Wallraffsche Kartei in Saarlouis nun aufgearbeitet

Die so genannte Wallraffsche Kartei im Kreisarchiv Saarlouis (Zentrum für Familienforschung) gewährt nicht nur Einblicke in die Geschichte des Kreises Saarlouis, sie ist vor allem eine wertvolle Quellensammlung für demografische und soziografische Forschungen. Genealogen aus der ganzen Welt nutzen sie, über 1.000 pro Jahr, bisher gut 30.000, um nach Vorfahren zu forschen. Sie ist nach Studienprofessor Dr. Wilhelm Joseph Wallraff (1865-1949) benannt, der 1928 als Lehrer für Latein und Griechisch ans humanistische Gymnasium nach Saarlouis kam. Er wertete alle verfügbaren Standesamtsregister und Kirchenbücher aus, notierte auf Blättern aus DIN-A-5-Schulheften nach Ortschaften gegliedert Angaben zur Bevölkerung des ganzen Kreises Saarlouis mit Ausnahme des Raumes Lebach-Schmelz für die Zeit vom 17. bis 19. Jahrhundert. So entstanden von 1928 bis 1949 mit immensem Fleiß rund 40.000 Blätter in 16 großen, offenen Kästen.

1963 kaufte der Landreis die Kartei von der Familie an, begann sie zu sichern. Nun konnte die 1983 begonnene Neuerfassung der Kartei abgeschlossen werden. Eigentlich sollte diese Arbeit innerhalb von drei Jahren beendet sein. Sie dauerte länger – geht sogar noch weiter. Landrat Peter Winter stellte als „Endprodukt“ 75 große blaue Bände vor, in denen die Wallraffsche Kartei nun gut lesbar vorliegt.

Von 1983 bis 2000 arbeiteten 25 Männer und Frauen an der Kartei, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt wurden. Der Umgang mit der Kartei ist seinerseits interessant, spiegelt Zeitgeschichte wider. Zu Lebzeiten Wallraffs bekam seine Kartei ungewollt Bedeutung: Auf Grund der „Nürnberger Gesetze“ von 1935 mussten Angehörige des öffentlichen Dienstes und aktive Soldaten einen so genannten „Arier-Nachweis“ erbringen. In der Wallraffschen Kartei sind die religiösen Bekenntnisse vermerkt. Heute nutzen vor allem Genealogen, Familien- und Heimatforscher, diesen Schatz als Hilfsmittel für ihre Ermittlungen.

Die Blätter der Kartei litten unter der Benutzung, vergilbten. Die Schrift verblasste. Dazu kamen Kriegseinwirkungen. Und es wurden Blätter schlechterdings geklaut. 1976 entschloss sich Landrat August Riotte, die Kartei verfilmen zu lassen. Gernot Karge, langjähriger Kreisarchivar, heute Geschäftsführer der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis (mit 800 Mitgliedern der größte heimatkundliche Verein im Saarland) schilderte, wie das geschah. Man nahm mit den besten Spezialisten auf dem Gebiet der Mikroverfilmung Kontakt auf, nämlich der „Genealogischen Gesellschaft der Heiligen der letzten Tage„, den Mormonen in Salt Lake City im US-Staat Utah. Nach zweimonatigen Filmarbeiten hatte man 39 Rollen Mikrofilm mit fast 50.000 Aufnahmen. Nach dem Druck in Buchform steht nun die Digitalisierung bevor. Karge stellte in Aussicht, dass man in Zukunft mit einer Diskette einfachen Zugang zur Kartei haben kann.

Kontakt:
Kreisarchiv Saarlouis – Zentrum für Familienforschung 
Landratsamt Kaiser-Wilhelm-Straße 4 – 6
66740 Saarlouis
Postanschrift:
Postfach 18 40
66718 Saarlouis
Telefon: 0 68 31 / 4 44 – 4 25
Telefax: 0 68 31 / 4 44 – 4 60
www.kreis-saarlouis.de

Quelle: Saarbrücker Zeitung, 2.3.2004

Sommerprogramm Historischer Arbeitskreis Archive

Der St. Pöltener Archivdirektor Dr. Thomas Aigner lädt u.a. via H-Soz-u-Kult zur Teilnahme am diesjährigen Sommerprogramm des Historischen Arbeitskreises Archive ein. Das Programm steht diesmal ganz im Zeichen des Beitritts von Ungarn zur Europäischen Union im Mai.

