„Schock und Chance“ – die Journalistin Frauke Hamann brachte die aktuelle Lage der Geschichtswerkstätten auf den Punkt. Als Moderatorin eines Podiumsgesprächs in der Patriotischen Gesellschaft hatte sie die acht Teilnehmer nach Nutzen und Wert der Stadtteilarchive befragt. Drängender Anlass war die angekündigte Reduzierung der jährlichen Zuwendung an die 14 Hamburger Geschichtswerkstätten von 539.000 auf 133.000 Euro im Kulturhaushalt 2004.
Tatsächlich scheinen die bedrohten Archive in dieser Krise zu wachsen. So viel öffentliches Lob haben sie noch nie erfahren. „Sie leisten sehr gute Arbeit im Stillen und hatten bislang nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen“, stellte Jürgen Mantell, Bezirksamtsleiter in Eimsbüttel, auf dem Podium fest. Die Historikerin Beate Meyer bezeichnete die Stadtteilarchive, die in Hamburg seit den 80er-Jahren nach dem Vorbild der „Oral History“-Bewegung die Geschichte(n) kleiner Leute sammeln, als „kollektives Gedächtnis der Stadt“. Edgar Mebus, bis 2002 Leiter des Gymnasiums Kaiser-Friedrich-Ufer, lobte, dass die lokalen Archive das entdeckende Lernen in der Schule gefördert und dafür gesorgt hätten, dass der Fokus im Unterricht auch auf die besonders anschauliche Alltagsgeschichte im Nahbereich gerichtet worden sei.
Auch die Profis hätten gelernt, die Arbeit der „Barfußhistoriker“ zu schätzen, bekannten Hans-Dieter Loose, langjähriger Leiter des Staatsarchivs Hamburg, und Geschichtsprofessor Franklin Kopitzsch. „Sie haben zum Nutzen der Wissenschaft früh Themen wie Verfolgung oder Zwangsarbeit im NS-Staat entdeckt“, sagte Kopitzsch. „Außerdem haben sie viele Menschen für das Thema Geschichte begeistert – anders, als wir es vermögen.“ Maria Luise Werner, die als Ehrenamtliche im Stadtteilarchiv Eppendorf mitarbeitet, sprach aus eigener Erfahrung: „Diese Arbeit hat mir geholfen, über meine Geschichte nachzudenken und jungen Menschen davon Zeugnis zu geben.“
Bei so viel Harmonie reizte es Körber-Stiftungs-Vorstandsmitglied Wolf Schmidt, ketzerische Fragen zu stellen: Ob es nicht legitim sei, dass die Politik nach dem Nutzen der Geschichtswerkstätten frage, und ob sich der „soziokulturelle Breitensport“ nicht allzu sehr auf die alleinige Zuwendung des Staates verlassen habe? Schmidt räumte jedoch ein, dass es so kurzfristig keine Alternative zur staatlichen Alimentierung gebe, der „heilsame Schock“ und die aktuelle Popularität sollten jedoch für die Suche nach anderen Geldgebern genutzt werden.
Einig waren sich alle darüber, dass die Archive erhalten werden müssen – ohne Kürzungen. Jürgen Mantell: „Wenn man mit so wenig Geld so viel erreicht, sollte man da nicht sparen.“ Ein passendes Schlusswort fand Edgar Mebus: „Eine geschichtslose Gesellschaft hat keine Zukunft.“
Quelle: Hamburger Abendblatt, 27.8.2003
TV-Archive der BBC kommen ins Netz
Die BBC stelle in der absehbaren Zukunft ihr Radio- und TV-Programmarchiv im Internet zur Verfügung, so BBC Director General Greg Dyke auf einer sonntägigen Veranstaltung in Edinburgh, Schottland. Das „BBC Creative Archive“ sei als kostenloser und frei zugänglicher Service konzipiert. Herunter geladene Inhalte dürften allerdings nicht für kommerzielle Zwecke genutzt werden.
„Die BBC besitzt wahrscheinlich das beste TV-Programmarchiv der Welt. Diese riesige Ressource ist für die Öffentlichkeit bislang unzugänglich gewesen, weil ein effektiver Distributions-Mechanismus fehlte. Die digitale Revolution und Breitband habe all dies geändert“, so Dyke im Wortlaut.
