 13 33
info@fuerstenfeldbruck.de
Quelle: Fürstenfeldbrucker SZ, 21.2.2004
Thurn und Taxis darf Bibliothek nicht versilbern
Die Adelsfamilie Thurn und Taxis wehrt sich gegen die staatliche Aufsicht über seine Privatbibliothek. Mit einer Beschwerde vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht wolle Fürst Albert die Befreiung von staatlichen Auflagen erreichen, sagte der Geschäftsführer des Fürstenhauses, Klaus Kirchberger, am 18.2.2004. Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte im Dezember vergangenen Jahres die Klage des Adelshauses mit dem Verweis auf die Allgemeinwohlverpflichtung des Eigentums zurückgewiesen und damit entsprechende Beschlüsse des Gerichts aus dem Jahr 1943 bestätigt.
Die Hofbibliothek mit etwa 220.000 Büchern, Drucken, Handschriften und Archivalien stellt nach Ansicht des Gerichts ein besonders bedeutendes und schutzwürdiges Kulturgut dar. Deshalb darf der Erbe des Fürstenhauses, Fürstin Glorias Sohn Albert von Thurn und Taxis, die Bibiliothek nur mit Genehmigung des Generaldirektors der Bayerischen Staatsbibliothek verändern oder veräußern.
Wie der Sprecher des Bayerischen Obersten Landesgerichts, Eberhard Heiß, sagte, ist mit einer Entscheidung des Gerichts nicht vor März zu rechnen.
Quelle: Deutsche Welle, 18.2.2004
Arbeitsausschuss zum Thema Nationale Akademie
In einer Pressemitteilung vom 23.2.2004 informiert die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften darüber, dass man einen Arbeitsausschuss zum Thema Nationale Akademie einrichtet (Pressemitteilung: 04/2004):
„Die Präsidenten der in der Union zusammengeschlossenen deutschen Akademien der Wissenschaften haben auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, eine Nationale Akademie der Wissenschaften zu gründen, reagiert und am 20. Februar 2004 einen Ausschuss eingesetzt. Ihm obliegt jetzt die Aufgabe, bis Mitte Juni dieses Jahres ein Modell auszuarbeiten, welches vor allem die vom Wissenschaftsrat formulierten Desiderate einer effizienteren Außenvertretung der deutschen Wissenschaft sowie der Gesellschaftsberatung berücksichtigen soll. Dem Ausschuss gehören die Professoren Gerhard Gottschalk aus Göttingen, Peter Graf Kielmansegg aus Heidelberg und Helmut Sies aus Düsseldorf an.
Am 14. Juni 2004 wird das Präsidium der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in Berlin zusammentreten und über das dann vorliegende Modell beschliessen. Es ist geplant, nach dieser akademieninternen Abstimmung an die in der Allianz zusammengeschlossenen Forschungsorganisationen heranzutreten. Das Präsidium der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften wird gebildet von den Akademiepräsidenten Volker Bigl, Leipzig, Gerhard Gottschalk, Göttingen (Präsident der Union), Peter Graf Kielmansegg, Heidelberg, Heinrich Nöth, München, Herbert Roesky, Göttingen, Helmut Sies, Düsseldorf (Vizepräsident der Union), Dieter Simon, Berlin, und Clemens Zintzen, Mainz.“
Ansprechpartnerin für Rückfragen ist Frau Myriam Hönig, Leiterin des Berliner Büros der Union, Telefon 030/206 329-65, Mail hoenig@akademienunion-berlin.de
Nach 525 Jahren: Wende im Mordfall Medici
Historiker-Fund deckt Irrtum in den Geschichtsbüchern auf: Das spektakuläre Attentat auf die mächtigen Gebrüder Medici 1478 in Florenz hatte nicht der Papst in Auftrag gegeben. Wer es wirklich war, zeigt ein Brief, der erst jetzt entschlüsselt wurde
Am Vormittag des 26. April 1478 traf Bernardo Bandini in einem Haus in Florenz letzte Vorbereitungen für ein Verbrechen, das die Machtverhältnisse in Italien entscheidend verändern sollte. Lorenzo und Giuliano de Medici, die Erben der reichsten und mächtigsten florentinischen Familie, sollten an diesem Vormittag getötet werden.
