Tag der offenen Tür im StA Bad Kreuznach

„Hier trifft sich kein exklusiver Kreis, jeder kann hierher kommen.“ Für Archivarin Franziska Blum-Gabelmann ist es von großer Bedeutung, dass allen stadtgeschichlich Interessierten die Tür des Stadtarchivs Bad Kreuznach offen steht. 

Am Samstag, 11. Oktober, gibt es dazu außerhalb der regulären Öffnungszeiten fünf Stunden Zeit. „Viele wissen gar nicht, dass es diese Einrichtung in dem alten Pförtnerhaus im Schlosspark gibt und dass wir für die eingemeindeten Ortschaften Bosenheim, Ippesheim, Planig und Winzenheim zuständig sind“, betont die Archivarin. Sie empfängt in den mit Akten, Ordnern und Kartons ausgefüllten Räumen regelmäßig nicht nur Studenten, Schüler, Wissenschaftler und Heimatforscher, sondern auch auch Familien auf Spurensuche oder wissensdurstige Kurgäste. „Die wollen zum Beispiel wissen, warum es kein Kreuznacher Salz mehr zu kaufen und warum es keine öffentliche Sole-Quelle mehr gibt“, erzählt Blum-Gabelmann. Auch ehemalige Kriegsgefangene “ „viele sind traumatisiert“ “ finden den Weg in die Dessauer Straße 49, um nach ehemaligen Kameraden zu forschen.

Mehrere Kartons mit Fotografien von Personen, Gruppen und Gebäuden warten darauf, identifiziert zu werden. „Der ein oder andere Besucher weiß vielleicht mehr und kann dazu beitragen, ein unbekanntes Stück Stadtgeschichte zu erhellen“, hoffen Blum-Gabelmann, der Historiker Dr. Martin Senner und Anne Wohlleben, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Archivs.

Wohlleben wird am Samstag den Stand des „Lexikons Kreuznacher Persönlichkeiten“ vorstellen, das auf der Grundlage der Kreuznacher Datenbank erarbeitet wird, die wiederum auf der Einwohnermeldekartei basiert. Mit diesem Projekt wurde in diesem Jahr begonnen. Sobald der Vorläufer der Einwohnermeldekartei elektronisch aufgenommen ist, sollen die Daten ergänzt werden, nach Möglichkeit mit Informationen aus ausgesuchten Quellen, die bis in das 18. Jahrhundert zurückreichen. Die weiterführende Idee ist, aus dieser Datenfülle Kreuznacher Persönlichkeiten herauszufinden und in einem Lexikon dazustellen. Für das Nachschlagewerk liegen bereits Vorarbeiten von Autoren, der Heimatwissenschaftlichen Zentralbibliothek und dem Museum vor.

Die Stadtarchivarin hofft, dass noch viele Nachlässe, Fotos, Dokumente, Tagebücher, Briefe, Rechnungsbögen, Karten und Baupläne den Weg ins Archiv finden. „Mein Wunsch ist, dass viel mehr aus den Bereichen Handel, Gewerbe und Industrie abgeben wird, anstatt auf dem Dachboden in Vergessenheit zu geraten.“ Im Archiv seien die Akten etc. bestens aufgehoben. „Auch der kleine Mann auf der Straße hat besondere Spuren hinterlassen, die nicht als vermeintlicher Müll weggeworfen werden sollten“, ist sie auch an Lebensläufen oder Tagebüchern von Tagelöhnern, Hausfrauen, Dienstmädchen oder Knechten interessiert, die Aufschlüsse über die Vergangenheit geben können. „Unglaublich spannend ist das 19. Jahrhundert“, kann die Archivarin ihre Begeisterung nicht verbergen.

Um Bedürfnisse von Nutzern herauszufinden, gibt es zum „Tag des offenen Archivs“ einen Fragebogen. Einige wurden von „Forschern“ schon ausgefüllt. Neben Beratung und Vorträgen ist da auch der Wunsch nach einem Farbkopierer registriert. Der steht auf der Liste von Blum-Gabelmann auch ganz oben, ebenso eine Digitalkamera. Trotz Etatkürzungen sei die Arbeit des Archivs zwar gesichert, so die Leiterin, „aber mehr Geld für Publikationen wäre schön“.

Kontakt:
Stadtarchiv Bad Kreuznach
Postanschrift:
Stadtverwaltung Bad Kreuznach Postfach 563
55529 Bad Kreuznach

Hausanschrift:
Stadtarchiv Bad Kreuznach Dessauerstraße 49
55545 Bad Kreuznach

Tel.: 0671 / 920 77 86
Fax: 0671 / 920 77 92
E-Mail: stadtarchiv-bad-kreuznach@t-online.de
Internet: www.stadt-bad-kreuznach.de

Quelle: Main-Rheiner, 10.10.2003

Freiheits-Brief wieder bei der Einungslade

Dogern/Bad Säckingen. Um ein Kleinod reicher wird in Kürze die im Mai dieses Jahres im Gasthaus Hirschen in Dogern eingeweihte Einungsmeisterstube sein. Ins dortige Archiv kommt eine Urkunde zurück, die hier bis zum Jahre 1909 auch aufbewahrt worden ist, und die mit der Aufhebung der Leibeigenschaft in der Grafschaft Hauenstein gegenüber dem Kloster St. Blasien einen bedeutenden Meilenstein in der Heimatgeschichte markiert.

