DFG-Vorstudie Retrokonversion archivischer Findmittel

Seit August fördert die DFG beim Landesarchiv NRW eine auf neun Monate angelegte Vorstudie zur Digitalisierung analoger Findmittel („Retrokonversion“). Dabei soll ermittelt werden, in welcher Weise die DFG bei einer flächendeckenden und archivspartenübergreifenden Initiative zur Digitalisierung analoger Findmittel tätig werden kann. Den Anstoß zu dieser Vorstudie gab ein gemeinsames Mandat der Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Länder für das Landesarchiv NRW, sich bei der DFG um eine solche Förderung zu bemühen.

Eine erstes Web-Angebot zu diesem Projekt steht nun zur Verfügung unter der URL: www.archive.nrw.de/findbuch-digital/index.htm 

Im Rahmen der Vorstudie, die vom Präsidenten des LAV NRW, Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, geleitet wird, werden Lösungen in folgenden drei großen Aufgabenbereichen gesucht:

  1. Kriterien förderungsfähiger zu konvertierender Findmittel 
  2. Geschäftsmodell und Workflow in einem bundesweiten Retrokonversionsprojekt 
  3. Technik und Verfahren der Retrokonversion bei unterschiedlichen Findmitteltypen 

Das Ziel der Vorstudie ist es, in einem Bericht an die DFG mögliche Verfahren und Aufwände deutlich werden zu lassen und damit eine Entscheidung für eine größere Initiative zur Konversion von archivischen Findmitteln zu ermöglichen.

Wenn Sie über das Web-Angebot hinaus noch mehr über die Vorstudie erfahren möchten, wenden Sie sich bitte an den Verfasser dieser Nachricht und Koordinator des Projekts:

Ulrich Fischer
DFG-Vorstudie \“Retrokonversion archivischer Findmittel\“
Landesarchiv NRW Staatsarchiv Münster
Bohlweg 2
48147 Münster

Tel.: 0251-390044-35
Fax: 0251-399250-51
ulrich.fischer@lav.nrw.de

Die Macht der Archive im Nationalsozialismus

Unter den Nazis wurden die deutschen Archive mächtig. Welche Funktionen die Archive im NS-Staat einnahmen und wie sich die Archivare zwischen 1933 und 1945 verhalten haben, war bekanntlich Thema des diesjährigen 75. Deutschen Archivtags in Stuttgart. Dieses Thema war bisher allerdings nur in lokalen Einzelstudien, nicht jedoch im größeren Rahmen untersucht worden. In der Vergangenheit hätten bei Deutschen Archivtagen, so erklärte der scheidende VdA-Vorsitzende Volker Wahl entschuldigend, überwiegend methodische und fachspezifische Fragen im Mittelpunkt gestanden. Der Anstoß für die verspätete Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der eigenen Zunft war von Mitgliedern des Berufsfachverbandes ausgegangen, im Anschluss an eine Diskussion über die politische Vergangenheit des ersten Präsidenten des Bundesarchivs.

Die Archive als wissenschaftliche Institutionen wurden zu Partnern des nationalsozialistischen Unterdrückungsapparates. Durch die rassistische Gesetzgebung seit 1933 erhielten die Archive im "Dritten Reich" eine ganz neue gesellschaftliche Funktion. \“Es gibt keine Rassenpolitik, es gibt auch keine Erbbiologie ohne Archive\“, formulierte der Direktor der staatlichen Archive Bayerns, Josef Franz Knoepfler, auf dem Deutschen Archivtag in Karlsruhe 1936. In den besetzten Gebieten betrieben Archivare einen "Archivgutschutz", um den Wert der Unterlagen für die deutschen politischen und wissenschaftlichen Interessen durch raschen Zugriff sicherzustellen. 

Bei der Erbringung von "Ariernachweisen" ermittelten und inventarisierten die Archive gezielt Unterlagen zur "Judenfrage" und halfen durch die Auswertung ihrer Unterlagen bei der Erstellung erbbiologischer Gutachten, bei der Ermittlung der \“Nichtarier\“ – mit den bekannten Auswirkungen. Der Entlassung folgte die Ausgrenzung und dann im schlimmsten Fall die Deportation und die Ermordung. Nicht nur die großen staatlichen, auch die Kommunalarchive sowie Kirchen- und Pfarrarchive waren bei der Erstellung der "Ariernachweise" behilflich.