Ein letztes Mal schärfte Bandini seinen langen Dolch aus Stahl. Dann machte er sich auf den Weg zur Kirche Santa Maria del Fiore, wo gerade die Ostermesse zelebriert wurde – im Beisein der Medici-Brüder. Er traf sich wie verabredet mit seinem Komplizen Franceschino Pazzi, dem Spross einer mit den Medici verfeindeten Familie. Gemeinsam begaben sie sich in die Kirche. Auf das vereinbarte Zeichen hin stürzten sie sich während des Hochamtes auf ihre Opfer. Bandini traf Giuliano de Medici mit mehreren Dolchstößen tödlich. Lorenzo de Medici wurde verletzt, konnte aber in dem Durcheinander entkommen.
Die blutige Tat ging in die Geschichtsbücher ein – und zwar als eine Verschwörung der Familie Pazzi, an der auch der damalige Papst Sixtus IV. maßgeblich beteiligt war. Doch nun scheint es, als müsse dieser Teil der italienischen Geschichte neu geschrieben werden. Denn der Historiker und Renaissance-Experte Professor Marcello Simonetta von der Wesleyan Universität Connecticut (USA) hat in jahrelanger akribischer Arbeit herausgefunden, wer der wahre Auftraggeber des Mordanschlages auf die Gebrüder Medici gewesen ist. Es gelang Simonetta, einen chiffrierten Brief zu entschlüsseln, dessen Existenz zwar seit langem bekannt war, aber dessen Geheimcode bis dato niemand hatte knacken können. Er stammt aus der Feder von Federico da Montefeltro, dem damaligen Herzog von Urbino.
Dieser saß an jenem Vormittag des 26. April 1478 in seinem Arbeitszimmer und wartete darauf, wie sich sein eigenes und das Schicksal Italiens in den nächsten Stunden entwickeln würde. Denn an dem Tag sollte eine blutige Revolution beginnen, die er selber von langer Hand geplant hatte. Als Auftakt war ein spektakulärer Mord geplant, eben jener an den Brüdern Medici. Sollte der Coup gelingen, dann würde der Mann aus Urbino noch am selben Abend einer der mächtigsten Männer Europas sein. Alles hing vom Gelingen des Anschlags ab, und der Herzog war sich sicher, dass er ihn perfekt vorbereitet hatte. Alle Welt würde glauben, dass der wahre Schuldige des Komplotts kein Geringerer als Papst Sixtus IV. war.
Der Herr aus Urbino ließ sich an diesem Morgen, wie sein Palastprotokoll vermerkte, einen süßen Wein bringen, aus dem der Alkohol herausgekocht worden war: ein populäres Getränk der Renaissance. Er widmete sich ganz dem Genuss, ohne zu ahnen, dass bei den Vorbereitungen der Tat ein kleiner Fehler passiert war: Einer der 38 Briefe, die er verschickt hatte, war nicht, wie befohlen, vernichtet worden.
Der Mord und die anschließende Revolution sollten ein Problem beseitigen, das Italien seit mehr als 500 Jahren zu schaffen machte. Im Süden des Landes regierte das Königshaus Neapel, im Zentrum lag der Kirchenstaat, der sich gern bis an die Grenze zu Frankreich ausgedehnt hätte, aber die Republik Florenz und das kleine Urbino versperrten diesen Weg. Federico da Montefeltro galt damals als Freund der Medici und unterstützte Florenz. Er kümmerte sich aber weniger um Politik als um Kunst.
Natürlich durfte Bernardo Bandini, der Mann mit dem Dolch, die wahren Hintergründe seiner Auftragstat nicht kennen. Zwar war er ein misstrauischer Mensch, aber die Geschichte, die man ihm auftischte, klang so plausibel, dass selbst die Historiker sie mehr als ein halbes Jahrtausend lang glaubten. Bandini wusste, dass die Familie Pazzi die Herrscherfamilie Medici hasste. Die Medici waren nicht nur viel reicher als die Pazzi – die Banken der Medici kontrollierten halb Europa -, sie hatten auch noch eine geniale Idee in die Tat umgesetzt. Offiziell war Florenz eine Republik, regiert von einem Gonfaloniere, einem Bannerträger, doch der war nur eine Marionette. In Wirklichkeit regierten die Medici, während sie die Florentiner aber in dem Glauben ließen, es gebe in Florenz keine Diktatur. Bandini wurde darüber informiert, dass es leicht wäre, die Pazzi für einen Aufstand gegen die Medici zu benutzen. Bandini wusste aber auch, dass die Medici weit mehr Truppen in und um Florenz hatten als die Pazzi. Doch man erklärte ihm, die Pazzi seien nur ein Vorwand; in Wirklichkeit wünsche der Papst das Ende der Medici, um einen Bischof als Regenten nach Florenz zu entsenden und den Kirchenstaat bis nach Frankreich ausdehnen zu können. Bandini konnte den nicht sonderlich intelligenten Franceschino Pazzi tatsächlich dazu überreden, seinen Rachedurst an den Medici zu stillen.
