Die Witwe des 1991 verstorbenen Schauspielers Klaus Kinski, Minhoi Loanic, hat Strafanzeige gegen das Berliner Landesarchiv und die Vivantes-Kliniken wegen Verletzung des Privatgeheimnisses und Verstoß gegen das Berliner Datenschutzgesetz gestellt. Unter den vergangene Woche an das Landesarchiv übergebenen Psychiatrie-Akten des landeseigenen Klinikkonzerns befand sich auch eine Krankenakte Kinskis, die im Jahr 1950 bei einem dreitägigen Klinikaufenthalt des Schauspielers angelegt wurde.
Mit der Übergabe von ca. 90.000 Akten der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik aus der Zeit von 1880-1960 an das Landesarchiv Berlin (siehe Bericht vom 23.7.2008) ist erstmals die geregelte Nutzung dieser historisch bedeutsamen Unterlagen ermöglicht worden. Dabei muss der Umgang mit Patientenakten äußerst sensibel erfolgen. Die Akten sind vom Landesarchiv nicht in Gänze veröffentlicht worden. Das wird auch in Zukunft nicht geschehen.
Die Nutzung der Unterlagen erfolgt im Landesarchiv Berlin auf der Grundlage des Gesetzes über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Landes Berlin. Der Gesetzgeber hat in § 8 Archivgesetz bestimmt, dass grundsätzlich jeder das Recht hat, Archivgut nach Ablauf bestimmter Schutzfristen zu nutzen. Allerdings bedarf die Nutzung in jedem Einzelfall der Genehmigung des Landesarchivs Berlin. Die Genehmigung wird den Betroffenen und ihren nächsten Angehörigen stets erteilt, anderen jedoch nur, wenn die jeweiligen Schutzfristen abgelaufen sind.
Zusätzlich unterliegen personenbezogene Unterlagen wie Patientenakten besonderen Bedingungen, denn Personen genießen bis zum Ablauf von zehn Jahren über ihren Tod hinaus den Schutz ihrer Privat- und Intimsphäre (\“postmortaler Persönlichkeitsschutz\“). Das Landesarchiv hat dabei den Schutz des Patientengeheimnisses sicherzustellen. Auch danach endet der Schutz nicht automatisch, sondern er ist mit dem Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) abzuwägen: Je länger der Zeitpunkt des Todes einer Person zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt dem Recht der Öffentlichkeit auf freien Zugang zu Wissen und Information zu. Akten über Patienten, an denen kein vergleichbares öffentliches Interesse besteht, dürfen auch künftig selbst nach Ablauf der Schutzfristen grundsätzlich nicht in personenbezogener Form genutzt werden. Darauf können die Patienten vertrauen.
Bei der Patientenakte zu Klaus Kinski, der unzweifelhaft als Person der Zeitgeschichte anzusehen ist, war die zehnjährige Schutzfrist bereits 2001 abgelaufen. Das Landesarchiv Berlin war deshalb berechtigt, die Akte aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles jetzt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Abwägung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes mit der Informationsfreiheit sprach für die Veröffentlichung.
Allerdings hat der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit festgestellt, dass die Angaben über die Ärztin, die in einer Beziehung zu dem Schauspieler stand, vor einer Offenlegung der Akte hätten anonymisiert werden müssen. Da die Witwe von Klaus Kinski inzwischen Strafantrag gestellt hat, wird das Landesarchiv Berlin die gesamte Akte jedenfalls bis zum Abschluss der Ermittlungen unter Verschluss halten.
Kontakt:
Landesarchiv Berlin
Eichborndamm 115 – 121
13403 Berlin
Tel.: 0 30 / 90264 – 0
Fax: 0 30 / 90264 – 201
info@landesarchiv-berlin.de
Quelle: Gemeinsame Presseerklärung Dr. Alexander Dix (Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit) und Prof. Dr. Uwe Schaper (Direktor Landesarchiv Berlin), 29.7.2008; FAZ, 29.7.2008