Wien: Ein Archiv kehrt zurück

Aus Anlass der Wiedereröffnung des sanierten Gebäudes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien, einer Abteilung des Österreichischen Staatsarchivs, findet Ende September eine internationale Tagung statt, die sich mit den Beständen des Hauses und deren Bedeutung für die Geschichtswissenschaften beschäftigt.

„Die Bedeutung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs für die Geschichtswissenschaft“
Österreichisches Staatsarchiv, Wien
24.09.2003-25.09.2003, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Minoritenplatz 1, 1010 Wien, Dachfoyer

P R O G R A M M: http://www.oesta.gv.at/deudiv/aktuelle.htm

Kontakt:
Thomas Just
Österreichisches Staatsarchiv, Abt. HHStA
Minoritenplatz 1, A-1010 Wien
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+43-1-53115-2501
thomas.just@oesta.gv.at
http://www.oesta.gv.at

Heiligenhauser Schulbilder 1920-1970

Ein beliebtes Wanderziel war für Heiligenhauser Lehrer und Pennäler stets das „Paradies“. So verwundert es nicht, dass auch das eine oder andere Klassenfoto in dem beschaulichen Vogelsangbachtal entstanden ist.

Eine dieser Aufnahmen ziert nun den Umschlag des Bildbandes „Heiligenhauser Schulbilder 1920-1970“, der von dem Wülfrather Stadtarchivar Hartmut Nolte und Heimatforscher Siegfried Hitzbleck zusammengestellt wurde. Das in den 1930er Jahren aufgenommene Coverfoto zeigt einen „gut gelaunten“ Lehrer Josef Rost mit einer Klasse der Katholischen Ortsschule. Die Kinder stehen wohlgeordnet, präsentieren sich aber immerhin lächelnd.

Was im Angesicht des zumeist vom Lehrer „einbestellten“ Fotografen beleibe nicht immer der Fall war. Ernst dreinblickend, die Hände züchtig an Rock- bzw. Hosennaht oder vom Fotografen „wie die Orgelpfeifen“ positioniert kamen häufig die anlässlich der Einschulung in die Lehranstalt oder Entlassung aus derselben abgelichteten Mädchen und Jungen daher. Nicht selten wurde das Schild „Zur Erinnerung an meine Schulzeit“ daneben gestellt, das Kind mit aufmunternden Worten zu einem Lächeln animiert.

Doch die Fotoauswahl ist breit gestreut, zeigt beileibe nicht nur ernst schauende Heranwachsende. Vielmehr gelingt hier auf 128 Seiten ein interessanter Streifzug durch die Heiligenhauser Bildungsinstitutionen. Neben den Schulen im Ort und den Landschulen in den zugehörigen Honnschaften finden sich die weiterführenden Einrichtungen, Szenen aus dem Unterricht, prägende Lehrerpersönlichkeiten (gerne hinterm Pult), Aufnahmen von Wandertagen und Klassenfahrten. Den Themen Schülerspeisung, Sport und Schüleraustausch ist darüber hinaus ein eigenes Kapitel mit eindrucksvollen Bildern gewidmet.

Hartmut Nolte trug gemeinsam mit Siegfried Hitzbleck die schulischen Fotoschätze zusammen. Hitzbleck, seit Jahren erklärter Sammler Heiligenhauser Fotografien, konnte neben den Bildern auch noch etliche Geschichten und Anekdoten beisteuern. „Es ist erstaunlich, wie viele Menschen ihre damaligen Mitschüler noch heute identifizieren können. Eine ältere Dame, sie war 82 Jahre, wusste darüber hinaus noch genau Nettes und auch weniger Nettes über ihre Klassenkameraden zu erzählen“, berichtet Hitzbleck über einen seiner vielen Hausbesuche. Historiker Nolte hingegen war beim Buchprojekt für die Fakten zuständig. „Insbesondere das Datieren der Fotos ist eine Sache für sich“, erklärt der Archivar, der viele Informationen den im Museum Abtsküche ausliegenden „Schulbüchern“ entnehmen konnte. „Wie hoffen natürlich auf weitere Hinweise der Leser“, ergänzt er.

