Tag der offenen Tür im neuen Stadtarchiv Varel

Zu einem Tag der offenen Tür lädt der Vareler Heimatverein am Sonnabend, 11. Oktober, von 14 bis 18 Uhr in das neue Stadtarchiv und das Heimatmuseum ein. Zum Programm gehört eine Dia-Schau, in der hunderte von historischen Schwarz-Weiß-Fotos aus Varel und Umgebung gezeigt werden. Auch an einem Bilderpreisrätsel können sich die Besucher beteiligen. In rund einjähriger Bauzeit wurden in dem neuen Gebäude am Neumarktplatz 3a auf 326 Quadratmetern Nutzfläche unter anderem der Eingangsbereich für das Heimatmuseum, zwei Archivräume und sanitäre Anlagen geschaffen.

Quelle: Nordwest-Zeitung, 8.10.2003

Düsseldorfer Archive wollen Staub aufwirbeln

Düsseldorf hat eine bewegte Vergangenheit. Zum Glück. Wie lebendig die sein kann, wird der „Tag der Archive“ zeigen. 19 Magazine öffnen am Wochenende ihre Türen und Regale, zeigen Kostbarkeiten aus Werkstätten und gekühlten Räumen, unbekannte Filmschätze und Fotos, Liebesbriefe und Sterbeurkunden. „Archive sind das Gedächtnis unserer Gesellschaft“, sagte Clemens von Looz-Corswarem (Stadtarchiv Düsseldorf) und berichtete stolz vom Erfolg der ersten Aktion vor zwei Jahren: Damals kamen 1.000 Besucher in 13 Archive. Diesmal werden weitaus mehr erwartet. Denn jetzt sind auch der Malkasten, E.On, Rheinbahn, Bilker Heimatfreunde, St. Lambertus, Universität und die Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth dabei.

Ein Prunkstück fürs Publikum

Archiv, das klingt nach staubigen Akten und unleserlichen Handschriften. Ein Eindruck, der sich schlagartig ändert, wenn die Archivare von ihren Schätzen schwärmen. So wie Ulrich Brzosa vom Pfarrarchiv St. Lambertus. Sein Prunkstück fürs Publikum ist der Zylinder von Joseph Wimmer. Wagemutig und im Sonntagsstaat war der Schlossermeister bis in die Turmspitze der Pfarrkirche gerannt, als 1815 der Blitz einschlug. Seine höchstprivate Löschaktion hat vermutlich die Kirche gerettet. Der Filzhut ist längst porös, aber das Blei, das bei dem Brand darauf getropft ist, ist immer noch gut zu erkennen.

Peter Müller vom Heimatarchiv Benrath brachte sein bestes Ausstellungsstück sogar zur Pressekonferenz ins Stadtarchiv mit: Einen schmucken Landwehrmann der 5. Preußischen Brigade aus dem Jahre 1813 , verkörpert durch Frank Moser, der im richtigen Leben Verlagskaufmann ist. Die Ausstellung „Benrather unter Napoleons Fahnen“ berichtet vom Alltagsleben der bergischen, französischen und preußischen Stoldaten.

Spannend wird es am Freitag auch im Hauptstaatsarchiv, wo Joachim Pieper die Besucher ins „Allerheiligste“ von Magazin und Restaurierungwerkstatt führt. Aber auch die dunklen Seiten unserer Stadtgeschichte werfen dort ihre Schatten: mit 73.000 Dokumenten wird hier die größte Sammlung von Opferakten aus der Nazi-Zeit aufbewahrt.

Im Heine-Institut erfüllt Marianne Tilch Besucherwünsche. Im Bildarchiv des Medienzentrums wird, ganz aktuell, schon die neue Arena dokumentiert. Und bei Rheinmetall zeigt Christian Leitzbach, wie sich die Automobiltechnik entwickelt hat.

Im Gedächtnis der Stadt kann am Wochenende jeder kramen, solange er keine Unordnung anrichtet. „Fragen Sie uns ruhig Löcher in den Bauch“, sagen die Archivare.

Quelle: NRZ-online, 8.10.2003

Konferenz: Conrad von Soest

Mit dem Marienretabel in der Dortmunder Marienkirche ist ein Hauptwerk des Conrad von Soest an seinem ursprünglichen Bestimmungsort erhalten. In diesem um 1420 geschaffenen Werk, das einen Höhepunkt spätmittelalterlicher Malerei darstellt, laufen zahlreiche Fäden von Stadtkultur, Künstlersoziologie und Kunst im spätmittelalterlichen Dortmund zusammen.

Dieses komplexe Interaktionsfeld wird auf der Tagung „Conrad von Soest: Stadtgesellschaft, Kunst und Künstler im spätmittelalterlichen Dortmund“ von Historikern und Kunsthistorikern im interdisziplinären Austausch abgeschritten werden. Reflektiert wird, in welchem Kontext der Maler seine Bilder für die städtische Gesellschaft erstellt hat. Stadtvorstellungen des Mittelalters sind ebenso Thema der Tagung wie die politische Kultur der Stadt um 1400 mit innerstädtischen Unruhen und dem Drängen der Zünfte um Beteiligung am Ratsregiment. Die Handelsaktivitäten der Dortmunder Fernkaufleute korrespondieren mit dem hohen Anspruch an die Malereien des Conrad von Soest, die hinter dem Niveau der spätmittelalterlichen Kunstzentren Paris oder Prag kaum zurückstehen.

