5. Sitzung des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA

Am 9. Dezember 2003 kam der Arbeitskreis Archivische Bewertung im VdA im Archiv für Christlich-Demokratische Politik in St. Augustin zu seiner mittlerweile fünften Sitzung zusammen. Thema des Arbeitstreffens war u.a. die Bewertung von audiovisuellen (AV) Unterlagen und von Sammlungsgut.

Die Diskussion im AK drehte sich vor allem um die Frage, inwieweit AV-Unterlagen mit Massenakten zu vergleichen seien. Professor Dr. Edgar Lersch plädierte dafür, AV-Unterlagen nicht als Sammlungsgut, sondern als Medienregistraturgut zu betrachten. Totalarchivierungskonzepte, wie sie in weiten Teilen der medialen Printproduktion praktiziert würden, seien hingegen ungeeignet. Ziel der Bewertung müsse eine auswertungsoffene Überlieferung sein. Methodisch gehe es um die Einzelbewertung von Produktionsstücken, bei der der informationelle Gehalt im Kontext der komplexen Produktion betrachtet werde. So könne man angesichts der großen Mengen auch schematisch bewerten. Vergleichbar sei möglicherweise, so Lersch, das Vorgehen bei der Bewertung von Fallakten. Letztlich ließe sich die informationelle Qualität der Unterlagen mit klassifizierten Gattungen im Programmangebot korrelieren, wobei drei Gruppen unterschieden werden könnten:

  1. dokumentarische Vermittlung von Realität (Nachrichten, Reportagen, Übertragungen) – wegen der Einmaligkeit zu archivieren,
  2. Fiktion – ausgewählte Beispiele für das Gattungsschema aus bestimmten Zusammenhängen, insbesondere unter Beachtung der Gestaltungsvielfalt,
  3. Vorträge, inszenierte Gesprächsrunden, Interviews, Spielshows, Quizsendungen, Ratgeber, inszenierte Ereignisse – schematisierte Auswahl wegen der Gleichförmigkeit.

Hinterfragt wurde, inwieweit Hörfunk- und Fernsehproduktionen nicht eher mit Sachakten zu vergleichen seien. Ebenfalls Anwendung finden könne das Prinzip, dass bei Variantenreichtum dichter, bei starker Schematisierung hingegen in stärkerer Auswahl archiviert werde (vgl. dazu Andreas Pilger/Kathrin Pilger: Die Bewertung von Verwaltungsschriftgut als Beobachtung zweiter Ordnung, in: Der Archivar 56/2003, 111-118). Für einzelne Sendeplätze ist ihre Entwicklung im Gesamtkontext medialer Produktionen zu berücksichtigen. Auch bei dieser Überlieferung ist die Bedeutung einzelner Personen bzw. Ereignisse für die Bewertung von Relevanz.

Im Ergebnis hielt der Arbeitskreis während seiner Sitzung fest, dass auf Hörfunk- und Fernsehproduktionen insgesamt problemorientiert das allgemeine fachliche Handwerkszeug der Bewertung anzuwenden sei. Der Bewertungsvorgang müsse dabei stark auf eine Analyse der informationellen Qualität unter Beachtung des Grades der Schematisierung bzw. der Gestaltungsvielfalt ausgerichtet sein.

Links:

Quelle: Protokoll des AK Bewertung im VdA nebst Anlage, 19.1.2004.

Umzug des Stadtarchivs Lünen abgeschlossen

Nun ist der Umzug mit drei Regalkilometern Akten und drei Mitarbeitern perfekt: Ab Montag öffnet das Stadtarchiv Lünen in seinen neuen Räumen im Rathauskeller auch wieder für Besucher. Die können jetzt in einem eigenen Raum an Lesetischen arbeiten. „Bald soll noch ein Besucher-PC dazukommen“, kündigt Stadtarchivar Fredy Niklowitz an. Elf neue Räume hat der stolze Hausherr nun. Seit Oktober hatten dort die Handwerker das Sagen. Wegen des Umzugs war das Archiv in den vergangenen beiden Wochen geschlossen, recherchieren konnte man immerhin vom heimischen PC aus.

Nun kann man wieder mit den alten Schätzchen arbeiten. Das älteste Stück, eine „Siegelpettschaft“, stammt aus dem Jahr 1320. Auch die Stadtrechtsurkunde von 1341 lagert im neuen Reich von Fredy Niklowitz. Zwischen den rollbaren Magazinregalen verbergen sich „Aha-Erlebnisse für Generationen“, sagt der Archivar. Manches erscheint heute absonderlich. Etwa das „Strafenbuch“ der evangelischen Kolonieschule, der heutigen Paul-Gerhardt-Schule. Drei Stockschläge verzeichnet dort ein Eintrag von 1909 – für einen Hausaufgabenvergesser. Die letzten Aufzeichnungen darin stammen von 1948 – vielleicht hegt ja noch jemand dunkle Erinnerungen.