Info:
Heiligenhauser Schulbilder 1920-1970
Reihe Archivbilder
128 Seiten , 200 Bilder , 300 g , 16,5 x 23,5 cm, Broschur
ISBN: 3-89702-604-X
Preis: 17,90 €

Kontakt:
Stadtarchiv Wülfrath
Herr Nolte
Wilhelmstraße 146
42489 Wülfrath
Telefon: 02058 895771
Email: u.nolte@stadt.wuelfrath.de

Quelle: WAZ, 8.9.2003

Sammlung ist Herzstück des Wiesbadener Archivs

Eine neue Serie über wichtige Nachlässe eröffnete das Wiesbadener Tagblatt heute mit einer Folge über das Vermächtnis Ludwig Gärtners. In seinem Testament vermachte der 1864 in Wiesbaden geborene Justizbeamte und Heimatforscher Ludwig Gärtner 1949 der Stadt seine umfangreiche Sammlung „Wiesbadener Erinnerungen, Bücher und Bilder“.

Unterlagen der Stadtverwaltung seien heute das „Hauptgeschäft“ des Wiesbadener Stadtarchivs, erklärt dessen Mitarbeiter Jochen Dollwet. In ihrer Archivsatzung verpflichtet die Landeshauptstadt Wiesbaden ihre Dezernate, Ämter und Betriebe, alles Schriftgut und alle sonstigen Informationsträger, die zur aktuellen Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden, „unverzüglich auszusondern und dem Archiv zur Übernahme anzubieten.“ Das bedeute nicht, dass man alles nehme, meint Dollwet. Es müsse schon historischen Wert haben.

Neben den städtischen Akten bewahrt das Archiv auch Nachlässe, Sammlungen und einzelne Schriftstücke aus dem Besitz von Privatpersonen, Verbänden und Parteien. Beim Blättern in der Bestandsübersicht trifft man auf bekannte Namen, etwa die der beiden ehemaligen Wiesbadener Oberbürgermeister Carl von Ibell (1847-1924) und Georg Buch (1903-1995).

Vermutlich weniger geläufig dürfte dagegen der Name des Justizbeamten und Heimatforschers Ludwig Gärtner (1864-1953) sein. Seine in den 1940er Jahren testamentarisch verfügte „Stiftung Ludwig Gärtner“ rangiert bis heute an erster Stelle der „Privata“ des Stadtarchivs.

Nicht allein wegen ihres Umfangs – immerhin 409 Mappen und sieben Regalmeter – handelt es sich um einen wichtigen Nachlass, dessen Bedeutung die Archivmitarbeitern noch heute zu würdigen wissen. Ohne Gärtners Stiftung, so heißt es, wäre in den vergangenen fünfzig Jahren das Wiesbadener Stadtarchiv als Institution sehr wahrscheinlich nicht lebensfähig gewesen. Gärtners umfangreiches und vielseitiges Material zur Vergangenheit Wiesbadens bildete den Grundstock für die öffentlich nutzbare Bibliothek des Stadtarchivs, dessen Foto-, Postkarten- und Plakatsammlung sowie die Sammlung der Stiche und Zeichnungen.

Vor allem aber die 1911 von Gärtner angelegte Kartei mit bibliographischen Nachweisen zur Stadtgeschichte ist noch heute „Herzstück“ der Auskunftstätigkeit des Stadtarchivs. Bis zu seinem Tod 1953 hat Gärtner über 10.000 Literaturstellen darin verzeichnet. Von der Aartalbahn und Adlerapotheke über Mundart, Neroberg, Prinzenraub, Rathaus oder Postkutsche bis „Zum schwarzen Rappen“ findet man zu fast jedem Stichwort, das einem so einfällt, mindestens einen Literaturhinweis.

Im Fall „Postkutsche“ beispielsweise kann man unmittelbar zu einem Band der von Gärtner seit 1926 gesammelten Zeitungsausschnitte greifen und erfährt beim Lesen eines Tagblatt-Artikels aus dem Jahre 1939, dass „wegen Eröffnung des Schienenweges Wiesbaden-Langenschwalbach“ am 15. November 1889 die letzte Stunde des hiesigen Postkutschenverkehrs nach Rüdesheim geschlagen hatte. Da wir gerade das Tagblatt erwähnten und das Staatstheater in Wiesbaden der Sanierung bedarf, sei auch noch die von Gärtner aufbewahrte Probenummer unserer Zeitung vom 16. September 1852 zitiert. Die nur vierseitige Ausgabe machte unter anderem bekannt, dass „bei Erneuerung des Oelfarbenanstrichs an der Blitzableitung des hiesigen Theaters vorkommende Dachdecker-, Schlosser und Tünchearbeiten … öffentlich wenigstnehmend auf dem Rathause dahier versteigert“ werden. Gemeint war damals allerdings das alte Theater.