Die Tatsache, dass Lorenzo de Medici das Attentat überlebte, machte schließlich alle Pläne des Herzogs von Urbino zunichte. Immerhin: Der Brief, der ihn nun als Drahtzieher entlarvt, bewahrte das Geheimnis mehr als 500 Jahre lang. Von den meisten Historikern unbeachtet, lag er im Archiv der Familie Ubaldini in Urbino. Wer immer versucht hatte, den Geheimcode zu entschlüsseln, scheiterte.
Auch Professor Simonetta versuchte sich mehr als 15 Jahre lang vergeblich daran. Die einzigen Dechiffrier-Bücher der Renaissance, die noch existieren, halfen ihm nicht weiter; sie lagern in einem atombombensicheren Bunker unter dem Vatikan. Es sind die Dechiffrier-Bücher der Päpste. Aber der Text von Urbino war auf eine bisher unbekannte Weise verschlüsselt worden. Ein Zufall brachte Simonetta schließlich auf die richtige Spur. Er konnte plötzlich den Brief lesen und war wie vom Donner gerührt. Das Codewort lautete: Sixtus IV.
In dem Brief erteilt der Herzog von Urbino, der angeblich beste Freund der Medici, seinem Botschafter in Rom den Mordauftrag an Lorenzo und Giuliano Medici. Er befiehlt in dem Brief, dass man die Mörder denken lassen solle, der Papst stecke hinter allem. Dem Brief lagen gefälschte päpstliche Zertifikate bei, die dem Attentäter Bernardo Baldini einen Platz im Himmel mit päpstlichem Segen sicherten. In dem Brief heißt es, dass Federico da Montefeltre rund um Florenz Truppen aufstellen ließ, die im Fall des Todes der Medici auf Florenz zumarschieren sollten.
Lorenzo de Medici, der den Beinamen „der Prächtige“ trug, hat nie geahnt, was wirklich passiert war. Er machte Federico da Montefeltre später zu seinem Oberbefehlshaber und verbrachte Monate seines Lebens an der Seite des Mannes, der einen Mordanschlag auf ihn versucht hatte. In seinen Gedichten preist Lorenzo die Treue des Herzogs von Montefeltro und vor allem sein „besonders gutes Herz“ . . .
Quelle: Bericht von Andreas Englisch in: Hamburger Abendblatt, 21.2.2004
Vatikan-Archive wegen Personalmangels oft geschlossen
Der Vatikan hält nach Ansicht des römischen Historikers Peter Godman seine Geheimarchive nicht nur aus Heimlichtuerei verschlossen. Vielmehr fehle es der römischen Kurie schlichtweg an Personal, sagte der gebürtige Neuseeländer bei der Vorstellung seines neuen Buches «Der Vatikan und Hitler – Die geheimen Archive» in Berlin. Die Archive seien an Werktagen lediglich von 08.30 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet – zu kurz für eingehende wissenschaftliche Arbeit.
Der einflussreiche Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, beispielsweise habe als langjähriger Wissenschaftler durchaus das Bedürfnis, bisher unbekannte Dokumente zugänglich zu machen. Allerdings werde es noch sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, die Archive auch nur zu ordnen, sagte Godman, der als einer der ersten in die Geheimarchive Einsicht nehmen durfte.
Godman, der auch in Tübingen lehrte, arbeitet in seinem Buch heraus, dass Papst Pius XII. (Amtszeit 1939-1958) zwar Opportunist, aber kein Antisemit gewesen sei. Pius, der lange auch als Nuntius in Berlin lebte und die Nazis von Anfang an kannte, habe Sympathien für die Deutschen und deren Kultur gehabt, nicht aber für die Nazis.
Der Vatikan und auch Pius hätten im Kommunismus die größte Gefahr gesehen und daher Arrangements mit Faschismus und Nationalsozialismus betrieben. Aus diesem Opportunismus heraus sei die «Politik des Schweigens» entstanden. Dieser Papst habe «einen gewissen Mut gehabt, aber nur hinter den Kulissen, nicht in der Öffentlichkeit». meinte Godman. Er beschreibt Pius XII., der mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli hieß, als hoch intelligenten Mann und sehr fleißigen Arbeiter – «er stand um 06.00 Uhr auf und ging um 02.00 Uhr schlafen». Aber er habe «keine Fantasie, keine Originalität, keine Visionen» gehabt.
