Zwangsarbeit in Münster und Umgebung 1939-1945

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs hinterließ auch in Muenster und Umgebung große Lücken auf dem Arbeitsmarkt, die ab Herbst 1940 zunächst durch Kriegsgefangene gefüllt wurden. Ab Sommer 1942 kamen erste zivile Arbeiterinnen und Arbeiter zum zwangsweisen Arbeitseinsatz nach Münster. Das Schicksal dieser mindestens 10.000 Männer, Frauen und Kinder, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen sind Themen der vom Stadtarchiv Münster konzipierten Internetpräsentation. Jeder thematische Abschnitt wird eingeleitet durch Zeitzeugen-Aussagen. Dabei wird der Kriegschronist und Stadtarchivar Franz Wiemers zitiert, der die Wahrnehmung der „Fremden“ durch die Stadtgesellschaft wiedergibt. Dem gegenüber stehen die Aussagen zahlreicher ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, so dass die Seite der Betroffenen stets im den Vordergrund steht.

Das Angebot umfasst fünf Hauptgruppen:

  1. Nach Deutschland… mit vier Einzelportraets von Betroffenen, Erläuterungen zu der Frage, welche Gruppen zur Zwangsarbeit herangezogen wurden und einer Chronologie der Jahre 1939-2000, die allgemeine Ereignisse den speziellen Auswirkungen in Münster gegenüberstellt.
  2. Arbeit thematisiert die Zuteilung von Zwangsarbeitern und ihre Einsatzorte in der Landwirtschaft, im Handwerk sowie in der Bauindustrie, in Industrie und bei der Reichsbahn, bei der Stadtverwaltung und in Privathaushalten.
  3. Unterbringung Dieser Punkt stellt eine Besonderheit dar, da eine Datenbank zu 181 Lagern und Kartenmaterial zu den Lagerstandorten in Stadt- und Landkreis Münster eine besonders umfassende Recherche ermöglicht. Bei der Erarbeitung des Angebots sowie der Recherchen zu Erstellung von Zwangsarbeitsnachweisen fuer die Betroffenen fanden sich in zahlreichen Akten oder Publikationen Informationen oder Listen von Unterkünften und Lagern, in denen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Münster und Umgebung untergebracht waren. Diese ergaben durch ihre Zusammenführung in einer Datenbank ein umfangreiches Bild von den zwischen 1939 und 1945 vorhandenen Lagern und Unterkünften. Die Datenbank umfasst inzwischen 181 Datensätze.
    Der Datenbestand bildete die Grundlage fuer die Erarbeitung des Kartenmaterials zur Unterbringung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Stadt- und Landkreis Münster.
    Gerade beim Thema Unterbringung ist der Diskurs mit den Nutzern per E-Mail erwünscht.
  4. Disziplinierung: Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, vor allem die aus Osteuropa, unterlagen einem dichten Netz aus Kontrolle und Bestrafung. Dieser Teil der Präsentation beschäftigt sich mit den verschiedenen Vorschriften, Formen der Ueberwachung und Bestrafungen, die auch in willkürlichen Hinrichtung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern gipfelten.
  5. Im Abschnitt Nach 1945 geht es um die Rueckfuehrung der Betroffenen in ihre Herkunftslaender. Sie mussten Jahrzehnte auf ihre politische Rehabilitierung und Entschädigungen von deutscher Seite warten. Informationen zu den Themen Entschädigung sowie zu muensterischen Projekten der der Begegnung mit ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern runden die Darstellung ab.

Neben dieser Internetpräsentation des Stadtarchivs Münster wurde zum Thema Zwangsarbeit in Münster und Umgebung 1939-45 vom Stadtarchiv Münster und dem Geschichtsort Villa ten Hompel eine Wanderausstellung, die vom 20. Januar bis 1. März 2003 zu sehen war, und eine Dokumentation, die noch im Juli 2003 erscheinen wird, erarbeitet.

