HR-Film »Der große Raub«

»Der große Raub« ist der Titel eines Films des Hessischen Rundfunks, der am Donnerstag, 19. Oktober 2006, um 19.30 Uhr im Rahmen des Begleitprogramms der Ausstellung "Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 – 1945" im Foyer des historischen Neustädter Rathauses in Hanau gezeigt wird. Im Anschluss diskutieren die Autoren mit dem Publikum. Die Ausstellung wurde konzipiert vom Fritz Bauer Instituts und dem Hessischen Rundfunk. Anhand zahlreicher Dokumente, Fotografien und Exponate wurde die Geschichte des gesetzlich legalisierten Raubzuges und seiner Opfer sowie die zentrale Rolle des Fiskus in dem Geschehen dargestellt.

1998 wies das Hessische Finanzministerium die Finanzbehörden des Landes an, in ihren Aktenbeständen nach Unterlagen über die fiskalische Ausplünderung als Juden Verfolgter zu suchen. Die Übergabe der in Hessen aufgefundenen Dokumente an das Hessische Staatsarchiv in Wiesbaden gab Anlass zu einem Dokumentations- und Forschungsprojekt, das vom Fritz Bauer Institut durchgeführt wurde. Die gesichteten Devisenakten, Steuerakten, Vermögenskontrollakten und Handakten jüdischer Rechtsanwälte belegen eindrücklich die fiskalische Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung Hessens im \“Dritten Reich" und dokumentieren darüber hinaus die Umsetzung jener Gesetze und Verordnungen, die nach 1933 dieses Vorgehen legalisierten. Die Akten zeigen, dass die sogenannte Arisierung jüdischer Unternehmen nur die \“Spitze des Eisberges\“ gewesen ist: In enger Kooperation zogen unterschiedliche Dienststellen in Finanzbehörden, Zollfahndung und Devisenstellen gemeinsam mit der Gestapo und anderen Organisationen in gesetzlich legalisierten Aktionen Sparbücher, Devisenguthaben und Wertpapierdepots jüdischer Bürger ein. Sie belegten ihre Opfer mit Sondersteuern und Strafkontributionen und versteigerten öffentlich das Hab und Gut der aus Deutschland Geflohenen oder Deportierten. Diese Ausplünderung war ein wichtiger Teil der Vernichtungsmaschinerie und zugleich Bestandteil der NS-Kriegswirtschaft.

Für ihren Film aus dem Jahr 2002 haben die Autoren Henning Burk und Dietrich Wagner diese Zeugnisse aufgeschlagen und eindrucksvoll dokumentiert. Penibel führen die Akten Buch über die Zahlung der Reichsfluchtsteuer, die zahlen musste, wer Deutschland verließ; über die Erhebung der Judenvermögensabgabe, über das Hab und Gut derer, die ab 1941 in die Lager deportiert wurden. Sie enthalten auch die Namen der Opfer. Henning Burk und Dietrich Wagner haben Überlebende gesucht: Sie sprachen mit Charlotte Guthmann-Opfermann, die mit ihrer Familie aus Wiesbaden ins Lager Theresienstadt deportiert wurde, zuvor aber für die Unterbringung im \“Reichsaltersheim\“ das monatliche \“Pflegegeld\“ auf Jahre im Voraus hatte bezahlen müssen. Robert Goldmann, Sohn einer angesehenen Arztfamilie, die vor der antisemitischen Verfolgung von der Bergstraße nach Frankfurt geflüchtet war, erzählt, wie bei der Auswanderung in die Vereinigten Staaten vom einstigen Vermögen der Familie noch zehn Reichsmark geblieben waren. Wolfgang Lauinger, Sohn des Journalisten Arthur Lauinger, berichtet, wie seinem Vater die kostbare Bibliothek gestohlen wurde und er gezwungen war, das Familiensilber weit unter Wert zu verkaufen.

