Zwischen Fakt und Fiktion – Kloster Dalheim zeigt Ausstellung über Verschwörungstheorien

Fand die Mondlandung nur im Filmstudio statt? Lenken die Freimaurer die Geschicke der Welt? Und sollen Kondensstreifen am Himmel die Menschen vergiften? „Verschwörungstheorien – früher und heute“ sind seit dem 18.5.2019 das Thema der neuen Sonderausstellung im LWL-Landesmuseum für Klosterkultur, Stiftung Kloster Dalheim (Kreis Paderborn). „Die Schau geht Verschwörungstheorien auf den Grund und beleuchtet, warum sie heute wieder so populär sind“, so Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Gezeigt werden bis zum 22.3.2020 auf 1.200 Quadratmetern rund 250 Exponate internationaler Leihgeber aus 900 Jahren Verschwörungsdenken, ein eigens eingerichteter Escape Room wartet auf Besucher. Die Ausstellung in dem ehemaligen Kloster Dalheim steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der als Ehrengast auch an der Ausstellungseröffnung teilnahm.


900 Jahre Verschwörungsdenken: „Gegengift anbieten“
„Verschwörungstheorien der Vergangenheit lassen uns den Kopf schütteln. Die Konjunktur von Verschwörungstheorien in der Gegenwart bereitet uns Kopfzerbrechen, wenn sie die komplizierte Welt scheinbar mühelos erklären, denn Verschwörungstheorien sind ein süßes aber gefährliches Gift, weil sie oft einen vermeintlich Schuldigen präsentieren. Es wird immer mühevoller, in Zeiten ‚alternativer Fakten‘ und ’neuer Medien‘ Zusammenhänge zu verstehen – wir wollen mit der Ausstellung Aufklärung, also ein wenig Gegengift, anbieten“, sagte Löb am 14.5. in Lichtenau-Dalheim.

Abb.: Ausschnitt vom Holzschnitt: Die Hexen. Hans Baldung Grien, 1510. Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha (Foto: © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Inv.-Nr.43,68)

Die Ausstellung gliedert sich in sechs Abteilungen und berichtet vom Teufelsglauben und der Verfolgung von Hexen und religiösen Minderheiten, aber auch mächtigen Ordensgemeinschaften im Mittelalter, und zeigt, wie Geheimbünde – Illuminaten und Freimaurer – als „wahre Drahtzieher“ der gesellschaftlichen Umwälzungen in Folge der Französischen Revolution unter Verdacht gerieten.

Die ideologische Vereinnahmung des Verschwörungsglaubens steht im Mittelpunkt der Abteilungen zur jüngeren Geschichte: Im Nationalsozialismus trägt die verbreitete Lüge von einer „jüdischen Weltverschwörung“ zur Akzeptanz der antisemitischen Verfolgung bei. Im Kalten Krieg schüren Verschwörungstheorien Angst, indem sie das Ausmaß der realen Bedrohung zuspitzen.

Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Vorsitzende des Vorstands der Stiftung Kloster Dalheim und LWL- Kulturdezernentin: „Der Blick in die Geschichte zeigt: Unsichere Zeiten begünstigen die Popularität von Verschwörungstheorien. Die Ausstellung lädt die Besucherinnen und Besucher daher ein, ihre eigene Meinungsbildung zu reflektieren. Gemeinsam mit dem angebotenen Rahmenprogramm ist die Ausstellung ein gelungenes Beispiel dafür, wie wir Museen zu Orten entwickeln können, an denen wichtige gesellschaftspolitische Diskurse angestoßen und geführt werden“, erläuterte Rüschoff-Parzinger.

Verschwörungstheorien heute
Im Internetzeitalter erleben Verschwörungstheorien eine Blütezeit. Ganze Websites widmen sich der Vorstellung aktueller Verschwörungstheorien und bilden zugleich ein Forum für den Austausch zwischen deren Anhängern. Suchmechanismen und Algorithmen erzeugen sogenannte Filterblasen, die immer tiefer in die Welt der Verschwörungstheorien führen. Die Bandbreite reicht dabei von hochgradig politischen Verschwörungstheorien wie den zahlreichen Thesen über die „wahren Drahtzieher“ der Anschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001 bis zu inszenierten satirehaften Verschwörungstheorien, zum Beispiel der „Bielefeld-Verschwörung“, die behauptet, die westfälische Stadt existiere nicht und sei lediglich eine Erfindung geheimer Hintermänner.