Aufgrund der kirchenhistorischen Verbindung Österreichs mit seinem Nachbarland und wegen der geringen räumlichen Entfernung sei es möglich, Verbindungen und Kooperationen zu knüpfen. Schon seit längerer Zeit arbeitet man im Diözesanarchiv bzw. Institut zur Erschließung und Erforschung kirchlicher Quellen und in der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs an einem intensiveren Gedankenaustausch und verschiedenen Möglichkeiten der Kooperation mit den ungarischen Kollegen.

Erste Früchte dieser Bemühungen haben sich im kommenden Semesterprogramm niedergeschlagen. Das Primatial- und Domkapitelarchiv Esztergom (dt. Gran) ist nicht nur aufgrund der Stellung der Erzbischöfe dieses Bistums in Geschichte und Gegenwart Ungarns, sondern auch aufgrund seines quellenmäßigen Reichtums, der auch einiges zu Österreich enthält, als bedeutendstes kirchliches Archiv in Ungarn zu bezeichnen. Am 12. März findet daher, veranstaltet gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs und dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung, in dessen Hörsaal (nähere Angaben siehe unten) ein Vortrag des Direktors des Primatialarchivs Esztergom, Dr. Andras Hegedüs, statt. Am 5. Juni führt dann die jährliche Arbeitssitzung in die weltberühmte Erzabtei Pannonhalma (dt. Martinsberg). Wie üblich, finden am Vormittag Vorstellungen von Forschungsarbeiten bzw. -projekten in ungezwungenem Rahmen statt, und am Nachmittag erfolgt dann eine Besichtigung der Erzabtei mit dem hwst. Herrn Erzabt Dr. Asztrik Varszégi. In der Arbeitssitzung möge über eigene Forschungen berichtet werden. Die Kosten werden pro Person ca. 20.- EUR betragen. Anmeldung entweder telephonisch (02742 324 321, 322) oder per Email (archiv@kirche.at).

Zu zwei weiteren Vorträgen, die wie gewohnt in St. Pölten im Diözesanarchiv stattfinden werden, wird zudem eingeladen: Dr. Johannes Frimmel wird am 29. April über das Stift Melk im Josephinismus sprechen und Mag. Ronald Risy wird am 24. Juni die jüngsten Ergebnisse der Grabungen in der Rosenkranzkapelle im St. Pöltner Dom vorstellen.

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PROGRAMM SOMMER 2004
12.03.2004-24.06.2004, St. Pölten / Wien / Pannonhalma

Freitag, 12. März, 17.00 Uhr:
Gem. mit Institut für Österreichische Geschichtsforschung und Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs:
Dr. Andras HEGEDÜS (Esztergom/H):
Das Primatial- und Domkapitelarchiv Esztergom
!!! Ort: Hörsaal des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Universität Wien, Dr. Karl-Lueger-Ring 1, 1. Stock rechts !!!

Donnerstag, 29. April, 14.30 Uhr:
Dr. Johannes FRIMMEL (Wien):
Das Stift Melk zur Zeit Josephs II. – Kulturgeschichtliche Aspekte
Ort: Diözesanarchiv St. Pölten, Leseraum

Samstag, 5. Juni, 9.00-18.00 Uhr:
Arbeitssitzung in Pannonhalma
9.00-12.00 Vorstellung verschiedener Themen aus dem Bereich der niederösterreichischen Kirchengeschichte

12.00-14.00 Mittagessen

14.00-18.00 Besichtigung der Erzabtei und ihrer Sammlungen mit dem hwst.
Herrn Erzabt Dr. Asztrik Varszégi
Anmeldung für Autobus (Kosten ca. 20.- EUR): 02742 324 321,
archiv@kirche.at
Ort: Erzabtei Pannonhalma (H), Autobahnabfahrt Györ Ost

Donnerstag, 24. Juni, 14.30 Uhr:
Mag. Ronald RISY (Wien):
Der Dom in St. Pölten und seine Vorgeschichte im Lichte der jüngsten Forschungen
Ort: Diözesanarchiv St. Pölten, Leseraum

Kontakt:
Dr. Thomas Aigner
Diözesanarchiv St. Pölten
Domplatz 1
A-3100 St. Pölten
+43 2742 324 321
+43 2742 324 321
archiv@kirche.at
www.dsp.at/dasp

Quelle: H-Soz-u-Kult, 2.3.2004

Darmstädter „Haus der Geschichte“ kein betonierter Aktenfriedhof

Lange schon wird im Theaterhaus Georg Mollers am Karolinenplatz kein Theater mehr gespielt. Denn seit dem 3. Februar 1994 hat das in „Haus der Geschichte“ umbenannte und restaurierte Gebäude eine neue Funktion. Als Archiv, Ort historischer Forschung und als Stätte von Ausstellungen, Vorträgen und Konzerten steht es den Darmstädter Bürgern zur Verfügung.