Wie es sich Gärtner gewünscht hatte, konnte seine Kartei im Rahmen der personellen Möglichkeiten des Stadtarchivs bis 1997 fortgesetzt werden, zwar nur „rudimentär und unsystematisch“, aber immerhin. Eine elektronische Erfassung der inzwischen auf insgesamt 165.000 Datensätze angewachsenen Kartei erfolgte in den Jahren 1992 bis 1997. Zu Recht gilt die Gärtner-Kartei allgemein als Generalkatalog für eine „Auskunftei Stadtarchiv“ und hat auch dieser Serie über Nachlässe in Wiesbaden gute Dienste erwiesen.

Gärtners Sammlung war zwischen 1942 und 1945 im Wiesbadener, nach dem Krieg im Biebricher Rathaus untergebracht und öffentlich zugänglich, wie ein Besucherbuch der Jahre 1942 bis 1953 belegt. Aus dem reichen Bestand der Gärtnerschen Hinterlassenschaft veröffentlichte Jochen Dollwet 1994 das Tagebuch des Uffenheimer Stadtvogts Ludwig Friedrich Christoph Schmid über seinen Kuraufenthalt 1765 in Wiesbaden („Wer an seinem Schöpfer sündiget …“, Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 3).

Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
Telefon:  0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429 
Fax:  0611 / 31-3977 
E-Mail:  stadtarchiv@wiesbaden.de

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 9.9.2003

Sommerprogramm der Museen Göppingens sehr gut besucht

Das Interesse an der Stadtgeschichte Göppingens ist groß. Die Veranstaltungen im Sommerprogramm des Archivs und der Museen waren bestens besucht. Doch ausgerechnet zur 850-Jahr-Feier der Stadt wird das Budget für derlei Extras knapp.

Zum ersten Mal haben das städtische Archiv und die Museen in den Ferien ein „Sommerprogramm“ angeboten. Jeden Donnerstag um 18 Uhr wurden Veranstaltungen zur Stadtgeschichte durchgeführt. Mal eine Führung zu den Wurzeln der Staufern am Hohenstaufen, mal ein Blick ins Stadtarchiv, mal ein Abend über den verheerenden Stadtbrand und den Neuaufbau Ende des 18. Jahrhunderts.

„Die Veranstaltungen waren allesamt sehr gut besucht“, blickt der Stadtarchivar Karl-Heinz Rueß auf das Sommerprogramm zurück. Manche Führungen wie den Stadtspaziergang auf den Spuren des Baumeisters Heinrich Schickhardt hätte man gar dreimal anbieten können, so groß war der Andrang. „Wir hatten bestimmt 100 Interessenten, aber mit mehr als 30 Personen kann man nun mal nicht den Turm der Stadtkirche besteigen oder das Badhaus im Christophsbad besichtigen“, erklärt Rueß. Die Donnerstagsveranstaltungen waren aber längst nicht alles.

Trotz regnerischem Wetter waren am vorvergangenen Wochenende rund 2000 Besucher zum Museumsfest in den Garten des städtischen Museums gekommen. Zu Beginn der Ferien fand beim Naturkundemuseum in Jebenhausen das schon traditionelle Steinzeitwochenende statt, und erst am Samstag im jüdischen Museum zum europäischen Tag der jüdischen Kultur ein Vortragsabend.

Die Fülle der Angebote ist erstaunlich, denn immerhin mussten auch Stadtarchiv und Museen zu Beginn des Jahres eine Budgetkürzung hinnehmen. „Das waren zwar nur 20 000 Euro, doch wenn man bedenkt, dass wir insgesamt in unserem Budget nur etwa 90 000 Euro für Sachkosten, Werbung, Veröffentlichungen, Ausstellungen und Ähnliches frei zur Verfügung haben, dann macht das schon viel aus“, so Rueß.

Vor allem bei den Publikationen und im Archiv will er das Geld einsparen. „Dann wird halt die eine oder andere Restaurierung geschoben“, so Rueß. Am Veranstaltungsprogramm will er aber vorerst keine Abstriche machen. „Wir brauchen das Publikum. Wenn wir eine Ausstellung streichen, dann kommen keine Leute ins Museum, dann verkaufen wir auch weniger“, so der Stadtarchivar.