Gefertigt worden ist die Urkunde am 15. Januar 1738 im Propsteigebäude in Gurtweil. Vorangegangen waren schwierige Verhandlungen zwischen der kaiserlichen Regierung in Wien, dem Kloster St. Blasien und den Vertretern der hauensteinischen Einungen mit dem Redmann Joseph Tröndlin an der Spitze. Die Interessenslage war dabei recht unterschiedlich. Während die Regierung und die Vertreter der Einungen in der Ablösung der Leibeigenschaft eine Chance sahen, die „Salpetererunruhen“ zu beenden, bewogen das Kloster eher finanzielle Aspekte. Der Fürstabt benötigte Geld zum Erwerb der Herrschaften Kirchhofen und Staufen, die ihm der österreichische Staat anbot, weil dieser seine Kriegskasse für die Auseinandersetzungen mit den Türken auffrischen wollte. Man einigte sich auf eine Loskaufsumme von 58.000 Gulden, die nach einer Anzahlung von 18.000 Gulden in vier jährlichen Raten zu je 10.000 Gulden zu entrichten waren. Allein Indlekofen verweigerte die Zahlung. Um das Vertragswerk nicht scheitern zu lassen, übernahmen die übrigen Ortschaften diese Summe.

Seine Zustimmung erteilte Kaiser Karl VI. am 11. Juni 1738. Die Hauensteiner hatten damit auf vertraglichem Weg etwas erreicht, was den Bewohnern in den übrigen vorderösterreichischen Landen noch 40 Jahre vorenthalten blieb. So lange sollte es noch dauern, bis Kaiser Josef II. die Leibeigenschaft generell aufhob.

Seit je her lebten in den acht hauensteinischen Einungen Freie und Leibeigene („Gotteshausleute“) zusammen. Wer indes „leibeigen“ war, erfuhr Zeit seines Lebens Beeinträchtigungen. Über den von allen zu entrichtenden „Zehnten“ hinaus waren die Leibeigenen zu weiteren Abgaben verpflichtet, so etwa zur Ablieferung von „Fasnachtshühnern“ oder im Todesfall zur Herausgabe des besten Stücks Vieh oder des besten Gewandes, um nur zwei zu nennen. Wollte man wegen eines Umzugs den Ort wechseln, bedurfte es der Zustimmung des Klosters, und gleiches galt bei einer Heirat. Verstarb ein Lediger, fiel sein Besitz an St. Blasien.

Umstritten war der Begriff „leibeigen“ in der Grafschaft Hauenstein von je her. Man berief sich dabei auf einen Vertrag mit dem Grafen Hans von Habsburg- Laufenburg, der seinen Leuten die Eigenschaft „frei“ zugesichert hatte. Eine Urkunde freilich existierte nicht, doch pflanzte sich diese Zusicherung mündlich von Generation zu Generation fort. Zusammen mit dem vom Kloster verlangten „Huldigungseid“ war die strittige Frage der Leibeigenschaft denn auch der Grund für den Ausbruch der „Salpetererunruhen“, bei denen sich „Ruhige“ und „Unruhige“ zeitweilig unversöhnlich gegenüber standen.

Wie nicht anders zu erwarten war, brachte der Vertrag von Gurtweil denn auch keine Befriedung der hauensteinischen Lande. Die „Unruhigen“ lehnten ihn glattweg ab mit der Begründung, dass sie ja nie „leibeigen“ gewesen waren.

Die Urkunde wurde, wie erwähnt, bis 1909 im Hirschen in Dogern aufbewahrt. Im Zuge einer Räumaktion verkaufte sie der damalige Hirschenwirt Johann Peter Albiez an die Fabrikantenfamilie Eggemann in Laufenburg. Von dort gelangte sie im Jahre 1991 als Dauerleihgabe in das Stadtarchiv Bad Säckingen. Nunmehr kehrt sie am kommenden Sonntag an den Ausgangsort zurück.
 
Quelle: Südkurier, 10.10.2003

Hessischer Landtag hat keine toten Akten

Im Hessischen Landtag am Wiesbadener Schlossplatz wird gearbeitet: Parlamentarische Initiativen werden debattiert, Gesetze verabschiedet, es finden Ausschusssitzungen statt, in Enquetekommissionen oder Untersuchungsausschüssen wird diskutiert und gestritten. Dabei wird alles schriftlich festgehalten. Was passiert mit den großen Mengen Schriftgut, das hier in jeder Wahlperiode entsteht? Normalerweise muss das gesamte Archivgut des Landes Hessen einem der drei hessischen Staatsarchive in Wiesbaden, Darmstadt oder Marburg zur Übernahme angeboten werden. Nicht jedoch das Schriftgut des Hessischen Landtags! Denn der Hessische Landtag darf laut Hessischem Archivgesetz ein eigenes Archiv unterhalten und selbst entscheiden, ob die hier entstandenen Unterlagen im Landtag archiviert oder ob an das Hessische Hauptstaatsarchiv gegeben werden.

„Wir haben keine toten Akten“, davon ist Dr. Jürgen Kaestner, der seit 1986 den Bereich Archiv, Bibliothek, Dokumentation mit insgesamt neun Mitarbeitern leitet, überzeugt. In seinem Bereich sind zwei Mitarbeiter für das Archiv zuständig. Sie verwalten alle hier im Landtag entstehenden Originalakten und kümmern sich um deren Digitalisierung. Und so stehen auf der Homepage des Landtags (www.hessischer-landtag.de) alle öffentlichen Unterlagen zeitnah zur Verfügung. Von der Homepage geht es nur einen „Mausklick“ weiter ins „Dokumentenarchiv“, wo alle Plenarprotokolle und Drucksachen, in denen die parlamentarischen Initiativen festgehalten sind, Gesetzesentwürfe, Begründungen zu den Gesetzen, Geschäftsordnungsanträge aufgerufen werden können. Auch die Gesetze, Verordnungen und Verträge des Landes Hessen und viele weitere Schriftstücke können von hier auf den eigenen PC heruntergeladen werden.