Zum zehnjährigen Bestehen des Hauses der Geschichte (siehe Bericht vom 19.2.2004) fand am Sonntag, den 29.2.2004, ein Festakt statt. Professor Friedrich Battenberg, Leiter des Staatsarchivs, nannte als einen Grund für die damalige Schaffung eines neuen Staatsarchivs im alten Mollerhaus die enorme Menge alter Akten, die im Schlossgebäude keinen Platz mehr hatten. Battenberg bedankte sich in seiner Jubiläumsrede ganz besonders bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Staatsarchivs. Ohne sie sei diese enorme Arbeit nicht zu schaffen gewesen. 

Joachim-Felix Leonhard, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, betonte in seinem Vortrag, alle Initiatoren des Staatsarchivs könnten sich glücklich schätzen, dass die neue Funktion des Mollerhauses durchgesetzt worden sei. „Die Stadt Darmstadt wollte mit der Einrichtung des Archivs ein Haus der Begegnung für Menschen und einen Ort für den Austausch von Informationen schaffen“, so Leonhard.

Die Mischung von Archiv und Ausstellungsort bieten ein weiteres Kulturzentrum in der Stadt. Auch Pädagogik wird im Darmstädter Staatsarchiv groß geschrieben. Denn Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, über die Vergangenheit zu forschen und sich zu bilden.

Die Institution ist mittlerweile mit staatlichen Mitteln nicht mehr zu finanzieren. „Ich muss zugeben, dass mich bei der Planung vor zehn Jahren die Summe erschreckte, die für den Umbau des alten Mollerhauses ausgegeben werden sollte“, sagte die ehemalige Wissenschaftsministerin und Vorsitzende des Vereins des Konzertchors, Evelies Mayer. „Es ging doch nur um die Beherbergung von Akten.“ Doch inzwischen sei die Akzeptanz bei den Darmstädter groß: Sie seien froh, dass das Haus mit Leben gefüllt und für jeden zugänglich sei. „Es wurde nicht zu einem betonierten Aktenfriedhof“, betonte Mayer.

Kontakt:
Staatsarchiv Darmstadt
Karolinenplatz 3
D-64289 Darmstadt
Telefon: 06151/165900
Telefax: 06151/165901
e-mail: poststelle@stad.hessen.de
 
Quelle: Echo Online, 1.3.2004

Sammlung des Alinari-Archivs in München

Das oft zitierte Bild von München als nördlichster Stadt Italiens bekommt zur Zeit eine völlig neue Bedeutung: Gleich drei Ausstellungen haben sich mit dem Sehnsuchtsziel jenseits der Alpen befasst. Aber eben nicht nur mit Klischees rund um gelato, Vespa und amore, sondern auch mit den dunklen Seiten des sonnigen Landes. So zeigt das Bayerische Staatsarchiv noch bis zum 15. April „Die Kinder der Villa Emma in Nonantola“, eine Dokumentation der Rettung von 73 jüdischen Kindern durch die Bewohner der norditalienischen Stadt Nonantola.

Und schon beginnt die nächste Schau: Im Marmorsaal der Bayerischen Staatsbibliothek läuft vom 3. bis zum 31. März die Ausstellung „Italien, ein einmaliges Land“ mit Fotografien von den Jahren 1900 bis 2000 aus dem Florentiner Archiv Alinari eröffnet.

Mit etwa 150 ausgesuchten Bildern will die Sammlung in Zusammenarbeit mit dem italienischen Generalkonsulat die Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert unter Berücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen illustrieren. Alinari ist eines der ältesten Fotoarchive der Welt. 1852 in Florenz gegründet, hat sich das heute in mehrere Bereiche verzweigte Unternehmen von Beginn an die Bewahrung der italienischen Lichtbildkunst zur Aufgabe gemacht. Das Alinari-Archiv enthält 120.000 Fotografien.