Info:
Öffnungszeiten: Montag, Dienstag und Donnerstag zwischen 8 und 12.30 Uhr sowie 13.30 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 12.30 Uhr.

Kontakt:
Stadtarchiv Lünen
Willy-Brandt-Platz 1
44532 Lünen
Tel.: (02306) 104 – 1531
Fax: (02306) 104 – 1460
Stadtarchiv@luenen.de

Quelle: WAZ Lünen, 13.2.2004

Programm der Frühjahrstagung der FG 8 im VdA

Das Frankfurter Universitätsarchiv lädt zur Frühjahrstagung der Fachgruppe 8 (Hochschularchivare und Archivare wissenschaftlicher Einrichtungen) des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) ein: Die Tagung am 18./19. März 2004 steht unter dem Thema „Stadt, Universität, Archiv“ und findet in der
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main,
Campus Westend, Grüneburgplatz 1,
60323 Frankfurt am Main,
Eisenhower-Raum (Raum IG 1.314) statt.

Programm:
Donnerstag, 18. März 2004
9.00 Uhr

Eröffnung der Tagung durch den Leiter des Frankfurter Universitätsarchivs, Dr. Michael Maaser

Begrüßung durch den Kanzler der Universität Frankfurt, Dr. Wolfgang Busch
Grußwort des VdA-Vorsitzenden, Professor Dr. Volker Wahl (Weimar)
Begrüßung durch den Vorsitzenden der Fachgruppe 8, Dr. Dieter Speck (Freiburg i.Br.)


9.30 Uhr
Eröffnungsvortrag: 90 Jahre Universität Frankfurt am Main, Professor Dr. Notker Hammerstein (Frankfurt am Main)

10.15 Uhr Kaffeepause (bis 10.45 Uhr)

10.45 Uhr
Vortrag: Universität und Stadt Wien. Szenen einer „konfliktreichen Harmonie“. Hofrat Dr. Kurt Mühlberger (Wien)

11.30 Uhr
Vortrag: Universitätskuratel zwischen Staat, Stadt und Universität. Das Beispiel Jena. Dr. des. Stefan Gerber (Jena)

12.15 Uhr Mittagessen in Mensa Casino

14.00 Uhr
Vortrag: Universität und Stadt Rostock im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Dr. Matthias Asche (Tübingen)

14.45 Uhr
Vortrag: Die Universität des Saarlandes im politischen Umbruch (1955-1957), Dr. Wolfgang Müller (Saarbrücken)

15.30 Uhr Kaffeepause (bis 16 Uhr)

16.00 Uhr
Organisatorisches: Fachgruppe 8, Dr. Dieter Speck

17.00 Uhr
Besichtigungen: Campus Westend (Poelzig-Bau, BzG) oder Campus Bockenheim (Altes Hauptgebäude, Universitätsarchiv)

19.30 Uhr
Geselliger Abend mit Abendessen


Freitag, 19. März 2004
9.00 Uhr

Begrüßung, Dr. Michael Maaser

9.30 Uhr
Vortrag: Die Justus-Möser-Dokumentationsstelle an der Universität Osnabrück, Dr. Dr. Karl H. L. Welker (Osnabrück)

10.15 Uhr Kaffeepause (bis 10.45 Uhr)

10.45 Uhr
Vortrag: Das Hofmannsthal-Archiv des Freien Deutschen Hochstifts, Dr. Joachim Seng (Frankfurt am Main)

11.30 Uhr
Vortrag: Das Archivzentrum der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, Jochen Stollberg (Frankfurt am Main)

12.15 Uhr Mittagessen in Mensa Casino

14.30 Uhr
Führung durch Innenstadt Frankfurt

Kontakt:
Dr. Michael Maaser
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Leiter des Universitätsarchivs
Senckenberganlage 33 (Campus Bockenheim)
D-60325 Frankfurt/Main

Tel. (069) 798-23172
Fax (069) 798-23173
E-Mail: Maaser@uni-frankfurt.de

Homepage des Frankfurter Universitätsarchivs
http://www.uni-frankfurt.de/uniarchiv/

Notfallplanung für heimische Archive

Sechzehn südwestfälische Archivarinnen und Archivare befassten sich jetzt intensiv mit dem Katastrophenfall in Archiven. Das Thema einer Fortbildung lautete „Praktische Maßnahmen zur Notfallvorsorge“; für die Veranstaltung hatte das Westfälische Archivamt (Münster) in Siegen bereit gestanden. Die Fortbildung war nötig geworden, nachdem im Siegen-Wittgensteiner Kreisgebiet kürzlich in den Archiven in Siegen und Freudenberg Wasserschäden zu beklagen waren.