Die Akten enthalten auch die so genannten Vermögensaufstellungen, die die Deportierten vor ihrem Abtransport in die Vernichtungslager ausfüllen mussten, um der Finanzverwaltung die anschließende \“Verwertung\“ ihrer letzten Habseligkeiten zu erleichtern: Möbel, Geschirr und Wäsche wurden überall im Deutschen Reich in öffentlich angekündigten Auktionen versteigert, und oft wurden Bombengeschädigte dabei bevorzugt. Peter Cahn, Sohn von Max und Tilly Cahn, liest aus dem Tagebuch seiner Mutter, die das Geschehen kommentierte: Dem Raubmord wurde das \“Mäntelchen der Volkswohlfahrt\“ umgehängt. 

Kontakt:
Dr. Bettina Hindemith
Hessischer Rundfunk
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
-Ausstellungen-
60222 Frankfurt am Main
Tel.: 069/155-4038
Bhindemith@hr-online.de

Quelle: Pressemitteilung Stadt Hanau, 16.10.2006; Uni-Protokolle der Justus-Liebig-Universität Gießen, 20.1.2003

105.000 Euro für die Erhaltung von 17 Archiven

Siebzehn Archive und Buchbestände können in diesem Jahr mit der Unterstützung des Landes Südtirol restauriert und geordnet werden. 105.000 Euro stellt die Bozener Landesregierung auf Vorschlag von Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur dafür zur Verfügung. „In der Denkmalpflege geht es nicht nur um die Erhaltung ‚alter Mauern’. Mindestens ebenso wichtig ist die Aufbewahrung historisch gewachsener Buch- und Dokumentenbestände“, sagt Kasslatter Mur. Für das Jahr 2006 sind im Südtiroler Landesarchiv 17 Gesuche für die Erhaltung von privaten und kirchlichen Archiven sowie die Erhaltung und Aufwertung des historischen Buchbestandes als förderungswürdig erachtet worden. Nach erfolgtem Beschluss der Landesregierung wird die Bearbeitung dieser Bestände mit insgesamt 105.000 Euro unterstützt. Unter anderem kommt das Kloster Säben in den Genuss eines Beitrages von 13.000 Euro, das Zeitgeschichtsarchiv am Pragser Wildsee wird mit 6.300 Euro gefördert und die Pfarre Niederrasen erhält einen Beitrag von 3.500 Euro. Grundsätzlich gilt, dass für Ordnungs- und Restaurierungsarbeiten bis zu 80 Prozent und bei Bau- und Sanierungsarbeiten bis zu 60 bzw. 70 Prozent der anfallenden Kosten vergütet werden können. 

„Der Großteil der Gelder geht in die Erhaltung kirchlicher Archive. Das ist darauf zurückzuführen, dass diese die reichste Archivüberlieferung in unsere Zeit herübergerettet haben“, erklärt Christine Roilo vom Südtiroler Landesarchiv. Roilo hat gemeinsam mit Archivdirektor Josef Nössing die eingegangenen Gesuche auf ihre Notwendigkeit und Dringlichkeit hin überprüft. Die Arbeiten an den verschiedenen Archiven werden in fast allen Fällen in enger Kooperation mit dem Landesarchiv durchgeführt. „Die Zusammenarbeit zwischen den Archivbesitzern sowie dem Landesarchiv kann durchwegs als sehr gut bezeichnet werden“, so Landesarchivar Nössing. Sind die einzelnen Bestände erst einmal geordnet und restauriert, können die von Archivaren bzw. Historikern ausgearbeiteten Bestandsverzeichnisse im Landesarchiv eingesehen werden und, nach Absprache mit dem (privaten) Besitzer, kann vor Ort in den Beständen geforscht werden. 