Der künstlerische Austausch und der ambitionierte, weit überregionalen Standards verpflichtete Stil der Malereien sind von der Forschung noch längst nicht ausreichend gewürdigt worden. In einer Reihe von Vorträgen wird deshalb die Kunst des Conrad von Soest in den Kontext der zeitgenössischen Kunstproduktion gestellt. Die sozialgeschichtliche Einordnung des Künstlers ist bisher ebenso ein Desiderat der Forschung wie die Stellung der Gesellen im Malerhandwerk. Hier verspricht die Tagung ebenso Aufschluss wie bei der Bewertung der sogenannten Signaturen auf dem Marienretabel. Auch wird die Verwobenheit von Stadtgesellschaft, Kunst und Künstler im spätmittelalterlichen Dortmund in besonderer Weise sichtbar.

Info:
3. Dortmunder Kolloquium zur Kunst, Kultur und Geschichte in der spätmittelalterlichen Stadt
„Conrad von Soest: Stadtgesellschaft, Kunst und Künstler im spätmittelalterlichen Dortmund“

Conrad-von-Soest-Gesellschaft Dortmund; Stadtarchiv Dortmund; Universität Dortmund, Lehrstuhl für Kunstgeschichte
29.01.2004-31.01.2004, Dortmund

Programm:

Eröffnungsvortrag:
Prof. Dr. Dres. hc Otto Gerhard Oexle, Göttingen
Die Stadtkultur des Mittelalters als Erinnerungskultur

Prof. Dr. Thomas Schilp, Dortmund/Duisburg
Konflikt und Konsens: Soziale und politische Stadtkultur des Dortmunder
Mittelalters

Dr. Regine Rößner, Oldenburg
Dortmunder Hansekaufleute in England und Flandern – Fernhandel,
Stiftungen und Korporationen

Dr. Monika Fehse, Duisburg
Der Städter Conrad von Soest – eine sozialgeschichtliche Einordnung

Dr. Ulrike Heinrichs-Schreiber, Bochum
Tafelmalerei in Paris um 1400 – Anmerkungen zu einem problematischen
Überlieferungsstand

Dr. Iris Grötecke, Bochum
Bertram aus Minden – Maler für Hamburg?

Prof. Dr. Martin Büchsel, Frankfurt am Main
Conrad von Soest – Der „weiche Stil“ – kritische Anmerkungen zu einem
Stilbegriff.

Prof. Dr. Robert Suckale, Berlin
Zur Geschichte der Malerei Westdeutschlands zwischen 1350 und 1400

Dr. Wilfried Ehbrecht, Münster
Jerusalem: Vorbild und Ziel mittelalterlicher Stadtgesellschaft

Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, Münster
Wanderungen von Malern und anderen Handwerkern im Mittelalter

Prof. Dr. Barbara Welzel, Dortmund
Conrad von Soest in Dortmund: Höfische Bilder für die Stadtgesellschaft

Dr. Klaus Lange, Ennepetal
Signaturen Conrads von Soest. Der Name des Malers und die Wahrheit des
Bildes

Dr. Nils Büttner, Dortmund
„Johannes arte secundus“? Oder: Wer signierte den Genter Altar?

Kontakt:
Thomas Schilp
Stadtarchiv Dortmund
Märkische Straße 14
44122 Dortmund

Quelle: H-Soz-u-Kult, 6.10.2003

Das Archivzentrum Hessens

Der große Archivzweckbau des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden in der Mosbacher Straße 55 bietet auf seinen insgesamt fast 19.000 Quadratmetern Fläche optimale Bedingungen. Ausgewählte Akten der hessischen Ministerien und sämtlicher Behörden mit zentraler Zuständigkeit für das Land Hessen werden hier übernommen und aufbewahrt. Es ist wichtigstes Dokumentationszentrum für die Geschichte Hessens und dessen historischer Überlieferung aus dem Herzoglich-Nasssauischen Zentralarchiv in Idstein (bis 1866) und Preußischen Staatsarchiv Wiesbaden (bis 1945).

Im eigentlichen Kernbereich des Hauptstaatsarchivs stehen hinter dicken Mauern und ebenso dicken Spezialtüren 9.500 Quadratmeter Magazinflächen auf sieben Stockwerken, zwei davon unterirdisch, zur Verfügung. Hier im Magazinbereich ist alles perfekt klimatisiert und durch Feuerlöschanlagen gesichert. Rund 55.000 laufende Meter Akten und Amtsbücher, die größte und inhaltsreichste Quellengruppe, sind hier in Regalen untergebracht – und jedes Jahr kommen rund 700 Meter dazu. In Spezialschränken haben die Urkunden, Karten, Siegel und Filme im Umfang von umgerechnet weiteren 7.000 laufenden Metern Platz. Was einmal hier gelandet ist, dafür legt Archivdirektor Dr. Diether Degreif die Hand ins Feuer, wird „auf Ewigkeit aufbewahrt“. Unter den 50 Menschen, die hier arbeiten, sind 15 ausgebildete Archivare.

Die Werkstätten

Vorgelagert vor dem eigentlichen Magazinkern befinden sich auf zwei Stockwerken die Büros und Werkstätten. Im Fotolabor werden für den Archivnutzer Fotografien von Archivalien und Reproduktionen für wissenschaftliche Veröffentlichungen und Ausstellungen hergestellt. In der Restaurierungswerkstatt sind das Können und die jahrzehntelange Erfahrung des Restaurators Garantie dafür, dass zerbrochene Siegel, wasser- und brandgeschädigte Pergamente und Papiere und zerrissene Karten oft fast originalgetreu wieder hergestellt werden können und in der ältesten Werkstatt des Archivs, der Buchbinderei, werden nicht nur alte Schätze sorgfältig behandelt, sondern viele der Neuzugänge werden hier oft erst einmal „überholt“, da sie durch den Behördengebrauch abgenutzt sind.