Dieses umfangreiche politische Archiv ist ganz aktuell, reicht aber auch bis in die Anfänge der parlamentarischen Arbeit in Hessen zurück und beginnt mit der Verfassungsberatenden Landesversammlung im Jahr 1946. Das öffentliche Interesse ist groß: Jeden Monat besuchen im Durchschnitt 20.000 Interessenten diese Homepage.

Der gelernte wissenschaftliche Bibliothekar und promovierte Politikwissenschaftler besteht darauf: „Wir werfen nichts weg! Denn alle hier entstehenden Schriftstücke sind wichtig genug, um dauerhaft gesichert und aufbewahrt zu werden.“ Mittlerweile haben sich in den zwei rund 200 Quadratmeter großen Archivräumen in den Kellern des Landtags in der Rollregalanlage rund 655 Meter laufende Originalaktenbestände angesammelt. Auch die nicht öffentlichen Ausschusssitzungen werden hier aufbewahrt, können aber ausschließlich von den Mitgliedern des Landtags und ihren Mitarbeitern eingesehen werden. Für diese Protokolle und Kurzberichte gelten die üblichen Sperrfristen von 30 Jahren. Allerdings kann der Landtagspräsident im Einzelfall darüber entscheiden, ob eine Akteneinsicht schon vor Ablauf dieser Sperrfrist gewährt werden kann.

Das Archiv des Landtags hat natürlich auch eine Archivordnung. In dieser ist festgehalten, dass die Erschließung der Bestände „insbesondere der Arbeit des Parlaments und der wissenschaftlichen Forschung“ dienen soll. Und so steht das Archivgut vorrangig den Mitgliedern des Landtags und ihren Mitarbeitern zur Verfügung. Das Archiv kann jedoch auch von anderen Behörden sowie von Gerichten, Wissenschaftlern und Publizisten genutzt werden. Oft sind für Doktorarbeiten Protokolle der Ausschusssitzungen unerlässlich und mancher Rechtsanwalt benötigt zu den Gesetzen die amtlichen Begründungen, die hier aufbewahrt sind. Da Archive jedoch heute demokratische Institutionen sind, steht die Benutzung auch dieses Archivs jeder Person zu, die „ein berechtigtes Interesse“ nachweisen kann.

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 10.10.2003

Firmen- und Familienarchiv Dyckerhoff-Zement

Am 4. Juni 1864 gründete Wilhelm Gustav Dyckerhoff zusammen mit seinen Söhnen Gustav und Rudolf die „Portland-Cement-Fabrik Dyckerhoff & Söhne“ in Amöneburg. Mit 14 Arbeitern und einem Jahresversand von 2.228 Tonnen fing damals alles an. Heute sind in der Unternehmensgruppe Dyckerhoff weltweit 10.043 Mitarbeiter beschäftigt, die insgesamt 18,4 Millionen Tonnen Zement produzieren. Die alteingesessene Amöneburger Firma legt Wert auf Tradition. Sie hält die 140-jährige Geschichte des Unternehmens und der Familie Dyckerhoff in einem sorgfältig gepflegten Firmen- und Familienarchiv im alten Dyckerhoffschen Verwaltungsgebäude an der Biebricher Straße 69 in Wiesbaden fest.

Seit 1987 wird es von der Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Fünfrock, geleitet. Sie promovierte über Jakob Friedrich Dyckerhoff, einen Architekten des Frühklassizismus im Großherzogtum Baden. Jakob Friedrich Dyckerhoff war Absolvent der Berliner Bauakademie und ist Zeitgenosse von Carl Friedrich Schinkel.

„Es ist überaus interessant , sich mit alten Fotos zur Firmengeschichte zu beschäftigen“, sagt sie und zeigt auf einzelne Exemplare aus der großen Sammlung von über 7.000 Fotos, die in den Archivräumen der Dyckerhoff AG fachgerecht aufbewahrt werden. In gemeinschaftlicher Arbeit werden sie so genau wie möglich stichwortartig beschrieben. 3.500 Fotos sind auf diese Art jetzt bereits digital verfügbar. Sie erzählen zum Beispiel von Arbeitern, die mit Hacken und Brechstangen im Steinbruch Kalkstein losschlagen, wie dieser dann mit Schubkarren und Pferdefuhrwerken zum Werk gefahren wird und dort in Ringöfen zu Zement verarbeitet werden soll. Weitere Fotos zeigen, wie der in Mühlen fein verarbeitete Zement in der alten Fassfabrik in Fässern verpackt zum Versand vorbereitet wird. Es ist in der deutschen Industriegeschichte wahrscheinlich einmalig, dass Dyckerhoff heute in der Lage ist, seine architektonische, seine produktionstechnische und insbesondere seine außergewöhnliche sozialhistorische Entwicklung zu dokumentieren.

„Ein Werksarchiv kann nur leben“, davon ist Dr. Fünfrock überzeugt, „wenn es von der Geschäftsleitung und der Belegschaft mitgetragen wird“. Begeistert erzählt sie von der „jüngsten Errungenschaft“, die das Archiv vor kurzem von einem Mitglied der Familie Dyckerhoff übernehmen konnte: Es handelt sich um das Tagebuch der Weltreise von Otto und Wilhelm Dyckerhoff, die sie 1898 zur Erforschung des internationalen Zementmarktes unternommen haben. Mit dem Postdampfer sind die Gebrüder Dyckerhoff bis nach Indien, Indonesien, China, und Japan gereist. Das Tagebuch gibt interessante Einblicke, wen sie unterwegs kennen lernten. Sie beschreiben darin die Beschaffenheit des Zements der Konkurrenz und an welche Baubehörden sie sich wandten, um zu versuchen, der meist britischen Konkurrenz die Aufträge abspenstig zu machen.

