Rundum saniert ist das um 1800 errichtete Gärtnerhäuschen im Schlosspark von Bad Freienwalde. In diesem Sommer wird dort das Rathenau-Archiv einziehen, sagt Reinhard Schmook, Geschäftsführer der Walther-Rathenau-Stift GmbH. Diese war 1991 in Erinnerung an den früheren deutschen Außenminister gegründet worden. Der Politiker hatte das Freienwalder Schloss 1909 gekauft und restauriert.
Nach und nach sollen die bereits 1992 angefertigten Kopien des rund 70.000 Blatt zählenden Nachlasses von Berlin und Freiburg in das Gärtnerhäuschen gebracht werden, sagt Schmook. Die 1945 nach Moskau verschleppten Originale befänden sich bis heute in Russland. Jüngste Meldungen, wonach die Erben Rathenaus auf die Rückgabe verzichtet hätten, bezeichnete Schmook als „Ente“. Die Familie werde alles tun, um den Fundus zurückzubekommen. Das habe ihm Bernd Mossner, der Sohn einer Nichte von Rathenau, versichert. Es handle sich um Familien- und nicht um Staatseigentum und falle damit nicht unter die Beutekunstgesetze. „Russland steht in der selbstgefassten Verpflichtung, Privateigentum zurückzugeben“, sagt Schmook. Der damalige Präsident Boris Jelzin habe 1997 die ersten elf Mappen aus dem Rathenauschen Privatarchiv zurückgebracht. Nun müsse man aber befürchten, dass es sich wieder hinziehen werde. Es gehe nicht nur um Manuskripte, sondern auch um Gegenstände wie Rathenaus Diplomatentasche.
Die Pläne zur Einrichtung eines Archivs in Bad Freienwalde seien von diesen Entwicklungen allerdings unberührt, versichert Schmook. Die Originale – wenn sie zurückgegeben werden – kämen mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin ins Bundesarchiv. In die Stadt am Oderbruch sollen allein die Kopien gebracht werden. Der Teil aus Berlin, der bei der Rathenau-Gesellschaft sowie Forschern liege, komme schon bald nach Freienwalde.
Extra dafür wurde das Gärtnerhäuschen von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, dem Potsdamer Kulturministerium und dem Landkreis Märkisch-Oderland saniert. Das Archiv soll 2005 zur zentralen Forschungsstätte für Leben und Wirken Walther Rathenaus ausgebaut werden. Es wäre eine ideale Ergänzung zur Rathenau-Gedenkstätte, die 1991 im Schloss eingerichtet worden war.
Die Restaurierung des Schlosses dauert noch an. Die Gedenkstätte ist derzeit nicht zugänglich. Besucher können sich aber im Teehäuschen die Ausstellung „Rathenau – Preußischer Jude, deutscher Europäer“ anschauen. Geöffnet ist außer montags von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende ab 11 Uhr.
Kontakt:
Walther-Rathenau-Stift gGmbH
Schloss Freienwalde
16259 Bad Freienwalde (Oder)
Quelle: Morgenpost, 3.2.2004
Reccius-Nachlass im Staatsarchiv Marburg
Der persönliche schriftliche Nachlass des ersten Landrats im seit 1974 bestehenden Landkreis Waldeck-Frankenberg, Dr. Karl-Hermann Reccius, ist dem Staatsarchiv Marburg (Link) übergeben worden. Dr. Gerhard Menk hat ihn gesichtet und geordnet. Er bewertet ihn als „eine wichtige Ergänzung zu den Überlieferungen aus dem Landratsamt“.
Menk: „Eine wesentliche Aufgabe des Archivars besteht darin, bei der Bestandspflege auch die Ergänzung der vorhandenen Unterlagen zu betreiben. Es wäre nämlich vermessen, von der Überlieferung der staatlichen Behörden zu verlangen, dass sie die Lebenswirklichkeit so weit abbildet, dass keinerlei zusätzliche Anstrengung notwendig wäre, um dem Historiker für eine große Breite an Themen hinreichendes Material bereitzustellen.“
Dies gelte auch für die Aufzeichnungen von Dr. Karl-Hermann Reccius (23. Mai 1916 bis 25. August 2003), der nach Dr. Oskar Hanke ab 1963 Landrat in Waldeck war und nach der Gebietsreform rund ein Jahrzehnt bis 1984 als Chef der Verwaltung des flächengrößten Kreises in Hessen amtierte. Der in Kassel geborene Jurist „verkörpert ganz den Typus des alten Landrats. Er verstand sich nämlich keineswegs nur als Mann der Verwaltung, sondern vielmehr als Personifizierung jenes Landstriches, dem er vorstand“, erklärt der Staatsarchivar in einer posthumen Würdigung. Mit seinen nordhessischen Kollegen August Franke und Eitel Otto Höhne gebe es weitere markante Beispiele von Landräten in der Region, deren Wirken nicht an den Grenzen ihrer Landkreise aufhörte, sondern bis in die Politik der hessischen Landesregierung hinein zu verspüren gewesen sei.