Sicherheitsverfilmung

Im Erdgeschoss des Hauptstaatsarchivs findet auch die Sicherungsverfilmung von Unterlagen aus allen drei hessischen Staatsarchiven statt. Da wertvolle Kunstschätze, ganze Bibliotheken und auch unersetzliche Archivalien immer wieder durch Natur- und Brandkatastrophen oder Kriegsereignisse vernichtet worden sind, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland im Auftrag des Bundesinnenministeriums bereits seit 1961 ein Programm zur Sicherung wichtiger und einmaliger historischer Dokumente in den Archiven. Von hier aus werden die Original-Sicherungsfilme in einen ehemaligen Bergwerksstollen im Schwarzwald gebracht, wo alle Bundesländer ihre historische Überlieferung einlagern.

Wahre Schätze

Das Hauptstaatsarchiv beherbergt wahre Schätze. Die älteste Urkunde aus Pergament stammt von 910 und bezeugt eine königliche Schenkung zugunsten des Georgenstifts zu Limburg an der Lahn. Insgesamt besitzt das Hauptstaatsarchiv rund 65 000 Urkunden. Darunter befinden sich zahlreiche Königs- und Papsturkunden sowie die urkundliche Überlieferung der bedeutenden Zisterzienserklöster Eberbach (Rheingau) und Marienstatt (Westerwald), der Abtei Arnstein (Lahn) sowie des besagten Georgenstifts. Die Urkunden und Akten der nassauischen Grafen und Fürsten bilden den historischen Kern der Bestände und für die Zeit von 1806 bis 1866 besitzt das Archiv mit der Überlieferung des Herzogtums Nassau und seiner Behörden eine fast vollständige Dokumentation über einen kleinen Staat im deutschen Bund des 19. Jahrhunderts, die aus genau diesem Grund auch besonders wertvoll ist.

Unter den rund 30.000 historischen Karten und Plänen, darunter Grenz-, Forst-, Gewässer- und Eisenbahnkarten sowie zahlreiche Bauzeichnungen, befinden sich Schätze von großem Wert wie die vier Meter lange Darstellung des Rheinlaufs zwischen Walluf und Rüdesheim aus dem Jahr 1575, die im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen den Kurfürsten von Mainz und Pfalz um den Besitz der Rheinauen entstanden ist.

Zeitgenössisches Schriftgut

Wichtigste und auch verantwortungsvollste Aufgabe des Archivars ist es heute, zeitgenössisches Schriftgut für die Übernahme ins Archiv auszuwählen, um künftigen Generationen die Geschichtsschreibung über unsere Epoche zu ermöglichen. Seit 1945 ist das Hauptstaatsarchiv für die laufenden Aktenabgaben der Ministerien und zentralen Landesbehörden zuständig. Hier landet bis zum heutigen Tag das archivwürdige Schriftgut der Ministerien sowie aller Behörden, Gerichte und staatlichen Einrichtungen mit Zuständigkeit für das Land Hessen.

Wie geht das vonstatten? Der Archivar geht zu einem „Aussonderungsbesuch“ in die Behörde und sichtet das Schriftgut, das aus dem normalen Geschäftsbetrieb ausscheidet. Natürlich ist der Prozentsatz der Akten, die zur dauernden Aufbewahrung übernommen werden kann, in den einzelnen Verwaltungszweigen sehr unterschiedlich. Während bei hessischen Ministerien im Durchschnitt bis zu 20/30 Prozent der Akten ausgewählt werden, gibt es kleinere Behörden, von denen die Staatsarchive nur ein Prozent der Akten oder weniger übernehmen. „Die Akten, die wir auswählen, müssen zeittypisch und historisch bedeutsam sein“, erklärt der promovierte Historiker Degreif. Unter den vielen zeittypischen Gerichtsakten beispielsweise über Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wähle der Archivar dann einige repräsentative aus.

Ganz wichtig ist die möglichst schnelle und gründliche Erschließung der Bestände nach der Übernahme aus den Behörden, um aus einem Archiv kein unbenutzbares Informationsgrab zu machen. 1970 erschien erstmals eine „Übersicht über die Bestände des Hessischen Hauptstaatsarchivs“ vom Jahr 910 bis in die Gegenwart. Seit 1978 veröffentlicht das Hauptstaatsarchiv regelmäßig Findbücher von bedeutenderen Archivbeständen, die neu verzeichnet worden sind.

So öffentlich ging es beileibe in den Archiven nicht immer zu. Die Findbücher, in denen die Bestände inhaltlich erschlossen werden, durften in Preußen erst nach 1900 den Benutzern vorgelegt werden. Bis dahin blieben diese auf den Archivar, das heißt auf dessen mündliche Auskunftserteilung, angewiesen. Vor 1800 blieben Archive grundsätzlich vor der Neugier von Forschenden verschlossen!

1997 begann mit der Einführung von HADIS (Hessisches Archiv-, Dokumentations- und Informationssystem) für alle drei Staatsarchive und deren Nutzer ein neues Zeitalter. Recherchen können jetzt zunächst einmal für den Nutzer am eigenen PC zuhause beginnen, um sich auf den Archivbesuch vorzubereiten. Für die rund 4000 Nutzer, die im Jahresdurchschnitt das Archiv aufsuchen, stehen Lesesaal und verschiedene technische Benutzerräume mit Computerplätzen, Mikrofilmlesegeräten, Elektrokopierer und Readerprintern sowie eine Präsenzbibliothek mit 75 000 Bänden zur Verfügung. Dabei sind die Öffnungszeiten auch hier für Berufstätige nicht gerade freundlich: Nur jeden 2. und 4. Samstag im Monat ist der Lesesaal von 8 bis 12.30 Uhr geöffnet, während der Woche muss der Berufstätige sich sputen: Montag, Mittwoch und Freitag kann er ab 17.15 Uhr nichts mehr erforschen und dienstags und donnerstags schließen die Pforten schon um 16.15 Uhr.