In den Archivräumen stehen Archivkartons mit Schriftgut, Korrespondenz, Firmenunterlagen und Geschäftsberichten. Hier werden auch lückenlos die für ihre Zeit fortschrittlichen sozialen Leistungen des Unternehmens für seine Mitarbeiter dokumentiert: 1864 Arbeiterkrankenkasse, 1870 Unterstützungskasse für Werksangehörige in Notlagen, 1889 Gründung einer Haushaltsschule für Mädchen, eines Knabenhort und eines Kindergarten, 1904 Stiftung zur Altersversorgung langjähriger Mitarbeiter. Im Archiv gibt es aber auch andere Zeugnisse der Firmengeschichte: Die Instrumente der Werkskapelle aus den 1930er Jahren und alte Tassen aus der Betriebskantine. Jüngst hat die Tochter des ehemaligen Kraftwerkleiters von Dyckerhoff dem Archiv die goldene Armbanduhr überlassen, die ihr Vater zu seinem 25-jährigen Meisterjubiläum von der Geschäftsleitung geschenkt bekam. „Wir haben sogar noch die Rechnung des Biebricher Uhrmachers dazu gefunden“, freut sich Dr. Fünfrock.

Auch größere Objekte unterstehen heute dem Archiv. So wird eine Zement- und Betonprüfmaschine genauso aufbewahrt wie eine Sacknäh- und eine Sackflickmaschine. Auch wiederverwertbare Leinen- und Jutesäcke, in denen früher Zement abgepackt wurde, kommen immer mal wieder zum Archivbestand hinzu.

Das Dyckerhoff'sche Werksarchiv ist zugleich auch Familienarchiv. Und so hängt hier ein alter Stammbaum über dem ehemaligen gründerzeitlichen Vorstandstisch, den die Archivleiterin für das Archiv gesichert hat. Die gesamte Korrespondenz zwischen dem Unternehmensgründer Wilhelm Gustav Dyckerhoff und seinen Söhnen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt hier wohl geordnet in speziellen Archivkartons und vieles mehr: „Die Familie hat immer gesammelt“, sagt Dr. Fünfrock, „was für das Unternehmen und die Familie bedeutend war“.

Das Archiv steht Interessenten prinzipiell offen, wobei Personalakten und besondere Geschäftsunterlagen des Unternehmens natürlich der Vertraulichkeit unterliegen. Hier entstanden Diplom- und Doktorarbeiten, zur Zeit arbeitet ein Mainzer Historiker im Archiv an einer neuen Familienchronik, die im Frühjahr nächsten Jahres erscheinen soll. Denn heute gibt es mehr als 150 Träger des Namens Dyckerhoff. Die derzeitige Geschäftsführung der Dyckerhoff AG fördert das Archiv nach Kräften und betreibt eine offene Informationspolitik.

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 9.10.2003

EU-Projekt „Cultos“: Neue Programme für digitale Museen und Archive

Wie lässt sich Wissen zeitgemäß weitergeben, welche Rolle spielt der Computer für Museen, Archive und Bibliotheken? Das waren die Fragen, die beim EU-Projekt „Cultos“ nicht zuletzt von der landeseigenen Forschungsgesellschaft „Salzburg Research“ in den vergangenen beiden Jahren gestellt worden sind. Als Antwort präsentierte am Dienstag Salzburg Research am Ende eines zweitägigen Symposiums in Salzburg den Prototyp eines digitalen Archivs.

Querverbindungen gefragt

„Wenn es darum geht, etwa Don Quijote und seinen Kampf gegen die Windmühlen an junge Leute zu vermitteln, dann genügt es schon lange nicht mehr, ihnen das Buch von Cervantes in die Hand zu drücken. Man muss zum Beispiel Querverbindungen zu Popsongs oder zu Karikaturen herstellen, bei denen Don Quijote ein Atomkraftwerk attackiert“, sagte die Initiatorin von „Cultos„, Ziva Ben Porat aus Israel bei einem Pressegespräch.

Künstler und Programmierer an einem Tisch

Der Beitrag von Salzburg Research bestand laut dessen Leiter Siegfried Reich darin, Künstler und Computerprogrammierer an einen Tisch geholt zu haben. Herausgekommen ist dabei ein nicht verkäufliches Archivierungsprogramm, mit dem die Salzburger Kulturinitiativen, Museen und die Kunstuniversität Mozarteum von den Vorteilen des Computers bei der Wissensvermittlung überzeugt werden sollen. Andrea Mulrenin von Salzburg Research fügte hinzu, diese Institutionen bräuchten derartige digitale Strukturen und Netzwerke nötiger als ihre Budgets.

„Wir zeigen nur, was alles möglich ist“

Was genau die Anforderung an diese Programme ist, das müsse, so Reich, von den Institutionen selbst kommen. „Wir wären zudem überfordert, diese Programme zu installieren. Wir zeigen nur, was alles möglich ist, wenn Wissen digital und modern vernetzt wird“, so Reich, dessen Forschungsgesellschaft jetzt nach Strategien sucht, mit denen diese Idee vermarktet werden könnte.

Die Salzburg Research, die Forschungsgesellschaft des Landes Salzburg, beschäftigt 50 Mitarbeiter und hat ein Jahresbudget von drei Mio. Euro. Zwei Mio. davon stammen direkt von der EU, rund 750.000 Euro steuert das Land bei.