In den vergangenen Jahren hat die Landesabteilung Denkmalpflege gezielt die Inventarisierung der Südtiroler Pfarrarchive vorangetrieben. Gemeinsam mit der Diözese Bozen-Brixen konnten in den vergangenen fünf Jahren 122 der historischen Pfarrarchive verzeichnet werden und sind nun per Datenbank recherchierbar. Wurde die Sicherung der Archivbestände in den Pfarreien zunächst mit staatlichen Lottogeldern finanziert, ist seit dem Versiegen dieser Quelle vor einigen Jahren das Land der einzige Beitraggeber. Für Landesrätin Sabina Kasslatter Mur hat die öffentliche Hand die Pflicht, die Erhaltung der Privat- und Kirchenarchive zu unterstützen: „Denkmalpflege ist ein sehr weites Feld und oft neigt man dazu, die Pfarrarchive oder private Archivbestände zu ‚vergessen’. Gerade diese Archive bilden jedoch einen gewichtigen Teil unserer historischen Erinnerung und müssen erhalten werden“.

Kontakt
Landesarchiv Südtirol
Armando-Diaz-Straße 8
I-39100 Bozen
Tel.: 0471 411941
Fax: 0471 411959
Landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Pressemitteilung Autonome Provinz Bozen, 13.10.2006

Briefe und Texte Engelbert vom Brucks publiziert

Die Krefelder Historikerin Dr. Ursula Broicher, die sich ausführlich mit der Heimatkunde und der Erforschung der Geschichte der Stadt Krefeld beschäftigt, hat nun auch das Leben und Wirken des Krefelder Aufklärungsphilosophen und Literaten Engelbert vom Bruck (1739-1813) erforscht. Vor zwei Jahren begann sie damit, mehr als 200 Briefe auszuwerten, die in  zwei großen Kartons im Stadtarchiv Krefeld aufbewahrt wurden. Engelbert vom Bruck korrespondierte unter anderem mit dem Pietisten Jung-Stilling und dem Schriftsteller und Kritiker Friedrich Nicolai. Den Inhalt dieser Briefe, in denen es unter anderem um  Probleme des damaligen Gefühls- und Sinnenlebens sowie um  Glaubenszweifel ging, hat Ursula Broicher in konzentrierter Form zusammengefasst. Das Ergebnis ihrer oft mühsamen Recherchen ist in einem 284 Seiten umfassenden Buch zusammengefasst, das 9,80 Euro kostet und als sechster Band in der Reihe \“Krefelder Archiv\“ erscheint. 

Kontakt:
Stadtarchiv Krefeld
Konrad-Adenauer-Platz 17
47803 Krefeld
Telefon: 02151/862701
Fax: 02151/862710

Quelle: Heinz-J. Ingenpahs, Westdeutsche Zeitung, 13.10.2006; Pressemitteilung Landschaftsverband Rheinland, 16.6.2005

Stadtarchiv Coswig besteht seit fünfzehn Jahren

Im Jahre 1991 begann Petra Hamann damit, das Stadtarchiv Coswig (Sachsen) aufzubauen. In zwei kleinen Räumen im Hintergebäude des Rathauses begannen sie und ihre zwei Mitarbeiterinnen damit, die vom Dachboden bis zum Keller verstreut liegenden Akten zu sammeln, zu erschließen und per Computer zu verzeichnen. Erst mit dem Neubau des Rathauses im Jahre 2000 änderten sich auch die beengten Platzverhältnisse. Seitdem lagern die ca. 500 Meter laufenden Akten gut verpackt in einem maßgeschneiderten Rollregalsystem im Keller des neuen Rathauses. Die Besonderheit des Magazinkellers besteht darin, dass er als hochwassersichere Betonwanne ausgeführt wurde, so dass auch die Jahrhundertflut von 2002 keinen Schaden bei den dort gelagerten Archivalien anrichten konnte. Gelagert ist dort sämtliches Schriftgut der Stadtverwaltung Coswig sowie ihrer Ursprungsgemeinden Brockwitz, Kötitz, Neucoswig sowie Sörnewitz. Die älteste gelagerte Archivalie ist ein Abgabenbuch der Gemeinde Sörnewitz  aus dem Jahr 1695. Die Präsenzbibliothek umfasst etwa 900 Bücher, Broschüren und Druckschriften. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um Deutsche und Sächsische Geschichte, Heimatgeschichte, Verwaltungsliteratur, Amtliche Druckschriften und Gesetzessammlungen sowie eine umfangreiche Zeitungssammlung. 