Kontakt:
Stadtarchiv Münster
Anja Gussek-Revermann
Hörsterstr.28
48143 Münster
Tel.: 02 51-4 92-47 12 oder 47 04
E-Mail: gussek@stadt-muenster.de
http://www.muenster.de/stadt/archiv

Quelle: Mailingliste Westfälische Geschichte, 19.6.2003.

Gedächtnis und Gewissen einer Stadt

Der neue Leiter des Bonner Stadtarchivs, Dr. Norbert Schloßmacher, recherchierte kürzlich in Minsk/Weißrußland nach Spuren ehemaliger Fremdarbeiter aus dem Zweiten Weltkrieg und fand auch noch einige Zeitzeugen, die Bonn, das seit zehn Jahren durch eine Städtefreundschaft mit Minsk verbunden ist, einladen wird.

Hinweise führten Schloßmacher aber auch zu einem Feld, auf dem Tote verscharrt worden waren. Zu diesen Toten gehören nach seinen Erkenntnissen auch 150 Bonner Juden – der erste große Transport von jüdischen Mitbürgern, der am 20. Juni 1942 die Stadt verließ, in das Lager Brostenez gebracht und dort liquidiert wurde.

Ein Fund, der Schloßmacher von neuem bestätigte, dass das Amt des Archivars so etwas wie das Gedächtnis und das Gewissen einer Stadt ist. – Als Schloßmacher 1987 an das Bonner Archiv kam, waren neben dem Leitenden Archivar noch zwei weitere wissenschaftliche Archivare tätig. Heute trägt Schloßmacher die Verantwortung allein, gestützt auf ein Team engagierter Mitarbeiter, das allerdings schon reduziert ist. So ist die Stelle des Verwalters des großen und wichtigen Bildarchivs nicht mehr besetzt worden. Schloßmacher ist als Stadtarchivar auch Geschäftsführer des Heimat- und Geschichtsvereins, der Arbeitsgemeinschaft aller hiesigen Geschichtsvereine und der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft.

Kontakt:
Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek
Stadthaus
Berliner Platz 2
53103 Bonn
Tel.: 0228/773684
Fax: 0228/774301
stadtarchiv@bonn.de

Quelle: Bonner General-Anzeiger, 4.7.2003

Ad fontes – Hannoveraner Studis im Stadtarchiv Emden

„Einführung in die stadtgeschichtliche Forschung am Beispiel Emdens“ heißt das Hauptseminar-Thema des Historischen Fachbereiches der Universität Hannover. Zwölf Studierende sind in die Seehafenstadt gekommen, um sich mit den Originalakten des Emder Stadtarchivs auseinander zu setzen. Ausgewählt wurden Themen der frühen preußischen Zeit direkt nach der Übernahme Ostfrieslands durch Friedrich den Großen 1744. Dabei ist das Spektrum weit gefasst: Militärwesen, Emden als Garnisonsstadt, das Zunftwesen, das Vorbeifahrt-Recht, Juden in Emden, das Oldersumer Moor.

Der Leiter des Emder Stadtarchivs Dr. Rolf Uphoff hat die umfangreichen Vorarbeiten geleistet – und das mit viel Enthusiasmus, denn: „Es ist das erste Mal, dass wir in Zusammenarbeit mit einer Hochschule eine solche Veranstaltung durchführen.“ Aus Platzmangel ist man ins Pelzerhaus gegangen. Doch die Studenten sind überaus zufrieden. Man habe den Raum für sich, werde vom Stadtarchiv ständig mit nachgefragtem Material beliefert und fühle sich in Emden durchaus wohl.

Für Professor Dr. Carl-Hans Hauptmeyer, Historiker und Spezialist für die Bereiche Regional- und Lokalgeschichte, ist das Seminar „der pure Luxus“, eine „Kür, die man sich nicht so oft erlauben kann“. Denn abseits von überfüllten Hörsälen und überlaufenen Seminarräumen sich jedem Studenten einzeln widmen zu können, macht ihm besondere Freude. Und so hilft er denn auch geduldig, wenn die Schriften in den Akten gar zu schwer zu entziffern sind. Die alte Schrift flüssig lesen zu können, ist eines der Ziele des Seminars. Ein anderes die Beantwortung der Frage: Wie interpretiert man die Aussage originaler Aktenstücke?