Hatte sich die Arbeit der Archivare vor 1933 gleichsam in der Zurückgezogenheit der Studierstuben abgespielt, so war man nun plötzlich \“im Kern des Nationalsozialismus\“ angesiedelt (Robert Kretzschmar). Die Archivare genossen fatalerweise die ungewohnte Aufmerksamkeit und identifizierten sich mit ihrer neuen Aufgabe. – Über die Karrierewege der nach 1945 leitenden Archivare wisse man bis heute wenig, so Volker Wahl. Vielen dürften ihre Kenntnisse und Möglichkeiten genutzt haben, um unliebsame Spuren zu verwischen.

Links:

Quelle: Alexander Bahar, Junge Welt, 13.10.2005

Übers Netz ins Staatsarchiv Freiburg (CH)

Die seit September 1999 existierende Homepage des Staatsarchivs Freiburg (CH) wurde im Laufe der Jahre kontinuierlich erweitert. Nachgetragen wurden unter anderem regelmäßig die neu einsehbaren Pfarreiregister. Im März 2004 kam dann zunächst die französische und im Juni 2005 die deutsche Version des Archivführers ins Netz (www.fr.ch/aef/de). Und jetzt ist die Homepage des Freiburger Staatsarchivs um einen direkten Zugang zur archiveigenen Datenbank erweitert worden.

Die Ordnung der einzelnen Archiveinheiten entspreche derjenigen des Archivführers und sei in der Regel nach Verwaltungseinheiten und nicht nach Themen klassifiziert. Der direkte Zugriff betreffe vor allem die Inventare des 19. und des 20. Jahrhunderts. Eine Volltextsuche ermöglicht den Forschenden konkrete Hinweise auf die Bestände oder Dokumente, welche das Suchwort enthalten.

Link: www.fr.ch/aef/de

Kontakt:
Staatsarchiv Freiburg
Zeughausstrasse 17
1700 Freiburg
Tel.: xx41 26 3051270 
Fax xx41 26 3051274 
ArchivesEtat@fr.ch

Quelle: Freiburger Nachrichten, 18.10.2005

Tag der Heimatforschung im Staatsarchiv Bamberg

Anlässlich der Feierlichkeiten zum hundertjährigen Jubiläum des Staatsarchivgebäudes in Bamberg fand dort am Samstag ein Tag der Heimatforschung unter dem Motto "Archivalische Schätze oberfränkischer Geschichte" statt. In Kooperation mit den Historischen Vereinen Bamberg und Bayreuth sowie dem Colloquium Historicum Wirsbergense wurden wichtige Quellengruppen zur oberfränkischen Geschichte auf ihren Entstehungshintergrund und in ihrer Aussagekraft für die regionale Forschung vorgestellt.

Als weitere Quelle für die Familien-, Hof- und Dorfforschung stellte Dr. Tomas Gunzelmann, stellvertretender Leiter der Außenstelle Seehof des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, die Grundsteuerkataster als Bestandteil der Montgelas’schen Verwaltungsreform im 19. Jahrhundert vor. Und Dr. Rainer Hambrecht, seit 2000 Leiter des Staatsarchivs Bamberg, rückte die Bauaktenüberlieferung als eine noch zu entdeckende historische Quelle ins Bewusstsein der zahlreichen Zuhörer.

Seit einhundert Jahren ist das Bamberger Staatsarchiv Anlaufstelle für Heimatforscher aus ganz Oberfranken. Archivoberrat Dr. Klaus Rupprecht betonte den Dienstleistungsgedanken, der in den letzten Jahrzehnten einen immer höheren Stellenwert einnehme. Benutzerorientiert und kundenfreundlich präsentiert sich heute der Lesesaal des Staatsarchivs Bamberg mit modernen Arbeitsplätzen und einem Beratungsbereich.

Link: Bericht zum 100-jährigen Jubiläum des Staatsarchivs Bamberg

Kontakt:
Staatsarchiv Bamberg 
Hainstr. 39 
96047 Bamberg 
Tel. 0951/98622-0
Fax 0951/98622-50 
poststelle@staba.bayern.de

Quelle: Kerstin Leicht, Fränkischer Tag, 19.10.2005

Schwierigkeiten bei der Zwangsarbeiter-Recherche in Emden

Das Stadtarchiv Emden erstellt derzeit Listen mit den Namen der rund 800 Zwangsarbeiter, die während der NS-Zeit ständig in der Stadt gearbeitet haben. Der Leiter des Archivs, Dr. Rolf Uphoff, empfindet dies als eine sehr schwierige Aufgabe, da sich Spuren der Zwangsarbeit in vielen unterschiedlichen Quellenbeständen und Quellengattungen befinden.

