Die Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen (CH) zeigte das umfangreiche Archiv aus 290 Jahren Kirchen- und Sittengeschichte Schönholzerswilen erstmals einer breiten Öffentlichkeit. Während der Eröffnung der Ausstellung von Gegenständen und Dokumenten aus drei Jahrhunderten Pfarreigeschichte wies die Kirchgemeindepräsidentin von Schönholzerswilen, Erika Schlauri, darauf hin, dass es wohl einmalig sei, dass eine Kirchgemeinde eine solche lückenlose Dokumentation des kirchlichen Lebens präsentieren könne. Diplom-Archivar Charles E. Stäheli habe das Material, das bisher in Schränken und Truhen im Pfarrhaus-Estrich aufbewahrt wurde, chronologisch sortiert und zu einer ansprechenden Ausstellung im Chor der Kirche aufgebaut.
Das Archivmaterial, das zeitlich mit dem Kirchenbau 1714 beginnt, wird gemäss Erika Schlauri in einem klimatisierten und feuerfesten Kellerraum für die Nachwelt eingelagert. Als Besonderheit erwähnte sie, dass der farbig bemalte, fast 300-jährige Grundrissplan der Kirche im Original noch vorhanden sei. Pfarrer Ruedi Bertschi stellte das Archivmaterial in eine theologische Sicht. Er meinte, die Aufarbeitung der vielen Dokumente berge ein gewisses Risiko in sich. Da komme nämlich nicht nur Glorreiches, sondern auch Belastendes, mitunter auch Beschämendes zum Vorschein. Die Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen stelle sich aber ihrer Geschichte im Bewusstsein, dass «alles durch die Gnade Gottes» geschehe.
Offenbar schrieben die Pfarrherren von Schönholzerswilen gern. Jedes Vorkommnis in der Gemeinde, hauptsächlich Negatives, wurde detailliert niedergeschrieben. Archivar Charles E. Stäheli teilte das umfangreiche Chronikmaterial in neun Themenkreise ein, die ein lebendiges Bild geben, wie die Menschen vor Hunderten von Jahren lebten. So sind ganze Pakete von Toten- und Geburtsscheinen sowie Ehebescheinigungen vorhanden. Sogar ein ganzes Bündel längst abgelaufener Obligationen wurde aufgefunden.
Mehrmals gab es auch Spannungen zwischen Katholiken und Evangelischen. Letztere hatten in vielen Fällen das Recht, ihre Abdankungen in katholischen Kirchen abzuhalten. Als sie 1746 in Welfensberg am Karfreitag einen Verstorbenen beerdigen wollten, verweigerte ihnen der katholische Messpriester das Grabgeläute, da an einem Karfreitag in der katholischen Kirche nicht geläutet wird. Da schlugen die Angehörigen des Toten die Kirchentüren ein und läuteten selbst, begleitet von «Schänden und Schmähen» der «Catholiken». Ein Pfarrherr hatte den Ungehorsam eines 23-jährigen Burschen registriert. Dieser hatte sich nämlich beim Hausbesuch des Pfarrers geweigert, zu «bätten».
Ein Sittengericht wachte über das Leben der Gemeindeglieder. Verschiedentlich musste dieses unverheirateten Paaren, die «in Sünde lebten», bei Strafe befehlen, entweder zu heiraten oder sich zu trennen. Männer, die ein Mädchen geschwängert hatten, wurden verpflichtet, dieses zu heiraten. Das Gericht überwachte auch streng die Kleidung des Volkes, und besonders oft mussten junge Frauen verwarnt werden. Noch im 19. Jahrhundert herrschte in unserem Lande bittere Armut. Da musste die Gemeinde Schönholzerswilen öffentliche Speisungen der Armen organisieren. In einem grossen Masse gibt es Dokumente über Unterstützung armer Mitbürger. So musste einem «Armengenössigen» die ärztliche Behandlung bezahlt werden. Positiv ist vermerkt, dass es viele spendefreudige Reiche gab, die ihre armen Mitbürger finanziell unterstützten. So könne noch vieles über die verblichenen Generationen von Schönholzerswilen berichtet werden. Es ist sicher erfreulich, dass die Kirchgemeinde an einer fachmännischen Archivierung der Dokumente zu Gunsten der Nachwelt interessiert war und sich dies 12.000 Franken kosten liess.