Ein Schwerpunkt der Archivarbeit liegt in der Erforschung der Ortsgeschichte. Während es bereits eine gute Zusammenarbeit  mit dem örtlichen Gymnasium gibt, nutzen Heimatforscher bisher nur selten das umfangreiche Angebot des Stadtarchivs für ihre Recherchen. Um das Archiv in der Bevölkerung Coswigs bekannter zu machen, schreibt Petra Hamann regelmäßig historische Beiträge im Coswiger Amtsblatt und veranstaltet Ausstellungen, zuletzt zum Coswiger Automobilbauer Emil Nacke. In Kooperation mit dem Dresdner Verkehrsmuseum  bereitet sie dazu derzeit eine Buchveröffentlichung vor. Des weiteren möchte das Coswiger Stadtarchiv sowohl Erinnerungen der in Coswig nach dem Krieg Angekommenen als auch der Ortsansässigen, die Flüchtlinge aufgenommen haben, sammeln und aufbewahren. Wer seine Geschichte aus der alten Heimat, von der Reise ins Ungewisse und dem Neuanfang aufschreiben oder erzählen möchte, wird gebeten, sich mit Petra Hamann in Verbindung zu setzen. Wenn genügend Material zusammenkommt, ist sogar eine Buchveröffentlichung geplant.

Kontakt
Stadtarchiv Coswig
Karrasstraße 2 
01640 Coswig
Tel.: (03523) 66 108
Fax: (03523) 75 506
hamannp@stadt.coswig.de

Quelle: Birgit Andert, Dresdner Neueste Nachrichten, 13.10.2006; Stadtarchiv Coswig.

Schweizerische Landesbibliothek digitalisiert Bild- und Tonbestände

Die Schweizerische Landesbibliothek (SLB), gegründet im Jahre 1895, ist die Nationalbibliothek der Schweiz. Ab dem 1.1.2007 wird sie auch im deutschen Sprachgebrauch "Schweizerische Nationalbibliothek" heißen. Sie sammelt alle Publikationen zu Schweizer Themen, vom Buch über die Zeitschrift bis zu Multimedia – dazu im Schweizerischen Literaturarchiv Nachlässe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, sowie in der Graphischen Sammlung Fotografien und Plakate, Künstlerbücher, Portfolios, Editionen und Werke Schweizer Kleinmeister. Inzwischen verfügt sie über mehr als drei Millionen Dokumente, die allen Interessierten zur Verfügung stehen. In den Jahren 2007-2011 setzt sich die Schweizerische Landesbibliothek drei Schwerpunkte, und zwar baut sie eine Sammlung von elektronischen Publikationen auf, richtet ihr Dienstleistungsangebot auf die Fachbereiche Schweizer Geschichte, Schweizer Literaturen, Schweizer Kunst sowie Informations- und Dokumentationswissenschaften aus und stellt ihre Kompetenzen in der Papierkonservierung, in der sie nicht nur landesweit, sondern auch international führend ist, auch anderen Bibliotheken und Archiven zur Verfügung.

Ebenfalls sollen in den nächsten Jahren die Bestände des zur Landesbibliothek gehörenden Schweizerischen Literaturarchivs, das von Irmgard Wirtz geleitet wird, erweitert werden. Anfang 1991 wurde das SLA in der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern eröffnet und übernahm deren Handschriftenbestände, die es seither kontinuierlich ausbaut. Das SLA sammelt in den vier Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch Dokumente sowie Materialien zu Literatur, die einen Bezug zur Schweiz hat, und zwar mit einem Schwerpunkt im 20. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um Notizen und Entwürfe zu Werken, Werkmanuskripte, Korrespondenzen, Tagebücher, Zeitungsausschnitte, wissenschaftliche Sekundärliteratur, Bücher, Ton- und Videokassetten, Fotos, Gemälde und graphische Blätter sowie persönliche Gegenstände. Das SLA umfasst heute rund 100 größere Nachlässe und über 120 Teilnachlässe und Sammlungen die für wissenschaftliche, literarische oder publizistische Arbeiten und Studien kostenlos benutzt werden können. In den nächsten Jahren ist eine Digitalisierung von Bild- und Tondokumenten sowie die Publikation einer Reihe von vergriffenen Texten geplant.

