Im Stadtarchiv Lippstadt läuft derzeit und noch bis zum 19. September die Ausstellung „750 Jahre Werner Bund. Eine Urkunde erzählt“. Die Zeit um 1250 war eine unruhige und unsichere Zeit. Stadtbürger, vor allem Kaufleute, wurden von Rittern und Knappen überfallen, beraubt, nicht selten gefangen genommen und erst gegen ein ansehnliches Lösegeld wieder freigelassen.
Diese Situation wollten und konnten die Städte nicht länger hinnehmen. Deshalb schlossen am 17. Juli 1253 auf einer Brücke über der Lippe bei Werne Vertreter der Städte Münster, Dortmund, Soest und Lippstadt einen Bund. Gemeinsam wollten sie gegen das 'Raubrittertum' vorgehen, das den für die Städte so wichtigen Handel immer stärker bedrohte. Ihre Gegner waren ihnen an Waffen und militärischer Gewalt überlegen. Welche Möglichkeiten hatten da die Städte überhaupt, um Frieden und Handel zu sichern?
Darüber berichtet die im Stadtarchiv Lippstadt überlieferte Urkunde des Werner Bundes:
- die Vorgeschichte, also die Gründe für den Bündnisschluss,
- die einzelnen Vereinbarungen,
- und sogar einen Teil der Folgen.
An diesen Bund erinnert das Stadtarchiv Lippstadt mit der Präsentation der Bundesurkunde. Die Urkunde ist mit vielen Erläuterungen noch bis zum 19. September 2003 im Foyer des Stadtarchivs zu sehen.
Kontakt:
Stadt Lippstadt, Fachdienst Archiv und Museum
Dr. Claudia Becker
Soeststr. 8
59555 Lippstadt
Tel. 02941/980-262
mail: stadtarchiv-lippstadt@web.de
Öffnungszeiten:
Mo, Di, Do, Fr 8.30 – 12.30 Uhr sowie Di 14.00 – 16.00 und Do 14.00 – 17.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Jüdisches Leben in Blankenese
Martin Schmidt, promovierter Historiker und langjähriger Bürgerschaftsabgeordneter der GAL, und dreizehn weitere Blankeneser, darunter der Reeder Engelbert Büning, der ehemalige Richter am Hamburger Verfassungsgericht Wolf Dieter Hauenschild, Monika Lühmann und der ehemalige Staatsanwalt und Autor Dietrich Kühlbrodt, haben den „Verein zur Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese“ gegründet.
Zusammen wollen sie zwischen Ostern und Pfingsten 2004 eine Ausstellung im Gemeindesaal der evangelischen Kirchengemeinde auf die Beine stellen. Kern der Ausstellung sind die Schicksale von vier prominenten Blankeneser Juden: des Kaufmannes Julius Asch (1875-1939), der Autorin Sophie Jansen (1862-1942), der Malerin Alma del Banco (1862-1943) und der Witwe des Lyrikers Richard Dehmel, Ida Dehmel (1870-1942). Sie alle nahmen sich aus Angst vor der Deportation das Leben.
Für Susanne Boehlich (53), die ehemalige GAL-Bürgerschaftsabgeordnete, ist die Arbeit an der Ausstellung eine aufwühlende persönliche Erfahrung. Sophie Jansen ist ihre Urgroßmutter. Im Staatsarchiv fand sie die dicke Akte mit den Dokumenten des Lebens ihrer Ahnin. Von der Geburtsurkunde bis zu den abstoßenden Fotos der Polizei. Motiv Freitod durch austretendes Gas in der Küche der Wohnung. Zwischen den amtlichen Formularen tauchte selbst der Abschiedsbrief der Jansen auf. „Den haben sie damals eingezogen, in den Akten verschwinden lassen. Die Familie hat ihn bis heute nie zu Gesicht bekommen“, sagt Boehlich.
77 weitere Blankeneser Juden und ihre Schicksale sind im Staatsarchiv dokumentiert. Ihre Geschichte ist der zweite Schwerpunkt der Ausstellung. „Von jüdischem Leben kann in Blankenese trotzdem kaum gesprochen werden“, sagt Martin Schmidt. Viele der Juden hatten sich assimiliert, waren zum evangelischen Glauben konvertiert und wurden erst von den Nazis zu Viertel-, Halb- oder Volljuden erklärt.