Kontakt:
Evangelische Kirchgemeinde Schönholzerswilen
Kirchgemeindepräsidentin Erika Schlauri-Hugentobler
Hagenwilerstrasse 10
CH-8577 Schönholzerswilen
m.schlauri@bluewin.ch
Pfarrer Ruedi Bertschi
Pfarrhaus
CH-8577 Schönholzerswilen
Tel: 071 633 13 08
ruedi.claudia@bluewin.ch
Dipl.-Archivar Charles E. Stäheli
Ringstrasse 9
CH-8575 Bürglen TG
Telefon/Telefax: 071 633 18 03
chestarch@gmx.ch
Quelle: Thurgauer Zeitung, 2.3.2004
Geschichte erfahrbar und erlebbar machen – Tag der Archive 2004
Der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare ruft alle Archive zur Gestaltung des Tages des offenen Archivs („TAG DER ARCHIVE“) in Deutschland am 25. September 2004 auf. Der vollständige Wortlaut des Aufrufs ist der Homepage des Tages der Archive zu entnehmen:
„In den Archiven Geschichte entdecken! Ermöglichen Sie unter diesem Motto interessierten Bürgerinnen und Bürger eine Entdeckungsreise durch Ihr Archiv. Der für den 25. September 2004 geplante, nach 2001 zweite bundesweite TAG DER ARCHIVE soll ihnen einen vertieften und ungewohnten Einblick in die Archive erlauben und zugleich die Neugier potentieller Archivbenutzer wecken. Öffnen Sie deshalb die Archivmagazine an diesem Tag für Interessenten und fördern Sie bei den Besuchern das Interesse an der vielfältigen Tätigkeit unseres Berufsstandes.
Geschichte erfahrbar und erlebbar zu machen und an ausgewählten Archivalien und Mediendokumenten aufzuzeigen, sollte ein verlockendes wie lohnendes Ziel sein. Die Rolle der Archive für die Erforschung der Vergangenheit und für das bessere Verständnis der Gegenwart muss verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden. Somit ergibt sich die große Chance, die Akzeptanz der Archive in der Gesellschaft zu erhöhen und Schwellenängste vor Archivbesuchen abzubauen.“ […]
Der VdA bietet den teilnehmenden Archiven Materialien (gedruckt und auf CD-Rom) zur Gestaltung der örtlichen Tage der Archive an (pdf-Downlad des Bestellscheins).
Link: www.tagderarchive.de
Kontakt:
VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.
-Geschäftsstelle-
Postfach 21 19
99402 Weimar
Tel. 03643/ 870-235
Fax. 03643/ 870-164
info@vda.archiv.net
Wallraffsche Kartei in Saarlouis nun aufgearbeitet
Die so genannte Wallraffsche Kartei im Kreisarchiv Saarlouis (Zentrum für Familienforschung) gewährt nicht nur Einblicke in die Geschichte des Kreises Saarlouis, sie ist vor allem eine wertvolle Quellensammlung für demografische und soziografische Forschungen. Genealogen aus der ganzen Welt nutzen sie, über 1.000 pro Jahr, bisher gut 30.000, um nach Vorfahren zu forschen. Sie ist nach Studienprofessor Dr. Wilhelm Joseph Wallraff (1865-1949) benannt, der 1928 als Lehrer für Latein und Griechisch ans humanistische Gymnasium nach Saarlouis kam. Er wertete alle verfügbaren Standesamtsregister und Kirchenbücher aus, notierte auf Blättern aus DIN-A-5-Schulheften nach Ortschaften gegliedert Angaben zur Bevölkerung des ganzen Kreises Saarlouis mit Ausnahme des Raumes Lebach-Schmelz für die Zeit vom 17. bis 19. Jahrhundert. So entstanden von 1928 bis 1949 mit immensem Fleiß rund 40.000 Blätter in 16 großen, offenen Kästen.