Quelle: Der Standard, 7.10.2003

Archiv der Sparkassen-Versicherung Hessen-Thüringen

Das Unternehmensarchiv der öffentlich-rechtlichen Sparkassenversicherung Hessen-Thüringen ist eigentlich erst vor drei Jahren richtig entstanden. Damals beschloss der Vorstand, den Archivar Dr. Rainer Maaß, der heute im Staatsarchiv Darmstadt arbeitet, die Bestände der historischen Überlieferung des Unternehmens an den drei Standorten Darmstadt, Kassel und Wiesbaden sichten, bewerten und verzeichnen zu lassen. Heute lagern große Teile der registrierten und archivgerecht verpackten Bestände in einem Kellerraum am Direktionssitz Wiesbaden in der Bahnhofstraße 69. Eine Benutzungsgenehmigung für die Unterlagen kann auf Antrag gewährt werden.

Der Aufbau des Archivs orientiert sich an den Ursprüngen des traditionsreichen Regionalversicherers, den Hessen-Nassauischen Versicherungsanstalten und den drei hessischen Brandversicherungsanstalten, die aufgrund landesherrlicher Verordnungen im 18. beziehungsweise frühen 19. Jahrhundert entstanden waren. Bis 1994 verfügten die Brandversicherungsanstalten über so genannte Pflicht- oder Monopolrechte: Alle Gebäude mussten bei ihnen versichert werden, beziehungsweise konnten nur bei ihnen versichert werden.

Der Umfang der vorgefundenen Überlieferung war abhängig von den Kriegsverlusten. Von der Brandversicherungsanstalt Darmstadt konnte nur die Nachkriegsregistratur übernommen werden, da außer den Rechnungsbänden im wesentlichen kein weiteres Schriftgut die Kriegszerstörungen überdauert hat. Ähnlich verhielt es sich mit den Registraturen der Nassauischen Brandversicherungsanstalt, die nicht nur durch den Krieg, sondern auch in Folge des Umzuges aus dem Landeshaus in Wiesbaden stark dezimiert wurden.

Vollständig erhalten haben sich hingegen die Registraturen der ältesten hessischen Brandversicherungsanstalt in Kassel. Die Hauptregistratur reicht bis 1867 zurück und dokumentiert lückenlos das Alltagsgeschäft der Behörde und vermittelt zudem Einblicke in die Lebenswelten der dort Beschäftigten, beispielsweise während der Zeit des Nationalsozialismus. Besonders vielfältig ist das Kasseler Schriftgut auch hinsichtlich der Themenbereiche Brandverhütung und -bekämpfung. So ist als Bestandteil der Hauptregistratur eine komplette, rund 1000 Einheiten umfassende Aktenserie über die Unterstützungen erhalten, welche die Brandversicherungsanstalt den Ortsfeuerwehren Kurhessens zuteil werden ließ. Diese Akten sind für die Ortsgeschichtsschreibung interessant. Ins Archiv mit einbezogen wurden natürlich auch Fotografien von Festveranstaltungen oder Bränden, Versicherungsscheine, Hauszeitschriften oder Tonbandmitschnitte von Ansprachen.

Vieles von dem, was Dr. Maaß aus vergangenen Zeiten vorfand, ist nun im Unternehmensarchiv bereits komplett verzeichnet. Und wie sieht die Zukunft aus? Seit 1997 wird das eingehende Schriftgut bei der Sparkassenversicherung „optisch archiviert“. In der Dokumentenservicestelle – die so genannte elektronische Poststelle – arbeiten unter Leitung von Willi Jakowski in der Wiesbadener Zentrale zwanzig Mitarbeiter. Hier werden täglich rund 20.000 Blatt Papier – im Jahr also rund fünf Millionen! – „papierlos“ gemacht. Das heißt, die Bearbeitungseingänge werden eingescannt, erhalten eine Vertragsnummer und werden von hier aus als Datei an die zuständigen elektronischen Postkörbe im gesamten Unternehmen zur Weiterverarbeitung geschickt. „Auf die Datensicherheit muss ich mich dabei verlassen“, sagt Willi Jakowski. Das reale beschriebene Papier wird nach vier bis fünf Wochen Aufbewahrungszeit datenschutzgerecht vernichtet.

Wird das Archiv der Zukunft in einem Rechner Platz haben? Nun, auch hier bei der Sparkassenversicherung werden die Personalakten, der Schriftverkehr des gesamten Vorstands, Pfändungsunterlagen und auch größere Geschäftsvorgänge und besonders komplizierte Schadensfälle weiterhin als Papierakten angelegt und nicht optisch archiviert. Das traditionelle Archiv wird also auch hier nicht aussterben.

Info:
Rainer Maaß: Das Unternehmensarchiv der Sparkassen-Versicherung Hessen-Nassau-Thüringen am Direktionssitz Wiesbaden. In: Archivnachrichten aus Hessen Nr. 3/2003 oder unter der Rubrik Fachbeiträge im Internet unter www.stad.hessen.de

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 8.10.2003

Tag der offenen Tür im neuen Stadtarchiv Varel

Zu einem Tag der offenen Tür lädt der Vareler Heimatverein am Sonnabend, 11. Oktober, von 14 bis 18 Uhr in das neue Stadtarchiv und das Heimatmuseum ein. Zum Programm gehört eine Dia-Schau, in der hunderte von historischen Schwarz-Weiß-Fotos aus Varel und Umgebung gezeigt werden. Auch an einem Bilderpreisrätsel können sich die Besucher beteiligen. In rund einjähriger Bauzeit wurden in dem neuen Gebäude am Neumarktplatz 3a auf 326 Quadratmetern Nutzfläche unter anderem der Eingangsbereich für das Heimatmuseum, zwei Archivräume und sanitäre Anlagen geschaffen.