Link:
Vatikanisches Geheimarchiv
Quelle: Lausitzer Rundschau, 21.2.2004
Schneller Zugriff auf Wormser Bestandsdaten
Das Stadtarchiv Worms, auf dessen umfangreiche Fotosammlung erst dieser Tage hingewiesen wurde, kann seinen Nutzern und allen Interessierten dank des Internets einen wesentlich verbesserten Zugang zu seinen Bestandsdaten anbieten und sich auch besser präsentieren.
Auf der Homepage unter www.stadtarchiv-worms.de findet sich unter der Rubrik „Bestände“ seit kurzem eine Datenbank mit dem kompletten Text der bereits im Jahre 1998 als Buch veröffentlichten Beständeübersicht einschließlich Suchmöglichkeiten und weiteren Informationen zu bestimmten Beständen.
Das Stadtarchiv verspricht sich von diesem im Vergleich zu anderen Kommunalarchiven sehr komfortablen Angebot eine weltweit bessere Kenntnis über all die Unterlagen. Insbesondere Interessierte von auswärts sowie wissenschaftliche Nutzer aber auch Heimatforscher werden den vielfältigen Nutzen der Übersicht zu schätzen wissen.
Eine umfassende Aktualisierung der Daten auf den derzeitigen Verzeichnungs- und Erschließungsstand wird zurzeit vorbereitet. Zusätzlich zu den Hauptdaten sind von einigen wichtigen Beständen Findmittel hinterlegt, die eine Recherche im Detail ermöglichen. Hier sollen nach und nach weitere Daten zu erschlossenen Archivbeständen eingestellt werden. Durchgeführt hat die Arbeiten zur Erstellung der Datenbank die Wormser Studentin Dorothea Spille im Rahmen ihres Praxissemesters an der Fachhochschule Worms.
Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Telefon: 0 62 41/8 53-47 00 o. 47 06
Telefax: 0 62 41/8 53-47 10
stadtarchiv@worms.de
www.stadtarchiv-worms.de
Quelle: Wormser Zeitung, 21.2.2004
Gutachten zu Kolonial-Kriegern auf Münchens Straßenschildern
Hans-Joachim Hecker vom Münchner Stadtarchiv nimmt seit November 2003 Buch für Buch vom Stapel auf seinem Schreibtisch. Er blättert in Akten des Berliner Bundesarchivs, stöbert in Urkunden des Reichskolonialamts und arbeitet sich durch die Tabellen des Freiburger Militärarchivs. Bis Ende Februar will Hecker auf Grundlage dieses Materials ein Gutachten erstellen.
Das Gutachten hat die Stadt München in Auftrag gegeben. Sie will von dem Archivar Hecker wissen, ob sie Straßennamen ändern soll, die auf die deutsche Kolonialzeit zurückgehen. Weil manche Münchner das wollen, andere aber nicht, fliegen derzeit die Fetzen. Besonders in den Stadtteilen Trudering-Riem und Bogenhausen: Dort gibt es 28 Straßen, die an einschlägige Orte oder Personen aus der Zeit von 1884 bis 1918 erinnern. Während sich kaum jemand an der Samoa- oder Togostraße stört, sind die Ehrungen für Kolonialkrieger wie Lothar von Trotha oder Hans Dominik umstritten: Viele Quellen belegen deren Kriegsverbrechen.
Wahrscheinlich hat Hans-Joachim Hecker von den Herero gelesen. Den nomadischen Rinderzüchtern in Südwest-Afrika, dem heutigen Namibia. Ihnen schwatzten deutsche Händler seit 1885 fast ihr gesamtes Land ab – gegen Schnaps und alte Gewehre. Irgendwann fanden die Herero für ihre Rinder, die „Ozongombe“, kein Weideland mehr und kein Wasser. Als sich deutsche Siedler immer öfter an den Frauen des Stammes vergingen, erhoben sich 80.000 Herero im Januar 1904 gegen ihre Unterdrücker.
Am Ende des Jahres waren 60.000 Herero tot: niedergemäht von deutschen Maschinengewehren, verdurstet auf der Flucht in die Omaheke-Halbwüste, krepiert in den Gefangenenlagern der Kolonialherren. Einige Herero buddelten auf der Suche nach Wasser mit der bloßen Hand 15 bis 20 Meter tiefe Löcher in den heißen Sand. Um länger kämpfen zu können, saugten die Krieger die Milch aus den Brüsten ihrer Frauen.