„Die ganzen Veranstaltungen wären aber ohne ehrenamtliche Helfer in der Form nicht machbar“, erklärt Karl-Heinz Rueß. Für das Museumsfest seien die Helfer das ganze Wochenende über auf den Beinen gewesen. Bestes Beispiel für die ehrenamtliche Mithilfe sei aber wohl der für das museumspädagogische Programm so wichtige Steinzeitgarten beim Naturkundemuseum, den Winfried Poltrack in ehrenamtlicher Arbeit nahezu im Alleingang aufgebaut habe.

Außerdem kann Karl-Heinz Rueß gleich auf die Unterstützung mehrerer Vereine zurückgreifen. „Wir arbeiten eng mit dem Geschichts- und Altertumsverein, der Gesellschaft für staufische Geschichte und dem Naturkundeverein zusammen“, sagt Rueß. Ein Ergebnis dieser Vernetzung ist das „GP“, das Göppinger Geschichtsprogramm.

In enger Absprache koordinieren die unterschiedlichen Akteure auf dem Terrain der Heimatgeschichte ihre Veranstaltungen. So entsteht ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Programm, das jetzt mit dem Vortrag im jüdischen Museum in das letzte Jahresdrittel gestartet ist und am kommenden Sonntag mit Führungen über den jüdischen Friedhof in Jebenhausen, den Hauptfriedhof und in der Oberhofenkirche fortgesetzt wird. „Mit diesem Programm erreichen wir mehr Leute, als wenn jeder Verein nur seine eigenen Mitglieder anschreibt“, so Rueß.

Auf diesen Rückhalt zählt Karl-Heinz Rueß auch im kommenden Jahr. Immerhin stehen die Feiern zum 850-Jahr-Jubiläum der Stadt an. Mehr Geld hat das Stadtarchiv im Jubiläumsjahr allerdings nicht zur Verfügung. „Wir hoffen auf das gleiche Budget wie in diesem Jahr. Allerdings haben wir jetzt noch von den Budgetresten von 2002 zehren können. Das ist nicht mehr möglich“, so Rueß. Beklagen will er sich aber nicht.

Stattdessen wird eifrig am Jubiläumsprogramm gebastelt. „Es gibt viele Ideen, und im Sommer werden wir im Storchen auf jeden Fall eine Ausstellung zur Stadtgeschichte im Zeitraffer machen, kündigt er an. „Dazu könnte man auch Filmdokumente aus Göppingen von 1909 bis heute zu einem kleinen Film zusammenstellen, aber ob wir das finanzieren können, ist noch offen“, so Rueß.

Kontakt:
Hausanschrift: Schlossstraße 14, Alter Kasten, 73033 Göppingen
Postanschrift: Stadt Göppingen Archiv und Museen, Postfach 11 49, 73011 Göppingen
Telefon:
Archivleiter Dr. Karl-Heinz Rueß: 07161 / 97 95 22
Dipl.-Archivar (FH) Martin Mundorff: 07161 / 97 95 20
Telefax: 07161 / 97 95 21
eMail: archiv-museen.stadt.goeppingen@t-online.de

Quelle: Stuttgarter Zeitung, 9.9.2003

Veröffentlichung von Scientology-Dokumenten bleibt legal

Die niederländische Journalistin Karin Spaink hat im jahrlangen juristischen Kampf gegen die Scientology-Sekte erneut einen Sieg errungen. Ein Berufungsgericht hat nach Angaben von Spaink am vergangenen Mittwoch ein Urteil bestätigt, nachdem Spaink das so genannte Fishman Affidavit auf ihrer Website veröffentlichen darf. 

Steven Fishman, ein ehemaliges Scientology-Mitglied, stand 1993 wegen verschiedener Delikte in den USA vor Gericht. Im Rahmen seiner Verteidigung versuchte Fishman darzulegen, dass Scientology ihn einer Art Gehirnwäsche unterzogen habe. Um dies zu beweisen, legte er dem Gericht interne Schulungsmaterialien vor, die seitdem von diversen Anti-Scientology-Aktivisten zitiert und veröffentlicht wurden.

Scientology versucht die Veröffentlichung dieser und anderer interner Dokumente im Internet mit Hilfe juristischer Mittel zu unterbinden. So musste beispielsweise die News-Site Slashdot den Text im März 2001 entfernen. Außerdem hindert Scientology das Internet-Archiv archive.org daran, die Anti-Scientology-Site Operation Clambake zu archivieren. Auch die Suchmaschine Google bekam schon mit den Scientology-Anwälten zu tun.