Zu den Hauptnutzergruppen gehörten immer Familien- und Heimatforscher und wissenschaftliche Nutzer. In letzter Zeit finden aber auch immer mehr „normale Bürger“ den Weg ins Archiv, berichtet Dr. Degreif. Sie beschäftigen sich dort beispielsweise mit Umweltfragen, forschen nach Altlasten oder rollen Gerichtsakten von NS-Prozessen, Entnazifizierungsakten oder die Akten der Firma, die Zyklon B entwickelt hat, neu auf.

Kontakt:
Hessisches Hauptstaatsarchiv
Mosbacher Str. 55,
65187 Wiesbaden
Telefon: 0611/881-0
Telefax: 0611/881-145
E-Mail: Poststelle@hhstaw.hessen.de
Internet: http://www.hauptstaatsarchiv.hessen.de

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 7.10.2003

Regesten ältester Leipziger Ratsbücher

Dr. Henning Steinführer stellt die ältesten erhaltenen Leipziger Ratsbücher von 1466 bis 1500, am 9. Oktober im Stadtarchiv Leipzig vor. Der Wissenschaftler hat diese Edition im Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung unterstützten Projektes erarbeitet (Bewilligung: 23.04.1998 Laufzeit: 3 Jahre).

Zum ersten Male werden damit diese historischen Dokumente einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Drucklegung der Ratsbücher erfolgte im Leipziger Universitätsverlag innerhalb der Schriftenreihe des Stadtarchivs Leipzig.

Die frühesten Ratsbücher der Stadt Leipzig dokumentieren die Ratsgeschäfte und privatrechtlichen Vorgänge aus der Gründungszeit der Leipziger Messe. Sie werden in drei Jahren durch Erarbeitung der Urkundentexte sowie deren Erschließung nach Stichwörtern, Orten und Personen für die Forschung erschlossen.

Kontakt:
Stadtarchiv Leipzig
Torgauer Straße 74
D-04318 Leipzig 
Tel: +49 (341) 24 290
Fax: +49 (341) 242 9121
stadtarchiv@leipzig.de

Literaturhinweise:

  • Henning Steinführer: Die Edition der ältesten erhaltenen Leipziger Ratsbücher (1466-1500). Ein aktuelles Forschungsprojekt zur sächsischen Städtegeschichte im Spätmittelalter, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 69 (1998), S. 245-250
  • Henning Steinführer: „… und haben gebeten in des rats buch schreiben zu lassen.“ Die Edition der ältesten erhaltenen Leipziger Ratsbücher (1466-1500). Ein Forschungsprojekt im Stadtarchiv Leipzig, in: Leipziger Kalender (1999), S. 87-96
  • Elke Schlenkrich: „Hirvmb so hat sich der Rathe mit der Vniversitet betagt“ – Leipziger Ratsbücher des 15. und 16. Jahrhunderts als Spiegelbilder der Interaktion von Stadt und Universität, in: Karl CZOK; Volker TITEL (Hgg.), Leipzig und Sachsen. Beiträge zur Stadt- und Landesgeschichte vom 15.-20. Jahrhundert. Siegfried Hoyer zum 70. Geburtstag, Beucha 2000, S. 9-16

Quelle: Leipzig News, 6.10.2003

Stöbern im Stadtarchiv Wiesbaden

Das öffentliche Archiv der Landeshauptstadt Wiesbaden befindet sich hinter dem alten Dotzheimer Güterbahnhof. Dort wurden 1989 die Räume einer ehemaligen Fabrik bezogen, weil es im vorherigen Domizil in der Hengstenberg-Villa in der Humboldtstraße zu klein geworden war. Hier stehen dem Stadtarchiv insgesamt 1.703 Quadratmeter zur Verfügung, wobei bisher nur ein Teil dieser Fläche für die dauerhafte Aufbewahrung von Archivgut optimale klimatisierte Bedingungen vorweisen kann.

Erst „entgräten“

Im Flur vor den Arbeitsräumen der Archivdirektorin Dr. Brigitte Streich und ihrer acht Mitarbeiter stehen Stapel von Akten und Papieren aller Art. Sie sind neu angekommen. Bevor sie erschlossen und registriert werden können, müssen sie zunächst „entgrätet“ und „umgebettet“ werden. Alles Metall wird entfernt, denn dieses rostet und greift das Papier an. Der Inhalt wird gesichtet und registriert, dann das Schriftgut in spezielle Kartons gelegt, wo es lange Zeiten überdauern kann. Die fertig erschlossenen Akten werden in Rollregalen in großen klimatisierten Archivräumen untergebracht. Dort sind bereits zweieinhalb Kilometer aneinander gereiht!

Da das Archiv im Laufe seiner Geschichte mehrmals umgezogen ist und über lange Zeiträume hinweg eher stiefmütterlich behandelt wurde, gibt es größere Lücken in den Beständen, ganz zu Schweigen von den Verlusten durch die bewussten Vernichtungsaktionen wie denen des damaligen NS-Bürgermeisters Piékarski, der vor dem Einmarsch amerikanischer Truppen in Wiesbaden im März 1945 fast sämtliches im „Dritten Reich“ entstandenes Schriftgut der Hauptregistratur vernichten und die bei seiner Flucht mitgenommenen Personal- und Geheimakten in Bad Elster verbrennen ließ. So gehört die städtische Zwangsarbeiterkartei mit fast 3.000 Namen und Bildern heute zum seltenen Archivgut dieser Zeit im Stadtarchiv.