Quelle: Nordwest-Zeitung, 8.10.2003

Düsseldorfer Archive wollen Staub aufwirbeln

Düsseldorf hat eine bewegte Vergangenheit. Zum Glück. Wie lebendig die sein kann, wird der „Tag der Archive“ zeigen. 19 Magazine öffnen am Wochenende ihre Türen und Regale, zeigen Kostbarkeiten aus Werkstätten und gekühlten Räumen, unbekannte Filmschätze und Fotos, Liebesbriefe und Sterbeurkunden. „Archive sind das Gedächtnis unserer Gesellschaft“, sagte Clemens von Looz-Corswarem (Stadtarchiv Düsseldorf) und berichtete stolz vom Erfolg der ersten Aktion vor zwei Jahren: Damals kamen 1.000 Besucher in 13 Archive. Diesmal werden weitaus mehr erwartet. Denn jetzt sind auch der Malkasten, E.On, Rheinbahn, Bilker Heimatfreunde, St. Lambertus, Universität und die Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth dabei.

Ein Prunkstück fürs Publikum

Archiv, das klingt nach staubigen Akten und unleserlichen Handschriften. Ein Eindruck, der sich schlagartig ändert, wenn die Archivare von ihren Schätzen schwärmen. So wie Ulrich Brzosa vom Pfarrarchiv St. Lambertus. Sein Prunkstück fürs Publikum ist der Zylinder von Joseph Wimmer. Wagemutig und im Sonntagsstaat war der Schlossermeister bis in die Turmspitze der Pfarrkirche gerannt, als 1815 der Blitz einschlug. Seine höchstprivate Löschaktion hat vermutlich die Kirche gerettet. Der Filzhut ist längst porös, aber das Blei, das bei dem Brand darauf getropft ist, ist immer noch gut zu erkennen.

Peter Müller vom Heimatarchiv Benrath brachte sein bestes Ausstellungsstück sogar zur Pressekonferenz ins Stadtarchiv mit: Einen schmucken Landwehrmann der 5. Preußischen Brigade aus dem Jahre 1813 , verkörpert durch Frank Moser, der im richtigen Leben Verlagskaufmann ist. Die Ausstellung „Benrather unter Napoleons Fahnen“ berichtet vom Alltagsleben der bergischen, französischen und preußischen Stoldaten.

Spannend wird es am Freitag auch im Hauptstaatsarchiv, wo Joachim Pieper die Besucher ins „Allerheiligste“ von Magazin und Restaurierungwerkstatt führt. Aber auch die dunklen Seiten unserer Stadtgeschichte werfen dort ihre Schatten: mit 73.000 Dokumenten wird hier die größte Sammlung von Opferakten aus der Nazi-Zeit aufbewahrt.

Im Heine-Institut erfüllt Marianne Tilch Besucherwünsche. Im Bildarchiv des Medienzentrums wird, ganz aktuell, schon die neue Arena dokumentiert. Und bei Rheinmetall zeigt Christian Leitzbach, wie sich die Automobiltechnik entwickelt hat.

Im Gedächtnis der Stadt kann am Wochenende jeder kramen, solange er keine Unordnung anrichtet. „Fragen Sie uns ruhig Löcher in den Bauch“, sagen die Archivare.

Quelle: NRZ-online, 8.10.2003

Konferenz: Conrad von Soest

Mit dem Marienretabel in der Dortmunder Marienkirche ist ein Hauptwerk des Conrad von Soest an seinem ursprünglichen Bestimmungsort erhalten. In diesem um 1420 geschaffenen Werk, das einen Höhepunkt spätmittelalterlicher Malerei darstellt, laufen zahlreiche Fäden von Stadtkultur, Künstlersoziologie und Kunst im spätmittelalterlichen Dortmund zusammen.

Dieses komplexe Interaktionsfeld wird auf der Tagung „Conrad von Soest: Stadtgesellschaft, Kunst und Künstler im spätmittelalterlichen Dortmund“ von Historikern und Kunsthistorikern im interdisziplinären Austausch abgeschritten werden. Reflektiert wird, in welchem Kontext der Maler seine Bilder für die städtische Gesellschaft erstellt hat. Stadtvorstellungen des Mittelalters sind ebenso Thema der Tagung wie die politische Kultur der Stadt um 1400 mit innerstädtischen Unruhen und dem Drängen der Zünfte um Beteiligung am Ratsregiment. Die Handelsaktivitäten der Dortmunder Fernkaufleute korrespondieren mit dem hohen Anspruch an die Malereien des Conrad von Soest, die hinter dem Niveau der spätmittelalterlichen Kunstzentren Paris oder Prag kaum zurückstehen.

Der künstlerische Austausch und der ambitionierte, weit überregionalen Standards verpflichtete Stil der Malereien sind von der Forschung noch längst nicht ausreichend gewürdigt worden. In einer Reihe von Vorträgen wird deshalb die Kunst des Conrad von Soest in den Kontext der zeitgenössischen Kunstproduktion gestellt. Die sozialgeschichtliche Einordnung des Künstlers ist bisher ebenso ein Desiderat der Forschung wie die Stellung der Gesellen im Malerhandwerk. Hier verspricht die Tagung ebenso Aufschluss wie bei der Bewertung der sogenannten Signaturen auf dem Marienretabel. Auch wird die Verwobenheit von Stadtgesellschaft, Kunst und Künstler im spätmittelalterlichen Dortmund in besonderer Weise sichtbar.