Zum einen war durch den sintflutartigen Regen im August 2002 Wasser auch in das Siegener Stadtarchiv eingedrungen. Damals waren glücklicherweise die Mitarbeiter alle noch zugegen und konnten die meisten Schäden abwenden. Es hatte sich aber bereits um den vierten Wasservorfall im Stadtarchiv innerhalb von zehn Jahren gehandelt. Zum anderen stellte ein Jahr später ein Wasserrohrbruch in Freudenberg eine ernsthafte Gefahr für das dortige Archiv dar.

Die Westfälische Rundschau interviewte Thomas Wolf, seit zwei Jahren Archivar des Kreises Siegen-Wittgenstein, zur Fortbildung „Notfallvorsorge“.

WR: Worum konkret ging es bei dem Seminar?

Wolf: Wir haben unter anderem die Erstellung von Musterplänen beraten, um die richtige Vorgehensweise im Notfall zu gewährleisten, also Fragen der Bergung, Verpackung und Zwischenlagerung von Dokumenten. Aber auch Kenntnisse über den sachgerechten Umgang mit bereits wassergeschädigtem Material spielte eine wichtige Rolle.

WR: Was machen Sie in dem Fall?

Wolf: Solches Material muss vor Ort tiefgefroren werden und dann ins Westfälische Archivamt nach Münster geschickt werden, wo die durchnässten Bestände mittels einer Vakuum-Gefrierbehandlung schonend getrocknet werden können.

WR: Haben Sie für den Fall der Fälle einen Tiefkühlpartner vor Ort?

Wolf: Noch nicht, aber genau um solche Sachen wollen wir uns jetzt kümmern.

WR: Wer ist „wir“?

Wolf: Der Arbeitskreis der Archivare im Kreisgebiet. Wir bilden übrigens auch eine Telefonkette, um uns gegenseitig sofort zu unterstützen, falls es irgendwo zu einem Schaden kommt.

Auf Anregung von Detlev Köppen vom Stadtarchiv Freudenberg erklärten sich alle Teilnehmer bereit, für qualifizierte Rettungsarbeiten zur Verfügung zu stehen.

Quelle: Westfälische Rundschau Siegen, 12.2.2004

Rekord zeigt Grenzen der Belastbarkeit auf

Auf der Suche nach Dokumenten klopfen immer mehr Wissenschaftler und Hobby-Historiker an die Tür des Esslinger Stadtarchivs. Dort freut man sich zwar über das große Interesse. Doch in der Schatzkammer der Stadtgeschichte stößt man an Grenzen – sowohl räumlich als auch personell. Als sich unlängst sieben Nutzer gleichzeitig im Lesesaal des Archivs tummelten, wurde es eng. „Wenn noch jemand gekommen wäre, hätten wir nicht gewusst, wo wir den hinsetzen sollen“, schildert Archivarin Iris Sonnenstuhl-Fekete.

Dass sich das Archiv zunehmender Beliebtheit erfreut, zeigt auch die Statistik: Kamen 2001 noch 579 Benutzer, stieg die Zahl 2002 auf 630, um sich im vergangenen Jahr gar auf 920 zu steigern – darunter sowohl Studenten, die Archivalien für ihre Magister- oder Doktorarbeit brauchen, als auch Menschen, die an einer Veröffentlichung arbeiten, Besitzer historischer Gebäude, Mitglieder der Esslinger Frauengeschichtswerkstatt und viele Schüler.

„Es freut uns sehr, dass so viele Schüler kommen. Denn das zeigt, dass immer mehr lokalgeschichtliche Themen im Unterricht behandelt werden“, meint Archivarin Karla Rommel. Die meisten Schüler, die im Archiv stöbern, beschäftigen sich übrigens mit dem Nationalsozialismus.

Auch Kollegen anderer Archive sind von den Esslinger Beständen angetan – so etwa die Mitarbeiter der Datenbank für Luftaufnahmen, die Luftbilder aus dem Zweiten Weltkrieg auswerten. „Wir haben sehr gute Pläne der Stadt mit den genauen Treffern“, erläutert Iris Sonnenstuhl-Fekete.

Dass sich immer mehr Menschen für die Historie vor Ort interessieren und das Geschichtsbewusstsein generell steigt, hat für den Leiter des Stadtarchivs, Joachim Halbekann, mit der „Aura der Unmittelbarkeit“ zu tun. Denn in einer Welt, die immer schwerer zu durchschauen ist, erlangt all das, was authentisch ist eine größere Bedeutung.