Quelle: heise.de, 8.9.2003.

Haarlocke einer Mumie im Heyl-Archiv entdeckt

Den kuriosesten Fund, den Margit Rinke-Olbrisch gemacht hat, als sie das Archiv der Familie von Heyl vom Nonnenhof durchforstete, war die Haarlocke einer ägyptischen Mumie. Sie sei rund 3000 Jahre alt, steht handschriftlich auf dem Tütchen vermerkt, in dem sie aufbewahrt wird. Dieses Detail bringt in Erinnerung, dass die Heyls über lange Zeit nicht nur die größten Arbeitgeber der Stadt Worms, sondern auch Mäzene und Sammler waren, denen Worms große Schätze verdankt.

In Findbuch festgehalten

Welche Briefe sie mit Architekten und Künstlern – beispielsweise Schmoll von Eisenwerth – wechselten und welche Dankesschreiben sie erhielten, als sie durch Professor Heinrich Boos die Wormser Urkunden sichten und ordnen ließen, all dies und noch viel mehr enthalten die Dokumente, die Dr. Ludwig von Heyl dem Stadtarchiv vor rund einem Jahr zur Nutzung überlassen hat und die jetzt dank eines Findbuchs zugänglich sind.

Wie Dr. Ludwig von Heyl bei der Vorstellung dieses Registers erzählte, hatte sein Onkel Leonhard von Heyl, Vorbesitzer des Nonnenhofs, die Familiendokumente gesammelt von Tagebüchern und Fotos über Briefe und Urkunden bis hin zum Rohmaterial für einen Film, aus dem ein Firmen- und Stadtporträt hätte entstehen sollen. Weil er selbst die Aufarbeitung nicht leisten könne, so Ludwig von Heyl, habe er die Sammlung dem Stadtarchiv überlassen.

Margit Rinke-Olbrisch sichtete daraufhin das gesamte Material, erschloss jedes Papier durch eine kurze Inhaltsangabe und ordnete es sowohl nach Personen wie nach Themengruppen.

Wer zukünftig Unterlagen über die Familie von Heyl sucht, wird unter den jeweiligen Stichwörtern jetzt schnell fündig, ob er sich nun über die wirtschaftliche Entwicklung der Lederindustrie informieren oder ob er anhand von Gästelisten und Bauplänen Einblick in die beeindruckende Selbstinszenierung der Familie gewinnen will, die, aus dem Bürgerstand kommend, mit viel Aufwand und Glanz versuchte, sich in Adelskreisen zu etablieren. Hinter den Kulissen eines harmonischen Erscheinungsbildes sei es allerdings immer wieder zu erbitterten Streitigkeiten gekommen, urteilt Stadtarchivar Dr. Gerold Bönnen.

Die Materialien seien „absolut spektakulär“, betonte er. Einige Unterlagen habe man schon verloren geglaubt. Nach der Registrierung könne man sie nun wissenschaftlich aufarbeiten. Alle Daten des Findbuchs lassen sich auch über Computer abrufen.

Geschichte geschrieben

Wie wichtig diese Dokumente sind, machte noch einmal Kulturdezernent Gunter Heiland klar. Die von Heyls hätten fast 200 Jahre lang Wormser Geschichte geschrieben und weit über die Stadt hinaus gewirkt – bis in den Berliner Reichstag hinein. Wer die Familiengeschichte erforscht, wird also zweifellos auch ein bedeutendes Stück Stadt- und Reichsgeschichte sichtbar machen können.

Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Telefon: 0 62 41/8 53-47 00
Telefax: 0 62 41/8 53-47 10
stadtarchiv@worms.de
www.worms.de

Quelle: Wormser Zeitung, 8.9.2003

Kultur-Beutel in der Hamburger Bannmeile

Die Geschichtswerkstätten wurden gestern auf Abstand vom Rathaus gehalten. Anlässlich der Kulturausschusssitzung am Nachmittag verteilten Vertreter der Stadtteilarchive „Kultur-Beutel“, die neben einer an den Bürgermeister adressierten Protestkarte viele Papierschnipsel enthielten, die einen Vorgeschmack auf Hamburgs geschredderte Geschichte geben sollten. Doch der Protest war doppelt vergeblich: Die Beutel-Verteiler wurden der Bannmeile verwiesen, und die drastische Kürzung der Subvention für Hamburgs Geschichtswerkstätten wird erst am Donnerstag, den 11.9., im Kulturausschuss verhandelt.