Info:
3. Dortmunder Kolloquium zur Kunst, Kultur und Geschichte in der spätmittelalterlichen Stadt
„Conrad von Soest: Stadtgesellschaft, Kunst und Künstler im spätmittelalterlichen Dortmund“

Conrad-von-Soest-Gesellschaft Dortmund; Stadtarchiv Dortmund; Universität Dortmund, Lehrstuhl für Kunstgeschichte
29.01.2004-31.01.2004, Dortmund

Programm:

Eröffnungsvortrag:
Prof. Dr. Dres. hc Otto Gerhard Oexle, Göttingen
Die Stadtkultur des Mittelalters als Erinnerungskultur

Prof. Dr. Thomas Schilp, Dortmund/Duisburg
Konflikt und Konsens: Soziale und politische Stadtkultur des Dortmunder
Mittelalters

Dr. Regine Rößner, Oldenburg
Dortmunder Hansekaufleute in England und Flandern – Fernhandel,
Stiftungen und Korporationen

Dr. Monika Fehse, Duisburg
Der Städter Conrad von Soest – eine sozialgeschichtliche Einordnung

Dr. Ulrike Heinrichs-Schreiber, Bochum
Tafelmalerei in Paris um 1400 – Anmerkungen zu einem problematischen
Überlieferungsstand

Dr. Iris Grötecke, Bochum
Bertram aus Minden – Maler für Hamburg?

Prof. Dr. Martin Büchsel, Frankfurt am Main
Conrad von Soest – Der „weiche Stil“ – kritische Anmerkungen zu einem
Stilbegriff.

Prof. Dr. Robert Suckale, Berlin
Zur Geschichte der Malerei Westdeutschlands zwischen 1350 und 1400

Dr. Wilfried Ehbrecht, Münster
Jerusalem: Vorbild und Ziel mittelalterlicher Stadtgesellschaft

Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, Münster
Wanderungen von Malern und anderen Handwerkern im Mittelalter

Prof. Dr. Barbara Welzel, Dortmund
Conrad von Soest in Dortmund: Höfische Bilder für die Stadtgesellschaft

Dr. Klaus Lange, Ennepetal
Signaturen Conrads von Soest. Der Name des Malers und die Wahrheit des
Bildes

Dr. Nils Büttner, Dortmund
„Johannes arte secundus“? Oder: Wer signierte den Genter Altar?

Kontakt:
Thomas Schilp
Stadtarchiv Dortmund
Märkische Straße 14
44122 Dortmund

Quelle: H-Soz-u-Kult, 6.10.2003

Das Archivzentrum Hessens

Der große Archivzweckbau des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden in der Mosbacher Straße 55 bietet auf seinen insgesamt fast 19.000 Quadratmetern Fläche optimale Bedingungen. Ausgewählte Akten der hessischen Ministerien und sämtlicher Behörden mit zentraler Zuständigkeit für das Land Hessen werden hier übernommen und aufbewahrt. Es ist wichtigstes Dokumentationszentrum für die Geschichte Hessens und dessen historischer Überlieferung aus dem Herzoglich-Nasssauischen Zentralarchiv in Idstein (bis 1866) und Preußischen Staatsarchiv Wiesbaden (bis 1945).

Im eigentlichen Kernbereich des Hauptstaatsarchivs stehen hinter dicken Mauern und ebenso dicken Spezialtüren 9.500 Quadratmeter Magazinflächen auf sieben Stockwerken, zwei davon unterirdisch, zur Verfügung. Hier im Magazinbereich ist alles perfekt klimatisiert und durch Feuerlöschanlagen gesichert. Rund 55.000 laufende Meter Akten und Amtsbücher, die größte und inhaltsreichste Quellengruppe, sind hier in Regalen untergebracht – und jedes Jahr kommen rund 700 Meter dazu. In Spezialschränken haben die Urkunden, Karten, Siegel und Filme im Umfang von umgerechnet weiteren 7.000 laufenden Metern Platz. Was einmal hier gelandet ist, dafür legt Archivdirektor Dr. Diether Degreif die Hand ins Feuer, wird „auf Ewigkeit aufbewahrt“. Unter den 50 Menschen, die hier arbeiten, sind 15 ausgebildete Archivare.

Die Werkstätten

Vorgelagert vor dem eigentlichen Magazinkern befinden sich auf zwei Stockwerken die Büros und Werkstätten. Im Fotolabor werden für den Archivnutzer Fotografien von Archivalien und Reproduktionen für wissenschaftliche Veröffentlichungen und Ausstellungen hergestellt. In der Restaurierungswerkstatt sind das Können und die jahrzehntelange Erfahrung des Restaurators Garantie dafür, dass zerbrochene Siegel, wasser- und brandgeschädigte Pergamente und Papiere und zerrissene Karten oft fast originalgetreu wieder hergestellt werden können und in der ältesten Werkstatt des Archivs, der Buchbinderei, werden nicht nur alte Schätze sorgfältig behandelt, sondern viele der Neuzugänge werden hier oft erst einmal „überholt“, da sie durch den Behördengebrauch abgenutzt sind.

Sicherheitsverfilmung

Im Erdgeschoss des Hauptstaatsarchivs findet auch die Sicherungsverfilmung von Unterlagen aus allen drei hessischen Staatsarchiven statt. Da wertvolle Kunstschätze, ganze Bibliotheken und auch unersetzliche Archivalien immer wieder durch Natur- und Brandkatastrophen oder Kriegsereignisse vernichtet worden sind, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland im Auftrag des Bundesinnenministeriums bereits seit 1961 ein Programm zur Sicherung wichtiger und einmaliger historischer Dokumente in den Archiven. Von hier aus werden die Original-Sicherungsfilme in einen ehemaligen Bergwerksstollen im Schwarzwald gebracht, wo alle Bundesländer ihre historische Überlieferung einlagern.