Der Reccius-Nachlass mache deutlich, welchen großen politischen Umkreis er regelrecht beackerte. Dr. Menk: „Er ließ nämlich keine Gelegenheit verstreichen, um den Interessen seines Landkreises Geltung auf Landesebene, ja sogar darüber hinaus zu verschaffen.“ Die von ihm mit Nachdruck betriebene Planung von Autobahnen liefere einen Beleg dafür. Mit der besseren Verkehrserschließung habe er versucht, den Tourismus weiter anzukurbeln, nachdem er seit 1955 bereits erster Vorsitzender des Fremdenverkehrsverbandes Kurhessen und Waldeck war. Auf diese Weise habe er die strukturschwache Region im Nordwesten Hessens fördern wollen.
„Aber auch in der Landespolitik zeigte Reccius mehr als einmal Flagge. So ließ er es schon einmal auf eine heftige Kontroverse mit Ministerpräsident Albert Osswald oder anderen Repräsentanten der Landesregierung ankommen, um sein politisches Profil innerhalb des Landkreises, wahrscheinlich auch darüber hinaus in der nordhessischen Region zu schärfen“, dokumentiert der Archivar anhand des Materials, das er aus dem Wohnhaus des Verstorbenen in Twistetal-Berndorf erhalten hat.
Wenn Karl Hermann Reccius in vielerlei Hinsicht den „Normalfall“ des Landrats in der Nachkriegszeit darstelle, „so bildete er im nordhessischen Rahmen gleichwohl eine große Ausnahme. Er gehörte nämlich nicht der Sozialdemokratischen Partei an, die in den Landkreisen eindeutig den Ton angab, sondern blieb während seiner ganzen Amtszeit parteilos,“ berichtet Menk.
Im ansonsten „roten“ Nordhessen sei dies neben Frankenberg, das in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit Ulrich Stapenhorst einen berühmten CDU-Landrat und danach mit Heinrich Kohl einen Repräsentanten der FDP hatte, die „völlige Ausnahme“ gewesen. Erst in seinen letzten Jahren habe sich Reccius parteipolitisch betätigt. Allerdings unterstützte er nicht eine der traditionellen Parteien, sondern die Freie Wählergemeinschaft (FWG).
Menk: „Wenn Reccius bestens um die Besonderheiten Waldecks in historischer Hinsicht wusste, so hieß dies für ihn auch, dass er dessen Interessen so gut wie möglich zur Geltung brachte. Seine vielleicht wichtigste Leistung besteht wohl darin, die nicht einfache Zusammenführung der beiden höchst unterschiedlichen Landkreise Waldeck und Frankenberg vergleichsweise erfolgreich bewältigt zu haben. Dies gelang ihm mit einem hohen Maß an politischem Geschick, aber auch einem unvergleichlich hohen Maß an persönlicher Glaubwürdigkeit.“ Sein Nachlass solle in Marburg möglichst rasch verzeichnet und damit der Forschung zugänglich gemacht werden.
Kontakt:
Hessisches Staatsarchiv Marburg
Friedrichsplatz 15,
35037 Marburg
Telefon 06421 / 92 50 – 0
Telefax 06421 / 16 11 25
poststelle@stama.hessen.de
www.staatsarchiv-marburg.hessen.de
Quelle: Waldeckische Landeszeitung, 3.2.2004
Geschichts- und Schreibwerkstatt „Syker Zeitfenster“ setzt Arbeit fort
Die Geschichts- und Schreibwerkstatt „Syker Zeitfenster“setzt nun ihr erstes Projekt fort, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt als zunächst angekündigt. Der Kursus beginnt am Donnerstag, 5. Februar, um 18 Uhr im Stadtarchiv Syke (im Keller des Syker Rathauses).