Archive stehen grundsätzlich jedem und jeder offen. „Die Französische Revolution hat auch hier zu einem Epochenbruch geführt“, weiß der Stadtarchivar. „Während die Bestände früher Herrschaftswissen waren, sind die Archive heute demokratische Institutionen, in denen auch die politischen Entscheidungen nachvollzogen werden können.“ Jedoch kann man nicht in alle Archivalien gleichermaßen Einblick nehmen, weil Sperrfristen gelten. „Denn wir müssen auch den Persönlichkeitsschutz gewährleisten, was mitunter im Widerspruch zum demokratischen Anspruch auf Transparenz steht.“

Jeder Benutzer des Stadtarchivs hat freilich seine ganz eigene Fragestellung, was die Arbeit der Archivarinnen zwar spannend macht. „Es ist überhaupt nicht planbar“, erzählt Iris Sonnenstuhl-Fekete. Doch die Betreuung der Besucher braucht halt ihre Zeit. „Bei der Recherche tauchen dann oft wieder neue Fragen auf“, fügt Karla Rommel hinzu. Zugenommen haben auch die Anfragen, die schriftlich, per Internet oder telefonisch im Stadtarchiv eintrudeln.

„Wir haben Benutzerzahlen erreicht, die uns sowohl von der technischen als auch von der personellen Ausstattung her an den Rand unserer Kapazitäten bringen“, macht Joachim Halbekann deutlich. Schließlich ist es nicht die alleinige Aufgabe des Archiv-Teams, Bürgerinnen und Bürgern bei der Recherche zu helfen. Bestände müssen verzeichnet, verwaltet, und vor allem auch ausgewertet werden. Und ständig kommen neue Archivalien hinzu, die auch wieder verzeichnet, verwaltet und ausgewertet werden wollen. „Unser Problem ist, dass das steigende Interesse für die Geschichte parallel läuft mit dem Sinken der Kommunalfinanzen“, macht Joachim Halbekann klar. Da die Pflichten (siehe oben) nicht weniger werden, bleibe immer weniger Zeit und Geld für die Kür.

Das Esslinger Stadtarchiv hat neue Öffnungszeiten. Es ist montags bis freitags von 8.30 bis 12 Uhr sowie montags bis mittwochs von 13 bis 16 Uhr geöffnet. Am Donnerstag steht das Archiv von 13 bis 18 Uhr für Besucher offen.

Kontakt:
Stadtarchiv Esslingen
Marktplatz 20
73728 Esslingen am Neckar
Postfach 10 03 55
73726 Esslingen am Neckar

Quelle: Esslinger Zeitung, 11.2.2004

Mit Flachware dem Bild der Stadt Tiefenschärfe geben

Langsam hebt sich die Wandverkleidung des kleinen, gotischen Raums am Kreuzgang des Karmeliterklosters. Schwere Tresortüren werden sichtbar. Michael Matthäus streift sich weiße Handschuhe über, bevor er in die Stahlschränke greift. Dort liegen die kostbarsten Stücke der Frankfurter Stadtgeschichte: die älteste erhaltene Originalurkunde, ein Pergament vom 2. Dezember 882, in dem Kaiser Karl III. eine Stiftung seines Vaters zugunsten des heutigen Bartholomäusdoms bestätigt, die Frankfurt als einen Hauptort des ostfränkischen Reichs ausweist; das Messe-Privileg des Stauferkaisers Friedrich II. von 1214, das eine Grundlage für den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt am Main legte; die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356, eines der wichtigsten Gesetze des Alten Reichs, das die Regularien der Königswahl festlegte und Frankfurt als Ort der Wahl bestätigte.

„Flachware“ nennen die Historiker im Institut für Stadtgeschichte solche schriftlichen Zeugnisse beinahe ein wenig despektierlich. Flachware, die dem Bild der Stadt allerdings erst Tiefenschärfe gibt.

Matthäus, im Institut für die Mittelalter-Abteilung zuständig, hält in seiner Schatzkammer aber auch plastisches Anschauungsmaterial für Besuchergruppen bereit: die Schere etwa, die als Beweisstück gegen die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt, Goethes Gretchen, in ihren Prozeßakten verwahrt ist, oder Kerbhölzer, die auf den ersten Blick klarmachen, was es heißt, wenn jemand viel auf demselben hat.

