Portal Lippische Ziegler eröffnet

„Archive müssen auch und gerade in der digitalen Welt ihre Potentiale und Angebote einer breiten Öffentlichkeit bekannt und zugänglich machen. Das Portal "Lippische Ziegler" leistet dazu einen wichtigen Beitrag“. Mit diesen Worten stellte NRW-Kulturministerin Ute Schäfer in der Abteilung Ostwestfalen-Lippe des Landesarchivs NRW ein Kooperationsprojekt zwischen dem Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam und dem Landesarchiv NRW vor.

„Wir hüten einen richtig wertvollen Schatz“, so die Ministerin über die im Landesarchiv verwahrten Archivalien. Das Internetportal „Lippische Ziegler“ verbindet und präsentiert in fast einmaliger Weise digitalisiertes Archivgut zur Geschichte der Wanderarbeiter aus Lippe, Informationen zu den Archivbeständen des Landesarchivs NRW, Quellenkunde und Forschungsergebnisse zur historischen Arbeitsmigration. Die Ministerin lobte die Initiative, weil sie dazu beitrage, „historische Themen modern zu präsentieren und sie damit auch denen zugänglich zu machen, die wenig Berührungspunkte mit traditioneller Archivarbeit haben“.

Zusammen mit Prof. Dr. Jan Lucassen vom Internationalen Institut für Sozialgeschichte und Dr. Bettina Joergens vom Landesarchiv NRW demonstrierten Ministerin Schäfer bei der Freischaltung des Angebots, auf welche Weise das vom Landesarchiv NRW betriebene Portal „Archive in NRW“ und das Angebot des IISG miteinander verbunden sind. Sie navigierte von der Internetseite der Abteilung Ostwestfalen-Lippe des Landesarchivs NRW direkt zum Portal „Lippische Ziegler“ auf den Seiten des IISG.

Neben Informationen zur Geschichte der Wanderarbeit aus Lippe bietet das Internetportal „Lippische Ziegler“ eine Datenbank, in der nach Personennamen gesucht werden kann. Die Ergebnisse der Datenbankrecherche können direkt online in den erstmals digital veröffentlichten historischen Akten aus dem Landesarchiv NRW überprüft werden. Mit dieser Aufbereitung der Akten aus der Abteilung Ostwestfalen-Lippe des Landesarchivs NRW erführen „die Menschen hier in Lippe und in ganz Nordrhein-Westfalen … mehr über ihre Geschichte ihrer Heimat und ihrer Vorfahren“, betonte die Ministerin. Gleichzeitig wies sie auch auf die Bedeutung der Archive als „außerschulischen Lernort für Schülerinnen und Schüler sowie insbesondere Studierende“ hin.

Das Fürstentum Lippe war vom 18. bis zum 20. Jahrhundert Ausgangsregion für Tausende von Ziegeleiarbeitern. Sie verließen in jedem Frühjahr aufs Neue ihre Heimat, um in ganz Deutschland und in den Nachbarländern Arbeit zu finden. Die Niederlande waren ein frühes Ziel der Ziegler, die sich in den großen Kreis der Hollandgänger aus dem Rheinland und Westfalen einreihten. Wie z. B. die heute noch existenten Zieglervereine belegen, identifizieren sich viele Lipper mit der Geschichte der Wanderarbeit. Kein Wunder, denn sie prägte etwa zwei Jahrhunderte lang das soziale Gefüge, die wirtschaftliche und familiäre Situation der gesamten Region. Umso erfreulicher ist es, dass nun Originalquellen für die private und wissenschaftliche Forschung online zugänglich und komfortabel auswertbar sind.

Jan Lucassen und Piet Lourens vom Internationalen Institut für Sozialgeschichte Amsterdam (IISG) in Amsterdam erforschen seit vielen Jahren die Geschichte der Ziegeleiarbeiter, deren Arbeitsbiografien und familiäre Situationen. Grundlage dafür sind die im Landesarchiv NRW Abt. OWL aufbewahrten Akten, denn, so Prof. Lucassen: „Nirgendwo sonst auf der Welt lassen sich so viele und dichte Informationen zu Saisonarbeitern mit Angaben zu Herkunft und Zielort für einen so großen Zeitraum und eine so frühe Zeit in diesem Umfang finden. Für die Geschichte der Migration, der Arbeit und der Familien sind sie von unschätzbarem Wert.“ Für das Internetportal zu den lippischen Zieglern haben Lucassen und Lourens die Ergebnisse ihrer Forschung zusammengestellt und verbunden mit den vom Landesarchiv NRW bereitgestellten Findmitteln und archivischen Quellen. „Dank der Zusammenarbeit zwischen dem Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam (IISG) und dem LAV NRW werden diese Daten, eingebettet in ihrem historischen Kontext, nun zur Verfügung gestellt“, so der Historiker Jan Lucassen.

Die bewährte deutsch-niederländische Zusammenarbeit im Archivwesen werde mit diesem „Joint-Venture“ fortgesetzt, ebenso die Zusammenarbeit zwischen Archiv und historischer Forschung. Dies betont Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, Präsident des Landesarchivs NRW. Das Ziegler-Projekt stelle eine „moderne, zeitgerechte Form der Archivarbeit“ dar. Gleichzeitig knüpfe das Kooperationsprojekt an die Tradition der Detmolder Abteilung an, die seit langem – etwa beim Detmolder Sommergespräch – den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Archivarinnen und Archivaren einerseits und wissenschaftlich und privat motivierten Archivnutzern und -nutzerinnen andererseits unterstützt. Mit der Bereitstellung von über 15.000 Digitalisaten hat das Landesarchiv NRW die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Quellengrundlage für die historische Erforschung des Wanderzieglerwesens einer breiten Öffentlichkeit leichter zugänglich gemacht werden kann.

Grundsätzlich sei die Digitalisierung für die Archive keine Kleinigkeit, so Reininghaus. Die Menge und die besondere Beschaffenheit archivischer Unterlagen erforderten hohe Aufwände für die Digitalisierung und folglich eine Priorisierung der Projekte; auch setze jede Digitalisierung eine solide und elektronisch bereits verfügbare Erschließung der Archivbestände voraus. Kooperationen wie die mit dem IISG im Rahmen des Zieglerportals könnten den Archiven helfen, Schwerpunkte für Digitalisierungsprojekte zu ermitteln und in diesen Schwerpunkten einen Mehrwert archivischer Angebote durch Einbindung der Quellen in den historischen Kontext zu erzielen. Anlässlich der Freischaltung des Zieglerportals zeigt die Abteilung Ostwestfalen-Lippe des Landesarchivs NRW eine Ausstellung von 17 historischen Fotos von Ziegeleiarbeitern sowie Beispiele von Originalakten mit Ziegelbotenlisten aus dem Bestand der Lippischen Regierung. Diese kleine Ausstellung ist noch bis zum 2. September 2011 in Detmold zu sehen.

Kontakt:
Landesarchiv NRW Abt. Ostwestfalen-Lippe
Dr. Bettina Joergens
Willi-Hofmann-Str. 2
32756 Detmold
Telefon: 05231/766-112
bettina.joergens@lav.nrw.de

Quelle: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung, 20.6.2011

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