Kontakt:
Schweizerische Landesbibliothek
Hallwylstrasse 15
CH-3003 Bern
Telefon : +41 (0)31 322 89 35
Fax : +41 (0)31 322 84 08
info@slb.admin.ch

Quelle: Schweizerische Landesbibliothek-Medieninformation, 10.10.2006; Schweizerische Landesbibliothek, 8.9.2006; Basler Zeitung Online, 10.10.2006; webjournal, 10.10.2006; Das Schweizerische Literaturarchiv (SLA)

Hohe Auszeichnung für Laufens Stadtarchivar

Heinrich Schmidbauer, seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Stadtarchiv Laufen tätig, erhielt die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Von 1962 bis 1964 baute Heinrich Schmidbauer das Stadtarchiv auf. Danach betreute er von 1968 bis 1985 die Gemeindearchive im nördlichen Landkreis Berchtesgadener Land. Seit 1986 widmet er sich wieder ganz dem Stadtarchiv Laufen. Seitdem sammelt und archiviert er Schriftstücke und Gegenstände, die für die Geschichte von Laufen, Oberndorf und Umgebung von Bedeutung sind wie Urkunden, Dokumente, Flurkarten, Chroniken, Bücher, Fotos, Gemälde, Kunstgegenstände oder sogar durchgerostete Eisenteile der Salzachbrücke. Aber auch Zeitungen, Amts- und Gesetzesblätter sowie Fachzeitschriften sind im Archiv zu finden. In seiner Festrede anlässlich der Ordensverleihung bezeichnete Laufens Bürgermeister Ludwig Herzog seinen Archivar als unentbehrlich, denn es vergehe kaum ein Tag, an dem er ihn nicht um fachlichen Rat und Hilfe bitte.

Kontakt
Stadtarchiv Laufen
Rathausplatz 3
83410 Laufen
Tel.: (08682) 8987-0

Quelle: Suedostbayerische Rundschau, 12.10.2006; Chiemgau-Online, 12.10.2006

Jenaer Historiker im Ausschuss National wertvoller Archive

Professor Dr. Helmut G. Walther von der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist vom Thüringer Kultusminister für eine dritte Amtszeit in den Sachverständigenausschuss National wertvolle Archive des Freistaats berufen worden. Damit gehört der Mittelalter-Historiker an der Universität Jena in den nächsten fünf Jahren erneut zu den fünf Experten, die das Land dabei beraten werden, welche wertvollen Archivalien als Landeskulturgut betrachtet werden sollten. \“Der Schutz national wertvollen Archivguts gehört natürlich zu den grundlegenden Aufgaben eines Mediävisten\“, begründet Prof. Walther die Annahme des Ehrenamtes. \“Gerade der aktuelle Fall der geplanten Veräußerung von als Zeugnissen kulturellen Gedächtnisses einzigartiger mittelalterlicher Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe im Zuge eines Finanzausgleichs des Landes Baden-Württemberg mit dem großherzoglichen Haus Baden macht deutlich, welche Bedeutung einem wachsamen Auge für solche Schätze zukommt\“, ergänzt Walther. \“Denn Kulturgüter entziehen sich per Definition einer Kommerzialisierung\“.