Das Gedächtnis der Stadt umfaßt freilich ungleich mehr als den Inhalt der Tresore. Das ganze, bis 1866 reichende Alte Archiv lagert im Karmeliterkloster auf drei Etagen unter der Erde. Zehn Kilometer Kompaktregale stehen dort in fahlem Neonlicht in nüchternen, weiß getünchten Räumen. Regelmäßig hört man das Rumpeln der U-Bahn. Als sie in den achtziger Jahren entstand, hatte man den ganzen Platz vor der mittelalterlichen Klosteranlage für die Baustelle ausgehoben. Eigentlich sollte nach der Fertigstellung alles wieder zugeschüttet werden, doch der damalige Archivleiter Wolfgang Klötzer nutzte die Gunst der Stunde, um Lagerraum für das seit 1956 im Karmeliterkloster untergebrachte Institut zu gewinnen.

Dabei existiert überhaupt nur noch etwa ein Viertel der historischen Unterlagen. Das meiste ist bei den Bombenangriffen auf Frankfurt im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Die Auslagerungen davor waren ziemlich chaotisch verlaufen, je nach „Spritlage“ wurden Teile unter anderem in die Kronberger Burg, nach Schloß Meerholz und in das Salzbergwerk von Bad Friedrichshall bei Heilbronn gebracht. So ist etwa das Frankfurter Ratsarchiv vernichtet, die entsprechenden Dokumente der eingemeindeten Orte haben den Krieg in Kronberg überstanden.

Und doch ist man im Karmeliterkloster längst an die Grenzen gestoßen: Akten einzelner Ämter und Betriebe sowie Personalakten der Stadt sind im Ostturm der Großmarkthalle ausgelagert. Wirtschaftsarchiv und Nachlaß-Sammlungen sind an der Eschborner Landstraße in Rödelheim untergebracht. Diese Dokumente sollen alle in das geplante neue Magazin an der Borsigallee umziehen, das 2006 bezugsfertig sein soll. Ein Archiv sei eben „ein wachsender, lebender Organismus“, sagt der für die modernen Akten zuständige Konrad Schneider. Doch ausgerechnet in der Stadtverwaltung scheint das Bewußtsein dafür gelegentlich etwas unterentwickelt zu sein. Frankfurt sollte doch ein Archiv für seine Akten aufbauen, sei einmal als Verbesserungsvorschlag aus dem Rathaus gekommen. Schneider nimmt so etwas gelassen. Die sogenannte Aktenabgabepflicht sei das eine, was die Ämter daraus machten, sehe oft ganz anders aus. Es ist schon mehr als einmal vorgekommen, daß eine Behörde keine Unterlagen mehr gehabt habe und etwa für Jubiläen dann im Stadtarchiv die eigene Geschichte recherchierte.

Freilich muß auch Schneider auswählen, wenn es gilt, Unterlagen in die Obhut des Instituts zu übernehmen. Zu zweit würden Papiere gesichtet, „denn Fehler sind ja nicht mehr zu korrigieren“, berichtet er. Das gilt nicht nur für amtliche Schriftstücke. Das voriges Jahr geschlossene Kaufhaus Schneider beispielsweise hatte sein Archiv vollständig weggeworfen, womit auch in dieser Hinsicht ein Stück Frankfurter Lokalgeschichte verlorenging.

Dabei gibt das Institut auch Tips für den Aufbau von Archiven, und zwar nicht nur im Wege der Amtshilfe, sondern auch für Vereine oder Privatleute. „Wir verstehen uns als Dienstleistungsunternehmen“, hebt die amtierende Direktorin Evelyn Brockhoff hervor und schiebt gleich den Appell nach, alte Unterlagen im Zweifelsfall nicht einfach wegzuwerfen, sondern dem Stadtarchiv anzubieten. „Machen Sie mehr aus ihrem Papier“, lautet der Slogan. Schließlich sei das Archiv dazu da, „das Leben Frankfurts in all seinen Facetten zu dokumentieren“ – wobei gelegentlich auch der Zufall hilft. So fand sich vor einiger Zeit zum Beispiel eine Sammlung seltener Farbfotos der Stadt aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg auf dem Sperrmüll.

Daß alle diese Anstrengungen nicht Selbstzweck sind und die zusammen etwa 80 Mitarbeiter des Instituts für Stadtgeschichte nicht etwa mit dem Blick nach innen damit beschäftigt sind, verstaubte Papiere zu sortieren, zeigt das Angebot des Hauses. Im Karmeliterkloster finden Ausstellungen und Kreuzgang-Konzerte statt. Den Lesesaal nutzen jedes Jahr rund 4000 Besucher, wobei Recherche-Aufträge und telefonische Anfragen gar nicht erfaßt sind. Im Erzählcafe werden regelmäßig Aspekte der Stadtgeschichte von Zeitzeugen beleuchtet.