Natürlich sind es nur kleine Segmente, die bearbeitet werden können, da die Studenten lediglich knapp vier Tage in Emden sind. Doch die Aufgabenstellung ist klar: Es sollen 15- bis 20-seitige schriftliche Hausarbeit entstehen, die dann womöglich auch publiziert werden, um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen. Das Seminar umfasst neben dem Aktenstudium vor Ort einen Anteil Emder Stadtgeschichte, „Trockenübungen“ zur Handschriftenkunde und eine Informationseinheit zu „Merkmalen der europäischen Stadt im 15. bis 18. Jahrhundert“.

Kontakt:
Stadtarchiv Emden
Kirchstraße 18
26721 Emden

Univ.-Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer
Historisches Seminar
Im Moore 21
Raum: B 213/214 (Hinterhaus)
D-30167 Hannover
Telefon: +49 (0)511/762-4434 und -4201 (Sekretariat)
Fax: +49 (0)511/762-4479
E-mail: hauptmeyer@hist-sem.uni-hannover.de

Quelle: Emder Zeitung, 4.7.2003 (Foto).

Unterlagen zu Kommandanten der Emsland-Lager zugänglich

Die Europäische Union will die Erforschung der Biographien ehemaliger Kommandanten der emsländischen Konzentrationslager mit 18.000 Euro fördern. Der Oldenburger Historiker Hans-Peter Klausch solle untersuchen, unter welchen Bedingungen Menschen aufwachsen und „die Bereitschaft entwickeln, einem verbrecherischen Regime dort zu dienen, wo Terror und Mord ihre schlimmsten Folgen zeigen“, sagte der Leiter des Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager (DIZ) in Papenburg, Kurt Buck.

Bislang gebe es nur wenig Informationen über die ehemaligen Lagerkommandanten, sagte Buck. Wichtige Quellen seien nicht zugänglich gewesen. Erst nach Ende des „Kalten Krieges“ seien viele Archive geöffnet worden. So habe das Zentrum seit Jahresbeginn rund 1.000 Akten über Lagerkommandanten und SS-Wachmänner der Emslandlager aus dem ehemals unter US-Verwaltung stehenden „Berlin Document Center“ erhalten. Dessen Unterlagen sind inzwischen in den Besitz des Bundesarchivs übergegangen.

Buck erwartet auch Aufschlüsse darüber, welche Kommandanten der Emslandlager später „Karriere“ in größeren Konzentrationslager machten oder wer in „Ungnade“ von SS und NSDAP fiel. Außerdem solle geprüft werden, ob, wie vermutet, die Moorlager eine Art „Schule“ für das SS-Wachpersonal war.

In den 15 Emslandlagern wurden von den Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 etwa 80 000 KZ-Häftlinge und Strafgefangene und bis zu 180 000 Kriegsgefangene inhaftiert. In den Moorlagern starben bis zu 30 000 Menschen, vermutlich überwiegend sowjetische Kriegsgefangene.

Der Historiker Dr. Hans-Peter Klausch (Jahrgang 1954) studierte Politikwissenschaft, Germanistik und Geschichte an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Von 1996 bis 2000 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Forschungsprojekt „Quellen zur Geschichte und Kultur des Judentums im westlichen Niedersachsen“ im Niedersächsichen Staatsarchiv Oldenburg tätig. Von Hans-Peter Klausch liegen zahlreiche Veröffentlichungen zu Widerstand und Verfolgung während der NS-Zeit und zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs vor.

Kontakt:
Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager 
Wiek rechts 22 
26861 Papenburg 
Tel: 04961 – 916306
http://www.diz-papenburg.de/

Postanschrift:
Postfach 1132 
26851 Papenburg 
Fax: 04961 – 916308 
mail@diz-emslandlager.de

Quelle: Ostfriesen Zeitung, 1.7.2003

Kalliope II am Start

Mitte Mai 2003 startete die zweite Phase des von der DFG geförderten Projektes „Kalliope“. Kalliope bezeichnet in diesem Fall nicht eine der neun Musen, sondern ein Verbundinformationssystem, über das Autographen- und Nachlassbestände im Internet präsentiert werden können.