Der Verein setzt in der Dokumentation auf „Oral History“: Zeitzeugen, die erzählen können. Etwa vom „Stürmer-Kasten“ mit den neuesten Ausgaben des antisemitischen Hetzblattes am Blankeneser Bahnhof, von der Richard-Dehmel-Schule, die seit dem Dritten Reich und bis heute Gorch-Fock-Schule heißt, oder von den Blankeneser Ortspolizisten, die Juden im Sommer am Baden in der Elbe hinderten. Schmidt will auch Schüler und Schulen in die Recherchen einbeziehen, die den Schicksalen ehemaliger Schüler und Lehrer nachgehen sollen. „Die Ausstellung ist ein wichtiger Schritt hin zur Herstellung eines besseren Selbstverständnisses von Blankenese“, sagt Schmidt.
Ausgerichtet und wissenschaftlich begleitet wird die Ausstellung von Hannes Heer, der auch schon die Wehrmachtsausstellung leitete. Finanziert wird sie von Gönnern, die Schmidt in der betuchten Blankeneser Gesellschaft sucht. Schmidt: „Die Arbeit soll nach der Ausstellung weitergehen. Ein Archiv könnte entstehen, und vielleicht sollte auch jemand ein Buch darüber schreiben.“ Zeitzeugen können sich beim Verein unter 040 / 86 53 58 melden.
Quelle: Hamburger Abendblatt, 4.8.2003
Staatliches Archivwesen in NRW erhält neue Struktur
Das staatliche Archivwesen in Nordrhein-Westfalen wird zum 1. Januar 2004 umgestaltet: Die vier bisherigen Staats- und Personenarchive in Düsseldorf, Münster, Detmold und Brühl werden unter dem Dach des zentralen Landesarchivs zusammengefasst. Ihre fachlichen Aufgaben und regionalen Zuständigkeiten bleiben an den derzeitigen Standorten erhalten; hinzu kommen drei übergreifende Abteilungen, darunter das technische Zentrum mit einer zentraler Restaurierungswerkstatt. „Mit dem Landesarchiv schaffen wir eine moderne Dienstleistungseinrichtung für die Landesverwaltung, die wissenschaftliche Forschung und nicht zuletzt für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes“, erklärte Kulturminister Dr. Michael Vesper.
Präsident des zukünftigen Landesarchiv wird, wie vor einigen Wochen berichtet, Prof. Dr. Wilfried Reininghaus (Bericht). Er leitet zurzeit das Nordrhein-Westfälische Staatsarchiv Münster. Am 1. September 2003 wird er als Leiter eines Aufbaustabes in das Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport nach Düsseldorf wechseln und am 1. Januar 2004 sein Amt beim Landesarchiv antreten.
Quelle: Pressemitteilung des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, 5.8.2003.
Bertelsmannarchiv wieder zugänglich
Das im Oktober 2002 in München eröffnete Unternehmensarchiv der Bertelsmann AG ist nun auch nach seinem Umzug nach Gütersloh wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Seit dem 1. August 2003 stehen die Bestände den Nutzern in den Räumen des Gütersloher Corporate Center zur Verfügung.
Der Kern des Archivs, die während der Forschungsarbeiten der „Unabhängigen Historischen Kommission“ zusammengetragenen Akten vornehmlich aus der Zeit des Nationalsozialismus, wird nun kontinuierlich erweitert. Seit der offiziellen Eröffnung konnten weitere Bestände integriert werden. Neben den bereits vorhandenen Akten aus den Geschäftsvorgängen der Verlage C. Bertelsmann, Der Rufer sowie der Unternehmenseinheiten Universum Film Aktiengesellschaft und Bertelsmann-Lesering (teilweise noch in Bearbeitung) ist jetzt auch der Bestand des Chr. Kaiser-Verlags (1930-1960) erschlossen und für die Benutzung freigegeben; dieser traditionsreiche protestantisch-theologische Buchverlag war in den 1990er Jahren von dem zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Gütersloher Verlagshaus akquiriert worden.