Voriges Jahr erschien ein amerikanischer Besucher namens Gomer auf der Suche nach der eigenen Geschichte im Institut. Er berichtete, Vater und Onkel seien Weinhändler in Frankfurt gewesen, die als Juden Frankfurt in den dreißiger Jahren verlassen hätten. Die Suche im Archiv förderte unter anderem Magistratsakten über den „Erwerb von Liegenschaften“ 1938 zutage. Sie belegen, wie die Goldmaiers ihr Haus im Westend unter Wert verkaufen und den Erlös als „Vermögensabgabe“ leisten mußten, um ausreisen zu können. Ein Beispiel dafür, wie das Archiv auch individuelle Lebensbilder wiederherstellen kann.

Kontakt:
Institut für Stadtgeschichte
Münzgasse 9
D-60311 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 212-36 276;
Fax: +49 (0)69 212-30 753
www.stadtgeschichte-ffm.de

Quelle: FAZnet, 12.2.2004

Interview zur Gründungsgeschichte Eisenachs

Mit dem 75-jährigen Geschichtsforscher Dr. Gerd Bergmann sprach die Thüringer Allgemeine in Eisenach. Von Hause aus Jurist, entdeckte Bergmann beim Studium der Rechtsgeschichte in Jena das Feld der mittelalterlichen Geschichte. Seit gut 30 Jahren befasst er sich intensiv mit dem Eisenacher Mittelalter.

Warum weiß fast jedes Dorf, wie alt es ist, Eisenach aber tut sich schwer mit der Antwort?
Das liegt daran, dass Dörfer älter sind als Städte. Urkunden wurden ursprünglich ja nur für Besitzwechsel ausgestellt oder wenn Vorrechte erteilt wurden. Darin finden viele Dörfer dann Erwähnung. Die Stadt Eisenach hat sich aus einer Marktsiedlung heraus entwickelt. In ihr wurden bereits 1150 Münzen geprägt. Das beweist, dass um diese Zeit schon ein reger Marktverkehr stattgefunden haben muss. Eine schriftliche Erwähnung war für die Stadt ohne Bedeutung.

Ein Landgrafensitz, der es nirgendwo wert war, urkundlich erwähnt zu werden? Das verwundert dennoch. Nein, den Fachmann nicht.

Existiert denn keine Gründungsurkunde für Eisenach? Nein, die gibt es nicht.

Sie haben Mittelalterakten studiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass Eisenach als „civitas“, als Stadt, erstmals vor 815 Jahren, also 1189 vermerkt wurde. Wo liegt diese Urkunde?
Das Schriftstück liegt im Hessischen Staatsarchiv in Marburg. Es ist aber keine Urkunde im Rechtssinn. Die Jahresangabe 1189 kommt darin nicht vor. Sie lässt sich aber indirekt erschließen. Es ist nur ein schmales Pergament, vielleicht 30 Zentimeter lang, aber höchstens acht Zentimeter hoch.

Ist dieses Dokument in Mönchslatein geschrieben? Nein, in Deutsch.

Wie kamen Sie auf 1189? Es war damals üblich, dass eine Urkunde von dem geschrieben werden musste, der etwas vom Landesherrscher begehrte. Der Landgraf hat sie, wenn er einverstanden war, nur noch signiert, mit Datum versehen und gesiegelt. Dieser Umstand bringt uns dem Alter des Pergaments näher. Wir wissen, dass Landgraf Ludwig III. im Jahre 1189 im Juni zum Kreuzzug aufgebrochen ist, bei dem er ums Leben kam. Er starb auf Zypern. Das Schriftstück ist an ihn gerichtet, also muss es vorher geschrieben worden sein. Sicher nicht sehr lange vorher. Es war ja nicht so, dass ein Urkundenempfänger einfach nach Belieben einen Text formulierte. So etwas war abgesprochen.

Was steht nun in dem Schriftstück? Das Kloster Spieskappel hat in dem Schriftstück beantragt, dass der Landgraf seinen Zöllnern und Schultheißen befehlen möge, diesem Kloster Spieskappel den zollfreien Einkauf in einer Reihe von Städten der Landgrafschaft Thüringen zu gestatten. Darunter waren Creuzburg, Eisenach und Gotha ausdrücklich genannt.