Kalliope beruht auf dem Zentralkatalog der Autographen (ZKA), von dessen rund 1,2 Mio. Karteikarten mittlerweile rund die Hälfte auf EDV übertragen worden ist. Die dadurch entstandene Datenbank wird kontinuierlich durch Retrokonversion, aber auch durch externe Teilnehmer aus ganz Deutschland erweitert. Je größer die Beteiligung an dem System, umso attraktiver wird das Angebot.

Grundlage des Kalliope-Verbundes ist das Regelwerk RNA – Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen. Diese 1997 erstmals veröffentlichten Regeln sollen konkretisiert und ausgebaut werden und Ende des Jahres in terminologisch überarbeiteter Form ein zweites Mal aufgelegt werden.

Ziel von Kalliope II ist die Schaffung einer geeigneten Schnittstelle, um auch nicht bibliothekarischen Institutionen die verstärkte Teilnahme an dem System zu ermöglichen. Insbesondere in Archiven und Museen lagern umfangreiche Nachlass- und Sammlungsbestände, die zukünftig in Kalliope eingebunden werden sollen. Die hierfür notwendige Schnittstelle wird mit Hilfe von XML realisiert, um eine neutrale Syntax zur Beschreibung sowie zur Suche der Dokumententypen entwickeln und diese in Kalliope praktisch anwenden zu können.

Durch diese Weiterentwicklung würde Kalliope zu einer umfassenden Suchmaschine für Nachlass- und Autographeninformationen in Deutschland werden. Die DFG unterstützt dieses Vorhaben und sieht Kalliope in Zukunft als eine endnutzerorientierte Bibliotheksdienstleistung, die gemeinsam mit den digitalen Fachbibliotheken und dem Karlsruher Virtuellen Katalog zu einer Virtuellen Bibliothek Deutschland ausgebaut werden kann. Im Hinblick auf die Anforderungen an das Kalliope-Portal sei es wünschenswert, dass neben der Information über Dokumente auch digitale Bilder der Dokumente selbst verfügbar gemacht werden.

Den Projektpartnern der zweiten Phase von Kalliope stehen als konkrete Ziele vor Augen a) die Verbesserung der Darstellung eigener Erschließungsleistungen und die Einbindung der Bestände in einem gemeinsamen Kontext, b) Impulse für die Arbeitsverfahren an den Beständen der Nachlässe und Autographen sowie für die weitere Entwicklung der hauseigenen EDV-Systeme und c) die Entwicklung von gemeinsamen Erschließungsstandards und deren Erprobung. – Da Archive üblicherweise keine Einzelblätter, sondern vor allem Konvolute erschließen, Lebensdaten zu Personen nicht angeben, sie hingegen kontextbezogen erschließen, wird es bei Kalliope II auch darum gehen, die archivischen Standards mit den bibliothekarischen abzugleichen.

Projektpartner von Kalliope II sind das Deutsche Museum München, die Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, das Hauptstaatsarchiv Stuttgart, das Landesarchiv Berlin, die Staatsbibliothek zu Berlin sowie Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a.M.

Umfangreiche Hintergrundinformationen sind auf der Kalliope-Seite zu finden: http://kalliope.staatsbibliothek-berlin.de/

Neues aus dem Archiv der Glaubenskongregation

Der Münsteraner Kirchenhistoriker und Leibnizpreisträger Hubert Wolf berichtet erneut für die FAZ aus den seit 1998 zugänglichen Akten im Archiv der römischen Glaubenskongretation.

Im Inquisitionsarchiv befinden sich zahlreiche Akten zu jüdischen Themen, wobei es vor allem um das Zusammenleben von Juden und Christen gehe – um Handelsstreitigkeiten etwa oder um Mietpreisregelungen im Ghetto. Mehr als zweihundert Bände vor allem aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit einem Umfang von bis zu tausend Blättern haben sich allein in der „Stanza Storica“, einem umfangreichen Miscellanae-Bestand des Archivs, erhalten.