Wie der Führer der 10.000 Mann starken deutschen Schutztruppe gegen die Aufständischen vorging, kann Archivar Hecker in einem Brief nachlesen: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen.“ Der Verfasser des so genannten Vernichtungsbefehls war Generalleutnant Lothar von Trotha.
Im Münchner Stadtteil Trudering-Riem gibt es bis heute eine „Von-Trotha-Straße“ – zum Unmut der Grünen. Stadtrat Siegfried Benker fordert, München „zu entkolonialisieren“. Der Stadt müsse bewusst werden, „dass wir bei Personen, die eindeutig als Kriegsverbrecher gelten, handeln müssen“.
Dass in Deutsch-Südwest Verbrechen begangen wurden, ist für den Geschichtsprofessor Andreas Eckert von der Universität Hamburg erwiesen. „Gerade Lothar von Trotha gehört eindeutig in die Kategorie bestimmter Nazi-Verbrecher“, sagt der Afrika-Experte. Der habe „sicher keinen Straßennamen verdient“. Genauso wenig wie Hans Dominik, der „Schlächter von Kamerun“. Den ehrt Bogenhausen mit einer Straße, derweil in der früheren Kolonie noch heute das geflügelte Wort „Du bist bösartig wie Dominik“ kursiert.
Doch darüber wird Hans-Joachim Hecker in der „Liste der amtlichen Namenserläuterungen“ nichts lesen. Stattdessen: „Hans Dominik, verdient um die Erforschung und Befriedung der ehem. Deutschen Kolonie Kamerun (1893-1910).“ Kein Wort davon, dass der Premierleutnant mit dem Ruf „Waidmannsheil“ auf Menschenjagd ging. Kein Wort davon, dass der Mann mit dem Schnauzer bei jeder Gelegenheit seine Nilpferdpeitsche auf Rücken niederzischen ließ. Auch kein Wort davon, dass sich Dominik nach einem Bajonettangriff seiner Leute ergötzte: „Ich habe die Bestie im Menschen entfesselt gesehen.“
Vielleicht wird Christiane Hacker reagieren, wenn sie das erfährt. Noch sagt die Vorsitzende des Bezirksausschusses Bogenhausen, die Bürger hätten „überhaupt keine Lust, ihre Adresse zu ändern“. Und: Man dürfe die Straßennamen „nicht nach heutigem Verständnis von political correctness überprüfen“. Dabei hat die SPD-Politikerin schon einmal gehandelt – vor vier Jahren. Damals änderte der Münchner Stadtrat auf ihren Rat hin den Namen der „Carl-Peters-Straße“. Peters hatte zur selben Zeit wie Hans Dominik Menschen gelyncht – in Deutsch-Ostafrika. Nun ziert die Forscherin Ida Pfeiffer das Straßenschild.
Für den Kollegen von Hacker in Trudering-Riem hat sich „das Thema von-Trotha-Straße erledigt“. Die heiße „schon seit zehn Jahren nur noch nach dem Geschlecht derer von Trotha“ und nicht nach Lothar, dem Verbrecher, beteuert Georg Kronawitter, der Vorsitzende des Bezirksausschusses. Dass sie noch immer die Waterbergstraße kreuzt – benannt nach dem Ort der Entscheidungsschlacht zwischen Deutschen und Herero im August 1904 -, das sagt der CSU-Mann nicht. Je nach Wertung des Gutachtens will er „über den einen oder anderen Fall“ noch mal nachdenken. Denn bei manchen Taten sei „die Schmerzgrenze erreicht“.
Die ist für die Herero in Namibia längst überschritten. Der Stamm, der heute mit 122.000 Menschen nur rund sieben Prozent der Bevölkerung stellt, will die Geschichte nicht auf sich beruhen lassen. Gegen den Willen der Regierungsmehrheit der Ovambo, die Deutschland als Entwicklungshelfer nicht vor den Kopf stoßen will, kämpfen die Herero hundert Jahre nach ihrem Aufstand erneut – diesmal um eine Entschädigung. Ihr Oberhäuptling Riruako sagt: „Die Deutschen haben sich mit dem Holocaust an Juden, Sinti und Roma beschäftigt, nun werden sie sich mit dem Genozid an den Herero auseinander setzen müssen.“ – Wie der Münchner Archivar Hans-Joachim Hecker.