1963 kaufte der Landreis die Kartei von der Familie an, begann sie zu sichern. Nun konnte die 1983 begonnene Neuerfassung der Kartei abgeschlossen werden. Eigentlich sollte diese Arbeit innerhalb von drei Jahren beendet sein. Sie dauerte länger – geht sogar noch weiter. Landrat Peter Winter stellte als „Endprodukt“ 75 große blaue Bände vor, in denen die Wallraffsche Kartei nun gut lesbar vorliegt.
Von 1983 bis 2000 arbeiteten 25 Männer und Frauen an der Kartei, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt wurden. Der Umgang mit der Kartei ist seinerseits interessant, spiegelt Zeitgeschichte wider. Zu Lebzeiten Wallraffs bekam seine Kartei ungewollt Bedeutung: Auf Grund der „Nürnberger Gesetze“ von 1935 mussten Angehörige des öffentlichen Dienstes und aktive Soldaten einen so genannten „Arier-Nachweis“ erbringen. In der Wallraffschen Kartei sind die religiösen Bekenntnisse vermerkt. Heute nutzen vor allem Genealogen, Familien- und Heimatforscher, diesen Schatz als Hilfsmittel für ihre Ermittlungen.
Die Blätter der Kartei litten unter der Benutzung, vergilbten. Die Schrift verblasste. Dazu kamen Kriegseinwirkungen. Und es wurden Blätter schlechterdings geklaut. 1976 entschloss sich Landrat August Riotte, die Kartei verfilmen zu lassen. Gernot Karge, langjähriger Kreisarchivar, heute Geschäftsführer der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis (mit 800 Mitgliedern der größte heimatkundliche Verein im Saarland) schilderte, wie das geschah. Man nahm mit den besten Spezialisten auf dem Gebiet der Mikroverfilmung Kontakt auf, nämlich der „Genealogischen Gesellschaft der Heiligen der letzten Tage„, den Mormonen in Salt Lake City im US-Staat Utah. Nach zweimonatigen Filmarbeiten hatte man 39 Rollen Mikrofilm mit fast 50.000 Aufnahmen. Nach dem Druck in Buchform steht nun die Digitalisierung bevor. Karge stellte in Aussicht, dass man in Zukunft mit einer Diskette einfachen Zugang zur Kartei haben kann.
Kontakt:
Kreisarchiv Saarlouis – Zentrum für Familienforschung
Landratsamt Kaiser-Wilhelm-Straße 4 – 6
66740 Saarlouis
Postanschrift:
Postfach 18 40
66718 Saarlouis
Telefon: 0 68 31 / 4 44 – 4 25
Telefax: 0 68 31 / 4 44 – 4 60
www.kreis-saarlouis.de
Quelle: Saarbrücker Zeitung, 2.3.2004
Sommerprogramm Historischer Arbeitskreis Archive
Der St. Pöltener Archivdirektor Dr. Thomas Aigner lädt u.a. via H-Soz-u-Kult zur Teilnahme am diesjährigen Sommerprogramm des Historischen Arbeitskreises Archive ein. Das Programm steht diesmal ganz im Zeichen des Beitritts von Ungarn zur Europäischen Union im Mai.
Aufgrund der kirchenhistorischen Verbindung Österreichs mit seinem Nachbarland und wegen der geringen räumlichen Entfernung sei es möglich, Verbindungen und Kooperationen zu knüpfen. Schon seit längerer Zeit arbeitet man im Diözesanarchiv bzw. Institut zur Erschließung und Erforschung kirchlicher Quellen und in der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs an einem intensiveren Gedankenaustausch und verschiedenen Möglichkeiten der Kooperation mit den ungarischen Kollegen.