Hat die Obrigkeit diesen Antrag bewilligt? Wie gesagt, ich gehe von einer vorherigen Absprache aus. Aber es ist nicht zur Unterschrift gekommen, weil eben der Landgraf zum Kreuzzug aufbrach. Man darf wohl vermuten, dass die Absprache nicht Jahre zuvor zu Stande gekommen, sondern relativ frisch war. Die Zeit hat einfach nicht mehr gereicht, die Urkunde auszufertigen. Das ist für mich der Anhaltspunkt, dass das Schriftstück im ersten Halbjahr 1189 aufgesetzt wurde. Dass es keine unverbindlichen Schreibübungen des Klosters waren, sondern ein ernst zu nehmendes Papier war, ergibt sich daraus, dass es ins Staatsarchiv aufgenommen wurde, wo es immer noch ist. Andere Forscher vor mir haben die Entstehung weiter gefasst, auf die Jahresspanne von 1180 bis 1189.

Man hat viel über Urkunden gehört, die bereits im Mittelalter gefälscht wurden, weil es um Privilegien wie Grundbesitz ging. Halten Sie die Eisenach-Erwähnung für echt?
Die ist echt, zweifellos. Zu Creuzburg sind andere Urkunden vorhanden, die das erhärten.

Rechnen Sie damit, dass noch ältere Belege gefunden werden? Nein, die Archive sind durchforstet. Und das seit vielen Jahrzehnten. Ich war da keineswegs der Erste.

Quelle: Thüringer Allgemeine, 11.2.2004

Triennale der Photographie 2005 unter dem Motto „Archiv der Gegenwart“ in Hamburg

Die 3. Triennale der Photographie Hamburg findet von Mitte April bis Mitte Juni 2005 statt. Neun Museen und kulturelle Institutionen haben vereinbart unter dem Motto „Archiv der Gegenwart“ dem Profil der Häuser individuelle Ausstellungen für die Triennale der Photographie zu konzipieren.
   
Unter dem Motto „Archiv der Gegenwart“ wird sich die Triennale mit der Sicherung von Photographien als Teil des universellen Gedächtnisses befassen. Welche Bilder liegen im Archiv? Welche Bilder sollten für die Zukunft bewahrt werden? Dem Archiv, verstanden als Speicher und zugleich als Gedächtnisort, haftet heute nichts Verstaubtes mehr an. Vielmehr gilt das Archiv heute als Ort der Beziehungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Das Archiv als Ort der Recherche, als auch als Objekt der Kulturtheorie ist aktueller denn je. Welche Veränderungen bringen die elektronischen Speichermedien mit sich? An dieser Stelle kann sich das Motto umkehren – die Gegenwart des Archivs. Wie viel bleibt in Zukunft erhalten oder verschwindet unter dem Stichwort „Löschen von Information“? Oder verwandelt sich das Archiv schlicht in einen Speicher von Daten, entgegen dem klassischen Bewahren exemplarisch ausgewählter Objekte?

Die Ausstellungen und Veranstaltungen der Triennale sollen dazu anregen, sich mit den verschiedenen Interpretationen des Begriffes „Archiv“ auseinander zu setzen: mit dem Archiv als Sammlung, als Speicher, als Gedächtnisagentur, als Ort der Zirkulation von Symbolen und als Depot von Spuren.

Die 3. Triennale der Photographie Hamburg wird von der Triennale GmbH durchgeführt, die durch das Kuratorium (je einem Vertreter der Kunsthalle, dem Museum für Kunst und Gewerbe, der Deichtorhallen/Internationalen Haus der Photographie, des Kunsthauses, des Kunstvereins, der Freien Akademie der Künste, des Altonaer Museums, dem Museum für Hamburgische Geschichte und dem Museum der Arbeit) bestimmt wurde.

Kontakt:
Dr. Henriette Väth-Hinz
Triennale der Photographie Hamburg GmbH
Tel.: 040 / 42854-4297 
Fax:  040 / 42854 – 3113
Email: info@phototriennale.de
Steintorplatz 1, 20999 Hamburg

Helgolands bewegte Geschichte

Auf diesen „Luxus“ konnte Barbara Thiel nicht verzichten. Eine Woche stöberte die Filmemacherin im Pinneberger Kreisarchiv, wälzte original Akten und kämpfte sich durch Zeitungsartikel. Der Insel Helgoland hat sich die 44-Jährige aus ganz unterschiedlichen Richtungen genähert. Gespräche mit Zeitzeugen – darunter der ehemalige Bürgermeister Henry P. Rickmers – mehrere Aufenthalte auf Deutschlands einziger Hochseeinsel und das Sichten von historischen Fotos und Filmaufnahmen. Das alles ist eingeflossen in ihren Film „Helgoland – 1807 bis 1967“. Entstanden ist eine einzigartige Filmchronik, die in bewegenden Bildern die bewegte Geschichte Helgolands nachzeichnet.