Quelle: Hamburger Abendblatt, 5.9.2003

Ascherslebener Archivar im Gefängnis

Hans-Peter Nielitz ist ein rechtschaffener Mann. Dennoch scheint es ihm bestimmt, einen Teil seines Lebens im Knast zu verbringen. Kaum ist der Archivar dem ehemaligen Stadtgefängnis am Ascherslebener Grauen Hof entronnen, richtet er sich im ehemaligen Polizeigefängnis häuslich ein.

„Umzug von einem Knast in den anderen“ hieß es, als die Pläne, das ehemalige Untersuchungsgefängnis von 1894 umzubauen, öffentlich wurden. Nun, etwa anderthalb Jahre später, hat sich das jahrelang leer stehende Gebäude dank architektonischer Raffinessen und einer gründlichen Verjüngungskur zu einem schönen, aber schnörkellos funktionalen Haus gewandelt. Der neue Hausherr weiß hier vor allem das Plus an Platz zu schätzen. „Unsere Besucher wird es freuen“, weiß Nielitz, wenn er an die Vergangenheit denkt.

Denn im alten, engen Gebäude im Grauen Hof konnte stets nur einer in alten Unterlagen stöbern. Im neuen stehen gleich mehrere Plätze zum Arbeiten bereit. Das ist auch gut so, denn „die 1250-Jahr-Feier hat einen regelrechten Boom ausgelöst, dies oder das aus der Stadtgeschichte nachzugrasen“, erzählt der Mann, der selbst über sein Heimatforscher-Hobby zum Beruf fand. Ein weiterer Vorteil: War die umfangreiche Materialsammlung zuvor an mehreren Stellen in der Stadt verteilt, befindet sich jetzt alles unter einem Dach.

Bis sich der Archivar so richtig heimisch fühlt, wird es wohl noch eine Weile dauern. Noch finden die Schlüssel nicht wie von allein die richtige Tür, noch stoßen sich Knie oder Ellbogen an Geländer oder Tischkante. „Es ist einfach alles noch zu neu und ungewohnt“, so der Mann, der eigentlich schon seit März mit dem Umziehen befasst ist. 800 Umzugskartons warteten darauf, gefüllt zu werden. Mit tonnenschwerem Material – in der Summe betrachtet. Ein Kraftaufwand, der den Besuch in der Muckibude überflüssig machte. In den Kartons wohlverwahrt schlummern nun Urkunden, Plakate, Zeugnisse, Lohnunterlagen, Patientenkarteien, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Bauunterlagen und Karten, Gesetzessammlungen, Fotos und vieles mehr. Das Goldene Buch der Stadt ist auch darunter, oder das Gästebuch der Junkerswerke, in dem sich beinahe alle Flugzeugkonstrukteure von Rang verewigt haben. Karton reiht sich an Karton, ein Bruchteil der insgesamt 4.000 Archivgutkartons stapelt sich schon ordentlich in den Regalen. Ein für den Laien schier unüberschaubarer Wust, durch den sich Hans-Peter Nielitz mit der Sicherheit eines Schlafwandlers manövriert.

All das Papier wartet nun darauf – nach vorsichtigem Transport mit speziell ausgerüsteten Fahrzeugen – einen endgültigen, sicheren Platz im neuen Heim zu finden. Die wertvollsten Urkunden – die älteste stammt immerhin aus dem Jahre 1211 – und die Fotosammlung werden in einem klimatisierten Raum gehütet wie in einem Gral. Denn: Temperaturschwankungen sind der ärgste Feind jeglichen Papiers. Ein halbes Jahr, so schätzt der Fachmann, wird es noch dauern, bis alles seinen rechten Platz gefunden hat. Ein großer Teil der Regale muss noch geliefert werden, in den nächsten Tagen sollen sie kommen. Das Zeitungsarchiv, das oft und gern genutzt wird, ist schon so gut wie komplett. Stolz stößt Nielitz die Tür einer ehemaligen Zelle auf. Hier liegen sie in Reih' und Glied – all die Bände mit abertausenden Seiten, die das Wohl und Wehe der Stadt seit 1819 begleiten.