In der Gegenwart regeln das Hessische Archivgesetz und eine „Satzung über die Archivierung des Archivgutes der Landeshauptstadt Wiesbaden“ ganz genau, auf welches Schriftgut das Archiv Anspruch hat. Mit der Einführung dieser Archivsatzung, die am 12. Dezember 1991 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde, sind die Dezernate, Ämter und Betriebe der Stadt verpflichtet, „alles Schriftgut und alle sonstigen Informationsträger, die zur Erfüllung ihrer laufenden Aufgaben nicht mehr erforderlich sind, unverzüglich auszusondern und dem Archiv zur Übernahme anzubieten“. Neben den Protokollen der Stadtverordnetenversammlung und ihrer Ausschüsse und den Magistratsprotokollen wird Wiesbadens Geschichte im Stadtarchiv in drei Abschnitten dokumentiert: Wiesbaden unter Nassau (bis 1866), Wiesbaden in preußischer Zeit (1866 bis 1945/46), Landeshauptstadt Wiesbaden (seit 1945/46). In gesonderten Beständen erfasst sind die eingemeindeten Orte und Ortsverwaltungen und so genannte „Privata“, dazu gehören Nachlässe und Sammlungen, die dem Stadtarchiv übergeben wurden, Schriftgut von Vereinen und Verbänden, von Parteien und Wirtschaftsunternehmen.

Multimedia-Archiv

Zu finden sind hier auch Sammlungen: Plakate, Postkarten und Stiche zum Beispiel und weit über 1.000 Zeitungsbände. Die große Zeitungsauschnittsammlung ist nach Sachgebieten und Personen erschlossen. Beeindruckend ist auch die umfassende und in Teilen digitalisierte Fotosammlung. Das „Digitale Multimediaarchiv“ wird von Dr. Thomas Weichel betreut. Alle Fotos sollen eingescannt werden und können dann digital recherchiert und zur Verfügung gestellt werden. Der große Vorteil: wertvolle und seltene Originale müssen nicht mehr aus- und eingepackt und damit in Mitleidenschaft gezogen werden. Das schützt sie vor weiterem Verfall. Laufend finden hier im Stadtarchiv Anstrengungen statt, dieses Fotoarchiv zu ergänzen. So können Besitzer historischer oder auch interessanter zeitnäherer Aufnahmen diese dem Archiv zum Einscannen zur Verfügung stellen und erhalten ihre Originale danach auf Wunsch zurück.

Hier wird aber nicht nur Vergangenes für die Zukunft bewahrt. Auch die Gegenwart wird möglichst genau dokumentiert und so wurde im Rahmen des Digitalen Multimediaarchivs damit begonnen, eine aktuelle Stadtdokumentation zu erstellen. Dabei dokumentierten die bis vor kurzem im Stadtarchiv beschäftigte Fotografin Saskia Steltner und der Historiker Dr. Thomas Weichel die Stadt und ihre Straßenzüge in aktuellen Fotografien, und auch, wenn dieses Projekt jetzt erst einmal auf Eis liegt, werden die Menschen, die in 100 oder 500 Jahren einmal wissen wollen, wie Wiesbaden anno 2000 ausgesehen hat, sich hoffentlich ein annähernd genaues Bild davon machen können.

Neben den „Pflichtabgaben“ der Dezernate und Ämter legt die Archivdirektorin besonderen Wert darauf, dass sie auch ganz einfache und scheinbar ganz profane Dinge sichern möchte. „Wir interessieren uns für fast alles“, betont sie deshalb. Es gehe oft gar nicht darum, „ob auf irgendwelchem Papier Hochwissenschaftliches steht“. Das Zeitkolorit sei entscheidend. Und genau hierzu können Veranstaltungszettel und Zeitschriften von Vereinen oder Schulen, Gemeindebriefe der Kirchen, „graue Literatur“ also, hochinteressant sein. Deshalb bittet das Stadtarchiv Vereine, Institutionen und Sachbearbeiter darum, die Mitarbeiter des Archivs zu unterrichten, ehe Unterlagen in Papiercontainer, feuchte Keller oder staubige Dachböden privat entsorgt werden. Die Mitarbeiter des Archivs holen die Unterlagen im Bedarfsfall sogar selbst ab!

Leider komme es noch viel zu häufig zu unkontrollierten Akten- und Datenvernichtungen, bedauert die Archivfachfrau. „Deshalb bringen wir uns immer wieder in Erinnerung.“ Und sie drückt ihr Missfallen über die Entscheidungen so mancher Personen aus, die sich oft in dieser Beziehung zu viel Urteilsvermögen anmaßten.

Wenig Schulklassen

Heute kommen im Tagesdurchschnitt drei bis vier Besucher ins Stadtarchiv, darunter sind Denkmalpfleger, Heimatforscher, Zeitungs- und Fernsehjournalisten genauso wie der Bürger, der die Geschichte seiner Familie erforschen oder nachempfinden will, wie der Stadtteil, in dem er heute lebt, vor 100 Jahren ausgesehen hat. „Schulklassen kommen“, bedauert Dr. Streich, „leider sehr selten“. Das liege wohl auch daran, dass das Hessische Hauptstaatsarchiv einen Archivpädagogen zur Betreuung von Schulklassen anbieten kann. Dr. Streich bemüht sich, die Schwellenangst gegen einen Archivbesuch abzubauen. „Archive sind sehr demokratische Institutionen, jeder, der ein berechtigtes Interesse hat, kann hier alles einsehen und auch unsere Bibliothek nutzen.“ Dort stehen immerhin rund 15.000 Bücher in den Regalen.