Erste Früchte dieser Bemühungen haben sich im kommenden Semesterprogramm niedergeschlagen. Das Primatial- und Domkapitelarchiv Esztergom (dt. Gran) ist nicht nur aufgrund der Stellung der Erzbischöfe dieses Bistums in Geschichte und Gegenwart Ungarns, sondern auch aufgrund seines quellenmäßigen Reichtums, der auch einiges zu Österreich enthält, als bedeutendstes kirchliches Archiv in Ungarn zu bezeichnen. Am 12. März findet daher, veranstaltet gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs und dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung, in dessen Hörsaal (nähere Angaben siehe unten) ein Vortrag des Direktors des Primatialarchivs Esztergom, Dr. Andras Hegedüs, statt. Am 5. Juni führt dann die jährliche Arbeitssitzung in die weltberühmte Erzabtei Pannonhalma (dt. Martinsberg). Wie üblich, finden am Vormittag Vorstellungen von Forschungsarbeiten bzw. -projekten in ungezwungenem Rahmen statt, und am Nachmittag erfolgt dann eine Besichtigung der Erzabtei mit dem hwst. Herrn Erzabt Dr. Asztrik Varszégi. In der Arbeitssitzung möge über eigene Forschungen berichtet werden. Die Kosten werden pro Person ca. 20.- EUR betragen. Anmeldung entweder telephonisch (02742 324 321, 322) oder per Email (archiv@kirche.at).
Zu zwei weiteren Vorträgen, die wie gewohnt in St. Pölten im Diözesanarchiv stattfinden werden, wird zudem eingeladen: Dr. Johannes Frimmel wird am 29. April über das Stift Melk im Josephinismus sprechen und Mag. Ronald Risy wird am 24. Juni die jüngsten Ergebnisse der Grabungen in der Rosenkranzkapelle im St. Pöltner Dom vorstellen.
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PROGRAMM SOMMER 2004
12.03.2004-24.06.2004, St. Pölten / Wien / Pannonhalma
Freitag, 12. März, 17.00 Uhr:
Gem. mit Institut für Österreichische Geschichtsforschung und Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs:
Dr. Andras HEGEDÜS (Esztergom/H):
Das Primatial- und Domkapitelarchiv Esztergom
!!! Ort: Hörsaal des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Universität Wien, Dr. Karl-Lueger-Ring 1, 1. Stock rechts !!!
Donnerstag, 29. April, 14.30 Uhr:
Dr. Johannes FRIMMEL (Wien):
Das Stift Melk zur Zeit Josephs II. – Kulturgeschichtliche Aspekte
Ort: Diözesanarchiv St. Pölten, Leseraum
Samstag, 5. Juni, 9.00-18.00 Uhr:
Arbeitssitzung in Pannonhalma
9.00-12.00 Vorstellung verschiedener Themen aus dem Bereich der niederösterreichischen Kirchengeschichte
12.00-14.00 Mittagessen
14.00-18.00 Besichtigung der Erzabtei und ihrer Sammlungen mit dem hwst.
Herrn Erzabt Dr. Asztrik Varszégi
Anmeldung für Autobus (Kosten ca. 20.- EUR): 02742 324 321,
archiv@kirche.at
Ort: Erzabtei Pannonhalma (H), Autobahnabfahrt Györ Ost
Donnerstag, 24. Juni, 14.30 Uhr:
Mag. Ronald RISY (Wien):
Der Dom in St. Pölten und seine Vorgeschichte im Lichte der jüngsten Forschungen
Ort: Diözesanarchiv St. Pölten, Leseraum
Kontakt:
Dr. Thomas Aigner
Diözesanarchiv St. Pölten
Domplatz 1
A-3100 St. Pölten
+43 2742 324 321
+43 2742 324 321
archiv@kirche.at
www.dsp.at/dasp
Quelle: H-Soz-u-Kult, 2.3.2004
Darmstädter „Haus der Geschichte“ kein betonierter Aktenfriedhof
Lange schon wird im Theaterhaus Georg Mollers am Karolinenplatz kein Theater mehr gespielt. Denn seit dem 3. Februar 1994 hat das in „Haus der Geschichte“ umbenannte und restaurierte Gebäude eine neue Funktion. Als Archiv, Ort historischer Forschung und als Stätte von Ausstellungen, Vorträgen und Konzerten steht es den Darmstädter Bürgern zur Verfügung.