Während Hans-Peter Nielitz stolz berichtet, dass das Archiv trotz der Umzieherei nicht einen Tag geschlossen war, hocken ABM-Frau Ilona Fanslau und Renate Etzel – sie arbeitet hier ehrenamtlich – vor dem Computer. Die Post ist wegen des Umzugs etwas ins Hintertreffen geraten. Anfragen müssen beantwortet, Termine vergeben werden. Die Mitarbeiter bitten um Verständnis, dass es in diesen Tagen ein wenig länger dauert als üblich. Das Telefon klingelt, Frau Etzel geht ran. Dann die Frage an den Chef: „Haben wir die Abschlusszeugnisse der 8. Oberschule?“ „Klar. Haben wir.“

Kontakt:
Stadtarchiv Aschersleben
Am Grauen Hof
06449 Aschersleben
Tel: 0 34 73/ 9 58-4 13
archiv@aschersleben.de

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 6.9.2003

Forschungszentrum Kriegsverbrecherprozesse in Marburg

Schmal, lang und steil ist die Treppe, an deren Ende das Verbrechen wartet. Vom Dachgeschoss des Marburger Landgrafenhauses hat der Besucher nicht nur einen prächtigen Blick auf die Altstadt und das Kopfsteinpflaster. Von hier aus bietet sich neuerdings auch ein geradezu enzyklopädischer Einblick in die Monstrosität der menschlichen Natur: Ein gewaltiger Eisenschrank verwahrt auf 400 Filmrollen von je 30 Metern Länge rund 400 000 Seiten brisante Dokumente – Protokolle, Briefwechsel, Vermerke, Erlasse und Urteile gegen Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges mordeten, plünderten, massakrierten, vergewaltigten oder auf andere Weise Kriegsverbrechen verübten.

Die Materialien im Eisenschrank bilden den Grundstock für das derzeit wohl ehrgeizigste Projekt einer deutschen Hochschule: Am 1. August hat das „Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse“ seine Arbeit aufgenommen (Bericht). Sämtliche Prozesse, die weltweit gegen Deutsche und Japaner wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen geführt wurden, sollen in Marburg archiviert und ausgewertet werden. Die bereits vorliegenden 400.000 Seiten sind das Resultat einer fünfjährigen Pilotstudie. David Cohen von der University of California, Berkeley, und der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Dieter Simon, initiierten 1998 das am Frankfurter Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte angesiedelte Vorgängerprojekt. Angesichts von nur ein bis zwei Prozent der fünf- bis achttausend Verfahren, deren Akten bisher vorliegen, wollten Cohen und Simon Licht bringen in dieses dunkle Kapitel der globalen Erinnerungskultur. Das internationale Zentrum, zu dem sich die Initiative jetzt ausgewachsen hat, nennt Dieter Simon eine Sensation allerersten Ranges.

Der Nürnberger Prozess von 1945/46 und seine zwölf Nachfolgeprozesse sollten den Beginn einer neuen Sittlichkeit markieren. Hauptrichter Robert Jackson glaubte, nun sei die Weltbevölkerung endgültig davon überzeugt, „dass ein gerichtliches Verfahren diejenigen zur Rechenschaft ziehen soll, die in Zukunft in ähnlicher Weise die Zivilisation angreifen.“ Es ist anders gekommen. Vietnam, Ruanda, Srebenica waren nicht gerade Beweise für die Lernfähigkeit der Spezies Mensch. Doch immerhin, die Uno richtete Sondertribunale für Kriegsverbrechen ein, und als im November 1996 das erste Urteil gegen einen serbischen Soldaten gefällt wurde, beriefen sich die Richter ausdrücklich auf die Nürnberger Prozesse; Befehlsnotstand, erklärten sie, rechtfertige kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Marburger Zentrum will auf ähnliche Weise den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) mit Präjudizen versorgen. Der einzige deutsche Richter am ICC, Hans-Peter Kaul, wird sich Ende November in Marburg informieren.

Bis dahin haben sich vielleicht die 400 000 Seiten schon vermehrt. Diese sind das Resultat ausgedehnter Reisen, die David Cohen vor allem im asiatischen Raum unternommen hat. Die 72 Prozesse, die auf den Philippinen gegen japanische Soldaten stattfanden, sind deshalb vollständig erfasst und digitalisiert. Jene 296 Verfahren hingegen, die der australische Staat angestrengt hat, harren noch der Verfilmung. Insgesamt 21 Länder und damit auch 21 unterschiedliche Rechtskulturen gilt es zu bündeln. Arbeit genug für die Leiter des Marburger Zentrums, die Strafrechtler Henning Radtke und Dieter Rössner sowie die Politologen Theo Schiller und Wolfgang Form – zumal in einem zweiten Schritt auch nicht-deutsche und nicht-japanische Angeklagte in den Fokus rücken werden.