Wie Stadtarchivar Hermann Greve mitteilt, steht die Teilnahme allen Interessierten offen, die sowohl an einer Buchveröffentlichung als auch an einer Ausstellung über die Geschichte der 13 Syker Ortsteile in den Jahren zwischen 1929 und 1949 mitwirken möchten. Auch jene sind willkommen, die erst jetzt in die Arbeit neu einsteigen möchten. Greve: „Es gibt eine Vielzahl von Einzelthemen, die darauf warten, bearbeitet und dargestellt zu werden“.
Der Stadtarchivar steht für detaillierte Fragen unter der Rufnummer 0 42 03 / 23 38 zur Verfügung.
Kontakt:
Stadtarchiv Syke
Nienburger Str. 5
28857 Syke
Quelle: Syker Kurier, 2.2.2004
Von Sarstedt hinaus in die große Welt
Im Stadtarchiv Sarstedt werden vielerlei alte und historische Dokumente aufbewahrt. Stadtheimatpfleger Werner Vahlbruch hat nun in einem Pass-Register des Amtes Ruthe gestöbert. Dabei fand er heraus, wie es in den Jahren 1844 bis 1849 um die Reisefreudigkeit der Einwohner von Sarstedt und von der Mühlenstraße bestellt war. Einige zog es für immer nach Übersee.
68 Reisedokumente wurden in diesem Zeitraum ausgestellt, berichtet Vahlbruch. Um einen Pass zu bekommen, musste der Bestimmungsort und der Reisezweck angegeben werden. Auch wer als Handwerksgeselle auf Wanderschaft gehen wollte, musste sich für seine Reise vom Amt Ruthe einen Pass ausstellen lassen.
So zog es einst den 18-jährigen Barbiergesellen nach Braunschweig, den Tischlergesellen Franz Hennies führt der Weg nur bis Hildesheim. Der Schuhmachergeselle Heinrich Paulmann ging nach Dresden, um dort eine neue Arbeitsstelle anzutreten. Orte in der näheren und weiteren Umgebung von Sarstedt, aber auch Hamburg, Bremen, Uelzen oder Düsseldorf sind zu jener Zeit die Zielorte der Sarstedter- und Mühlenstraßen-Bewohner.
Einige Sarstedter suchten aber auch den Weg in die neue Welt. Von Bremen aus ging es mit großen Passagierdampfern in Richtung Amerika, und wer nach Australien auswandern wollte, startete vom Hamburger Hafen aus. In der Zeit von 1844 bis 1849 wanderten zwanzig Personen aus. So wurde am 28. Oktober 1846 dem Bürger Heinrich Christian Pape, damals 50 Jahre alt, für seine Auswanderung nach Amerika ein Pass mit der Gültigkeit von einem Jahr ausgestellt. Ein Jahr später ließ er seine Familie, seine 47-jährige Ehefrau Marie, geborene Picker, und die fünf Kinder nachkommen. Auch den 28-jährigen Ökonom Carl Picker zog es im gleichen Jahr in die Ferne. Er schloss sich der Familie von Pape an.
Im April 1848 erteilte das Amt Ruthe der ganzen Familie des Franz Erich August Pape Pässe für die Ausreise nach Amerika. Pape, 23 Jahre alt, und seine Ehefrau Dorothea, geborene Fischöfer, die zwei Jahre alte Tochter und seine 27-jährige Schwägerin Eleonore Fischöfer, verließen Sarstedt.
Der 37-jährige Tischler Heinrich Tewes kannte bereits bei der Beantragung des Passes sein Ziel in Amerika, nämlich New Orleans. Für den Leineweber Christian Zelle aus der Mühlenstraße begann im Alter von 56 Jahren im April 1846 die große Fahrt in eine unbekannte Welt. Mit ihm wanderten seine Ehefrau Johanne, geborene Flebbe, und die zwölf und 14 Jahre alten Söhne aus.
Den Sohn des Sarstedter Arztes Dr. Zimmler, der 22 Jahre alte Carl Friedrich Theodor Zimmler, führte es sogar bis nach Australien. Nicht ganz so weit wanderte der 14-jährige alte Carl Zelle aus. Mit dem Pass Nummer 138 begann er eine Ausbildung in einer Tabakfabrik in Horsens auf Jütland in Dänemark.