Zum zehnjährigen Bestehen des Hauses der Geschichte (siehe Bericht vom 19.2.2004) fand am Sonntag, den 29.2.2004, ein Festakt statt. Professor Friedrich Battenberg, Leiter des Staatsarchivs, nannte als einen Grund für die damalige Schaffung eines neuen Staatsarchivs im alten Mollerhaus die enorme Menge alter Akten, die im Schlossgebäude keinen Platz mehr hatten. Battenberg bedankte sich in seiner Jubiläumsrede ganz besonders bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Staatsarchivs. Ohne sie sei diese enorme Arbeit nicht zu schaffen gewesen.
Joachim-Felix Leonhard, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, betonte in seinem Vortrag, alle Initiatoren des Staatsarchivs könnten sich glücklich schätzen, dass die neue Funktion des Mollerhauses durchgesetzt worden sei. „Die Stadt Darmstadt wollte mit der Einrichtung des Archivs ein Haus der Begegnung für Menschen und einen Ort für den Austausch von Informationen schaffen“, so Leonhard.
Die Mischung von Archiv und Ausstellungsort bieten ein weiteres Kulturzentrum in der Stadt. Auch Pädagogik wird im Darmstädter Staatsarchiv groß geschrieben. Denn Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, über die Vergangenheit zu forschen und sich zu bilden.
Die Institution ist mittlerweile mit staatlichen Mitteln nicht mehr zu finanzieren. „Ich muss zugeben, dass mich bei der Planung vor zehn Jahren die Summe erschreckte, die für den Umbau des alten Mollerhauses ausgegeben werden sollte“, sagte die ehemalige Wissenschaftsministerin und Vorsitzende des Vereins des Konzertchors, Evelies Mayer. „Es ging doch nur um die Beherbergung von Akten.“ Doch inzwischen sei die Akzeptanz bei den Darmstädter groß: Sie seien froh, dass das Haus mit Leben gefüllt und für jeden zugänglich sei. „Es wurde nicht zu einem betonierten Aktenfriedhof“, betonte Mayer.
Kontakt:
Staatsarchiv Darmstadt
Karolinenplatz 3
D-64289 Darmstadt
Telefon: 06151/165900
Telefax: 06151/165901
e-mail: poststelle@stad.hessen.de
Quelle: Echo Online, 1.3.2004
Sammlung des Alinari-Archivs in München
Das oft zitierte Bild von München als nördlichster Stadt Italiens bekommt zur Zeit eine völlig neue Bedeutung: Gleich drei Ausstellungen haben sich mit dem Sehnsuchtsziel jenseits der Alpen befasst. Aber eben nicht nur mit Klischees rund um gelato, Vespa und amore, sondern auch mit den dunklen Seiten des sonnigen Landes. So zeigt das Bayerische Staatsarchiv noch bis zum 15. April „Die Kinder der Villa Emma in Nonantola“, eine Dokumentation der Rettung von 73 jüdischen Kindern durch die Bewohner der norditalienischen Stadt Nonantola.
Und schon beginnt die nächste Schau: Im Marmorsaal der Bayerischen Staatsbibliothek läuft vom 3. bis zum 31. März die Ausstellung „Italien, ein einmaliges Land“ mit Fotografien von den Jahren 1900 bis 2000 aus dem Florentiner Archiv Alinari eröffnet.
Mit etwa 150 ausgesuchten Bildern will die Sammlung in Zusammenarbeit mit dem italienischen Generalkonsulat die Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert unter Berücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen illustrieren. Alinari ist eines der ältesten Fotoarchive der Welt. 1852 in Florenz gegründet, hat sich das heute in mehrere Bereiche verzweigte Unternehmen von Beginn an die Bewahrung der italienischen Lichtbildkunst zur Aufgabe gemacht. Das Alinari-Archiv enthält 120.000 Fotografien.
Die nun zum ersten Mal in Deutschland zu sehenden Fotografien sind mehreren Themen zugeordnet, wie Natur und Landarbeit, alte Dörfer, Mittelmeer, Krieg und „Neue Weltordnung“. Momentaufnahmen und Inszenierungen zeigen Alltagsszenen, Architektur- und Landschaftsbilder. Doch dabei folgt die Ausstellung ihrem Titel „Ein einmaliges Land“ vor allem insofern, als die meisten Aufnahmen Idyllen zeigen, in denen die unschönere Realität ausgespart bleibt. Gemessen am Anspruch, 100 Jahre Geschichte Italiens zeigen zu wollen, wirkt die präsentierte Auswahl der Bilder beliebig, stellenweise sogar wie aus einer Werbebroschüre entnommen, die Italien als interessantes Reiseland oder kompetenten Geschäftspartner darstellen soll.