Diese bieten einen wichtigen Ansatzpunkt für die historische Forschung, der Anliegen es sein müsse, so Wolf, das verhältnis von Judentum und Katholizismus in einer „longue durée“ zu betrachten. Die ausschließliche Konzentration auf Pius XII. und den Holocaust würde den vielfältigen Dimensionen des Gesamtthemas nicht gerecht werden. Das umfangreiche Material zeige, wie wenig die gängigen Klischees vom Verhältnis zwischen Inquisition und Judentum geeignet seien, die historische Vielschichtigkeit ihrer Beziehung zu beschreiben. So sei zumindest für das 19. Jahrhundert eine neutrale bis wohlwollende Einstellung der Behörde gegenüber jüdischen Anbliegen festzustellen.

Anders als für den Bereich der bisher erforschten spanischen und portugiesischen Inquisition, wo alles Jüdische (und Muslimische) konsequent verfolgt wurde, zeichneten die römischen Akten ein anderes Bild. Die 1542 vorwiegend zur Abwehr des Protestantismus gegründete „Heilige Römische und Universale Inquisition“ war nicht nur für sämtliche jüdischen Belange, sondern auch Appelationsgericht – und zwar für ganz Italien. Sie nahm dabei eine doppelte Aufgabe wahr, indem sie einerseits die Christen vor den Juden zu „schützen“ hatte und andererseits die Juden vor den Christen.

Am Beispiel der römischen Oblatio-Akten, die sich auf die vor allem im 18. Jahrhundert in Oberitalien verbreitete Praxis der Zwangstaufe jüdischer Kinder durch zum Christentum konvertierte Verwandte beziehen, führt Wolf vor, dass sich ein eindeutiger Antisemitismus im Verhältnis der Inquisition zu den Juden nicht feststellen lasse. Vielmehr handele es sich um „ein durchaus ambivalentes Verhältnis“, das man vor dem Hintergrund der vormodernen Verhältnisse im Italien des 18. und 19. Jahrhunderts zu beurteilen habe: Es existierte weder eine Trennung von Staat und Kirche, noch Religionsfreiheit. Innerhalb dieses Rahmens sorgte die Inquisition für eine gewisse Rechtsordnung nach dem prinzip der doppelten Schutzherrschaft, die sich vor allem auch in der Kontrolle der Willkür lokaler Kirchenbehörden gezeigt hätte. In Bezug auf die Oblatio bedeutete das, dass man nicht um jeden Preis Seelen zugewinnen versuchte, sondern auf eine ernsthafte Bekehrung hinzuwirken versuchte. Benedikt XIV. lehnte im jahr 1747 die Taufe jüdischer Kinder ohne elterliche Zustimmung grundsätzlich ab.

Kontakt:
Prof. Dr. Hubert Wolf
Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte
der Katholisch-Theologischen Fakultät der WWU Münster
Johannisstraße 8-10
48143 Münster
hwolf@uni-muenster.de

Link: DFG-Projekt „Römische Inquisition und Indexkongregation in der Neuzeit„: www.buchzensur.de

Quelle: FAZ, 5.7.2003, Seite 38.

Führer durch Archive und Geschichtsmuseen Recklinghausens

„Hereinspaziert“: Neuer Führer durch Archive und Geschichtsmuseen im Kreis und Vest Recklinghausen erschienen !

Der Arbeitskreis vestischer Geschichts- und Heimatvereine e.V., der traditionell für die Herausgabe der Vestischen Zeitschrift verantwortlich zeichnet, würdigt die 200. Wiederkehr des Säkularisationsjahres (1803-2003) mit einer eigenen Publikation, deren Nutzen und Verwendbarkeit weit über das Gedenkjahr hinausreicht: mit einem handlichen und informationsreichen Führer durch die Stadtarchive, Geschichts-, Industrie- und Technikmuseen der Emscher-Lippe-Region. Dabei soll ganz bewußt das untergegangene Vest Recklinghausen, das im Geschichts- und Traditionsbewußtsein vieler Menschen von Bottrop, Gladbeck, Buer und Herten bis nach Waltrop noch präsent ist, in seinen alten Grenzen berücksichtigt werden.