Einzelheiten zu dem geplanten Dienst wie Starttermin oder Angebotsumfang waren aktuellen Medienberichten nicht zu entnehmen.
Quelle: Independent, 25.8.2003; ZDnet, 25.8.2003.
Probleme digitaler Krankenhaus-Fotografie
Die Zeiten, in denen Patienten mit überdimensionalen Kuverts unterm Arm die Arztpraxis verlassen haben, scheinen vorbei. Denn nicht nur immer mehr Private greifen zur Digi-Cam, sondern auch in Krankenhäusern und Praxen ist längst die digitale Fotografie eingezogen. Im Spitalsalltag bedeutet das immer mehr Bilddaten von immer mehr Patienten. Die explosionsartig gestiegenen medizinischen Datenmengen sind kaum noch bewältigbar. Das Speichern wächst sich zu einer „mission impossible“ aus.
„Eine einzige Magnetresonanzuntersuchung benötigt 60 Megabyte Speicherplatz“, berichtet Thomas Kalcher, Österreich-Chef der Firma Philips Medical IT. „Das entspricht einem Musikstück von einer Stunde Länge.“ Der Speicher-Bedarf bewegt sich mittlerweile in Höhe von Giga- und Terabytes, da Krankenhäuser dazu verpflichtet sind, die Bilddaten zehn Jahre lang aufzuheben. Zur Veranschaulichung: ein Terabyte entspricht dem fünffachen Volumen der Admonter Stiftsbibliothek oder 500 Millionen Manuskriptseiten.
Tendenz stark steigend: Wurden 1992 in den steirischen Krankenhäusern noch rund 25.000 Computer-Tomografien (CT) gemacht, waren es 2002 bereits 75.000. Noch deutlicher ist die Entwicklung bei der Magnetresonanz: Man verzeichnete in zehn Jahren einen Anstieg von 4.000 auf 21.000 Aufnahmen. Dazu kommt, dass die Untersuchungen präziser durchgeführt werden als früher. Eine CT umfasst heute bis zu viermal mehr Daten als zu Beginn der achtziger Jahre. Auch klassische Röntgenbilder sind out, stattdessen boomen digitale Methoden.
Für den niedergelassenen Bereich ist die Rechtslage unklar: Einerseits muss der behandelnde Arzt die Krankengeschichte dokumentieren. Andererseits hat der Patient selbst Anspruch auf das Original. Strittig ist häufig auch, wer der behandelnde Arzt ist – im seltensten Fall der Radiologe selbst. „Es ist schwer, die Frage nach der Aufbewahrungspflicht eindeutig zu beantworten“, sagt Dieter Müller, Jurist der steirischen Ärztekammer. Dieter Szolar vom Diagnostikum Graz Süd-West unterstreicht: „Wir befinden uns hier im rechtsfreien Raum.“ Die Archivierung von Untersuchungsdaten dient jedenfalls der Gesundheit des Patienten, da er sich weniger oft einer Strahlenbelastung aussetzen muss. Doppel-Diagnosen sind auch eine Kostenfrage.
Nun hat die steirische Spitälergesellschaft Kages gemeinsam mit Siemens sogar eine eigene Datenfirma gegründet: Das „marc“ (steht für „Steiermärkisches Medizinarchiv“) verkauft Speicherplatz, um die wachsende Datenlawine in den Griff zu bekommen (Bericht).
Quelle: Die Presse, 26.8.2003
MPEG-4-Dokumentation des TV-Programms
Kassetten haben zwei entscheidende Nachteile: Sie nehmen viel Platz bei der Lagerung weg und man muss sie hin- und herspulen, wenn man eine bestimmte Aufnahme sucht. Die ProSieben-Sat.1-Gruppe, zu der auch Kabel 1 und N24 gehören, dokumentiert ihre Sendungen künftig nicht mehr auf VHS-Videokassetten, sondern digital im MPEG-4-Format auf Festplatte. Aus rechtlichen Gründen müssen Fernsehstationen ihr Programm mindestens 90 Tage lang vorhalten, etwa um Aussagen vor Gericht belegen zu können. Die digitale Speicherung verkürzt die Zugriffszeiten im Vergleich zu VHS erheblich und ermöglicht außerdem, Clips per E-Mail oder FTP-Transfer zur Verfügung zu stellen.