Es geht unbürokratisch zu. Der Interessent kann zunächst anrufen und nachfragen, ob zu seinem Gebiet Schriftgut vorhanden ist. Der Benutzerantrag ist schnell ausgefüllt und die detaillierte Suche in den übersichtlichen „Findbüchern“, die im Benutzerzimmer stehen und über den gesamten registrierten Bestand Auskunft geben, kann beginnen. Die Unterlagen werden dem Benutzer dann normalerweise in so kurzer Zeit vorgelegt, dass er darauf warten kann. Die Stichworte im Benutzerbuch geben Auskunft darüber, in welche unterschiedlichen Themen die letzten Gäste sich hier im ruhigen Lesezimmer vertieft haben: Kloppenheim, Sintiverfolgung, Kaspar Kögler, Eingemeindung, Hessischer Rundfunk, Rudolf Dietz, Genealogie, Flurpläne um 1900, Frauen in der Stadtgeschichte, Ortsgeschichte Frauenstein, Buchbinder in Wiesbaden, Marktplatz in Biebrich, Georg Buch, Jugendstil. Mit Sicherheit gab es zu allen diesen Themen hier im Stadtarchiv Interessantes zu entdecken.

Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
Telefon:  0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429 
Fax:  0611 / 31-3977 
E-Mail:  stadtarchiv@wiesbaden.de

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 4.9.2003

Geschichte der Auslagerung der Berliner Staatsbibliothek

Jeder Benutzer der Berliner Staatsbibliothek kennt die älteren Katalogsignaturen häufig angefügte Zusatzinformation: „Kriegsverlust möglich“. Er weiß, dass die Bestellung in solchen Fällen nicht grundsätzlich aussichtslos ist. Gelegentlich wird erst durch die Bestellung selbst geklärt, ob das Buch nach 1945 in die Bibliothek zurückgekehrt ist.

Aus der „Preußischen Staatsbibliothek“ wurden in den Kriegsjahren 1941 bis 1945 mehr als drei Millionen Druck- und Handschriften ausgelagert. Es war die größte Umschichtungs- und Sicherungsaktion, die es innerhalb der europäischen Bibliotheksgeschichte je gegeben hat. Von den ausgelagerten Druck- und Handschriften kehrten ungefähr 850.000 nach Kriegsende nicht nach Berlin zurück. Werner Schochow hat jetzt die Geschichte dieser Verlagerungsaktion geschrieben, in Anknüpfung an seine 1989 erschienene, mit einem reichhaltigen Quellenteil versehene Überblicksdarstellung zur Geschichte der Bibliothek zwischen 1918 und 1945.

Die Bestände des Ostberliner Hauses Unter den Linden und des Westberliner Hauses an der Potsdamer Straße sind nach dem Fall der Mauer zusammengeführt worden. Die Perspektive der Sichtung der Bestände nach dem Ende der Nachkriegszeit prägt Schochows minutiöse Rekonstruktion der Verlagerungen. Er will möglichst genau darlegen, was wo verblieben, verschollen oder definitiv vernichtet ist. So beschränkt er sich nicht darauf, die drei großen Auslagerungswellen (Frühjahr/Herbst 1941, Sommer 1942 bis Sommer 1943, Sommer 1943 bis 1945) aus der Sicht der Berliner Bibliothekare und ihrer Logistik zu rekonstruieren. Er folgt den Büchern in ihre verstreuten Depots im Westen, Süden und Osten des damaligen Reichgebietes. Nach Hessen und Württemberg, Böhmen und Schlesien, bis hinauf nach Pommern. Systematisch führt er Ortsnamen und Signaturengruppen zusammen.

Nicht geringe Dunkelziffer

Zwei Motive beherrschen die Darstellung der Zeit nach 1945: Rückführung und Recherche. Über ein Jahrzehnt dauerte es, bis von den mittleren Sechziger Jahren etwa die Bestände aus Marburg mit seinen vier Außenstellen und aus dem Tübinger Depot langsam nach Westberlin geführt wurden, wo der Scharoun-Bau im Dezember 1978 geöffnet wurde. Äußerst schleppend verlief die Recherche nach dem Verbleib der nach Osten ausgelagerten Bücher. Die schlesischen und pommerschen Depots lagen nun in Polen, viele Bücher waren aus ost- und mitteldeutschen Depots in die Sowjetunion gelangt.

Schochow zeigt, wie wenig erfolgreich auch die Vorstöße der Ostberliner Staatsbibliothek bei ihren polnischen Kollegen jahrzehntelang waren. Die Rückführungsaktion aus Polen erfolgte 1963 „nicht als Rückerstattung an den rechtmäßigen Eigentümer, sondern als Geschenk an den sozialistischen Nachbarn“. Das Grundmotiv der restriktiven Informationspolitik sowohl in Polen wie in der Sowjetunion war der Grundsatz, die Berliner Bestände als Kompensation für eigene Kriegsverluste aufzufassen.

„Im ganzen beherbergt Polen heute vom alten Bestand der Preußischen Staatsbibliothek – bei einer nicht geringen Dunkelziffer, die nur Detailuntersuchungen aufhellen könnten – weit über 100.000 Bände sowohl geistes- wie naturwissenschaftlichen Inhalts. Sie befinden sich in acht Bibliotheken und Instituten des Landes. Bei der Beurteilung dieser Tatsache darf man den beträchtlichen personellen und materiellen Aufwand nicht übersehen, den Polen zur Sicherung und Pflege der kriegsbedingten Auslagerungen im Verlauf von fünf Jahrzehnten geleistet hat.“

Schochows Studie „Die Preußische Staatsbibliothek und Polen seit dem Zweiten Weltkrieg“ (1997) ist in dieses Buch eingegangen.Nicht nur durch ihre Genauigkeit beeindrucken seine Recherchen, sondern auch durch die Behutsamkeit, mit der sie das Thema der Rückführung Berliner Bestände aus polnischen oder russischen Bibliotheken behandeln. Dies Buch demonstriert das Eigenrecht der wissenschaftlichen Recherche auch dort, wo das Problem der Restitution politisch nach wie vor ungelöst ist.