Was dagegen weitgehend fehlt, sind Betrachtungen der heiklen Kapitel der italienischen Geschichte. Beim Kapitel „Neue Weltordnung“ etwa kommt nicht die Thematisierung des Terrors der Roten Brigaden, nicht die Entführung und Ermordung des Politikers Aldo Moro vor. Einige Bilder, die weniger schöne Seiten Italiens zeigen, finden sich dennoch in der Schau: unter „Spuren des Menschen“ etwa Umweltzerstörungen, unter „Fernen Ländern entgegen“ Aufnahmen von Flüchtlingsströmen aus Italien nach Amerika und aus Albanien nach Italien. Doch es scheint, als sei damit der Mut der Kuratoren, die Schau um Abbilder kontroverser Themen zu bereichern, bereits erschöpft.
Kontakt:
Bayerische Staatsbibliothek
Ludwigstraße 16
80539 München
Telefon: ++49 89 28638-0
Fax: ++49 89 28638-2200
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 1.3.2004
„Alte Post“ in Iserlohn und ihre neuen Nutzer
Eines der zentralen historischen Gebäude Iserlohns ist wieder in den Mittelpunkt des städtischen Lebens gerückt. Die „Alte Post“ am Theodor-Heuss-Ring ist gleich mit vier neuen Nutzern Anlaufstelle für viele Iserlohner geworden. Nachdem sich Verbraucher-Zentrale, Stadtarchiv, City Management und Institut für Bildung im Dezember in den neuen Räumen eingerichtet haben (siehe Bericht), luden sie am Samstag zu einem Tag der Offenen Tür ein.
Zehn Monate lang wurde das alte Gebäude unter der Federführung des Kommunalen Immobilienmanagements umgebaut, 1,5 Millionen Euro kostete die Sanierung. Vom Ergebnis zeigten sich die vielen Besucher am Samstag sehr angetan.
Ein ganz anderes Arbeiten als in den mehr als beengten alten Räumen ist für Stadtarchivar Götz Bettge und seine drei Mitarbeiterinnen möglich. Rund 800 Quadratmeter stehen ihnen in der ersten und zweiten Etage der „Alten Post“ zur Verfügung. Das Archivgut wird jetzt unter einem Dach und vor allem fachgerecht gelagert. Die Besucher haben in einem eigenen Raum reichlich Platz, ihren privaten Forschungen nachzugehen. Das wird auch den Schulklassen zugute kommen, die das Archiv bislang kaum nutzen konnten.
Kontakt:
Stadtarchiv Iserlohn
Theodor-Heuss-Ring 5
58636 Iserlohn
Telefon: 02371 / 217-1920 / -1921 / -1922
Telefax: 02371 / 217-2982
archiv@iserlohn.de
Quelle: Lüdenscheider Nachrichten, 2.3.2004
Engere Kulturpartnerschaft von Mainz und Wiesbaden
Unabhängig von der Entscheidung, ob Wiesbaden das Angebot des Mainzer Stadtrates, sich gemeinsam als Kulturhauptstadt Europas zu bewerben, annehmen wird, treiben die beiden Fachdezernenten der Städte die Kulturpartnerschaft weiter voran.
Nach mehreren Gesprächen haben Rita Thies und ihr Mainzer Amtskollege Peter Krawietz vereinbart, die in den vergangenen zwei Jahren entstandene kulturelle Zusammenarbeit nun forciert auszubauen. Im vorigen Jahr lag der Schwerpunkt der Zusammenarbeit im Bereich der Bildenden Kunst und hatte zu intensiven Kontakten geführt. Diese positiven Erfahrungen sollen nun Anlass für weitere gemeinsame Projekte sein.