Kontakt:
Stadtarchiv Sarstedt
Kirchplatz 2
31154 Sarstedt
Tel.:05066 / 63627
Fax: 05066 / 805-70
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 2.2.2004
Wiegendrucke und Wortgirlanden im Stadtarchiv Wesel
In dieser „Baecke-rey“ stäubt es feinsandig von den Gewölbedecken. Frische Brötchen sind allerdings das einzige, was Dr. Martin Roelen und seine acht Mitarbeiter hier vermissen. Der Weseler Stadtarchivar hat hinter den dicken Mauern der 1809 erbauten Garnisonsbäckerei die Obhut über eines der ältesten und bedeutendsten Archive des Rheinlands.
Wer erst im letzten Sommer 80 Euro-Paletten voller bedruckten oder handbeschriebenen Papiers – jede eine halbe bis ganze Tonne schwer – hinter den soliden Ziegelmauern unterbrachte, der denkt in archivarisch anderen Dimensionen. Dreieinhalb laufende Kilometer an Urkunden, Ratsprotokollen, Kassenbüchern, Bauplänen, Luftbildern, Karten , plus schöner Literatur aus historischer Sammlung bewahrt das neue Archiv im alten Gemäuer der Zitadelle unmittelbar neben dem schmucken Haupttorgebäude und Wesels Preußenmuseum.
Ein weiterer Kilometer Aktenbestand blieb im Rathaus. „Das ist nicht viel“, meint Dr. Roelen – ein Duisburger übrigens, „nicht Weselaner und nicht Weselinski“. In Sachen früher Stadtgeschichte dürfte ihm aber kaum ein Weseler etwas vormachen. Schließlich ist im klimatisierten Keller unter seinem Büro alles versammelt – von der Stadterhebungsurkunde 1241, samt Siegelkapsel zwischen Spezialfolien gehängt, über die bis 1466 zurück reichenden ältesten Ratsakten bis zu den aus Luftbildern zusammen geklebten Karten alliierter Bomberpiloten.
„Wesel war zu 98 Prozent zerstört“, sagt Dr. Roelen, „aber wir haben einen Großteil der Bauakten“. Und deren Geschichte klingt abenteuerlich genug: Während des Weltkrieges war das Stadtarchiv ins Haupttorgebäude ausgelagert – „ein Raum blieb stehen“, sagt Dr. Roelen. Der mit den Akten. Das kostbarere Gut verfrachtete man damals in ein niedersächsisches Kali-Bergwerk. Dort lagerten auch die Bestände der Göttinger Universitäts-Bibliothek – und eine Menge Munition.
„Das Bergwerk ist explodiert und abgesoffen.“ Dem späte-ren Stadtarchivar blieb dennoch vieles erhalten, weil die Weseler Schätze zuoberst lagerten und in Teilen gerettet werden konnten. Schlimmer gelitten hat allerdings die damals noch vom Konrad-Duden-Gymnasium bewahrte Bibliothek des Humanisten Heresbach. Drei Viertel seiner Sammlung gingen verloren.
Dem erhaltenen Erbe verdankt das Stadtarchiv kostbare „Wiegendrucke“, das sind die frühesten Druckwerke aus den Jahrzehnten vor 1500, bildschöne Atlanten – und eine völlig unscheinbare Rarität: Dieses juristische Werk aus dem niederländischen Zutphen, erklärt Dr. Roelen ohne falsche Beschönigung, sei deshalb „unser seltenstes Buch“ – weil es so schlecht gedruckt war. Die besseren Bibliotheken des Barock hätten diesen „unnützen Wiegendruck“ wohl in ihrer Zeit schlicht entsorgt – bis weltweit nur noch zwei Exemplare übrig blieben.
Gezieltes Aussortieren ist heute für einen Stadtarchivar wichtiger denn je. Schließlich hat sich die städtische Papier-Produktion im Vergleich zu früheren Jahrhunderten inflationiert. Den Ratsschreibern von 1460 bis 1560 genügte noch ein Bändchen im kostensparenden Schmalfolio-Format für vier Jahrgänge.
Ausgerechnet mit einem schwerhörigen Schreiber des 16. Jahrhunderts begannen die Wortgirlanden zu wuchern. „Er wollte seine Taubheit durch Vielschreiberei kompensieren“, erzählt Dr. Roelen. Der Archivar, der niederdeutsche Handschrift vom Blatt liest, räumt ein, er habe „manchmal nicht verstanden, was der wollte“.