Info:
WERNER SCHOCHOW: Bücherschicksale. Die Verlagerungsgeschichte der Preußischen Staatsbibliothek. Auslagerung. Zerstörung. Entfremdung. Rückführung. Dargestellt aus den Quellen. Mit einem Geleitwort von Werner Knopp. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2003. 328 Seiten, 48, 95 Euro.

Quelle: SZ, 4.10.2003

„Lange Nacht der Kultur“ in Menden

Auch bei der zweiten „Langen Nacht der Kultur“ am 11. Oktober 2003 können sich Interessierte wieder in den Räumen des Stadtarchivs Menden (von 18.00 bis 24.00 Uhr geöffnet) umsehen und ihre Fragen stellen.

Altes muss nicht verstaubt sein, außerdem öffnet das Archiv der Zukunft durch neue Technologien Tür und Tor. In einer Multimedia-Dia-Show werden das alte Menden, alte Mendener und das neue Menden gezeigt. Mit einer Schmalzstulle in der Hand kann man Platz nehmen und auf einer Leinwand eine Auswahl von ca. 250 bis 300 Bildern aus dem gescannten Bestand des Fotoarchivs auf sich wirken lassen. In einer Endlos-Schleife kann man sich die Aufnahmen in den Räumlichkeiten des Archivs ansehen. Mit kurzen Unterbrechungen für Rückfragen oder Besichtigungen des Magazins startet dann die Diashow wieder durch.

Die Mitarbeiter des Archivs werden Interessierten auf Wunsch Ausdrucke aus alten Mendener Zeitungen fertigen. So kann man sich die Vergangenheit, ausgedruckt vom modernen Reader-Printer auf Papier, mit nach Hause nehmen.

Um das Alte Rathaus zu erkunden und um aufs Dach zu steigen, ist man am 11.10.2003 ebenfalls im Archiv richtig. In den drei angesetzten Führungen kann man das Gebäude in den Teilen besichtigen, die normalerweise nur für den Dienstbetrieb zugänglich sind. Aus dem Dachgeschoss mit seinem Turmaufsatz schaut man den Mendener Bürgern auf die Köpfe.

Dort lagert z.Zt. eine Vielzahl an Altakten des Archivs. Wegen eines Wasserschadens im Keller mussten diese Archivalien vor 1½ Jahren dort deponiert werden. Sie harren auf bessere räumliche Unterbringungsmöglichkeiten des Archivs, um dann endlich sach- und fachgerecht in licht-, staub- und feuergeschützten Behältern und in Stahlregalen eingelagert zu werden.

Im Keller hat man die Möglichkeit, sich die Luftschutzräume und ehemaligen Zellen anzusehen. Diese Zellen sind zwar mit Material bis zur Decke vollgepackt, doch kann man etwas davon erahnen, wie sich die Personen gefühlt haben, die dort kurzzeitig eingesessen haben.

Die „Lange Nacht der Kultur“ ist eine Gemeinschaftsveranstaltung der Mendener Kulturinstitute: Archiv, Bücherei, Museum, Musikschule, VHS und Kulturbüro.

Kontakt:
Norbert Klauke
Stadtarchiv Menden
Postfach 28 52, 58688 Menden
Neumarkt 5, 58706 Menden
Tel +49-23 73-90 36 31
Fax +49-23 73-90 31 06 31
E-Mail: n.klauke@menden.de

Jüdisches Leben im Hochsauerland

Günter Schulte, Historiker und Stadtarchivar in Schmallenberg, türmt einen Bücherstapel vor sich auf. „Ich habe mich gewundert, dass schon so viel da ist“, staunt er. Jüdisches Leben im Hochsauerland: So weit es die Quellenlage hergibt, ist es durch Veröffentlichungen vor allem für das 20. Jahrhundert umfangreich dokumentiert. Ein neues Projekt, das auch die Lokalgeschichte Schmallenbergs und Meschedes streift, kommt nun hinzu.

Günter Schulte in Schmallenberg und Erika Richter aus Meschede, pensionierte Lehrerin und ebenfalls Historikerin, arbeiten daran mit. Die Historische Kommission für Westfalen plant für 2005 die Herausgabe eines aus vier Bänden bestehenden und 1.800 Seiten umfassenden „Handbuchs der jüdischen Gemeinden und Gemeinschaften in Westfalen und Lippe“. 180 Autoren verfassen die mehr als 230 Artikel.

Zwei Beiträge aus Altkreis Meschede

„Ziel des Projekts ist es, die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Westfalen seit dem 12. Jahrhundert bis heute zu dokumentieren“, erklärt Susanne Freund, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster das Projekt redaktionell betreut. „Wir wollen die Juden nicht nur als Opfer, sondern als aktive Mitglieder der Gesellschaft darstellen“, sagt Freund. Soziale, demografische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Aspekte sollen ebenso Thema sein wie die Frage der Integration, aber auch der Antisemitismus.

Bis Ende des Jahres sollen Schulte und Richter ihre Texte abliefern. Stützen können sie sich dabei weitgehend auf schon Veröffentlichtes. „Schmallenberg ist eigentlich recht gut dokumentiert“, betont Schulte. Arbeiten von Alfred Bruns, von Helga Tröster (erschienen in den Schmallenberger Heimatblättern Nr. 55) und Hannelore Schenk sind für ihn die Grundlage. Hinzu kommen Einwohnerverzeichnisse und so genannte „Generalakten“ aus dem 19. Jahrhundert, die im Stadtarchiv auf ihre Auswertung warten.

Gemessen an der reinen Zahl war Schmallenberg mit den 52 Juden, die 1932 gezählt wurden, keine große Gemeinde. Gemessen an der Bevölkerungszahl war sie aber bedeutender als zum Beispiel die in Meschede: etwas mehr als zwei Prozent der Schmallenberger waren jüdischen Glaubens; in der Kreisstadt waren es nur ein Prozent. Und sie waren in das örtliche Leben integriert, betont Schulte. Bis hin zur Mitgliedschaft im Schützenverein.