So werden u.a. die Stadtarchive beider Städte zum diesjährigen „Tag der Archive“ am 25. September eine gemeinsame Veranstaltung durchführen, um die jeweilige Geschichte der Nachbarstadt zu vermitteln.
Kontakte:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
Postleitzahl/Ort: 65197 Wiesbaden
Telefon: 0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429
Fax: 0611 / 31-3977
E-Mail: stadtarchiv@wiesbaden.de
Stadtarchiv Mainz
Rheinallee 3 B
55116 Mainz
Telefon (0 61 31) 12 21 78
Telefax (0 61 31) 12 35 69
stadtarchiv@stadt.mainz.de
Quelle: Main-Rheiner, 28.2.2004
NS-Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie
In Berlin verteilten sich, für jedermann sichtbar, während des Zweiten Weltkrieges rund 1.000 Zwangsarbeiter-Barackenlager über die gesamte Stadt. In den letzten Kriegsjahren arbeitete in der Reichshauptstadt jeder Fünfte unter Zwang. Zeitzeugen berichten, dass die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in diesen Jahren das Stadtbild prägten.
Die Berliner Bevölkerung hat dies aus ihrer Wahrnehmung „bewusst ausgeblendet und die zwangsweise Arbeit Leistenden nach 1945 totgeschwiegen“. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Zwangsarbeit in der Berliner Metallindustrie“, die im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall entstand und diese Woche vorgestellt wurde.
„Die Ausbeutung der Zwangsarbeiter wurde in den Betrieben sorgfältig organisiert“, erklärt der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Arno Hager, das Interesse seiner Gewerkschaft am Thema. An der Basis scheint das noch nicht richtig angekommen zu sein: Bei der Suche nach Zeitzeugen und Informationen habe sie einen Aufruf in die Mitgliederzeitung der IG Metall gesetzt, jedoch keine Antwort erhalten, so die Autorin, die Soziologin Tanja von Fransecky.
Noch immer ist es der Forschung nicht gelungen, eine vollständige Liste der Firmen zu erstellen, die von der Zwangsarbeit profitierten. In Berlin als wichtigem NS-Rüstungsstandort stimme sie vermutlich weitgehend mit dem damaligen Branchenbuch der Metallindustrie überein, so Fransecky. Insgesamt arbeiteten eine halbe Million Zwangsarbeiter in der Stadt. Die Autorin zeigt in ihrer Arbeit, dass die Berliner Betriebe nicht nur von der Leistung der Zwangsarbeiter profitierten, sondern auch für deren menschenunwürdige Lebensverhältnisse mitverantwortlich waren. Neben der Deutschen Arbeitsfront betrieben auch die großen Firmen eigene Barackenlager. Von ihren kargen Löhnen mussten die Zwangsarbeiter ihre Unterkunft und Verpflegung bezahlen. An die Auflage, die „Ausländer“ voll zu verpflegen, hielten sich die Firmen dennoch nur selten. Zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen trug kaum eine Betriebsleitung von sich aus bei, wie Fransecky herausfand.
Auch bei der Disziplinierung der Zwangsbeschäftigten nahmen die Betriebe eine aktive Rolle ein. Siemens übergab jährlich 300 bis 400 auffällig gewordene Arbeiter der Gestapo. Intern konnten die Betriebe ihre Beschäftigten weitgehend eigenmächtig bestrafen. Die Firma Ehrich und Graetz AG in Treptow etwa sperrte Zwangsarbeiter drei Tage in Dunkelheit ohne Schlafgelegenheit bei Wasser und Brot ein. Jeder Betrieb beschäftigte einen „Abwehrabgeordneten“, der der Gestapo gegenüber verantwortlich war. Bei Fluchtversuchen russischer Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen galt der Befehl, sofort zu schießen.
Mit der Studie ist Fransecky ein Überblick über dieses unmenschliche Kapitel der Berliner Stadtgeschichte gelungen. Das ursprüngliche Ziel der Untersuchung, den Alltag von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den Berliner Metallbetrieben zu erforschen, hat sie allerdings nicht erreicht: Dazu fehlten der Autorin die Aussagen von Zeitzeugen.