Kontakt
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Historisches Institut
Fürstengraben 13
07743 Jena
Tel.: 03641/9-44400
Fax: 03641/9-44402 
www2.uni-jena.de/philosophie/histinst/start.html

Quelle: Uni-Protokolle Friedrich-Schiller-Universität Jena, 11.10.2006

Und nun: das Wetter

Eine Hauptaufgabe von Archivar/innen besteht darin, die ihnen aus verschiedenen Provenienzen übergebenen Materialien auf ihre Archivwürdigkeit hin zu bewerten. Es gilt festzustellen, ob die jeweiligen Unterlagen einen feststellbaren Wert für zukünftige Generationen, etwa unter rechtlichen, kulturellen oder wissenschaftlichen Gesichtspunkten, besitzen. Bei der ungeheueren Masse des produzierten und abgegebenen Materials ist es unumgänglich, dass nur ein vergleichsweise kleiner Prozentsatz davon für die kostspielige dauerhafte Sicherung ausgewählt werden kann. Das meiste muss zwangsläufig in den Schredder wandern. Als relativ kleine Einrichtung hat das IGPP-Archiv bisher glücklicherweise noch kaum Probleme mit massenhaft anfallenden Unterlagen und sich als Spezialarchiv mit einem besonderen Auftrag ohnehin die Aufgabe gestellt, Überlieferungen zu sichern, die an anderer Stelle wahrscheinlich kassiert werden würden. Dennoch gibt es auch im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) verschiedene Bestände, die keinen dauerhaften Erhaltungswert im Sinne der oben genannten Faktoren besitzen. 

\"Wettervorhersage

Abb.: „Wettervorhersage vom 18.1.70 bis 25.1.1970“ (einzelnes Aufnahme-Blatt), © IGPP-Archiv, Sammlung Arthur P.

Dazu gehören beispielsweise hunderte akribisch erstellter Wettervorhersagen (im Umfang von immerhin 0,8 lfdm.), die von dem Sparkassenangestellten Arthur P. aus G. selbst ausgearbeitet und über mehrere Jahrzehnte hinweg dem Institut zugeschickt wurden. Herr P. war nicht nur überzeugt davon, das Wetter „prophetisch“ vorhersagen zu können, sondern er glaubte auch, die Entwicklung des Wetters „durch die Psyche des Menschen“ beeinflussen zu können. Auf beiden Feldern vermutete er bei sich besondere Fähigkeiten und erhoffte sich, wie viele andere, deren Überprüfung und Einschätzung durch das IGPP. Die Beschäftigung mit derartigen, sehr individuell geprägten Gedankengebäuden gehört seit jeher zum konkreten Beratungsauftrag des IGPP und hat demnach auch seinen archivischen Niederschlag gefunden. Man wird deshalb verschiedene Unterlagen aus der Sammlung von Herrn P. aufbewahren, um exemplarisch den Umgang des IGPP mit entsprechenden Fällen dokumentieren zu können. Der sich strukturell stets wiederholende große Rest des überlassenen Materials kann jedoch als nicht archivwürdig bewertet und kassiert werden.

Kontakt:
Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.
-Institutsarchiv-
Uwe Schellinger
Willhelmstraße 3a
79098 Freiburg
0761/20721-61
schellinger@igpp.de
www.igpp.de

Quelle: Uwe Schellinger (IGPP), Schaufenster ins Archiv 10-06, 1.10.2006

Kirchenbuchnutzung in IT-Zeiten

Unter dem Thema „Kirchenbuchnutzung in Zeiten von Digitalisierung und Internet“ fand am 25.9.2006 im Kirchenamt der EKD in Hannover eine Fachtagung des Verbandes kirchlicher Archive in der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken statt. \"KirchenbuchnutzungHeimatforscher, genealogische Arbeitsgemeinschaften, aber auch kommerzielle Unternehmen bedrängen die kirchlichen Archive immer stärker mit der Bitte um Zurverfügungstellung der Kirchenbücher zur Herstellung von Internetpräsentationen. Die Familienforschung ist ein wachsender Markt im Internet und damit auch ein Objekt der Kommerzialisierung geworden. Die Tagung sollte dazu dienen, über die Vor- und Nachteile des Outsourcing zu informieren, die rechtlichen Problematiken zu beleuchten und mögliche Handlungsstrategien aufzuzeigen.