Aus vielerlei Karteikarten und Hebelisten müsse man die Namen der Betroffenen isolieren. Dabei hätten Karteikarten der AOK für einen Grundstock von mehreren hundert Namen aus ganz Europa gesorgt. Diese Kartei ist inzwischen ebenso verfilmt worden wie die Altkartei des ehemaligen Einwohnermeldeamtes, die Namen der Jahre 1890 bis 1949 enthält. Allerdings befand sich die benutzte Kartei schon vor der Verfilmung in schlechtem und lückenhaftem Zustand – insgesamt sollen etwa 30 Prozent der Datenmenge verloren gegangen sein.

Das Emder Stadtarchiv musste die Transkription der Mikrofilme \’outsourcen\‘. In die bisherige Datenerfassung, rund ein Drittel der Gesamtmenge, seien 20.000 Euro investiert worden. Weitere 10.000 Euro werden benötigt, um die Arbeit bis Ende 2006 abschließen zu können. Anschließend müssen die zahlreichen Karteien abgeglichen werden, um schließlich zu einer brauchbaren Liste der Zwangsarbeiter in Emden zu kommen.

Kontakt:
Stadtarchiv Emden
Kirchstraße 18
26721 Emden

Quelle: Ina Wagner, Emder Zeitung, 16.10.2005

Vorarlberger Archivtag 2005 in Bludenz

Zum 15. Mal lädt das Vorarlberger Landesarchiv zum Vorarlberger Archivtag ein, der am 21. Oktober 2005 in Bludenz stattfindet. Thema der Veranstaltung sind die Beziehungen der Schulen zu eigenen und öffentlichen Archiven. Landesarchivar Alois Niederstätter wird die Thematik aus Sicht des Archivars ansprechen. Anschließend referieren Vertreter der Schulseite über \“Bundesschulen und ihre Archive – rechtliche Grundlagen und historisch interessante Aspekte\“ sowie über \“Lehrer als Archivare und Forscher – der Beitrag der Bludenzer Lehrerschaft zur Landeskunde\“. Auch wird es einen didaktischen Erfahrungsbericht über \“Schularchive als Quellen im Geschichtsunterricht\“ geben. Landtagsdirektor Peter Bußjäger behandelt das sensible Thema \“Archive und Schutz personenbezogener Daten\“.

Der Archivtag wird vom Vorarlberger Landesarchiv als offenes Informations-, Weiterbildungs- und Diskussionsforum veranstaltet. Weitere Informationen unter www.landesarchiv.at.

Link: Programm und Stadtplan (pdf)

Kontakt:
Vorarlberger Landesarchiv 
Kirchstraße 28
A-6900 Bregenz
Tel: 0043(0)5574/511-45005
Fax: 0043(0)5574/511-45095
landesarchiv@vorarlberg.at

Quelle: Vorarlberg Online, 17.10.2005

100 Jahre Staatsarchiv im Bamberger Hain

Die zentralen Dokumente von knapp 1200 Jahren oberfränkischer Geschichte ruhen im Staatsarchiv Bamberg. Der repräsentative Barockbau wurde 1905 eingeweiht und musste zwischen 1959 und 1961 aus Platzgründen ein erstes Mal durch einen Magazinbau erweitert werden. Mittlerweile sei ein zweiter Erweiterungsbau dringend erforderlich, sagte Archivdirektor Dr. Rainer Hambrecht im Rahmen des Festaktes zur 100-Jahr-Feier des Archivs.

Archivare und Professoren aus ganz Bayern kamen zu der Veranstaltung in das Archivgebäude im Hain, aber auch mehrere Vertreter aus der Politik. Die versammelte regionale Politprominenz wies Hambrecht auf die Bedeutung der Archive und der Arbeit der Archivare hin: Archive seien kein Luxus, "den man sich in guten Zeiten leistet und auf die man in Zeiten leerer Kassen verzichten könnte." Sie dienten der Rechtssicherheit sowie der Identitätsstiftung für ein Gemeinwesen, so Hambrecht. Das Bamberger Staatsarchiv sei mit seinen etwa 19.500 laufenden Metern Archivgut, darunter rund 80.000 Urkunden sowie 35.000 Karten und Plänen, „das 1000-jährige Gedächtnis Oberfrankens“.

Archivar Dr. Richard Winkler vom Bayerischen Wirtschaftsarchiv in München konnte pünktlich zum Jubiläum das neue Inventar „Die handgezeichneten Karten des Staatsarchivs Bamberg bis 1780“ vorstellen. Und Festredner Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, der Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, brach in seiner Ansprache eine Lanze für die wertvolle Arbeit der Archive, die "historische Transparenz" sorgen würden. Allerdings müssten genügend Mittel und Arbeitskapazität für die Sichtung von Archivmaterial eingesetzt werden. Zukünftig bedürfe es einer stärkeren Vernetzung der Archive untereinander, damit diese ihre Aufgaben auch weiterhin erfüllen könnten.