Der vorliegende Archiv- und Museumsführer bahnt auf 48 farbig bebilderten Seiten Wege zu den Häusern und Institutionen der Geschichtsüberlieferung und soll das Regionalbewußtsein der Bürgerinnen und Bürger stärken. Neben Daten und Fakten zu den einzelnen Instituten finden sich Informationen zur Geschichte von Kreis und Vest Recklinghausen, Literaturangaben und Hinweise auf überregionale Einrichtungen mit geschichtsorientierter Zielsetzung. Ein solcher Leitfaden und Wegweiser in die Vergangenheit richtet sich an alle Kulturinteressierten, Heimatfreunde, Schüler und Studenten und lädt dazu ein, die unverwechselbare Geschichtslandschaft des nördlichen Ruhrgebietes neu zu entdecken. Die Broschüre ist in allen Stadtarchiven und Geschichtsmuseen im Kreis Recklinghausen sowie in Bottrop und Gelsenkirchen zu erhalten.

Kontakt:
Dr. Matthias Kordes
Leiter des Stadt- und Vestischen Archivs Recklinghausen
Hohenzollernstraße 12
45657 Recklinghausen
Email: Matthias.Kordes@recklinghausen.de
Tel./FAX: 02361 – 50-1901

Quelle: Mailingliste www.geschichtskultur-ruhr.de, 4.7.2003.

Gründung eines Landesverbandes Hessen im VdA

Auf dem diesjährigen Hessischen Archivtag in Marburg wurde am 24.6.2003 auf Initiative einiger hessischer Archivarinnen und Archivare – Dr. Irene Jung, Stadtarchiv Wetzlar, Holger Bogs, Zentralarchiv der Evangelischen Kirche Hessen Nassau, Dr. Dieter Degreif, Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden und Dr. Andreas Hedwig, Hessisches Staatsarchiv Marburg – der Landesverband Hessen im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. gegründet.

Laut Satzung soll er zum festen Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern sowie zur Wahrnehmung und Vertretung berufsständischer und archivfachlicher Interessen auf Landesebene beitragen und das Archivwesen in Theorie und Praxis fördern,   insbesondere durch Erfahrungsaustausch und fachliche Weiterbildung. Der Landesverband wird künftig jährlich den Hessischen Archivtag ausrichten, an dem alle in Archiven des Bundeslandes Hessen haupt- und nebenamtlich beschäftigen Archivarinnen und Archivare sowie interessierte Gäste teilnehmen können. Der Ort des nächsten hessischen Archivtages steht bereits fest: Er soll im Juni 2004 aus Anlass des Bonifatius-Jahres in Fulda stattfinden.

Ziel des Landesverbandes ist es, Archivsparten übergreifend und integrierend zu wirken und zu diesem Zweck mit den Archiveinrichtungen des Bundeslandes Hessen, der Kommunen, der Kirchen, der Wirtschaft, der Medien, der Wissenschaft und anderen Trägern zusammenzuarbeiten. Hessen ist übrigens – nach Nordrhein-Westfalen, das nur kurze Zeit einen Landesverband hatte – das erste „alte“ Bundesland mit einem Landesverband.
 
Dem Vorstand des Landesverbandes gehören folgende Mitglieder an:
Dr. Brigitte Streich, Stadtarchiv Wiesbaden (Vorsitzende),
Dr. Thomas Heiler, Stadtarchiv Fulda (Stellvertreter),
Birgit Dreuth, Zentralarchiv der Evangelischen Kirche Hessen Nassau in Darmstadt (Schriftführerin),
Dr. Karl Murk, Staatsarchiv Marburg (Schatzmeister).

Quelle: www.vda.archiv.net 3.7.2003.