Werner Jürgensen (Landeskirchliches Archiv Nürnberg) zeigte in seinem Vortrag den engen rechtlichen Rahmen auf, der zur Zeit für Personenstandsdaten durch das Personenstandsgesetz gegeben ist. Auch wenn offen bleiben kann, inwieweit Kirchenbuchdaten ebenfalls diesen Restriktionen zu unterliegen hat, wurde deutlich, dass die Novellierung des Personenstandsgesetzes mit einer einhergehenden Öffnung der Benutzungsmöglichkeiten der Standesamtsregister längst überfällig ist. Dr. Bertram Fink (Landeskirchliches Archiv Stuttgart) beschrieb die derzeitigen Angebote für kommerzielle Kooperationen, wie sie sich zur Zeit darstellen. Gleichzeitig regte er als Alternative die Prüfung eines eigenen gesamtkirchlichen Angebotes an. Dr. Bettina Joergens (Personenstandsarchiv Detmold) betonte in ihrem Beitrag, wie wichtig es ist, auch in Zukunft die Verfügungsgewalt über die eigenen im Archiv verwahrten Daten zu behalten. Deswegen haben die Personenstandsarchive in NRW ihre Digitalisierungsprojekte, die insbesondere auch im Rahmen der Bestandserhaltung forciert werden, in eigener Zuständigkeit weiterverfolgt. Lediglich für die digitale Veröffentlichung der Kirchenbücher wurde eine Kooperation mit einem Verlag gesucht. Dr. Andreas Röpcke (Landesarchiv Schwerin) konnte von seinen Erfahrungen berichten, die er mit der kommerziellen Digitalisierung von Volkszählungsunterlagen bis jetzt gemacht hatte.

In der Diskussion wurde deutlich, dass der Spannungsbogen zwischen Optimierung der Dienstleistung und Kommerzialisierung durch Digitalisierung der Kirchenbücher gerade in Zeiten finanzieller Engpässe sich nicht einfach auflösen lässt. So führt der Anspruch eines spezifisch kirchlichen Auftrags für kirchliche Archive zu anderen Ergebnissen als eine rein nutzerorientierte Herangehensweise. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass ein Verzicht über die Verfügungsgewalt kirchlicher Daten z.B. durch Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte auf keine Fall akzeptiert werden könne. Angestrebt wird eine einheitliche kirchliche Linie, die aber erst noch erarbeitet werden muss. Ob eine solche überhaupt zu finden ist, mag angesichts der unterschiedlichen Ausgangslagen in den einzelnen Landeskirchen allerdings bezweifelt werden.

Wolfgang Günther (Bielefeld)

Links:

Archive, Familienforschung und Geschichtswissenschaft

Die Familienforschung boomt. Dies ist eine Herausforderung für die Archive, die eine Vermittlerfunktion zwischen Schriftgutbildnern, der Wissenschaft und der Laienforschung einnehmen. 

Die beiden Personenstandsarchive im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen haben unter dem Titel „Archive, Familienforschung und Geschichtswissenschaft. Annäherungen und Aufgaben“ insgesamt 20 archivfachliche, quellenkundliche und historische Beiträge von 21 Autorinnen und Autoren zusammengefasst. Die Artikel gehen auf Vorträge zurück, die aus Anlass der Jubiläumstagung beider Personenstandsarchive 2005 und bei den Sommergesprächen des Staats- und Personenstandsarchivs Detmold 2004 und 2005 gehalten wurden. Sie wurden durch weitere Beiträge thematisch ergänzt. 

\"Archive,

Die Tagungen hatten das Ziel, die Personenstandsarchive, die es in Deutschland nur in Nordrhein-Westfalen gibt, stärker in der deutschen Archivlandschaft zu präsentieren. Gleichzeitig sollten sie eine Brücke zwischen Archiven und ihren verschiedenen Nutzergruppen entwickeln. Gruppiert um die gemeinsamen Themen „Archive und Öffentlichkeit“, „Personenstandsquellen in Archiven“, „Archivalien von Morgen“ und „Geschichtswissenschaftliche Perspektiven“ zeigt der Band unterschiedliche Perspektiven heutiger archivischer Arbeit auf, besonders in den Personenstandsarchiven, sowie unterschiedliche Auswertungsmöglichkeiten von Personenstandsquellen, z.B. bei der historischen Familien- und der historischen Migrationsforschung. Diese Publikation ist somit ein Beitrag zur archivfachlichen Diskussion und dient gleichzeitig als Einführung in die Nutzung von personenbezogenen Archivalien etwa für die Genealogie.