Mit dem nun eingeführten digitalen Mitschnitt arbeitet die Senderfamilie nun nach Angaben der SZM Studios, einer hundertprozentigen Tochter der ProSiebenSat.1 AG, nahezu komplett „tapeless“. Nur bei der langfristigen Archivierung in sendefähiger Qualität kommen vorerst weiterhin Kassetten zum Einsatz — für solche Zwecke werden in der TV-Branche zur Zeit meistens Betacam SP oder DigiBeta eingesetzt. Schon seit mehreren Jahren verbannen die SZM-Techniker Schritt für Schritt die klobigen Magnetbänder aus den Studios. Werbespots und komplette Spielfilme werden stattdessen auf großen Servern gespeichert und von dort „on air“ geschickt. Die dabei genutzten Videoformate sind zur Archivierung allerdings derzeit noch nicht geeignet, denn sie arbeiten mit Datenraten von 25 oder 50 MBit/s. Pro Sender und Tag müssten dafür 250 bis 500 Gigabyte Speicherplatz zur Verfügung stehen.
Quelle: heise.de, 25.8.2003
Der Bodensee als Flughafen
Ludwigshafen am Bodensee besaß früher einen Flughafen für Wasserflugzeuge, von wo aus ab 1928 in Dornier-Flugbooten Rundflüge über den Bodensee unternommen wurden. Gemeindearchivar Waldemar Mellert war sehr erstaunt, als er im Rathaus auf diesbezügliche Unterlagen stieß. Vom Unternehmensarchiv der Dornier GmbH Friedrichshafen erhielt Gemeindearchivar Waldemar Mellert auf Anfrage dieser Tage eine entsprechende Bestätigung und auch ein Foto von der „Delphin III“, die von Konstanz, Friedrichshafen, Lindau und letztlich auch von Ludwigshafen aus zu Rundflügen startete.
Mit Gesuch vom 2. April 1927 hatte der damalige Bürgermeister Karl Ott im Auftrag des Gemeinderates das Bezirksamt in Stockach von der Absicht in Kenntnis gesetzt, „am Ufer des Hafenplatzes in Ludwigshafen einen Landungssteg für Wasserflugzeuge zu erstellen“ und um Genehmigung des Vorhabens gebeten. Dem Gesuch waren auch die Baupläne beigefügt, die von Ingenieur Willy Truckenbrodt in Konstanz-Petershausen gefertigt wurden. Die Genehmigungsphase nahm aber eine geraume Zeit in Anspruch, denn erst am 26. Juli 1928 erhielt die Gemeinde den „Verleihungs-Bescheid“ nach dem ihr das Recht eingeräumt wurde, „nach Maßgabe der vorgelegten Pläne am Hafenplatz in Ludwigshafen, Grundstück-Lagebuch Nr. 321 einen Landungssteg für Wasserflugzeuge zu errichten.“
Der Flugbetrieb muss später eingestellt worden sein, denn die Luftverkehrsgesellschaft Konstanz GmbH richtetete am 19. Mai 1933 ein Schreiben an das Bürgermeisteramt Ludwigshafen mit folgenden Inhalt: „Wir erlauben uns, Ihnen mitzuteilen, dass bei der letzten Generalversammlung unserer Gesellschaft, bei der auch Herr Innenminister Pflaumer anwesend war, beschlossen wurde, den Wasserflugbetrieb im Interesse des Fremdenverkehrs nach Möglichkeit weiter auszubauen. Unsere Gesellschaft erhält zu diesem Zweck ein vollständig neues Wasserflugzeug Typ Dornier, das mindestens acht Passagiere aufnehmen kann. Zur Unterstützung unserer Bestrebungen möchten wir die dringende Bitte an Sie richten, den am dortigen Platz errichteten Landungssteg – sofern erforderlich – für den Sommerbetrieb wieder instand setzen zu lassen, da wir beabsichtigen, auch von dort aus Rundflüge zu veranstalten.“
Die Bodensee-Rundflüge mit dem Dornier-Delphin, der in drei Versionen gebaut wurde und die vorwiegend im Auftrag des Bodensee Aero-Loyd betrieben wurden, waren über viele Jahre eine Attraktion im Passagierflug der 20-er Jahre. Insgesamt wurden mit Delphin III, die bis 1936 im Einsatz war, 14.500 Flugstunden durchgeführt. – An den Flughafen Ludwigshafen erinnert heute nichts mehr.