Exponate
Rund 250 Exponate aus renommierten internationalen Museen, Bibliotheken, Archiven und von Privatleihgebern erlauben den Besucherinnen einen Blick hinter die Kulissen von 900 Jahren Verschwörungsdenken. Ihr Spektrum reicht dabei von wertvollen Gemälden und Handschriften bis hin zum „Entstör-Stift“ für Barcodes aus der Gegenwart.

Gezeigt werden zum Beispiel die rund 900 Jahre alte Gründungsurkunde des legendären Templer-Ordens oder eines der letzten Erkennungszeichen des Geheimbunds der Illuminaten sowie das Handexemplar des Herausgebers der angeblichen „Protokolle der Weisen von Zion“, Exponate und Dokumente aus dem Kontext der folgenreichen antisemitischen Verschwörungstheorien in der Zeit des Nationalsozialismus, Spionagewerkzeuge aus der Zeit des Kalten Krieges und ein Aufzugmotor aus den zerstörten Türmen des World Trade Centers in New York.

Escape Room
„Um generationsübergreifend neue Besuchergruppen für diese wichtige Ausstellung zu begeistern, geht das Dalheimer Museum neue Wege“, berichtete Rüschoff-Parzinger: „Die Stiftung Kloster Dalheim. LWL-Landesmuseum für Klosterkultur hat eigens zur Sonderausstellung einen Escape Room entwickelt.“ Unter dem Titel „Der Heilige Gral – auf der Suche nach dem Schatz der Tempelritter“ entdecken Gruppen bis acht Personen im historischen Gewölbekeller des Klosters Dalheim rätselhafte Artefakte, suchen nach versteckten Hinweisen und knacken verschlüsselte Botschaften. 60 Minuten haben die Teilnehmer Zeit, um dem Schatz des Templerordens mit Neugier, Kreativität und Teamgeist auf die Spur zu kommen.

„Faszinierend und folgenreich“
„Der Glaube an Verschwörungstheorien ist ebenso faszinierend wie folgenreich“, erläuterte Museumsdirektor Dr. Ingo Grabowsky: „Verschwörungstheorien hinterfragen, geben alternative Erklärungen und machen neugierig, weil sie vorgeben, Wahrheiten zu enthüllen. Doch zugleich erzeugen Verschwörungstheorien Feindbilder – mit teils drastischen Folgen.“

Dominierte in der Vergangenheit eine Verschwörungsangst der Eliten gegenüber den Randgruppen der Gesellschaft, stehen heute nunmehr die Eliten selbst im Fokus der Verschwörungstheoretiker. In einer aktuellen Umfrage der Friedrich Ebert-Stiftung gaben 46 Prozent der Befragten an, sie glaubten, es gebe geheime Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. „Medien, Regierungsorganisationen und die Presse geraten zunehmend in den Fokus von Verschwörungstheorien“, sagte Grabowsky. „Mit den Verschwörungstheorien nehmen wir ein wichtiges Phänomen unserer Zeit in den Blick.“

Förderer
Die Sonderausstellung „Verschwörungstheorien – früher und heute“, die unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht, wird gefördert von der LWL-Kulturstiftung, der Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial Versicherung, Bette, der Friede Springer Stiftung und der Stiftung der Sparkasse Paderborn-Detmold für den Kreis Paderborn.

Wissenschaftlicher Beirat
Ein wissenschaftlicher Beirat, bestehend aus Historikern, Soziologen, Psychologen und Museumsfachleuten begleitet die Sonderausstellung „Verschwörungstheorien – früher und heute“.

Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche haben freien Eintritt in alle Museen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe.

Mit dem neuen „Mobilitätsfonds“ werden Schulen und Kitas aus Westfalen-Lippe bei der Anreise ins Museum mit Bus und Bahn unterstützt. Informationen gibt es unter Tel. 05292 93 19-225 (Di.-Fr. 11-16 Uhr) oder https://www.mobilitaetsfonds.lwl.org.

Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein rund 300-seitiger Katalog im Ardey-Verlag. Der reich bebilderte Katalog dokumentiert die ungebrochene Faszination und zugleich die Gefahren von Verschwörungstheorien. Historiker, Soziologen und Psychologen untersuchen historische Beispiele und heutige Verschwörungstheorien im Spannungsfeld von Fakt und Fiktion.