Wahre Schätze

Das Hauptstaatsarchiv beherbergt wahre Schätze. Die älteste Urkunde aus Pergament stammt von 910 und bezeugt eine königliche Schenkung zugunsten des Georgenstifts zu Limburg an der Lahn. Insgesamt besitzt das Hauptstaatsarchiv rund 65 000 Urkunden. Darunter befinden sich zahlreiche Königs- und Papsturkunden sowie die urkundliche Überlieferung der bedeutenden Zisterzienserklöster Eberbach (Rheingau) und Marienstatt (Westerwald), der Abtei Arnstein (Lahn) sowie des besagten Georgenstifts. Die Urkunden und Akten der nassauischen Grafen und Fürsten bilden den historischen Kern der Bestände und für die Zeit von 1806 bis 1866 besitzt das Archiv mit der Überlieferung des Herzogtums Nassau und seiner Behörden eine fast vollständige Dokumentation über einen kleinen Staat im deutschen Bund des 19. Jahrhunderts, die aus genau diesem Grund auch besonders wertvoll ist.

Unter den rund 30.000 historischen Karten und Plänen, darunter Grenz-, Forst-, Gewässer- und Eisenbahnkarten sowie zahlreiche Bauzeichnungen, befinden sich Schätze von großem Wert wie die vier Meter lange Darstellung des Rheinlaufs zwischen Walluf und Rüdesheim aus dem Jahr 1575, die im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen den Kurfürsten von Mainz und Pfalz um den Besitz der Rheinauen entstanden ist.

Zeitgenössisches Schriftgut

Wichtigste und auch verantwortungsvollste Aufgabe des Archivars ist es heute, zeitgenössisches Schriftgut für die Übernahme ins Archiv auszuwählen, um künftigen Generationen die Geschichtsschreibung über unsere Epoche zu ermöglichen. Seit 1945 ist das Hauptstaatsarchiv für die laufenden Aktenabgaben der Ministerien und zentralen Landesbehörden zuständig. Hier landet bis zum heutigen Tag das archivwürdige Schriftgut der Ministerien sowie aller Behörden, Gerichte und staatlichen Einrichtungen mit Zuständigkeit für das Land Hessen.

Wie geht das vonstatten? Der Archivar geht zu einem „Aussonderungsbesuch“ in die Behörde und sichtet das Schriftgut, das aus dem normalen Geschäftsbetrieb ausscheidet. Natürlich ist der Prozentsatz der Akten, die zur dauernden Aufbewahrung übernommen werden kann, in den einzelnen Verwaltungszweigen sehr unterschiedlich. Während bei hessischen Ministerien im Durchschnitt bis zu 20/30 Prozent der Akten ausgewählt werden, gibt es kleinere Behörden, von denen die Staatsarchive nur ein Prozent der Akten oder weniger übernehmen. „Die Akten, die wir auswählen, müssen zeittypisch und historisch bedeutsam sein“, erklärt der promovierte Historiker Degreif. Unter den vielen zeittypischen Gerichtsakten beispielsweise über Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wähle der Archivar dann einige repräsentative aus.

Ganz wichtig ist die möglichst schnelle und gründliche Erschließung der Bestände nach der Übernahme aus den Behörden, um aus einem Archiv kein unbenutzbares Informationsgrab zu machen. 1970 erschien erstmals eine „Übersicht über die Bestände des Hessischen Hauptstaatsarchivs“ vom Jahr 910 bis in die Gegenwart. Seit 1978 veröffentlicht das Hauptstaatsarchiv regelmäßig Findbücher von bedeutenderen Archivbeständen, die neu verzeichnet worden sind.

So öffentlich ging es beileibe in den Archiven nicht immer zu. Die Findbücher, in denen die Bestände inhaltlich erschlossen werden, durften in Preußen erst nach 1900 den Benutzern vorgelegt werden. Bis dahin blieben diese auf den Archivar, das heißt auf dessen mündliche Auskunftserteilung, angewiesen. Vor 1800 blieben Archive grundsätzlich vor der Neugier von Forschenden verschlossen!

1997 begann mit der Einführung von HADIS (Hessisches Archiv-, Dokumentations- und Informationssystem) für alle drei Staatsarchive und deren Nutzer ein neues Zeitalter. Recherchen können jetzt zunächst einmal für den Nutzer am eigenen PC zuhause beginnen, um sich auf den Archivbesuch vorzubereiten. Für die rund 4000 Nutzer, die im Jahresdurchschnitt das Archiv aufsuchen, stehen Lesesaal und verschiedene technische Benutzerräume mit Computerplätzen, Mikrofilmlesegeräten, Elektrokopierer und Readerprintern sowie eine Präsenzbibliothek mit 75 000 Bänden zur Verfügung. Dabei sind die Öffnungszeiten auch hier für Berufstätige nicht gerade freundlich: Nur jeden 2. und 4. Samstag im Monat ist der Lesesaal von 8 bis 12.30 Uhr geöffnet, während der Woche muss der Berufstätige sich sputen: Montag, Mittwoch und Freitag kann er ab 17.15 Uhr nichts mehr erforschen und dienstags und donnerstags schließen die Pforten schon um 16.15 Uhr.

Zu den Hauptnutzergruppen gehörten immer Familien- und Heimatforscher und wissenschaftliche Nutzer. In letzter Zeit finden aber auch immer mehr „normale Bürger“ den Weg ins Archiv, berichtet Dr. Degreif. Sie beschäftigen sich dort beispielsweise mit Umweltfragen, forschen nach Altlasten oder rollen Gerichtsakten von NS-Prozessen, Entnazifizierungsakten oder die Akten der Firma, die Zyklon B entwickelt hat, neu auf.

Kontakt:
Hessisches Hauptstaatsarchiv
Mosbacher Str. 55,
65187 Wiesbaden
Telefon: 0611/881-0
Telefax: 0611/881-145
E-Mail: Poststelle@hhstaw.hessen.de
Internet: http://www.hauptstaatsarchiv.hessen.de

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 7.10.2003