Darüber hinaus hat das Unternehmensarchiv vor allem auch seine Sammlung von internen Medien und Publikationen erweitern können. Mitarbeiterzeitschriften sind seit den frühen 1950er Jahren nahezu lückenlos überliefert. Auch die Bibliothek, die seit der Verlagsgründung 1835 einen großen Teil, seit 1955 nahezu komplett die Verlagsproduktion des Hauses dokumentiert, kann mitgenutzt werden.
Kontakt:
Unternehmensarchiv Bertelsmann AG
Dr. des. Helen Müller
Carl-Bertelsmann-Str. 270
33311 Gütersloh
Phone +49 (0) 5241-80-89992
email: archiv@bertelsmann.de
Rettung für Hamburger Geschichtswerkstätten?
Nach einem 2,5 Millionen-Zuschuss für die nach wie vor überschuldeten Haushalte der sieben Kulturstiftungen der Stadt hat Kultursenatorin Dana Horáková jetzt auch für die von der Schließung bedrohten renommierten Geschichtswerkstätten in den Hamburger Stadtteilen einen Rettungsanker ausgeworfen. Wie die Senatorin den Leitern der Werkstätten am Mittwoch bekanntgab, könne die Härte der bisherigen Entscheidung, jährlich 539.000 Euro für die Stadtteilarbeit zu streichen, gemindert werden. Nach einem neuen Konzept der Behörde seien alle 14 Geschichtswerkstätten zu erhalten und sowohl der Bestand als auch die Pflege der Archive gesichert, so Horáková. Die Behörde will jährlich weierhin 133.000 Euro für die Betriebs- und Mietkosten bereitstellen.
„Wir haben seit Wochen daran gearbeitet, die wichtige Arbeit der Geschichtswerkstätten zu erhalten“, erklärte Horáková gegenüber der WELT. Jetzt sei ein erster Durchbruch gelungen. Die Sicherung der Werkstätten ermögliche nicht nur den Bestand und die Pflege der Archive, sondern auch die Weiterarbeit der Mitarbeiter – wenn auch mehr als zuvor ehrenamtlich. Der neue Zuschuss soll nach Informationen der WELT jedoch noch nicht letzte Hilfsmaßnahme sein. Vielmehr, so heißt es, soll durch eine Moderation der Behörde versucht werden, über einen Projektmittelansatz weitere Mittel für die Geschichtswerkstätten zu erschließen. Dies solle über eine bessere Kooperation mit weiteren Stadtteileinrichtungen und auch Schulen erreicht werden. Dem Vernehmen nach soll die Fortführung des Rettungskonzeptes Geschichtswerkstätten bis Ende August abschließend konzeptionell erarbeitet sein. Insgesamt, wird vorsichtig angedeutet, könne dann die ein oder andere der 14 Einrichtungen sogar „besser dastehen“ als vorher. Die Entscheidung, den Geschichtswerkstätten künftig ganz den öffentlichen Geldhahn zuzudrehen, war auf zunehmende Kritik gestoßen.
Quelle: Die WELT, 31. Juli 2003
Stadt Olpe kaufte Wiegendruck eines Olpers von 1478
In den unendlichen Weiten des »World Wide Web« hob Dr. Hans-Bodo Thieme einen Schatz. Der ehemalige Lehrer des Städtischen Gymnasiums Olpe (1969-1995) entdeckte, dass ein Würzburger Fachantiquariat ein besonderes Werk zum Verkauf anbot: »Quaestiones evangeliorum de tempore et de sanctis« von Kardinal Johannes des Turrecremata. Dabei ließen Inhalt und Autor der »Befragung der Evangelien über die Zeit und die Heiligen« den Finder eher kalt.
Spannender war der Name desjenigen, der dieses Werk im Jahr 1478 verlegt und den Druck in Auftrag gegeben hatte: Petrus in Altis de Olpe. Ein Olper Junge? Der Mediävist Dr. Thomas Wilhemi von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bestätigte die Vermutung. Dann ging alles ganz schnell. Dr. Thieme schrieb Bürgermeister Horst Müller und empfahl ihm den Erwerb dieses wertvollen Zeugnisses Olper Vergangenheit. Und der Bürgermeister zögerte nicht. Am 8. Juli kaufte die Stadt Olpe für 3.000 EURO ein Stück Vergangenheit.