Quelle: Südkurier, 25.8.2003
Neues Findbuch Hagen 1
Nach einer mehr als einem Jahr dauernden Erfassungsarbeit kann das Stadtarchiv Hagen jetzt den Besuchern ein neues, wesentlich erweitertes Findbuch und Recherchemöglichkeiten präsentieren.
Der darin verzeichnete Aktenbestand „Hagen 1“ umfasst Archivalien aus der Zeit um 1670 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Insgesamt handelt es sich um weit über 10.000 Akten, die auf mehr als 1490 Seiten beschrieben werden. Das Findbuch über die Akten des nicht weniger umfangreichen Bestands „Hagen 2“, der die Akten nach 1945 beinhaltet, ist zur Zeit in Arbeit und soll noch in 2003 erscheinen.
Im Archivbestand ist nahezu die gesamte Stadtgeschichte von ihren Anfängen bis zum Untergang Hagens im Bombenkrieg nachvollziehbar. Zu finden sind Etatfragen aus der Zeit um 1750, Dokumente zur napoleonischen Herrschaft in der Region, Quellen der Revolution 1848/49 und Archivalien zum Ausbau der Stadt sowie zur Industrialisierung. Aber auch die ersten Eingemeindungen im 19. Jahrhundert, die „Ruhrbesetzung“ durch französische Truppen im Jahr 1923 sowie die nationalsozialistische Diktatur und die verheerenden Auswirkungen des Bombenkriegs haben ihren Niederschlag in diesem Bestand „Hagen 1“ gefunden.
Hinter den Archivsignaturen und vergilbten Papieren stehen annähernd 300 Jahre Geschichte der Stadt Hagen und der Region. Vielfach ergab sich durch die erstmalig nach wissenschaftlichen Kriterien vorgenommene Erschließung des Bestands sowie auf Grund von neuen Aktenfunden völlig unbekannte Aspekte der Stadtgeschicht. Davon wird nicht nur der Archivbenutzer profitieren, sondern auch die zurzeit in Arbeit befindliche Dauerausstellung des Stadtmuseums.
Der sehr umfangreiche Bestand, von dem Teile bereits vor einem Jahr online recherchierbar sind, wird in Kürze auch auf dem Internet-Angebot des Stadtarchivs Hagen vollständig einsehbar und online recherchierbar sein: unter www.historisches-centrum.de/archiv/.
Kontakt:
Historisches Centrum
Stadtmuseum / Stadtarchiv
Eilper Strasse 71 – 75
D-58091 Hagen
Quelle: Westfälische Rundschau, 25.8.2003
Architekt der Marienburg bekannt
Von wem und wann genau die Marienburg, eines der markantesten Gebäude Monheims, entworfen und gebaut wurde – die Antwort auf diese Frage lag bisher im Dunkeln. „Zunächst bin ich einem Hinweis des Heimatbundes nachgegangen“, berichtet Stadtarchivarin Annekatrin Schaller. „Die Vermutung, das bekannte Monheimer Gebäude sei dem berühmten Kölner Dombaumeister Vincenz Statz zuzuschreiben, bestätigte sich aber nicht“, so die Historikerin. Vielmehr fand sie bei Nachforschungen beim Rheinischen Amt für Denkmalpflege heraus, dass die Marienburg einem anderen bekannten Kölner Architekten zu verdanken ist: August Carl Lange.
Dieser lebte von 1834 bis 1884. Er projektierte zahlreiche sakrale und einige profane Bauten in der Umgebung von Köln. Mehr als 50 Mal zeichnete Lange für Bau, Erweiterung oder Restaurierung von Kirchengebäuden verantwortlich. Unter seiner Leitung wurden etwa die Pfarrkirchen St. Stephanus in Hitdorf und St. Stephanus in Köln-Lindenthal erbaut. Wesentlich beeinflusst war Lange vom neogotischen Stil, dessen Ideen er in seinen Bauwerken umsetzte.