Auch die Trümmerräumung nach dem Zweiten Weltkrieg und die harte Zeit des Wiederaufbaus hat die Bremerin nicht ausgespart. Bei Günther Winkler, dem ehemaligen Baudirektor in der Pinneberger Kreisverwaltung, liefen zwischen 1952 und 1967 die logistischen Fäden dieses einzigartigen Projekts zusammen. Thiel hatte ihn in der Kreisstadt besucht und ließ Winkler über seine Erfahrungen beim beispiellosen Aufbau einer ganzen Gemeinde berichten. Dass das Eiland seit 1932 zum Kreis Pinneberg gehört, hat die Filmemacherin erst durch ihre Recherchen erfahren.

Ihr 60-minütiger Dokumentarfilm über Helgoland ist gleichzeitig ein kritischer Blick auf die deutsche Geschichte, allerdings immer unter dem Blickwinkel der „Lex Helgoland“. „Unter deutscher Herrschaft mussten die Bewohner und die Insel viel erdulden“, sagt Thiel. Das Bollwerk zur See, das Kaiser Wilhelm der II. 1890 postulierte, war der Beginn einer gigantischen militärischen Aufrüstung, die während der NS-Zeit ihren Höhepunkt fand. Zweimal war Adolf Hitler persönlich auf dem Eiland, das die Engländer nach der Besetzung noch bis 1952 als Bombenübungsziel für die Royal Airforce nutzten. Der Kampf um Helgolands Freiheit wurde auch vom Pinneberger Büro aus gelenkt. Appelle gingen an die UNO und sogar an den Papst.

1962 wurde die Insel offiziell als Nordseeheilbad anerkannt. Der Tourismus wurde wieder zum Rückgrat der Gemeinde. Die Idee eines Seebades ging bereits auf die 20er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Mit der Helgoländer Vogelwarte und dem Meeresbiologischen Institut richtet Thiel ihren scharfen Blick auch auf die einzigartige Pflanzen- und Tierwelt. Dabei darf der typische Hummerfang nicht fehlen. Helgoland, dass ist für die Filmemacherin „ein Ort, weit weg von dieser Welt, mit einem einzigartigen Erholungswert“.

Info:
Am Mittwoch, 18. Februar, stellt die Autorin ihren Film in der Pinneberger Landdrostei vor. Die Vorführung, die um 18.30 Uhr beginnt, ist kostenlos.

Die VHS-Videokassette kostet 25 Euro. Sie soll demnächst in den Buchhandlungen erhältlich sein.

Quelle: Pinneberger Tageblatt, 10.2.2004

Archiv des chinesischen Außenministeriums geöffnet

Das chinesische Außenministerium hat sein Archiv der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so eine Meldung auf der offiziösen Website China.org.cn. Bereits am 16. Januar wurde im Archiv eine Ausleihe und ein Lesesaal eröffnet. Wie die Abteilungsleiterin des Archivs, Zhang Sulin, mitteilte, habe die Öffentlichkeit positiv auf die Öffnung des Archivs reagiert.

Erstens biete sie Interessierten und Experten die Möglichkeit zur Forschung. Zweitens könne die Bevölkerung nun die Geschichte des Landes deutlicher nachvollziehen. Und drittens beseitige die Öffnung Vorstellungen von geheimen Archiven und schaffe neue Voraussetzungen zur Durchsetzung des Rechts der Gesellschaft auf Information, glaubt Wu Feng von der chinesischen Hochschule für Außenpolitik, einer der ersten Nutzer.

Der Beschluss zur Öffnung des Archivs durch das Außenministerium wurde gemäß den Bestimmungen des chinesischen Archivgesetzes und nach eingehender Begutachtung der Archivmaterialien gefällt, so Zhang. Die Archivmaterialien seien für chinesische Bürger und Organisationen, Landsleute aus Hong Kong, Macao und Taiwan, Chinesen aus dem Ausland, Chinesen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sowie ausländische Einzelpersonen und Organisationen zugänglich.

In den ersten 4 Tagen nach der Öffnung hätten sich nahezu 30 Menschen zur Nutzung der Archivmaterialien angemeldet. Wie der chinesische Außenminister Li Zhaoxing sagt, soll der Beschluss zur Archivöffnung sowohl den Interessen des Landes als auch der Bevölkerung dienen. Meldungen zufolge können Besucher des Archivs zunächst die rund 5.000 Archivmaterialien des Außenministeriums aus den Jahren 1949 bis 1955 einsehen. Diese Materialien dokumentieren den Aufbau und den Entwicklungsprozess der chinesischen Beziehungen nach Außen in den ersten Jahren nach der Staatsgründung. Rund 30 Prozent der gesamten Archivmaterialien aus dieser Periode können eingesehen werden.

Quelle: China.org.cn, 11.2.2004