Die nun zum ersten Mal in Deutschland zu sehenden Fotografien sind mehreren Themen zugeordnet, wie Natur und Landarbeit, alte Dörfer, Mittelmeer, Krieg und „Neue Weltordnung“. Momentaufnahmen und Inszenierungen zeigen Alltagsszenen, Architektur- und Landschaftsbilder. Doch dabei folgt die Ausstellung ihrem Titel „Ein einmaliges Land“ vor allem insofern, als die meisten Aufnahmen Idyllen zeigen, in denen die unschönere Realität ausgespart bleibt. Gemessen am Anspruch, 100 Jahre Geschichte Italiens zeigen zu wollen, wirkt die präsentierte Auswahl der Bilder beliebig, stellenweise sogar wie aus einer Werbebroschüre entnommen, die Italien als interessantes Reiseland oder kompetenten Geschäftspartner darstellen soll.

Was dagegen weitgehend fehlt, sind Betrachtungen der heiklen Kapitel der italienischen Geschichte. Beim Kapitel „Neue Weltordnung“ etwa kommt nicht die Thematisierung des Terrors der Roten Brigaden, nicht die Entführung und Ermordung des Politikers Aldo Moro vor. Einige Bilder, die weniger schöne Seiten Italiens zeigen, finden sich dennoch in der Schau: unter „Spuren des Menschen“ etwa Umweltzerstörungen, unter „Fernen Ländern entgegen“ Aufnahmen von Flüchtlingsströmen aus Italien nach Amerika und aus Albanien nach Italien. Doch es scheint, als sei damit der Mut der Kuratoren, die Schau um Abbilder kontroverser Themen zu bereichern, bereits erschöpft.

Kontakt:
Bayerische Staatsbibliothek
Ludwigstraße 16
80539 München
Telefon: ++49 89 28638-0
Fax: ++49 89 28638-2200

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 1.3.2004

„Alte Post“ in Iserlohn und ihre neuen Nutzer

Eines der zentralen historischen Gebäude Iserlohns ist wieder in den Mittelpunkt des städtischen Lebens gerückt. Die „Alte Post“ am Theodor-Heuss-Ring ist gleich mit vier neuen Nutzern Anlaufstelle für viele Iserlohner geworden. Nachdem sich Verbraucher-Zentrale, Stadtarchiv, City Management und Institut für Bildung im Dezember in den neuen Räumen eingerichtet haben (siehe Bericht), luden sie am Samstag zu einem Tag der Offenen Tür ein.

Zehn Monate lang wurde das alte Gebäude unter der Federführung des Kommunalen Immobilienmanagements umgebaut, 1,5 Millionen Euro kostete die Sanierung. Vom Ergebnis zeigten sich die vielen Besucher am Samstag sehr angetan.

Ein ganz anderes Arbeiten als in den mehr als beengten alten Räumen ist für Stadtarchivar Götz Bettge und seine drei Mitarbeiterinnen möglich. Rund 800 Quadratmeter stehen ihnen in der ersten und zweiten Etage der „Alten Post“ zur Verfügung. Das Archivgut wird jetzt unter einem Dach und vor allem fachgerecht gelagert. Die Besucher haben in einem eigenen Raum reichlich Platz, ihren privaten Forschungen nachzugehen. Das wird auch den Schulklassen zugute kommen, die das Archiv bislang kaum nutzen konnten.

Kontakt:
Stadtarchiv Iserlohn
Theodor-Heuss-Ring 5
58636 Iserlohn
Telefon: 02371 / 217-1920 / -1921 / -1922
Telefax: 02371 / 217-2982
archiv@iserlohn.de

Quelle: Lüdenscheider Nachrichten, 2.3.2004

Engere Kulturpartnerschaft von Mainz und Wiesbaden

Unabhängig von der Entscheidung, ob Wiesbaden das Angebot des Mainzer Stadtrates, sich gemeinsam als Kulturhauptstadt Europas zu bewerben, annehmen wird, treiben die beiden Fachdezernenten der Städte die Kulturpartnerschaft weiter voran.

Nach mehreren Gesprächen haben Rita Thies und ihr Mainzer Amtskollege Peter Krawietz vereinbart, die in den vergangenen zwei Jahren entstandene kulturelle Zusammenarbeit nun forciert auszubauen. Im vorigen Jahr lag der Schwerpunkt der Zusammenarbeit im Bereich der Bildenden Kunst und hatte zu intensiven Kontakten geführt. Diese positiven Erfahrungen sollen nun Anlass für weitere gemeinsame Projekte sein.