Wandschränke, Klosetts und Wasserleitungen
Die Marienburg errichtete Lange 1879/80 für den Landtags- und Reichstagsabgeordneten Eugen von Kesseler, den damaligen Besitzer des Großen Hofes, unmittelbar neben der alten Hofanlage. Das Gebäude war als Landhaus geplant, es sollte der Familie Kesseler zum Sommeraufenthalt dienen. Den Namen „Marienburg“ trug der rote Backsteinbau schon bei der Erbauung.
Es war der Wunsch des Bauherrn, an den gleichnamigen Hauptsitz des Deutschen Ritterordens in Westpreußen zu erinnern. Der war im 14. Jahrhundert Wirkungsort des Hochmeisters Winrich von Kniprode. Es wird als sicher angenommen, dass Winrich von einer Ansiedlung stammte, die im heutigen Knipprather Wald lag.
Zwar erfolgte der Innenausbau der Marienburg nach Aussage des Architekten „in einfachster Weise“, der Einbau von Wandschränken in allen Zimmern, Wasserleitung und Wasser-Klosetts spricht aber dafür, dass man es an Annehmlichkeiten nicht fehlen lassen wollte. Dazu gehörte auch der Aussichtsplatz über der Mitte des Hauses, der eine schöne Fernsicht über den Rhein bis nach Köln und ins Bergische Land hinein bietet. Die Baukosten für den adeligen Landsitz lagen bei 75 000 Mark. Die für Lange typischen gotischen Stilelemente sind auch an der Marienburg zu erkennen.
Annekatrin Schaller äußert sich zufrieden: „Ich freue mich sehr, dass wir eine Wissenslücke in der Geschichte unserer Stadt geschlossen haben und endlich Genaueres über die Erbauung der Marienburg sagen können.“ Im Stadtarchiv ist der Bericht von August Carl Lange über den Bau der Marienburg aus dem Jahr 1881 für alle Interessierten nachlesbar.
Kontakt:
Stadtarchiv Monheim am Rhein
Alte Schulstraße 32
D-40789 Monheim am Rhein
Telefon: 02173-951-473
Telefax: 02173-951-479
E-mail: aschaller@monheim.de
Quelle: NRZ, 25.8.2003
Nachlass von Giacomo Meyerbeer nach Berlin
Komponisten, Maler, Astronome, Kaufmänner, Dramatiker. Die Berliner Familie Beer, Meyerbeer und Richter, die im geistigen und wirtschaftlichen Leben Berlins und seiner jüdischen Bürgerschaft seit dem 17. Jahrhundert eine ganz entscheidende Rolle spielte, zählte fünf Generationen lang zu den einflussreichsten und wohlhabendsten Familien der Stadt. Durch den bedeutenden Nachlass dieser Familie ist Berlins Stadtmuseum um eine Schenkung reicher geworden.
Die beiden Stifter Elisabeth Beare und Dr. Reinhold Richter, die dem Stadtmuseum Berlin in Gestalt der Hans-und-Luise-Richter-Stiftung große Teile des Nachlasses vermachen, gehören zur Familie. Die Stiftung trägt den Namen des Enkels von Giacomo Meyerbeer, Hans Richter (1876-1955) und seiner Frau Luise (1891-1978): Sie retteten die wichtigsten Teile des künstlerisch und kulturhistorisch bedeutsamen Familienerbes über die Zeit des Nationalsozialismus. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung dieser Schenkung, die einen Wert von knapp einer Million Euro hat, wurde zur Bewahrung, Pflege und weiteren wissenschaftlichen Erschließung eine Körperschaft in der Rechtsform einer unselbständigen Stiftung innerhalb der Stiftung Stadtmuseum Berlin geschaffen. Für die Stifter gehören die Bestände „einfach nach Berlin“.