Kontakt:
Stadtarchiv München
Winzererstr. 68
80797 München
Tel. +49 (0)89 233 0308
Fax +49 (0)89 233 30830
Quelle: Merkur Online, 21.2.2004
Kirchenbücher für das Kreisarchiv Altenkirchen transkribiert
Das Kreisarchiv in Altenkirchen ist um einen Schatz reicher geworden. Heimatforscher Norbert Langenbach überreichte jetzt dem Leiter des Archivs, Dieter Sommerfeld, eine von ihm angefertigte Kopie der beiden Kirchenbücher des Klosters Marienthal.
Sie umfassen eine Zeitspanne zwischen 1666 und 1829 – eine wichtige Quelle für die Ahnenforschung in der Region. Es war eine Zeit raubende Arbeit, die sich der passionierte Heimatforscher Norbert Langenbach aus Oettershagen da vorgenommen hatte. Im Januar vergangenen Jahres begann er, die vor über 30 Jahren gemachten Kopien der beiden Kirchenbücher des Klosters Marienthal bei Hamm ins „Reine“ zu schreiben. Die Kopien hatte er seinerzeit gemacht, weil er dort die Ursprünge seiner Vorfahren entdeckte.
Nachdem Langenbach 1996 seine Ahnenchronik vollendet hatte, waren nun die zwei Kirchenbücher von Marienthal das Ziel. Sie gliedern sich auf in ein Taufbuch (1666 – 1827), ein Heiratsbuch (1667 – 1829) und ein Sterbebuch (1683 – 1827). Die Schwierigkeiten, die während der mühsamen Reinschrift auftraten, lagen zum einen in der schwer zu entziffernden Schrift der verschiedenen Patres und zum anderen in den in Kirchenlatein gehaltenen Eintragungen. Doch der Hobbyforscher ließ sich davon nicht entmutigen und besorgte sich neben zwei Lateinlexika auch das Große Kirchenlateinische Wörterbuch.
Heute gehört das Kloster Marienthal zur Pfarrgemeinde St. Jacobus in Altenkirchen, in deren Besitz sich auch die Originale befinden. Das Kloster war nie eine eigenständige Pfarrei, aber es war als Wallfahrtstätte weit über die Grenzen des Westerwaldes hinaus bekannt. Aus nah und fern kamen Gläubige, um im Kloster zu heiraten. Besonders, wenn die Ehepartner unterschiedlichen Glaubens waren oder der Pfarrer in der Heimatpfarrei aus anderen Gründen nicht damit einverstanden war, suchten die Brautleute den Beistand der Patres von Marienthal.
Aber auch hohe Herrschaften holten sich dort den Segen: Der damalige Gouverneur der Grafschaft Sayn-Altenkirchen, Friedrich Franz Johannes Baron Freiherr von Poellniz, der zugleich auch Bergdirektor war, heiratete hier Anna Gertrudis Huber geb. Lohlin aus Hachenburg. Ebenso kamen beispielsweise aus Sassenroth (Ortsteil von Herdorf), Kotzert (heute Rosenheim), Kirchen oder Friesenhagen Brautpaare, die das Kloster Marienthal aufsuchten.
Bei den Geburten und Sterbefällen ändert sich das Bild. Hier sind es in erster Linie die alteingesessenen Familien, die das Kirchenbuch füllen. Dass diese Tauf-, Heirats- und Sterbedaten aus dem Kloster Marienthal im Zeitraum von 1666 bis 1829 für jedermann zugänglich und aufgrund der Reinschrift nun auch gut lesbar sind, das war auch das Anliegen des emsigen Heimatforschers. „Die Kirchenbücher beinhalten eine Fülle von Informationen, mit deren Hilfe einheimische Familien nach ihren Wurzeln suchen können“, sagt Langenbach.
Die an die 150 DIN-A4-Seiten starke Reinschrift ist nach Daten geordnet, Familiennamen sind fettgedruckt, Ortsangaben hervorgehoben. Auch vom Kirchenlatein sollten sich Neugierige nicht abschrecken lassen. „Die Begriffe lassen sich leicht erschließen“, ermuntert Langenbach.
Kontakt:
Kreisarchiv Altenkirchen – Kreisverwaltung
Parkstr. 1
57610 Altenkirchen
Tel.: (02681) 81-205
Fax: (02681) 81311
Quelle: Westfälische Rundschau, 21.2.2004