So werden u.a. die Stadtarchive beider Städte zum diesjährigen „Tag der Archive“ am 25. September eine gemeinsame Veranstaltung durchführen, um die jeweilige Geschichte der Nachbarstadt zu vermitteln.

Kontakte:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
Postleitzahl/Ort:  65197 Wiesbaden
Telefon:  0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429 
Fax:  0611 / 31-3977 
E-Mail:  stadtarchiv@wiesbaden.de

Stadtarchiv Mainz
Rheinallee 3 B
55116 Mainz
Telefon (0 61 31) 12 21 78
Telefax (0 61 31) 12 35 69
stadtarchiv@stadt.mainz.de

Quelle: Main-Rheiner, 28.2.2004

NS-Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie

In Berlin verteilten sich, für jedermann sichtbar, während des Zweiten Weltkrieges rund 1.000 Zwangsarbeiter-Barackenlager über die gesamte Stadt. In den letzten Kriegsjahren arbeitete in der Reichshauptstadt jeder Fünfte unter Zwang. Zeitzeugen berichten, dass die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in diesen Jahren das Stadtbild prägten.

Die Berliner Bevölkerung hat dies aus ihrer Wahrnehmung „bewusst ausgeblendet und die zwangsweise Arbeit Leistenden nach 1945 totgeschwiegen“. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie“, die im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall entstand und diese Woche vorgestellt wurde.

„Die Ausbeutung der Zwangsarbeiter wurde in den Betrieben sorgfältig organisiert“, erklärt der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Arno Hager, das Interesse seiner Gewerkschaft am Thema. An der Basis scheint das noch nicht richtig angekommen zu sein: Bei der Suche nach Zeitzeugen und Informationen habe sie einen Aufruf in die Mitgliederzeitung der IG Metall gesetzt, jedoch keine Antwort erhalten, so die Autorin, die Soziologin Tanja von Fransecky.

Noch immer ist es der Forschung nicht gelungen, eine vollständige Liste der Firmen zu erstellen, die von der Zwangsarbeit profitierten. In Berlin als wichtigem NS-Rüstungsstandort stimme sie vermutlich weitgehend mit dem damaligen Branchenbuch der Metallindustrie überein, so Fransecky. Insgesamt arbeiteten eine halbe Million Zwangsarbeiter in der Stadt. Die Autorin zeigt in ihrer Arbeit, dass die Berliner Betriebe nicht nur von der Leistung der Zwangsarbeiter profitierten, sondern auch für deren menschenunwürdige Lebensverhältnisse mitverantwortlich waren. Neben der Deutschen Arbeitsfront betrieben auch die großen Firmen eigene Barackenlager. Von ihren kargen Löhnen mussten die Zwangsarbeiter ihre Unterkunft und Verpflegung bezahlen. An die Auflage, die „Ausländer“ voll zu verpflegen, hielten sich die Firmen dennoch nur selten. Zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen trug kaum eine Betriebsleitung von sich aus bei, wie Fransecky herausfand.

Auch bei der Disziplinierung der Zwangsbeschäftigten nahmen die Betriebe eine aktive Rolle ein. Siemens übergab jährlich 300 bis 400 auffällig gewordene Arbeiter der Gestapo. Intern konnten die Betriebe ihre Beschäftigten weitgehend eigenmächtig bestrafen. Die Firma Ehrich und Graetz AG in Treptow etwa sperrte Zwangsarbeiter drei Tage in Dunkelheit ohne Schlafgelegenheit bei Wasser und Brot ein. Jeder Betrieb beschäftigte einen „Abwehrabgeordneten“, der der Gestapo gegenüber verantwortlich war. Bei Fluchtversuchen russischer Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen galt der Befehl, sofort zu schießen.

Mit der Studie ist Fransecky ein Überblick über dieses unmenschliche Kapitel der Berliner Stadtgeschichte gelungen. Das ursprüngliche Ziel der Untersuchung, den Alltag von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den Berliner Metallbetrieben zu erforschen, hat sie allerdings nicht erreicht: Dazu fehlten der Autorin die Aussagen von Zeitzeugen.

Info:
Vortrag und Diskussion „Zwangsarbeit in der Berliner Metall- und Elektroindustrie – Ergebnisse einer Studie der Otto Brenner Stiftung“ am 25. Februar 2004 (pdf-Datei)

Quelle: taz Berlin, Nr. 7295, 27.2.2004

„Heimatbesessener“ Kreisarchivar

Kreisarchivar Wolfgang Burkhardt sitzt nachdenklich an seinem Schreibtisch im Dippoldiswalder Landratsamt. „Ich bin jetzt schon das 15. Jahr im kommunalen Archivwesen tätig. Dass ich kurz vor der Wende diese Richtung einschlug, war eine meiner besten Entscheidungen in beruflicher Hinsicht“, schätzt er ein.