Inhaltsübersicht (pdf):

Grußwort von Wilfried Reininghaus (7)
Grußwort von Robert Kretzschmar (9)
Einleitung: Personenstandsarchive und Familienforschung
von Bettina Joergens und Christian Reinicke (12)

1 Archive und Öffentlichkeit
Familienforschung und Archive – eine Beziehung vom Kopf auf die Füße gestellt
von Bettina Joergens (24)

Zwei Personenstandsarchive in Nordrhein-Westfalen oder: Wie gründet man ein Archiv?
Ein Beitrag zur Archivgeschichte des Landes Nordrhein-Westfalen
von Christian Reinicke (39)

2 Personenstandsquellen in Archiven
Vom Kirchenbuch zum Personenstandsarchiv Detmold. Die Entwicklung des Personenstandswesens in Westfalen-Lippe
von Ragna Boden und Christoph Schmidt (56)

Personenstandsüberlieferung in katholischen Archiven
von Joachim Oepen (74)

Personenstandsüberlieferung in evangelischen Archiven unter besonderer Berücksichtigung von Westfalen und Lippe
von Wolfgang Günther und Maja Schneider (88)

Abfahrt vom großen Hafen in Hamburg. Quellen zur Auswanderer im Hamburger Staatsarchiv
von Peter Gabrielsson (110)

3 Archivalien von Morgen
Die Novellierung des Personenstandsgesetzes
von Udo Schäfer (122)

Die Führung von Personenstandsbüchern im Standesamt
von Klaus Kaim (136)

4 Geschichtswissenschaftliche Perspektiven
Zivilstandsregister, historische Demographie und Sozialgeschichte anhand von niederrheinischen Beispielen
von Peter Kriedte (146)

Netzwerkanalyse im Personenstandsarchiv? – Probleme und Perspektiven einer historischen Verflechtungsanalyse
von Stefan Gorißen (159)

Forschungen zur historischen Arbeitsmigration und ihre Quellengrundlagen
von Wilfried Reininghaus (175)

Auswanderung aus Lippe – alte und neue Fragen der Forschung
von Stefan Wiesekopsieker (186)

Das Amerikanetz: eine elektronische Brücke für Auswanderungsforscher
von Friedrich Schütte (212)

Frühe „Auswanderer“ aus der Vogtei Heiden (Lippe). Ein Verzeichnis von 1708 als genealogische und sozialgeschichtliche Quelle
von Wolfgang Bechtel und Nicolas Rügge (223)

Meistererzählung und Leidensgeschichten. Anmerkungen zum kollektiven und personalen Gedächtnis von Flüchtlingen und Vertriebenen
von Thomas Kailer (237)

Der Zweite Weltkrieg: Suche nach vermissten oder vertriebenen Angehörigen, wie geht das? Ein Beispiel aus der Praxis
von Simone Verwied (266)

Genealogie im Internet – Genealogische Datenbanken
von Günter Junkers (277)

Autorinnen und Autoren (290)
Abbildungsverzeichnis (291)

Info:
Archive, Familienforschung und Geschichtswissenschaft. Annäherungen und Aufgaben
hrsg. von Bettina Joergens und Christian Reinicke, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen 2006
(Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 7)
ISBN 3-927502-10-3
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Graf-Adolf-Straße 67, D-40210 Düsseldorf
Satz und Layout: Roland Linde, Münster
Herstellung: Books on Demand GmbH Norderstedt, www.bod.de
Printed in Germany
Zu bestellen im Buchhandel, Preis: 24,95 €