Gestern präsentierten »Käufer« und Finder gemeinsam mit Josef Wermert vom Olper Stadtarchiv das 278 Seiten starke Werk aus der Pionierzeit des Buchdrucks. Denn nur 22 Jahre nach der berühmten Gutenberg-Bibel wurde die »Befragung der Evangelien« auf schwerem Büttenpapier gedruckt. Bei dem Band handelt es sich um eine Inkunabel, einen Wiegendruck. Thieme erklärte: »Das Wort Inkunabel bedeutet Windel. Es spiele an auf den Zeitpunkt des Drucks im Jahr 1478. »An der Wiege der Buchdruckerkunst«, so Thieme. Das theologische Werk im so genannten Klein-Folio-Format ist mit gotischen Druckbuchstaben zweispaltig bedruckt. Es ist versehen mit zahlreichen rot eingemalten kleinen Initialen.
Der Einband aus Holz und Pergament ist beschädigt, die Schließen fehlen. Doch Hans-Bodo Thieme beruhigte: »Das Werk wird im Westfälischen Archivamt in Münster restauriert.« Keiner Überarbeitung bedürfen die Nachforschungen hinsichtlich des Herausgebers.
Petrus in Altis de Olpe stammte aus einer Bürgermeister-Familie, so Wermert. Er war Notar und Priester in Köln, später auch Kanoniker von St. Kunibert. Aus den Jahren zwischen 1476 und 1478 sind zehn unterschiedliche Drucke von ihm bekannt. Von denen befinden sich heute nur wenige Exemplare in Bibliotheken in Prag, Wien, Berlin und der des Britischen Museums in London. Sein Zuname ist nach der Gepflogenheit der Gelehrten damaliger Zeit latinisiert: in Altis. Seinen deutschen Namen erfuhren die Mitarbeiter des Stadtarchivs aus dem Immatrikulationseintrag an der Kölner Universität aus dem Jahre 1450. Dort heißt er »Petro de Alto alias van der Hoe«. Also: Petrus van der Hoe/ Peter von der Höhe. Er hatte sich 1450 für freie Künste und Geisteswissenschaften eingeschrieben. Und das Studium drei Jahre später abgeschlossen.
Wer in Norbert Scheeles »Olper Bürgerbuch« schaut, kommt schnell auf Peters Spur: 1450 gab es einen »Hannes op der Hoe«, 1487 einen »Joh. up der Hoe de Olppe«, ebenfalls als Student in Köln eingeschrieben. 1493 ein »Hinrich op der Hoe«, 1504 ein »Henrych uff der Hoy«, Alt-Bürgermeister zu Olpe, im Jahr 1511 Heynrich uff der Hoy«, Bürgermeister. Dazu Josef Wermert: »Wir sehen, die Familie gehörte damals zu den Honoratioren der Stadt Olpe.«
Quelle: Siegener Zeitung, 30.7.2003 (mit Foto).
Säuerefraß bedroht 5 Mio. Berliner Bücher
Mindestens fünf Millionen Bücher in Berliner Bibliotheken sind in ihrem Bestand bedroht. Der Grund: Säurefraß zersetzt das Papier, im schlimmsten Fall zerbröseln die Seiten. Allein in der Staatsbibliothek mit rund zehn Millionen Büchern ist ein Fünftel des Bestandes so kaputt, dass die Seiten nur noch verfilmt werden können. „Damit sind wenigstens die Daten gesichert“, sagt Andreas Mälck, Leiter der Abteilung für Bestandspflege. Weitere zwei Millionen Bände müssten dringend entsäuert werden. Auch in den Regalen der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) frisst sich die Säure durch die Seiten.