Dazu gebracht hatte ihn sein Interesse an der Heimatgeschichte. „Wir leben in einer Region mit einer hochinteressanten Historie“, sagt er. Vieles davon gerate mit der Zeit unweigerlich in Vergessenheit. Doch das Wichtigste sollte bewahrt und für die Zukunft erhalten bleiben. Archive würden dazu einen wertvollen Beitrag leisten, und er sei froh, auf diesem Gebiet arbeiten zu dürfen.

Seine ursprüngliche Lebensplanung hätte ganz anders ausgesehen, berichtet der Archivar. Er wuchs in Freital als Sohn eines Stahlwerkers auf und erlernte den Beruf des Schlossers. Danach studierte er Maschinenbau und übte verschiedene Verwaltungstätigkeiten aus. „Nebenbei habe ich mich da schon immer mit Heimatgeschichte befasst, und das wusste man auch beim damaligen Rat des Kreises Freital“, erzählt Burkhardt. So sei ihm 1989 auch von dort aus die Frage gestellt worden, ob er nicht das Kreisarchiv übernehmen wolle. Es habe sich damals in einem erbarmungswürdigen Zustand befunden. Kurz entschlossen hätte er zugesagt, um die Einrichtung zu retten.

An der Berliner Humboldt-Universität erwarb sich Burkhardt eine Zusatzqualifizierung und im Dresdner Hauptstaatsarchiv absolvierte er einen berufsbegleitenden Lehrgang, um sich fit für seine neue Aufgabe zu machen. Als 1994 der Weißeritzkreis gebildet wurde, zog er mit seinen Unterlagen nach Dippoldiswalde und führt seitdem dort das neue Kreisarchiv.

Sein Büro in der Dr.-Friedrichs-Straße lässt den Heimatfreund erkennen. Die Wände zieren Plakate und Bilder von Wilhelmine Reichard, der ersten deutschen Ballonfahrerin aus Freital, sowie von Museen und Eisenbahnen der Umgebung. Burkhardt umgibt sich gern damit, denn so sind ihm liebe Dinge aus der Region immer nah. Doch der Kreisarchivar ist nicht nur ein Schwärmer. Der Liebe zur Heimat muss für ihn auch die Tat folgen. So hat er es als freiwillige Dienstaufgabe übernommen, halbjährlich die Treffen der Ortschronisten und Heimatforscher des Weißeritzkreises zu organisieren. „Dort befördern wir den Dialog untereinander und tauschen uns aus über neue Möglichkeiten der Heimatforschung und der Archivierung ihrer Belege.“

Aber auch privat steckt Burkhardt voller Elan. „Ich möchte kein Datum verpassen, das aus regionalhistorischer Sicht von Belang ist. Und dann überlege ich, wie es am besten den aktuellen Gegebenheiten zugeordnet werden kann“, erklärt er. Jetzt hat Wolfgang Burkhardt, der bei Insidern schon als „Heimatbesessener“ gilt, Freitals Wahrzeichen, das König-Albert-Denkmal auf dem Windberg, im Blick. Am 18. August wird es 100 Jahre alt. „Ich möchte, dass dieses Jubiläum in würdiger Form gefeiert wird“, sagt er und will die Freitaler dafür mobilisieren.

Kontakt:
Zentralamt Weißeritzkreis
Kreisarchivar Wolfgang Burkhardt
Dr.-Friedrichs-Str. 2
D-01744 Dippoldiswalde
Telefon:  03504-634 167/200
Wolfgang.Burkhardt@weisseritzkreis.com