Vor dem Sprach-Schwulst dieses Missetäters retteten sich die damaligen Stadtväter übrigens, indem sie ihn in den Rat wählten. Um Aufklärung im Kanzleideutsch bemüht sich das Stadtarchiv mit einer eigenen Schriftenreihe, den „Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel“. Für die nächste Publikation schreibt Dr. Roelen über die Edikte der Hansestadt bis 1600.
Eine feine Adresse neben der preußischen „Baeckerey“ ist auf der anderen Seite der Schillstraße ausgerechnet das alte Gefängnis: Hier arbeiten die dem Stadtarchiv angeschlossenen Buchrestauratoren, vereinen traditionelle Handwerkskunst mit modernster Papieranalyse. Hier sind die Schätze der Heresbach-Bibliothek bewahrt, mustergültig restauriert und gehüllt in edle Leinenschuber. Hier präsentiert Dr. Roelen auch eine fein restaurierte Zweitauflage von 1555 der „Fabrica“ des berühmtesten Weselers: des Anatomen Andreas Vesalius.
Über Privatkunden freuen sich die städtischen Bücherärzte ebenso wie über Buchpaten, deren gute Tat dann in einem „Exlibris“ in der Innenseite des frischen Einbands verewigt wird. Auch das Stadtarchiv steht Besuchern offen (dienstags bis donnerstags von 10 bis 16 Uhr) – mit einem Lesesaal, auf dessen freundliche Atmosphäre mit Backsteingewölbe, vollverglasten Regalen und moderner technischer Ausstattung alle städtischen Kellerarchive im Lande neidisch sein dürften.
Nur: Es rieselt immer noch leise in Preußens altem Mehllager. Aus dem Trockenziegelgefüge des Baudenkmals, das keineswegs unter Putz durfte, rinnt lautlos der Sand. Um die Festigkeit des Massivbaus mit drei Meter dicken Außenmauern muss niemand fürchten – aber zum Schutz des teuren Mikrofilm-Scanners ließ der Archivar einen blauen Baldachin spannen. So stilvoll drapiert sich eher selten die Verbindung von High-Tech und konservatorischer Akribie. hängen so am schonendsten: zwischen Spezialfolien, die Siegel in schützender Kapsel.
Kontakt:
Stadtarchiv Wesel
An der Zitadelle 2
46483 Wesel
0281 / 1 64 54 00
0281 / 1 64 53 97
archiv@wesel.de
Quelle: WAZ, 2.2.2004
Zwangsarbeit im Ostseeraum
Eine Wanderausstellung von Schülern, die sich in Ravensbrück mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben, ist seit gestern in der Mahn- und Gedenkstätte zu sehen. Als Ergebnis eines Projekts der Geschichtswerkstatt Rostock entstand die Wanderausstellung „Zwangsarbeit im Ostseeraum 1939-45“.
Projekt- und Wahlpflichtkurse an sechs Schulen in Mecklenburg-Vorpommern haben die Ausstellung gestaltet. Jugendliche haben vor ihrer Haustür begonnen zu fragen: Was geschah während des Zweiten Weltkriegs in meiner Stadt? Die Schülerinnen und Schüler recherchierten intensiv vor Ort sowie im Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
Viele Seiten des Themas sind auf den knapp 30 Ausstellungstafeln zu sehen, aber nicht alle Fragen konnten beantwortet werden. Wer mit- helfen möchte, diese Lücken zu schließen, indem er in seiner Region über Zwangsarbeit forscht, ist eingeladen, die Ausstellung zu erweitern.
Die Exposition in Ravensbrück erarbeiteten Schülerinnen und Schüler des Katharina-von-Hagenow-Gymnasiums Barth, der Integrierten Gesamtschule Borwin, des Wilhelm-von-Humboldt-Gymnasiums Rostock, des Herder-Gymnasiums Schwerin, der Bertolt-Brecht-Schule Wismar und der Regionalen Schule Gelbensande.
Im Seminarhaus der Internationalen Jugendbegegnungsstätte sind überdies seit gestern die Projektergebnisse einer zehnten Klasse des Gymnasiums Friedland vorgestellt. Die Schüler waren bei einem Gedenkstättenbesuch besonders beeindruckt von der Gastausstellung des Herinneringscentrum Kamp Westerbork „Lachen im Dunkeln – Amüsement im Lager Westerbork“. Die Beschäftigung mit „Lachen im Dunkeln“ wurde zur selbst gewählten Projektaufgabe.