Kontakt:
Staatsarchiv Bamberg 
Hainstr. 39 
96047 Bamberg 
Tel. 0951/98622-0
Fax 0951/98622-50 
poststelle@staba.bayern.de

Quelle: Monika Schmidmeier, Fränkischer Tag, 18.10.2005

Baupläne der Geschichte Hohenzollerns

Das Staatsarchiv Sigmaringen zeigt seit dem 13. Oktober die Ausstellung \“Alte Pläne neu im Blick. Hohenzollern in historischen Plänen des 19. und 20. Jahrhunderts\“. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege setzte in den nunmehr souverän gewordenen Fürstentümern Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen eine rege Bautätigkeit ein, die auch nach dem Übergang an Preußen 1850 andauerte. Der preußische Staat führte bis 1945 zahlreiche Baumaßnahmen an Gebäuden, Anlagen und Einrichtungen durch. Auch die Fürsten von Hohenzollern ließen viele Schlösser, Landsitze und Wohnhäuser neu errichten oder umbauen.

In der Überlieferung der im Staatsarchiv Sigmaringen verwahrten einschlägigen Bestände befinden sich künstlerisch wertvolle und mit Liebe zum Detail gezeichnete Ansichten und Aufrisse. Verschiedene Orte in Hohenzollern werden in der Ausstellung berücksichtigt, z.B. die Schlösser in Hohenfels und Straßberg, das Kloster Beuron und der Wehrturm in Trochtelfingen.

Darüber hinaus bietet die Ausstellung, die am 23. Dezember endet, einen Einblick in die Problematik der Erhaltung und Lagerung großformatiger Archivalien. Am Beispiel der Überlieferung des Preußischen Staatshochbauamts Sigmaringen, dessen Pläne bislang nur unzureichend verpackt waren, werden Restaurierungs- und Verpackungsmaßnahmen zur Sicherung des Bestandes aufgezeigt. Das 1965 maschinenschriftlich erstellte Findbuch des Bestandes ist in überarbeiteter Form mittlerweile auch online benutzbar (Ho 301 T 1-2 und Ho 301 T 3).

Kontakt:
Staatsarchiv Sigmaringen
Karlstr. 1+3
72488 Sigmaringen 
(Postfach 16 38, 72486 Sigmaringen) 
Telefon: 07571/101-551
Telefax: 07571/101-552
stasigmaringen@la-bw.de

Quelle: Schwäbische Zeitung online, 12.10.2005

Keine Archivberatungsstelle in Pfungstadt

Die denkmalgeschützte, derzeit sanierte Büchner-Villa in Pfungstadt bei Darmstadt wird nach Auffassung von Pfungstadts SPD-Bürgermeister Baier nicht Standort für eine Beratungsstelle kommunaler Archive in Hessen. Der Bürgermeister reagierte damit auf einen Vorschlag, der während der Fachtagung hessischer Kommunalarchivare in Pfungstadt gemacht worden war.

Im Rahmen ihrer Herbsttagung besichtigten hessische Kommunalarchivarinnen und Kommunalarchivare die ehemalige Villa das Fabrikanten Wilhelm Büchner, deren künftige Nutzung derzeit Thema in Pfungstadt ist. Nach Fachgesprächen führte Pfungstadts Stadtarchivarin Stephanie Goethals ihre Gäste durch das aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Gebäude.

Bauamt und Stadtarchiv hatten ein Konzept erarbeitet, das für das erste Obergeschoss auch eine öffentliche Nutzung durch Einrichtungen des Landes Hessen vorsah. Neben einer Büchnerforschungsstelle wurde dabei auch an eine Archivberatungsstelle gedacht. Eine regelmäßige Fachberatung sei für viele kommunale Archive ein dringendes Desiderat. Eine vom Land einzurichtende Archivberatungsstelle, in der Informationsveranstaltungen und Schulungen stattfinden könnten, wäre daher hilfreich.

Der Standort Pfungstadt sei vor allem für die südhessischen Archive sinnvoll. Irene Jung, die Leiterin des Stadtarchivs Wetzlar und Vorsitzende des Verbands der hessischen Kommunalarchivare, verweist darauf, dass es bis 1992 schon einmal eine solche Beratungsstelle gegeben habe. Das Hessische Archivgesetz von 1989 sehe eine Archivberatung zudem vor.

Pfungstadts Bürgermeister Baier erklärte seine ablehnende Haltung damit, dass der Landkreis solchen Plänen längst eine Absage erteilt habe und auch das Land Hessen sich mit solchen Plänen zurückhalte.