Quelle: Sächsische Zeitung, 28.2.2004

Drei Handschriften des Nibelungenliedes in einer Ausstellung

Dies ist eine Gelegenheit, die zu unseren Lebzeiten nicht wiederkehren wird: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte sind die drei ältesten und wichtigsten Handschriften des Nibelungenliedes in einer Ausstellung versammelt. Und es ist gut möglich, daß es auch das letzte Mal sein wird. Nur wenige Schritte trennen die drei klimatisierten Vitrinen voneinander, in denen die Handschriften A, B und C liegen. Sie stammen aus München, St. Gallen und Karlsruhe, wo die Handschrift C seit drei Jahren aufbewahrt wird, nachdem das Haus Fürstenberg das kostbare Manuskript 1999 zum Verkauf angeboten hatte. Der spektakuläre Ankauf aus Mitteln der Bundesrepublik und der Landesbank Baden-Württemberg bot den Anlaß zu dieser reichen Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, von der man ohne Übertreibung sagen darf, daß sie einmalig ist. Denn es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß die verschiedenen Leihgeber noch einmal bereit sein werden, die Risiken auf sich zu nehmen, die Transport und Präsentation derart empfindlicher Objekte nun einmal mit sich bringen.

Alle drei Handschriften stammen aus dem dreizehnten Jahrhundert und dürften in Schreibstätten im alemannisch-bayerischen Alpenraum oder in Tirol entstanden sein. Keine der Handschriften gibt das Original wieder, dessen erste schriftliche Fixierung etwa um das Jahr 1200 erfolgt sein dürfte. Die Anfänge des Nibelungenliedes liegen im Dunkeln, der Verfasser ist ebensowenig bekannt wie der Entstehungsort. Es spricht jedoch viel dafür, daß Wolfger von Erla, Bischof von Passau von 1191 bis 1204, der Auftraggeber des Werkes war.

Der Dichter des Nibelungenliedes griff auf jahrhundertealte Überlieferungen zurück, die teilweise bis in die Zeit der Völkerwanderung zurückreichten. Die vernichtende Niederlage eines germanischen Stammes gegen eine Hunnenstreitmacht, die vielleicht in römischen Diensten stand, dürfte der historische Kern der Dichtung gewesen sein, die in vielen verschiedenen Formen und Kulturkreisen überliefert wurde. So zeigt die Ausstellung etwa um 1020 in Mittelschweden entstandene Felsritzungen mit Szenen der Sigurdsage oder einen Bildstein von der Insel Gotland, wo sich seit dem neunten Jahrhundert die frühesten Zeugnisse der Nibelungensage erhalten haben. Der Drachentöter, eine ursprünglich eigenständige Überlieferung mit merowingischen Wurzeln aus dem fünften Jahrhundert und der Nibelungenhort sind Motive, die auch in der „Edda“ zu finden sind, der nordischen Liedersammlung.

Als sich der unbekannte Dichter um 1200 an die Arbeit machte, hatten in einer Jahrhunderte überspannenden Kette mündlicher Überlieferungen ganz unterschiedliche Motive zusammengefunden, die nun nach den damals herrschenden literarischen Moden und Gesetzen der Heldenepik erstmals schriftlich niedergelegt wurden. Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg waren Zeitgenossen des „Nibelungenlied“-Dichters, der seinen Stoff auf 39 Âventiuren verteilte, die wir heute als Kapitel wahrnehmen. Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Wort soviel wie Erzählung, Begebenheit oder Abenteuer.

Über den individuellen Anteil des jeweiligen Schreibers an Inhalt und Form des Nibelungenliedes hat die Fachwelt viel diskutiert. Zunächst hatte man die Existenz eines als verbindlich anzusehenden Originals angenommen, das mehr oder minder präzise kopiert wurde. Später wurde der Kopist zu einer Art Redakteur, der nicht Abschriften, sondern eigenständige Fassungen erstellte. Genaue Vergleiche der drei Handschriften haben weitreichende Übereinstimmungen, aber auch gravierende Abweichungen im Detail erkennen lassen.

Auch die äußere Form variiert stark. Während Handschrift A und B den Text platzsparend zweispaltig präsentieren, weist Handschrift C nur eine Spalte auf. Wie kostbar aber auch für ihren Schreiber das Pergament gewesen sein muß, zeigt ein Kuriosum: Das prächtige Initial auf der ersten Seite ist spiegelverkehrt. Der Schreiber muß das U also mechanisch kopiert haben, konnte den Fehler aber später nicht mehr korrigieren. Noch weniger Wert auf Vollkommenheit der kostbaren Handschrift legte der Sammler und Historiker Joseph von Laßberg, der sie 1815 während des Wiener Kongresses erwarb und mit seinem Exlibris verunstaltete.