Das Problem Säurefraß entstand Mitte des 19. Jahrhunderts mit der industriellen Herstellung von Papier. Bei der maschinellen Produktion entsteht Säure, die Zellulose angreift. Durchschnittlich 80 Jahre hält säurehaltiges Papier. Mit der so genannten „Entsäuerung“, einem Verfahren, das den PH-Wert neutralisiert, kann der Verfall verlangsamt werden. Kosten: etwa 30 Euro pro Kilogramm.
Die Zeitbombe tickt nicht nur in den Bibliotheken der Hauptstadt. Schätzungen zufolge sind bundesweit rund 60 Millionen Bücher betroffen. Die von zwölf Bibliotheken und Archiven gegründete „Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes“ erarbeitet zurzeit eine bundesweite Strategie zur Rettung des Bestandes. Hermann Leskien, Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek München und Leiter des Projektes, fordert die Länder zur verstärkten Zusammenarbeit und Absprache auf, damit beispielsweise nicht an zwei Orten das gleiche Buch erhalten wird. Leskien: „Es wird eine Aufteilung nach regionaler Literatur, nach Jahrhunderten und nach Fachgebieten geben.“ Berlin sei bekannt für die Spezialgebiete Ostasien und ausländisches Recht. Eine Geschäftsstelle konnte die Allianz noch nicht aufbauen, es fehlt das Geld.
Quelle: Die WELT, 28. Juli 2003.
Kölns Nachlässe bleiben betreut
Im Historischen Archiv der Stadt Köln sollen nun doch keine Stellen wegfallen. Wie der stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Rat, Jörg Frank, in der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses betonte, habe das schwarz-grüne Bündnis die Kürzungspläne der Verwaltung gestoppt. „Sammlungen und Nachlässe werden wie bisher betreut“, sagte Frank. Gegen die geplante Kürzung hatte sich heftiger Widerstand geregt – nicht zuletzt von Persönlichkeiten, die ihre Nachlässe dem Archiv anvertraut hatten. Zuletzt protestierten der Vorsitzende des Kölnischen Geschichtsvereins, Konrad Adenauer, wie auch der Kölner Männer-Gesang-Verein mit großem Nachdruck (Bericht).
Quelle: KStA, 29.7.2003
Bericht vom Tag der österreichischen Ordensarchive
Die Einladung zum ersten gesamtösterreichischen Treffen der Archivarinnen und Archivare der katholischen Ordensgemeinschaften und selbstständigen Einzelklöster sprachen die Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften in Österreich sowie die Vereinigung der Frauenorden Österreichs aus. Die Initiative ging von einer, seit einigen Jahren bestehenden informellen Arbeitsgruppe aus, welche auch die Vorbereitung übernahm. Die Tagung wollte einen ersten Schritt zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft setzen. Diese war dem Vorbereitungsteam, dem die Verfasserin dieses Berichts angehörte, besonders im Hinblick auf die spezielle Archivsituation der österreichischen Klöster ein wichtiges Anliegen, verfügen dieselben doch über bemerkenswerte historische Bestände: allein über 40 österreichische Klosterarchive haben bis heute einen Mittelalterbestand. Ein wichtiger Impuls zum Zustandekommen der Tagung ging von P. Laurentius Koch OSB (Abtei Ettal) aus, dem ehemaligen Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft deutscher Ordensarchive. Er nahm lebhaften Anteil an den Vorbereitungsarbeiten und sicherte sein Kommen zu, er verstarb jedoch plötzlich und unerwartet am 29. März 2003 (Bericht). Die Tagung stand im Zeichen seines Andenkens.
Im einleitenden Impulsreferat gab Univ. Prof. DDr. Floridus Röhrig CanReg., Archivar des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg, einen Überblick über die österreichische Ordensarchivlandschaft. Er führte markante Unterschiede in den Beständen der Archive der großen Stifte der „alten Orden“ und jener der „jüngeren“ Ordensgemeinschaften mit ihrer Einteilung in Provinz- und Hausarchive an. Weiters hob er die besondere Bedeutung der Archivarbeit in den Orden hervor und die Notwendigkeit, ihr Image – auch innerhalb der Orden selbst – zu verbessern.