Die Schüler informierten sich über das niederländische Durchgangslager Westerbork, über Musik und Unterhaltung im Alltag des Lagers und über Niederländerinnen in Ravensbrück. In Zeichnungen, Texten, Fotos, Collagen, dreidimensionalen Kunstobjekten sowie selbst gestalteten Flyern äußern sie sich über das, was sie in Ravensbrück erfahren haben.
Die Schülerin Annekathrin Baumgarten resümiert in einem Text über ihren Aufenthalt in Ravensbrück: „Ich würde es jedem empfehlen, solch eine Gedenkstätte zu besuchen, denn man kann so die Geschichte des eigenen Landes verfolgen und man sollte den Leuten, die dort ihr Leben gelassen haben, die nötige Ehre erweisen, die sie verdient haben.“
Quelle: Märkische Allgemeine, 26.1.2004
Freimaurer-Archiv fürs Stadtarchiv Mainz
Die Freimaurerloge „Freunde zur Eintracht“ hat ihr Archiv an das Mainzer Stadtarchiv übergeben. Die Dokumente der 1803 gegründeten Loge umfassen Protokolle, Rituale und Gelöbnisbücher aber auch private Briefwechsel und Mitgliederlisten.
Das Archiv hat eine lange Reise hinter sich: 1934 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, wurde es 1945 nach Moskau gebracht und Ende der 1950er Jahre an das DDR-Zentralarchiv zurückgegeben. Nach der Wiedervereinigung wurde es im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin aufbewahrt. Von dort lieh die Mainzer Loge ihr Archiv zum 200. Geburtstag voriges Jahr aus und entschied sich, es zu behalten.
Ironie des Schicksals: Gerade dieser Odyssee verdanken die Dokumente ihren Erhalt, denn das Logenhaus in der Emmeranstraße wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, so der Meister des Stuhls, Joachim Dahm. Weil die Freimaurer keine Archivbetreuung leisten können, wird die Sammlung nun vom Stadtarchiv gepflegt. Die Eigentumsrechte verbleiben bei der Loge.
Kulturdezernent Peter Krawietz dankte der Loge, der im 19. Jahrhundert die Cr´Zme der Gesellschaft angehörte. Unter ihren Mitgliedern fänden sich viele bekannte Namen wie Schott, von Zabern oder Kupferberg. Das Stadtarchiv hofft auf Interesse nicht nur von Wissenschaftlern, sondern auch interessierten Bürgen, so Archivdirektor Wolfgang Dobras: „Die Dokumente geben neue Impulse für die Stadtgeschichtsforschung.“ Die Freimaurerloge sei sowohl der älteste, als auch am besten dokumentierte Verein in Mainz.
Die Sammlung sei auch deshalb sehr bedeutend, weil sie nicht nur amtliches Schriftgut, sondern auch gesellschaftliche Strömungen dokumentiere
Kontakt:
Stadtarchiv Mainz
Rheinallee 3 B
55116 Mainz
Telefon (0 61 31) 12 21 78
Telefax (0 61 31) 12 35 69
stadtarchiv@stadt.mainz.de
Quelle: Main-Rheiner, 31.1.2004
Illegales Privatarchiv in Naumburg ausgehoben
Bei zwei Hausdurchsuchungen in Naumburg sind eine Unmenge historischer Archivalien beschlagnahmt worden. Nach ersten Schätzungen haben die sichergestellten Dokumente einen Gesamtwert von rund 160.000 Euro. Der Unterschlagung verdächtigt wird ein 52-jähriger Mann, der bis Juni 1994 als Archivar im Naumburger Stadtarchiv beschäftigt war.
Bei dem beschlagnahmten Gut handelt es sich nach Angaben von Oberstaatsanwalt Jürgen Neufang um Bilder, Briefe, Fotografien, Bücher, Grafiken und weitere wertvolle Dokumente. Der überwiegende Teil dieser Archivalien, so ergaben erste Recherchen, stammen aus den Beständen des Naumburger Stadtarchivs. Zirka 130 Dokumente soll der Naumburger im vergangenen Jahr aus dem Landesarchiv, das sich im Merseburger Schloss befindet, entwendet haben. Der Verdächtige war zu dieser Zeit dort als ABM-Kraft beschäftigt.