Ähnliches gilt für Meschede. Von Juden, die ganz selbstverständlich im Gesangverein mitmachten, berichtet Erika Richter. Die vor sechs Jahren erschienene Dokumentation „Jüdische Familien in Meschede“ liefert für sie den Grundstock an Informationen für ihren Beitrag zum Handbuch. An manchen Stellen wird aber auch sie auf Vermutungen angewiesen sein. Beispielsweise bei der Frage, ob die Mescheder Gemeinde dem orthodoxen oder dem liberaleren Teil des Judentums zugerechnet werden muss. Dass in die Synagoge ein Harmonium gestellt wurde, dass es dort spezielle Frauenplätze gab: Fingerzeige sind es, aber zu wenig für eine eindeutige Aussage.

Recherche auch in Familienblatt

Erschwert wird ihre Arbeit dadurch, dass das Archiv der Stadt im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Und so finden sich manchmal Hinweise auf die jüdische Gemeinde Meschedes an Stellen, wo man sie nicht vermutet. Zum Beispiel im „Israelitischen Familienblatt“, das bis 1938 in Hamburg erschien: Notizen über Verlobungen und Ehe-schließungen gibt es dort ebenso wie über aktuelle Ereignisse in der Gemeinde. Einiges bleibt wohl noch zu entdecken.

Quelle: Westfälische Rundschau, 4.10.2003

Deutsche Architekturgeschichte

Archive sind wie «Veilchen im Moose», denn sie wachsen und blühen im Verborgenen. Das Südwestdeutsche Archiv für Architektur und Ingenieurbau (SAAI) in Karlsruhe gehört zur Gattung dieser zarten Pflänzchen. In Fachkreisen hat die der Universität Karlsruhe angegliederte Institution grosses Gewicht, aber das breite Publikum kennt sie kaum. Das soll sich ändern, denn das SAAI drängt mit Ausstellungen in die Öffentlichkeit. Der erste Schritt dorthin ist eine höchst attraktive Schau im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe. Das SAAI hat seine Schatzkammern geöffnet und entwickelt in zwölf anschaulichen Kapiteln eine deutsche Architekturgeschichte vom Barock bis zum Dekonstruktivismus. Skizzen, Zeichnungen und Originalmodelle von grossen Architekten wie Weinbrenner, Eiermann und Behnisch feiern die Architektur als «Mutter der Künste». Einige dieser Exponate sind erstmals öffentlich zu sehen. Am faszinierendsten sind die Exponate aus vergangenen Tagen, als Karlsruhe selbst durch lehrende und wirkende Architekten zu einer Hochburg der Baukultur avancierte. Wichtig in diesem Kontext sind der Klassizist Friedrich Weinbrenner (1766-1866) mit seiner Schule, Heinrich Hübsch (1795-1863), dessen lyrischer «Gottesacker»-Entwurf die Wende zum Rundbogenstil einleitete, und Friedrich Ostendorf (1871-1915). Mit seinen Brückenkonstruktionen steht Josef Durm (1837-1919) für moderne Ingenieurkunst, und Hermann Billing (1867-1946) beeindruckt mit der Schönheit plastischer, von Jugendstil und Revolutionsarchitektur inspirierter Formen.

Die zweite Ebene dieses informativen Bilderbogens ist die deutsche Geschichte: Nur in ihrem Kontext lässt sich eine «Thingstätte» von Hermann Reinhard Alker (1885-1967) richtig lesen, und nur so sind die «Tabula rasa»-Entwürfe des deutschen Wiederaufbaus nach 1945 zu begreifen. Seit 1989 hat das SAAI alle diese aus Schenkungen und Nachlässen stammenden Schätze gesammelt und sorgfältig archiviert. Anfangs passte die Sammlung gerade einmal in einen Schrank, heute dokumentiert sie mit über 200 000 Plänen, Zeichnungen und Skizzen, 100 000 Fotos, 200 Modellen und ungezählten Akten das Œuvre von mehr als 100 Architekten aus dem deutschen Südwesten. Die Bauten und Entwürfe von Egon Eiermann (1904-1970) sind hier ebenso erfasst wie die umfangreichen Arbeiten von Rolf Gutbrod (1910-1999) und von Fritz Leonhardt (1909 bis 1999), der mit seinem Stuttgarter Fernsehturm einst das deutsche Wirtschaftswunder leuchten liess. Einen weiteren Glanzpunkt der Sammlung bilden die Behnisch-Bestände, aus denen in der Karlsruher Ausstellung drei exemplarische Beispiele deutscher Baugeschichte präsent werden.

Nach Ende der Ausstellung gehen die Exponate wieder zurück in den Stammsitz des SAAI, der sich in den Flügelbauten des 1779 errichteten markgräflich-badischen Zeughauses in Karlsruhe befindet. Diese drei kleinen, im Louis-seize-Stil errichteten Gebäude sind zwar sehr schön, aber so eng, dass das Archiv aus allen Nähten platzt. Man wünscht sich mehr Raum, eine verbesserte Infrastruktur und einen erweiterten Etat. Ein neues Domizil des SAAI im «Science-Center», das die Stadt Karlsruhe anlässlich der Bewerbung zur Weltkulturhauptstadt im Jahr 2010 anstrebt, ist im Gespräch. Was fehlt, ist der Mut zur visionären, zukunftsträchtigen Tat.

Die Ausstellung läuft bis zum 16. November im Badischen Landesmuseum, Museum am Markt in Karlsruhe.
 
Quelle: NZZ, 3.10.2003.