1. Tag der sachsen-anhaltinischen Landesgeschichte

Am 28. Juni 2003 fand im neuen Archivgebäude der Abteilung Dessau des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt der „1. Tag der sachsen-anhaltischen Landesgeschichte“ statt. In einem Tagungsbericht für H-Soz-u-Kult berichtet Michael Hecht (Halle) über die Veranstaltung:

Die Historische Kommission für Sachsen-Anhalt und das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt als Ausrichter verbanden mit der Etablierung einer solchen, in anderen Bundesländern bereits bekannten Veranstaltung vornehmlich zwei Ziele: Erstens sollte die Vernetzung zwischen universitärer Forschung, Archivwesen,
Geschichtsvereinen und Museen im Land Sachsen-Anhalt befördert und ein Forum für die Präsentation von Projekten und Forschungsergebnissen geschaffen werden, zweitens die Region des heutigen Sachsen-Anhalt mit Blick auf die vergleichende deutsche Landesgeschichte stärker ins Bewußtsein geraten.

Schwerpunktthema des „1. Tages“ stellte die Stadtgeschichte dar, da einerseits in bezug auf die Städtelandschaft Sachsen-Anhalts deutliche Forschungsdefizite bestehen, andererseits eine Vielzahl von Stadtjubiläen in den kommenden Jahren (Aschersleben 2003, Halberstadt 2004, Magdeburg 2005 und Halle 2006) Herausforderungen und Chancen bereithält (vgl. zu den einzelnen Sektionen und Vorträgen ausführlich den Tagungsbericht).

Gemessen am großen Interesse der Teilnehmer und am weitgehend hohen Niveau der Vorträge kann der 1. Tag der sachsen-anhaltischen Landesgeschichte, so urteilt Hecht, als Erfolg gewertet werden, wobei das organisierte „Beiprogramm“ (Archivführungen, Büchertische) zusätzlich positiv hervorgehoben wird.

Attentat auf Kanzler Adenauer

Im Sommer 2002 tauchte im Staatsarchiv München eine Akte auf, die lange Zeit als verschollen galt: die Ermittlungsunterlagen über das Bombenattentat auf Bundeskanzler Konrad Adenauer am 27. März 1952 in München. Die Urheber des Anschlags stammten offenbar aus den Reihen der 1948 aufgelösten jüdischen Organisation „Irgun Zwai Leumi“ (auch „Etzel“ genannt). Keiner der mutmaßlichen Täter stand je vor Gericht. Das Ermittlungsverfahren wurde 1978 eingestellt.

In der FAZ vom 4.7.2003 berichtet Henning Sietz, Autor des in wenigen Tagen im Siedler Verlag erscheinenden Buches „Attentat auf Adenauer. Die geheime Geschichte eines politischen Anschlags“ über die Hintergründe.

Zwei Münchner Jungen bewahrten damals Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Bombenanschlag. Sie hatten von einem Mann ein an den Kanzler adressiertes Paket erhalten, es aber der Polizei übergegeben. Es enthielt eine Bombe, die einen Sprengstoffexperten bei der Kontrolle des Konvoluts das Leben kostete. Diese Bombe sollte offenbar die Wiedergutmachungsverhandlungen, die am 21.3.1952 in Wassenaar bei Den Haag zwischen Deutschland und Israel begonnen hatten, stören.

Das misslungene Attentat auf den Kanzler war der Auftakt zu einer der „sonderbarsten Ermittlungen in der Geschichte der Bundesrepublik“, wie Sietz schreibt. Obwohl der Anschlag von München etwa zwei Wochen das beherrschende Thema der Presse war, sei er heute fast völlig vergessen. Grund dafür ist die Geheimhaltung, zu der sich die Behörden ab etwa Mitte April 1952 gezwungen sahen. Denn schon nach kurzer Zeit offenbarten die Ermittlungen, dass die Bombe, der noch zwei weitere Sprengsätze folgen sollten, nicht die Ausgeburt eines Verrückten war, sondern ein wohl kalkulierter, politisch motivierter Anschlag, der verhindern sollte, dass die Bundesrepublik die Rückkehr in die Gemeinschaft der (westlichen) Staaten gelang.

>> Henning Sietz, Jahrgang 1953, studierte Slawistik und arbeitet als freier Journalist in Hamburg.<<

Quelle: FAZ, 4.7.2003, Seite 8.