Derzeit ist die Staatsanwaltschaft dabei, die zum Teil hochrangigen Kunstschätze wie Bilder aus dem Nachlass des bekannten Künstlers Max Klinger (1857 bis 1920) zu sichten. Unter anderem hatte der Naumburger ein Ölgemälde Klingers in München zum Verkauf angeboten. Dort kam es zur Strafanzeige. Seither wird ermittelt.
Kontakt:
Stadtarchiv Naumburg
Kramerplatz 1
06618 Naumburg (Saale)
Telefon: 03445 / 270 40
Telefax: 03445 / 270 422
archiv@museumnaumburg.de
Quelle: Naumburger Tageblatt, 30.1.2004
Anmeldung zum 15. Int. Archivkongress in Wien 2004
Der 15. Internationale Archivkongress, der unter dem Leitthema „Archive, Gedächtnis und Wissen“ steht, wird vom 23. bis 29. August 2004 in Wien, Österreich, stattfinden.
Das Österreichische Staatsarchiv (ÖStA) und der Internationale Archivrat (ICA) geben bekannt, dass die Registrierung für den 15. Kongress ab sofort online möglich ist. Um eine optimale Planung zu ermöglichen, wird darum gebeten, die Teilnahme bis zum 31. Mai 2004 registriert zu haben.
Die Kongress-Webseite enthält Informationen über die Anmelde- und Zahlungsmodalitäten, Hotelreservierungen, Touren, sowie das volle (vorläufige) Programm, eine Übersicht über die verschiedenen ICA Meetings, das Rahmenprogramm, eine Liste der Referentinnen und Referenten und andere nützliche Hinweise.
Kongress Webseite: http://www.wien2004.ica.org
E-mail: mailto:wien2004@ica.org or mailto:ica@ica.org
Fragen zur Registrierung: mailto:ica2004@ahr-aims.com
Der 15. International Archivkongress in Wien wird ein Treffpunkt für über 2000 Archivarinnen und Archivare aus aller Welt sein. Das diesjährige Format erschließt Neuland, in dem es den Teilnehmer ermöglicht, in mehreren Parallelveranstaltungen einen aktiven Diskurs zu führen durch Diskussionsrunden, Seminare, und Workshops, aber auch herkömmliche Vorträge. Über 500 Archivarinnen und Archivare, sowie Fachleute verwandter Berufssparten werden an ihrem Fachwissen teilhaben lassen, sich über Erfolge und Misserfolge austauschen, ihre Pläne und Meinungen der Fachwelt vorstellen. Es werden über 160 Veranstaltungen angeboten, viele mit Simultanübersetzungen.
Wer kann teilnehmen?
Der Kongress steht Archivarinnen und Archivare jeglicher Position und Ausbildungsstufe offen, von jeder Sparte des Fachgebietes weltweit, von den Direktoren und Nationalarchivaren, über erfahrene Fachleute mit Interesse an internationaler Zusammenarbeit, bis hin zu jungen Archivarinnen und Archivare sowie Studenten der Archivwissenschaft. Neuzugänge sind herzlich willkommen.
Kommen Sie nach Wien für diese einzigartige Gelegenheit von den neuesten Entwicklungen in der Archivwelt zu profitieren und Ihre internationalen Kolleginnen und Kollegen kennen zu lernen – und natürlich Spaß zu haben!
Kontakt:
Conseil international des Archives
International Council on Archives
60 rue des Francs-Bourgeois
75003 PARIS – France
Fax : 33 (0)1 42 72 20 65
E-mail secretariat : ica@ica.org
Web: www.ica.org
Congress: www.wien2004.ica.org
Neue Impulse für das Gedächtnis Kassels
Es war eigentlich ein unmögliches Vorhaben, als die Stadt Kassel 1978 beschlossen hat, ein stadtgeschichtliches Museum zu gründen. Sie hatte weder ein Haus als Sammlungsort zur Verfügung noch nennenswerte Geldmittel, um Erwerbungen finanzieren zu können. Außerdem fragten viele, was denn in einer Stadt, die im Kriege total zerstört wurde, gefunden und gesammelt werden solle?