Danach präsentierten Mag. Günter Katzler (Herzogenburg) und Dr. Christine Schneider (Wien) die Auswertung eines Fragebogens, der in Vorbereitung der Archivtagung an alle Ordensgemeinschaften in Österreich ergangen war. Von den 226 Bögen (138 Frauen- und 88 Männerorden bzw. -kommunitäten) wurden rund die Hälfte (109) ausgefüllt retourniert. In 57 Fragebögen wurde die Frage nach dem Vorhandensein eines Archivs bejaht, acht Mal wurde angegeben, ein solches sei in Planung. Ergänzend muss hinzugefügt werden, dass der Begriff des „Archivs“ einige terminologische Unsicherheiten barg und auch Angaben eingingen, nach denen zwar kein Archiv vorhanden sei, jedoch die „alten Akten“ in einem Kasten gut verwahrt lägen. Der Fragebogen enthielt Erhebungen zu den Bereichen „Archivar/in und Archivpersonal“, „Größe und Ausstattung des Archivs“, „Lagerung“, „Ordnung“, „Benutzung“, „Bedeutung und Vernetzung des Archivs“ und „Wünsche und Anliegen“. Ein prägnantes Ergebnis war, dass nahezu alle ArchivarInnen diese Tätigkeit nur nebenbei ausüben. Die überwiegende Mehrheit sind Ordensangehörige und Autodidakten, nur im seltensten Fall gibt es angestelltes Fachpersonal, doch verschiedentlich ehrenamtliche MitarbeiterInnen. Lediglich ein Drittel bezeichnete die Archivbestände als „geordnet“, in mehr als der Hälfte der Archive gibt es Verzeichnisse nur für einzelne Bestände. Dieser Befund trifft auf die historisch reichhaltigen Stiftsarchive der Männerklöster ebenso zu wie auf die meist wesentlich jüngeren Archive der neueren Frauenorden. Bemerkenswert erscheint weiters, dass ein Großteil der Archive auch bereits Schriftgut des 21. Jahrhunderts verwahrt, also Registraturfunktionen übernimmt. In Österreich besteht schon seit 1976 eine „Arbeitsgemeinschaft der DiözesanarchivarInnen Österreichs“, von der Dr. Thomas Aigner, Diözesanarchivar in St. Pölten und derzeitiger Vorsitzender der ARGE, in seinem Referat berichtete. Auch Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Diözesan- und Ordensarchiven wurden dabei angesprochen. Über Geschichte und Aufgaben der „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ordensarchive“ (AGOA), die 1997 gegründet wurde und heute 164 Ordensgemeinschaften als Mitglieder hat, referierte das Vorstandsmitglied Dr. Clemens Brodkorb, Archivar der Jesuiten in München.
Mag. Helga Penz, Mitarbeiterin des Archivs der österreichischen Provinz der Gesellschaft Jesu in Wien sowie des Archivs des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg in Niederösterreich, stellte das Projekt „Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs“ vor und schlug dabei, in Anlehnung an die Statuten der AGOA, folgende Aufgabenbereiche vor:
- Förderung von Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit
- Beratung, Hilfestellung und Service
- Abstimmung gemeinsamer fachlicher und rechtlicher Interessen und Erstellung diesbezüglicher Empfehlungen und Vorlagen
- Vertretung der Interessen der Ordensarchive im kirchlichen und öffentlichen Bereich
- Angebote zur Grund- und Weiterbildung
- Entwicklung, Umsetzung und Mitarbeit in Projekten zur fachlichen und wissenschaftlichen Bearbeitung der Ordensarchive und ihrer Bestände
In den Arbeitskreisen der Archivtagung wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedene Anliegen formuliert. Als eine der vordringlichsten Aufgaben wurden vor allem zwei Dinge angesehen: Zum einen sollen Richtlinien für Bewertung und Skartierung erstellt werden, die die Dachverbände der Ordensgemeinschaften als Empfehlungen für ihre Mitglieder aussprechen. Zum
anderen wird ein Angebot der Aus- und Weiterbildung gewünscht, in denen den Archivarinnen und Archivaren ein Rüstzeug für das konkrete Arbeiten an die Hand gegeben werden soll. Zahlreiche Konvente äußerten auch den Wunsch nach Fachberatung vor Ort, also nach einer, an die spezielle Archivsituation angepassten Anleitung. Als wichtiger Punkt wurde auch der EDV-Einsatz im Archiv angesprochen. Gerade in diesem Bereich wurde Erfahrungsaustausch, Zusammenarbeit und fachliche Beratung als besonders wichtig erachtet.