Die Familie lebte seit 1671 in Berlin. Ihr Aufstieg begann mit dem Kaufmann Liebmann Meyer Wulff. Liebmann (1745-1812) brachte es zum Hofjuden der Kurfürsten Friedrich Wilhelm und Friedrich III. und galt um 1800 als der reichste Jude Preußens. Mit ihm setzte jene Familiengeschichte ein, die fast zwei Jahrhunderte lang das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Leben Berlin maßgeblich prägen sollte. Giacomo Meyerbeer, im 19. Jahrhunderts ein sehr bekannter Opernkomponist („Les Huguenots“, „Le Prophète“, „L´Africaine“), Generalmusikdirektor an der Königlichen Oper Berlin und wohl berühmtester Sproß der Familie, war ein Enkel Liebmanns. Seine Mutter Amalie (1767-1854) galt als Schönheit. Sie unterhielt einen der ersten Salons Berlins; in ihren Räumen ging das gelehrte Berlin ein und aus. Wilhelm, auch er ein Sohn von Amalie, verdiente seinen Unterhalt als Zuckersieder, bekannt jedoch wurde er als Astronom. Sein Bruder Michael kam als der erste jüdische Dramatiker zu Anerkennung.
Zur Familie gehörte auch das Ehepaar Gustav (1823-1884) und Cornelie Richter (1842-1922), geborene Meyerbeer und Enkelin von Amalie. Er: Maler, sie: Gastgeberin für Künstler und Intellektuelle. Die Wohnsitze der Familie, zunächst das Haus in der Spandauer Straße, dann seit 1803 die Beersche Villa im Tiergarten sowie das Meyerbeersche Palais neben dem Brandenburger Tor, wurden dank der vorzüglichen Beziehungen, die die Familie zum Hof und zum preußischen Adel unterhielt, ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Neben vielen Künstlern und Gelehrten zählte auch Alexander von Humboldt zu den Gästen.
Hunderte von Gegenständen, Briefen, Bildern, Fotoalben, Möbeln, Plastiken und Dokumenten geben einen Einblick in das Leben des jüdisch-deutschen Großbürgertums Berlins über zweieinhalb Jahrhunderte. Musik- und operngeschichtlich aufschlußreiche Objekte von besonderem Wert, wie das Pleyel-Reiseklavier Giacomo Meyerbeers von 1849, sind Teil der Schenkung. Genauso Bilder, Familienportraits, Büsten, Skulpturen, Schnapsbecher, und das goldene Armband, das Kaiserin Friedrich 1901 Cornelie Richter vermachte. Ein Teil des Nachlasses von Giacomo Meyerbeer wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg der Staatsbibliothek Berlin vermacht und gelangte als Folge des 2. Weltkrieges teilweise nach Krakau in die Biblioteka Jagiellonska.
In diesem Jahr noch sollen die Stiftungs-Bestände aufgearbeitet werden und im März 2004 im Märkischen Museum, dem Stammhaus der Stiftung Stadtmuseum Berlin, im Rahmen einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Danach sollen die aussagekräftigsten Stücke als ein wesentlicher Teil in die Dauerausstellung einfließen.
Quelle: Damals, 25.8.2003
Ralph Giordano für Erhalt der Hamburger Geschichtswerkstätten
Der Schriftsteller Ralph Giordano («Die Bertinis», 1982) hat sich für den Erhalt der Hamburger Geschichtswerkstätten ausgesprochen.
Für die durch Subventionskürzungen in ihrer Existenz bedrohten Einrichtungen gebe es keinen Ersatz, schreibt der 80-jährige gebürtige Hamburger in seinem vorab verbreiteten Statement für eine Öffentliche Anhörung zu dem Thema am 25. August. Der Autor appellierte an die Politiker, die gefassten Beschlüsse zu überprüfen.
Der Hamburger Senat hat bekanntlich beschlossen, den 14 Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchiven die Förderung in Höhe von 539.000 Euro zu entziehen. Nach vielfältigen Protestaktionen sagte Kultursenatorin Dana Horáková (parteilos) weiterhin Miet- und Betriebskosten in Höhe von insgesamt 133.000 Euro für die überwiegend mit Ehrenamtlichen arbeitenden Institutionen zu. Inhaltliche Arbeit sei so nicht mehr möglich, kritisieren die Geschichtswerkstätten. Sie fürchten um die Bestände mit Objekten und Dokumenten von Zeitzeugen. Im Zeichen «elektronischer und globaler Einebnungstendenzen» könne die «Bewahrung des lokalen (…), des „An-Ort-und-Stelle“-Wichtigen und -Eingeborenen» gar nicht hoch genug veranschlagt werden, mahnte Giordano.