Die Utopie dahinter

Gemeinsam mit dem Dresdner Hannah-Arendt-Institut hat man sich des schwierigen Falles der Sowjetunion angenommen. 34.000 Verfahren gegen Kriegsgefangene haben dort bis 1950 stattgefunden, rund 60 Prozent dürften Straftaten vor Mai 1945 betreffen. Ergo schwankt die Zahl der sowjetischen Kriegsverbrecherprozesse zwischen einigen hundert und mehreren tausend. Zwei mit Werkverträgen ausgestattete Historiker versuchen gerade in den russischen Archiven ihr Glück.

Was die Rechtsstaatlichkeit dieser Prozesse und damit ihre Bedeutung für die zukünftige Arbeit des ICC anbelangt, gibt sich der Jurist Radtke keinen Illusionen hin: „Es könnte sein, dass die Unterlagen aus Russland wie auch jene aus China nur historisch interessant sind.“ Wolfgang Form hält die Dokumente selbst dann für praktisch nutzbar, denn „wir brauchen auch eine Negativliste“, einen Kriterienkatalog, nach dem sich die Verfahrensgerechtigkeit oder aber die Staatswillkür bemisst.

In Europa triumphiert der Geist des Disparaten. Am besten erschlossen sind die polnischen Akten; exakt 1817 Deutsche hatten sich vor Gericht zu verantworten. Noch völlig ungeklärt ist die Situation in Belgien, Bulgarien, Dänemark, Griechenland, den Niederlanden, der ehemaligen Tschechoslowakei und Ungarn. Dort fanden zwar Prozesse statt, doch über deren Zahl liegen keine Angaben vor. Zwei Sonderfälle sind Frankreich und Italien. In Paris stoßen die Forscher auf Granit. Man hält sich dort strikt an die gesetzliche Hundert-Jahres-Frist. Erst von 2045 an wäre demnach das Gros der Prozessakten frei zugänglich. Aus anderen Gründen ist die Arbeit in Italien sehr mühsam. Die Archive sind über das ganze Land verstreut, ein zentrales Register existiert nicht, und wer sich von Stadt zu Stadt durchfragen muss, stößt, so Cohen, nicht immer auf auskunftsfreudiges Personal.

Dass die Philipps-Universität den Zuschlag für das Dokumentationszentrum erhielt, dürfte den Erfahrungen im Umgang mit Massenakten geschuldet sein, die man durch ein vergleichbares Projekt gewonnen hat. Während der letzten fünf Jahre wurde im Landgrafenhaus die „politische NS-Strafjustiz in Hessen“ untersucht. „Hochverrat, Landesverrat, Wehrkraftzersetzung“ war der Titel des DFG-Projektes, dessen Abschlussbericht gerade fertiggestellt wurde. Theo Schiller leitete die interdisziplinäre Arbeitsgruppe, und er erhofft sich von der Arbeit im neuen Zentrum ähnlich frappierende Aufschlüsse über den Normenwandel: Sanken von Prozess zu Prozess die Hemmungen, ein Todesurteil auszusprechen? Wie viele dieser Höchststrafen wurden tatsächlich vollstreckt? Gab es, kulturell bedingt, unterschiedliche juristische Strategien?

Letztlich steht hinter dem Forschungs- und Dokumentationszentrum eine große Utopie – die Utopie, dass der Mensch auch in Krisenzeiten seine Mordlust bezwingen und dass dem im besten Sinne menschlichen Handeln vor Gericht dauerhaft Geltung verschafft werden kann. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist der unmittelbare Ausfluss dieser Utopie. Ihm zuzuarbeiten, ist folgerichtig neben der wissenschaftlichen Forschung der Hauptzweck des Marburger Zentrums. Eine neue, globale Sittlichkeit muss sich daraus nicht unbedingt ergeben; bisher waren, wie Henning Radtke skeptisch anmerkt, die Grundsätze der Menschlichkeit von Land zu Land, von Epoche zu Epoche sehr verschieden. Vielleicht bilden ja alle drei Millionen Seiten, die in wenigen Jahren komplett zusammengetragen sein sollen, die eine große Negativliste: ein Monument des Verwirkten, das immer wieder neu begriffen werden muss, um seiner Unheilsspur zu entkommen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 6.9.2003