Quelle: taz Berlin, Nr. 7295, 27.2.2004
„Heimatbesessener“ Kreisarchivar
Kreisarchivar Wolfgang Burkhardt sitzt nachdenklich an seinem Schreibtisch im Dippoldiswalder Landratsamt. „Ich bin jetzt schon das 15. Jahr im kommunalen Archivwesen tätig. Dass ich kurz vor der Wende diese Richtung einschlug, war eine meiner besten Entscheidungen in beruflicher Hinsicht“, schätzt er ein.
Dazu gebracht hatte ihn sein Interesse an der Heimatgeschichte. „Wir leben in einer Region mit einer hochinteressanten Historie“, sagt er. Vieles davon gerate mit der Zeit unweigerlich in Vergessenheit. Doch das Wichtigste sollte bewahrt und für die Zukunft erhalten bleiben. Archive würden dazu einen wertvollen Beitrag leisten, und er sei froh, auf diesem Gebiet arbeiten zu dürfen.
Seine ursprüngliche Lebensplanung hätte ganz anders ausgesehen, berichtet der Archivar. Er wuchs in Freital als Sohn eines Stahlwerkers auf und erlernte den Beruf des Schlossers. Danach studierte er Maschinenbau und übte verschiedene Verwaltungstätigkeiten aus. „Nebenbei habe ich mich da schon immer mit Heimatgeschichte befasst, und das wusste man auch beim damaligen Rat des Kreises Freital“, erzählt Burkhardt. So sei ihm 1989 auch von dort aus die Frage gestellt worden, ob er nicht das Kreisarchiv übernehmen wolle. Es habe sich damals in einem erbarmungswürdigen Zustand befunden. Kurz entschlossen hätte er zugesagt, um die Einrichtung zu retten.
An der Berliner Humboldt-Universität erwarb sich Burkhardt eine Zusatzqualifizierung und im Dresdner Hauptstaatsarchiv absolvierte er einen berufsbegleitenden Lehrgang, um sich fit für seine neue Aufgabe zu machen. Als 1994 der Weißeritzkreis gebildet wurde, zog er mit seinen Unterlagen nach Dippoldiswalde und führt seitdem dort das neue Kreisarchiv.
Sein Büro in der Dr.-Friedrichs-Straße lässt den Heimatfreund erkennen. Die Wände zieren Plakate und Bilder von Wilhelmine Reichard, der ersten deutschen Ballonfahrerin aus Freital, sowie von Museen und Eisenbahnen der Umgebung. Burkhardt umgibt sich gern damit, denn so sind ihm liebe Dinge aus der Region immer nah. Doch der Kreisarchivar ist nicht nur ein Schwärmer. Der Liebe zur Heimat muss für ihn auch die Tat folgen. So hat er es als freiwillige Dienstaufgabe übernommen, halbjährlich die Treffen der Ortschronisten und Heimatforscher des Weißeritzkreises zu organisieren. „Dort befördern wir den Dialog untereinander und tauschen uns aus über neue Möglichkeiten der Heimatforschung und der Archivierung ihrer Belege.“
Aber auch privat steckt Burkhardt voller Elan. „Ich möchte kein Datum verpassen, das aus regionalhistorischer Sicht von Belang ist. Und dann überlege ich, wie es am besten den aktuellen Gegebenheiten zugeordnet werden kann“, erklärt er. Jetzt hat Wolfgang Burkhardt, der bei Insidern schon als „Heimatbesessener“ gilt, Freitals Wahrzeichen, das König-Albert-Denkmal auf dem Windberg, im Blick. Am 18. August wird es 100 Jahre alt. „Ich möchte, dass dieses Jubiläum in würdiger Form gefeiert wird“, sagt er und will die Freitaler dafür mobilisieren.
Kontakt:
Zentralamt Weißeritzkreis
Kreisarchivar Wolfgang Burkhardt
Dr.-Friedrichs-Str. 2
D-01744 Dippoldiswalde
Telefon: 03504-634 167/200
Wolfgang.Burkhardt@weisseritzkreis.com
Quelle: Sächsische Zeitung, 28.2.2004