Quelle: Lausitzer Rundschau online, 25.8.2003
Digitales Europäisches Kathedralen-Archiv DECA
Wertvolle Baupläne und Fotos des Kölner Doms, des Wiener Stephansdoms und der Prager Burg sind zum Schutz der Originale als Computerdateien gespeichert worden. Die Digitalisierung dient auch dazu, Archiv-Bestände zugänglich zu machen.
„Historische Pläne werden nicht besser, wenn man sie herauszieht. Trotzdem brauchen wir sie immer wieder“, sagte die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner am Freitag bei der Vorstellung des Projekts. Auch die Universität Leiden ist beteiligt. Die Europäische Union förderte die aufwendige Arbeit am Digitalen Europäischen Kathedralen-Archiv DECA.
Die Computerexperten boten alles auf, um die Originale zu schonen. Ein Scanner in Doppelbett-Größe wurde in der Kölner Dombauhütte aufgebaut. Der Lichtbalken fuhr über die Dokumente, damit nur die Abschnitte dem Licht ausgesetzt waren, die gerade erfasst wurden, und das nur möglichst kurz. Für die wissenschaftliche Arbeit schraubten die Datenerfasser die Auflösung so hoch, dass schon die Datei eines einzigen Plans mehr Speicherplatz braucht als eine CD-ROM bietet.
Entsprechend gut ist die Wiedergabe. Auf dem Computerausdruck eines Domturmplans sind selbst Fingerabdrücke von Leuten zu sehen, die das Original früher einmal in der Hand hatten. Vergrößerungen lassen Bezeichnungen erkennen, die die Zeichner der Pläne in früheren Jahrhunderten mit Lupe und spitzem Stift eingetragen haben müssen.
Es wurden zwar rund 50 000 Pläne, Grafiken und Fotos erfasst, sie sind aber nur ein Bruchteil der jeweiligen Archive. In Köln seien vor allem Zeichnungen und historische Fotos von Domteilen digitalisiert worden, deren Erneuerung ansteht, sagte Schock-Werner, außerdem Belege für die Zerstörungen rund um den Dom im Zweiten Weltkrieg.
Auch in Wien kamen Bilder vom Wiederaufbau unter den Scanner, sowie Fotos, die Einblicke in die Bausubstanz gewähren. Die Universität Leiden steuerte Dias der Weltarchitektur bei, vor allem aus Zentraleuropa. Und das Archiv der Prager Burg war froh, einen Teil seines Bestands digital sichern lassen zu können.
Die Daten wurden in verschiedenen Auflösungen erfasst – in höchster Qualität für Wissenschaftler und Baumeister, weniger dicht zur Speicherung auf CD, und als kleine Dateien für das Internet, wo sie von September an unter „www.deca-forum.net“ stehen.
Wenn ein Bauingenieur künftig einen Blick auf einen Originalplan werfen muss, kann das Dokument im Archiv bleiben – das verlängert seine Lebensdauer. Dasselbe gilt für Fotos, die beispielsweise ein Verlag für einen Bildband einsehen und abdrucken will. Dass die Digitalisierung ihre beiden Zwecke – Originale schonen und zugleich besser zugänglich machen – erfüllt, daran gibt es also keine Zweifel.
Fachleute warnen aber vor dem Irrglauben, dass die Informationen damit für alle Zeiten gerettet wären. Ob heutige Computerdateien jemals so alt werden wie die Originalpläne und Fotos, ist fraglich. Datenträger verfallen, Software und Hardware ändern sich, die Dateien müssen also immer wieder neu gesichert und auf aktuelle Medien kopiert werden. „Wir empfehlen, das Original als erste und wichtigste Sicherung gut zu behandeln“, sagte Ed Gartner von der Firma CD-LAB, die für das Scannen der Dokumente verantwortlich war.
Internet: DECA – verfügbar von September 2003 an: http://www.deca-forum.net
Quelle: FR-online, 22.8.2003