Als Laßberg die Handschrift C mit dem Geld einer Freundin, der Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg, erwarb, war ihre Existenz gerade einmal sechzig Jahre bekannt. Der Lindauer Arzt Jacob Hermann Bodereit hatte sie am 29. Juni 1755 in der Bibliothek des Grafen von Hohenems entdeckt, sein Freund Johann Jacob Bodmer veröffentlichte nur zwei Jahre darauf eine erste Edition und prägte den Vergleich mit Homers „Ilias“. Eine einzigartige, auch unheilvolle Rezeptionsgeschichte begann, die von den Freiheitskriegen bis zum Ersten Weltkrieg reichte, als der Reichskanzler von Bülow Österreich der „Nibelungentreue“ versicherte und nach der Niederlage die „Dolchstoßlegende“ erfunden wurde. Zahllose Künstler wie Füssli, Schnorr von Carolsfeld, Peter Cornelius, Richard Wagner, Fritz Lang und zuletzt Heiner Müller und Moritz Rinke schrieben an dieser Nachgeschichte mit. Die politische Instrumentalisierung des „Nibelungenliedes“ erreichte ihren trostlosen Höhepunkt unter den Nationalsozialisten, als Göring den todgeweihten Soldaten im Kessel von Stalingrad die Nibelungen als Vorbild für einen sinnlosen Heldentod empfahl.

Die Rezeption des Nibelungenliedes wird in der überaus sehenswerten Karlsruher Ausstellung ausführlich dokumentiert, nimmt aber sinnvollerweise deutlich weniger Raum ein als der Versuch, die Lebenswelt der Nibelungen vorzustellen. Dazu wurden zahlreiche, oft einzigartige Objekte zusammengetragen, die unter Überschriften wie „Rittertum“, „Von Lindwürmern und Drachen“, „Höfische Jagd“ oder „Schiffahrt auf Fluß und Meer“ motivgeschichtliche Hintergründe erhellen. Ein kostbarer Tragaltar, eine Einbaumtruhe und die fast tausendjährigen Überreste eines Bootes illustrieren die Reise der Burgunden, die auf der Donau ihrem Tod an Etzels Hof entgegenfuhren. Ein prächtiges Aquamanile und achthundert Jahre alte hölzerne Daubenbecher und Drechselteller geben einen Eindruck von einer mittelalterlichen Festtafel. In Kinderaugenhöhe angebrachte, leicht verständliche Kurztexte sowie zahlreiche Zusatzveranstaltungen wie eine kalligraphische Schreibwerkstatt sorgen dafür, daß auch Kinder Zugang zu einer grausamen, faszinierenden und widersprüchlichen Welt finden, die nicht all ihre Geheimnisse preisgeben will. Noch immer wissen wir etymologisch nicht, was es eigentlich bedeuten soll, das Wort von den „Nibelungen“.

Info:
Die Ausstellung läuft noch bis zum 14. März. Der Katalog kostet im Buchhandel 29,90 Euro. Am heutigen Samstag (28.2.) findet von 18.30 bis 24 Uhr eine „Nibelungen-Nacht“ mit Vorträgen, mittelalterlicher Musik und einer Theateraufführung statt.

Kontakt:
Badisches Landesmusem Karlsruhe
Schloss
76131 Karlsruhe
Tel.: 0721 / 926 – 6514
Fax: 0721 / 926 – 6537
E-Mail: info@landesmuseum.de

Quelle: FAZ, 28.2.2004, Nr. 50, S. 37

Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg

Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg, 1914 von John Meier gegründet, gilt heute als das zentrale, einzigartige Archiv für die Volksmusikforschung in Deutschland. Was Anfang des 20. Jahrhunderts als private Liedsammlung eines Völkerkundlers begann, ist inzwischen zu einer umfangreichen Dokumentationsstelle des deutschen Volksliedes mit internationaler Ausstrahlung herangewachsen.

Das Archiv – heute Eigentum des Landes Baden-Württemberg – sammelt nicht nur, sondern erforscht auch die Geschichte des deutschen Volksliedes und publiziert die wissenschaftlichen Ergebnisse in einer eigenen Reihe. Darüber hinaus machen rund 20.000 Schallaufzeichnungen das Fachgebiet für die Besucher auch akustisch erfassbar. 

Kontakt:
Deutsches Volksliedarchiv
Arbeitsstelle für internationale Volksliedforschung
Silberbachstr. 13
79100 Freiburg i.Br.
Tel: (0761) 70 50 3-0, Fax: -28
info@dva.uni-freiburg.de

Quelle: DeutschlandRadio Berlin, 28.2.2004 (Vorschau auf Sendung am 21.3.2004)