Das von rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus über 40 der 220 verschiedenen Orden bzw. Klöster besuchte Treffen der Ordensarchivarinnen und -archivare endete mit der Bestellung eines Komitees, welchem die Aufgabe übertragen wurde, Statuten für eine „Arbeitsgemeinschaft österreichischer Ordenarchive“ auszuarbeiten und eine Archivtagung im nächsten Jahr vorzubereiten.
Quelle: Tagungsbericht zum Tag der österreichischen Ordensarchive am 30. Mai 2003 in Wien von Helga Penz, Jesuitenarchiv Wien, in: „archivliste“, 29.7.2003
Kontakt:
Archiv der österreichischen Provinz der Gesellschaft Jesu
Dr. Ignaz Seipel Platz 1
A-1010 Wien
Tel.: +43 (0)1 512-5232-53
Email: archiv.sj-at@Eunet.at
Das Chronos Film Archiv in Berlin
Auf dem Gelände am Nordrand von Babelsberg, auf dem vor 1945 das Althoff-Atelier seine Studios hatte, wohnt unter dem Firmennamen „Chronos“ das Gedächtnis Deutschlands, wird hier gepflegt und verwaltet. Eine kleine Gruppe von Archivaren ist derzeit damit beschäftigt, Bestandsaufnahme zu machen. Einige Millionen Meter Dokumentarfilm lagern in Tausenden Büchsen in einer kühlen Halle direkt hinter dem kleinen Haus, in Metallregalen aufeinandergestapelt, grob geordnet, aber noch nicht vollständig systematisch erfasst – historische Aufnahmen aus der Kaiserzeit, vom Aufstieg der Nationalsozialisten, von Parteitagen, Aufständen, von Revuen und alltäglichen Begebenheiten, vom Prozess gegen die Angeklagten des 20. Juli, all dies Material, das einst im Reichsfilmarchiv gesammelt und nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten beschlagnahmt worden war.
Daneben türmen sich Filme aus den Geheimarchiven des KGB und der CIA, des polnischen, englischen und schwedischen Geheimdienstes, Dokumentaraufnahmen aus den Konzentrationslagern, vom Kampf um Berlin, aus den zerstörten deutschen Städten unmittelbar nach Kriegsende und vieles andere mehr.
Aufgespürt, erworben, eingetauscht, gesammelt und zum Teil selbst gedreht hat all dies ein Privatmann: Bengt von zur Mühlen. Nach vierzig Jahren ist aus seiner Sammlung eines der weltweit größten Privatarchive historischer Bildquellen geworden. Kaum ein Geschichtsfilm kommt ohne das Chronos Archiv aus, alle wichtigen Fernsehanstalten nicht nur aus Deutschland sind hier Kunden, dazu auch Filmemacher.
Vor einigen Jahren hat Bengt von zur Mühlen das Chronos Archiv an seinen Sohn Konstantin verkauft, da zur endgültigen Erfassung aller Teile, zur Pflege und vor allem zur Digitalisierung des vergänglichen Materials Investitionen nötig geworden waren, für die das Kapital fehlte. Konstantin von zur Mühlen, der vielleicht mit einem besseren Geschäftssinn als sein Vater ausgestattet ist, schwebt als ehrgeizigstes Produktionsvorhaben eine fünfzehnteilige DVD-Serie über die Geschichte Deutschlands vor. Im Augenblick aber konzentriert er sich auf die Entwicklung einer neuen Software für eine Filmdatenbank.
Kontakt:
Chronos-Film GmbH
Am Hochwald 30/3
14532 Kleinmachnow
Tel.: 033203 / 28201
Fax: 033203 / 28551
http://www.dhm.de/lemo/chronos/
Quelle: FAZ, 29.7.2003, S. 36.