Kontakt:
Stadtarchiv Pfungstadt, Stadtverwaltung
Hillgasse 8
64319 Pfungstadt
Tel.: 06157/988-1125
stadtarchiv@pfungstadt.de

Quelle: Echo-Online, 14. und 15.10.2005 

Geschichte der Jüdischen Gemeinde Braunschweig

„Wenn man ein Haus baut, will man bleiben“ – unter diesem Titel zeichnet der 15. Band der vom Stadtarchiv Braunschweig herausgegebenen Reihe „Quaestiones Brunsvicenses“ die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Braunschweig nach 1945 nach. Der etwa 100 Seiten starke Band, der in einer Auflage von 500 Exemplaren erschienen ist, geht auf eine Anregung von Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann zurück. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Stadtarchivs hat den Band konzipiert, der Beiträge von Reinhard Bein, Gábor Lengyel, ehemaliger Vorsitzender der Gemeinde, Renate Wagner-Redding, amtierende Vorsitzende, und Rabbiner Jonah Sievers enthält.

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Abb.: Die Publikation \“Wenn man ein Haus baut, will man bleiben\“ wird vorgestellt
v. l. ehem. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Gábor Lengyel; Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann; Renate Wagner-Redding, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde; Reinhard Bein; Rabbiner Jonah Sievers und Dr. Bettina Schmidt-Czaia, Leiterin des Stadtarchiv Braunschweig
 

Anlässlich der Amtseinführung am 20. Oktober 2002 von Rabbiner Jonah Sievers, der als erster Gemeinderabbiner nach der Schoah wieder seinen Wohnsitz in Braunschweig nahm, reifte der Gedanke, die Geschichte der Jüdischen Gemeinde nach 1945 zu erforschen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Der Band dokumentiert das immense Vertrauen unserer jüdischen Mitbürger, die nach 1945 trotz allem, was passiert war, einen Neuanfang gewagt haben. Er ist ein Zeichen großen Lebensmutes“, sagte Dr. Hoffmann. „Dieses Vertrauen ist und bleibt eine Verpflichtung, dass sich das Unheil des Holocaust nicht wiederholen darf.“ Insofern sei das Buch ein ganz wichtiger Beitrag zur Braunschweiger Stadtgeschichte. 

„Der Band stellt die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Braunschweig nach 1945 erstmals umfassend dar“, erläuterte Renate Wagner-Redding, 1. Vorsitzende. Der Band schildert anschaulich, wie jüdisches Leben in Braunschweig nach dem Krieg nur langsam und unter großen Schwierigkeiten wuchs. Die wenigen Überlebenden des Holocaust, die sich für ein Leben in Braunschweig entschieden, waren durch ihre schrecklichen Erinnerungen traumatisiert oder auch krank aus den Lagern nach Braunschweig zurückgekehrt. Es ging erst aufwärts, als das Gemeindehaus in der Steinstraße nach einem Umbau 1983 wieder eröffnet werden konnte und zu einem lebendigen Treffpunkt einer offenen, kulturell interessierten und überaus gastfreundlichen Gemeinde wurde. 

Aufgrund der seit 1990 erfolgten Zuwanderung der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion wurde die Jüdische Gemeinde vor eine große Herausforderung gestellt. Da die Immigranten ihrer jüdischen Identität aufgrund der dort herrschenden materialistischen Weltanschauung weitgehend beraubt waren, übernahm die Jüdische Gemeinde die Aufgabe, sie sowohl bei der Wiederentdeckung ihrer religiösen Wurzeln als auch bei ihrer eigenverantwortlichen Lebensführung zu unterstützen. Seit dem Umbau des Gemeindehauses ist die Zahl der Braunschweiger Juden um das vier- bis fünffache gewachsen. Die Jüdische Gemeinde Braunschweigs umfasst derzeit 200 Juden, die in Braunschweig, Wolfsburg, Helmstedt, Wolfenbüttel, Salzgitter und Goslar leben.

Der Band „Wenn man ein Haus baut, will man bleiben“ der Reihe „Quaestiones Brunsvicenses. Berichte aus dem Stadtarchiv Braunschweig“ ist zu einem Preis von 12 Euro im Stadtarchiv, in der Jüdischen Gemeinde und im Buchhandel erhältlich. 

Kontakt:
Jüdische Gemeinde Braunschweig e.V.
Steistraße 4
38100 Braunschweig

Stadtarchiv Braunschweig
Löwenwall 18B
Postfach 33 09
38023 Braunschweig 
stadtarchiv@braunschweig.de

Quelle: Stadt Braunschweig, 11.10.2005