Der Katalog (ISBN 978-3-87023-442-3) kostet 29,90 Euro und ist im Dalheimer Klosterladen sowie im Buchhandel zu erwerben.

Programm zur Ausstellung
Zur Ausstellung wird ein Rahmenprogramm von Vorträgen, einer Wissenschaftsshow, einem Lesefestival und Ferienprogrammen aufgelegt.

Bei der Wissenschaftsshow „Geheimakte Verschwörung“ (29.6.) prüfen Expertinnen von der Organisation „Der goldene Aluhut gUG“ den Wahrheitsgehalt aktueller Verschwörungstheorien. Mit unterhaltsamen Experimenten und interaktiven Aktionen nehmen sie Kinder und Erwachsene mit in die Welt zwischen Schein und Sein. Der Besuch ist im Eintrittspreis für das Museum inbegriffen.

Das neue Lesefestival „Zeit für Helden“ lädt Familien ins Kloster Dalheim ein. Die als Staatsanwältin aus dem Münsteraner „Tatort“ bekannte Hörbuch- und Hörspielsprecherin Mechthild Großmann liest Geschichten von Sherlock Holmes und James Bond (21.9.). „Die drei Musketiere“ stehen ebenfalls auf dem Lesezettel (22.9.) – präsentiert vom neuen Intendanten des Kulturfestivals „Dalheimer Sommer“, dem Schauspieler Harald Schwaiger. Der Eintritt beträgt 10 Euro für Erwachsene und 1 Euro für Kinder. Der Besuch des Museums ist im Eintrittspreis inbegriffen. Karten gibt es unter Telefon 05292 9319-0.

Vorträge nehmen unterschiedliche Facetten von Verschwörungstheorien in den Blick: JProf. Dr. Caroline Heinrich gibt unter dem Titel „Und wenn doch was dran ist? – Wie Verschwörungstheorien unsere Urteilskraft aushebeln“ (26.5.) eine Einführung zum Kontext der Sonderausstellung. Unter dem Titel „Verborgene Schädlinge im Paradies – Metaverschwörung als Herrschaftskonzept in der UdSSR“ fragt Dr. Klaus Waschik nach der politischen Nutzung von Verschwörungstheorien in der Sowjetunion der 1930er Jahre (29.9.). Die Merkmale und möglichen Ursachen von Hexenverfolgungen sind Thema im Vortrag „Die Dalheimer Hexenprozesse“ von Dr. Rainer Decker (10.11.).

Dalheimer Strippenzieher
Auch 2019 gibt es nach klösterlicher Tradition in Dalheim ein Bier zur Ausstellung. Der „Dalheimer Strippenzieher“ ist ein schmackhaftes Rotbier -, „das sich sicher nicht verstecken muss“, ist sich Grabowsky sicher.

Führungen für Einzelbesucher
Öffentliche Führungen gehen sonn- und feiertags ab 15 Uhr durch die Sonderausstellung (Teilnahmegebühr pro Erwachsenem: 3 Euro zzgl. Museumseintritt).

Führungen für Gruppen
durch die Sonderausstellung, durch die Klostergärten und die Klosteranlage können Dienstag bis Freitag von 11 bis 16 Uhr unter Telefon (0 52 92) 93 19-225 oder per E-Mail unter besucherservice.dalheim@lwl.org gebucht werden.

Buchungen Escape Room unter: http://www.escapedalheim.de

Informationen zur Ausstellung sowie das gesamte Begleitprogramm unter http://www.stiftung-kloster-dalheim.lwl.org

Info
Sonderausstellung „Verschwörungstheorien – früher und heute“
Laufzeit: 18. Mai 2019 – 22. März 2020
Öffnungszeit: täglich außer montags 10-18 Uhr
ganzjährig geöffnet außer 24., 25. und 31.12.

Eintrittspreise
Erwachsene: 9,00 Euro, ermäßigt: 4,50 Euro
Kinder und Jugendliche: Eintritt frei
Gruppen ab 16 P.: 7,00 Euro p.P.
Gruppenführungen ab 45,00 Euro

Kontakt:
Stiftung Kloster Dalheim
LWL-Landesmuseum für Klosterkultur
Am Kloster 9
33165 Lichtenau-Dalheim
kloster-dalheim@lwl.org

Quelle: LWL, Pressemitteilung, 14.5.2019

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