Doch mit zwei Faktoren hatten die Skeptiker nicht gerechnet: Mit der spontanen Bereitschaft vieler Bürger, sich für den Aufbau eines solchen Museums zu engagieren, Freizeit zu opfern und Zeugnisse zu stiften, und mit der Umtriebigkeit und Hartnäckigkeit des zum Museumsleiter berufenen Historikers und Lehrers Karl-Hermann Wegner. Der hatte das Interesse für die Geschichte seiner Vaterstadt mit der Muttermilch eingesogen.
In seinem Kinderzimmer in der Rhön, wohin die Familie nach der Bombardierung Kassels evakuiert worden war, hatte ein Foto des Kulturhauses am Ständeplatz gehangen. Dort war nämlich sein Onkel zur Vorschule gegangen. Dass dieses Haus einmal der Sitz des von ihm aufgebauten Museums werden würde, erscheint im Nachhinein geradezu schicksalhaft.
Noch ein zweites Bild hat ihn in der Jugend geprägt − das Gemälde „Kassel vom Ballon aus“, das Wilhelm Lüttebrandt 1898 geschaffen hatte. Es vermittelt auf großartige Weise die Idee von der ehemaligen Residenzstadt, die sich im Zeichen der Industrialisierung in alle Richtungen ausbreitete. Es ist Wegners ganzer Stolz, dass heute das Bild zum Museumsbestand gehört.
Bereits als Lehrer hatte sich Wegner für die Stadtgeschichte eingesetzt. Unter seinem Vorsitz wuchs der Geschichtsverein von 160 auf 450 Mitglieder, und es wurden erste historische Stadtspaziergänge organisiert. Im Gegensatz zu vielen anderen war Wegner überzeugt, dass es noch zahlreiche Spuren der alten Stadt gebe. Nur mit dieser Überzeugung konnte er auch den Museumsaufbau wagen, denn als er in einem Hinterzimmer im Stadtarchiv seine Arbeit begonnen hatte, war der Bestand nicht größer als der Inhalt einer Vitrine.
Heute ist der Bestand kaum überschaubar, denn das, was im Stadtmuseum gezeigt wird, ist nur ein Bruchteil. Vier prall gefüllte Depots sind für das Museum und die Stadtverwaltung eine ständige Mahnung, mehr Raum für das Gedächtnis der Stadt zu schaffen. Wegner: „Hinter dem Gebäude ist genügend Platz für einen großzügigen Anbau.“ Aber unvergessen ist für ihn, dass eigentlich für das Museum der Wiederaufbau des Karlshospitals zugesagt worden war.
Mit einem Anfangs-Ankaufetat von 5.000 D-Mark (heute stehen für Anschaffungen aller Art 16 .000 Euro zur Verfügung) wäre das Stadtmuseum nie über eine Keimzelle hinausgekommen. Aber die Idee ergriff viele Menschen. Der Verein der Freunde des Stadtmuseums hat mit seinen jetzt 1.600 Mitgliedern nicht nur wesentliche Erwerbungen und Stiftungen ermöglicht, sondern hat durch ehrenamtliche Mitarbeit überhaupt erst einen ordentlichen Museumsbetrieb gewährleistet. Heute gehören zum Stab neben dem Direktor als zweiter Wissenschaftler Dr. Alexander Link und Magazinverwalter Manfred Söder.
Im Laufe der Jahre fanden sich doch viele historische Zeugnisse in der Stadt. Den größten Teil allerdings spürten Wegner und seine Mitarbeiter außerhalb auf. Und wo viel Geld verlangt wurde, setzte man auf Überredungskunst. In den meisten Fällen konnte Wegner überzeugen, auch wenn er manchmal in die Rolle des Seelsorgers gedrängt wurde. So konnte er wohl die Kassel-Sammlung von Elisabeth Fenge (Bad Arolsen) übernehmen. Doch bevor das Stadtmuseum das Erbe antreten durfte, musste der Direktor sich um die Gestaltung der Trauerfeier kümmern.
In den jetzigen Räumen kann die Sammlung nur lückenhaft sein. Aber dank zweier großer Modelle gewinnt man eine Vorstellung von der Stadt. Das eine Modell zeigt Kassel, bevor im 18. Jahrhundert die Festungsmauern fielen, das andere erinnert an die ausgebrannte Stadt.
Kontakt:
Stadtmuseum Kassel
Ständeplatz 16
34117 Kassel
Tel.: 0561 / 787-1400
Fax: 0561 / 787-4102
kulturamt@stadt-kassel.de
Quelle: Hessische Allgemeine, 30.1.2004
