Brennende Leichen im KZ, Kampfszenen in der Normandie, zerbombte deutsche Städte: Das britische Nationalarchiv veröffentlicht fünf Millionen Luftbilder aus dem Zweiten Weltkrieg im Internet – Dokumente des Schreckens, in ihrer Schärfe von beklemmender Wirkung.
Es war der 23. August 1944, als der Pilot an Bord der britischen Aufklärungsmaschine die deutschen Baracken in Polen überflog und der Auslöser seiner Kamera wie ein Maschinengewehr zu rattern begann. Es sollte fast 60 Jahre dauern, ehe die Bedeutung der Bilder erkannt wurde.
Eines der Fotos zeigt das Konzentrationslager von Auschwitz auf dem Höhepunkt des Vernichtungswahns. Auf dem Bild wälzt sich eine weiße Wolke über das Land. Sie stammt nach Angaben des Nationalarchivs aus einem Massengrab und nicht aus dem Schornstein eines Krematoriums. 1943 und 1944 wurden rund 430.000 ungarische Juden in Auschwitz ermordet – zu viele, um in den Verbrennungsöfen des Vernichtungslagers eingeäschert zu werden. Auf dem gestochen scharfen Foto sind sogar Häftlinge beim Zählappell zu erkennen.
Einzelne Menschen auf Luftbildern zu erkennen
„Die Bilder haben mich sehr bewegt“, sagt Allan Williams von den britischen Aerial Reconnaissance Archives an der Keele University. „Meines Wissens gibt es sonst keine Aufklärungsfotos von Auschwitz aus dieser Zeit.“ Warum das Foto erst jetzt entdeckt wurde, kann Williams nur vermuten. „Die Analysten achteten damals vielleicht zu einseitig auf militärisch Verwertbares.“
Williams führt ein Projekt an, das weltweit seinesgleichen sucht: Das britische Nationalarchiv stellt ab dem heutigen Montag auf einer eigens eingerichteten Internetseite fünf Millionen Luftaufnahmen vom Europa unter deutscher Besetzung bereit. Die Bilder zeigen neben Nazi-Gräueln auch die Landung der US-Truppen an der französischen Atlantikküste im Juni 1944 – so detailreich, dass im Wasser treibende Leichen zu erkennen sind.
Ein weiteres Bild zeigt das deutsche Schlachtschiff „Bismarck“, wie es sich im Mai 1941 in einem norwegischen Fjord versteckt – sieben Tage vor seiner Versenkung durch britische Streitkräfte. Auch die Zerstörung deutscher Städte wurde ausführlich dokumentiert, wie ein Foto von Köln zeigt, auf dem die durch alliierte Bomben völlig zerstörte Stadt am 18. Juni 1945 zu sehen ist.
Der Andrang auf die Webseite war so groß, dass sie auch am zweiten Tag nach dem Start praktisch nicht zu erreichen war. „Die Bilder erlauben uns, den wirklichen Krieg aus erster Hand zu begreifen“, sagt Williams. Die Fotos erzählen dramatische Geschichten und sind nicht selten auf ebenso dramatische Weise entstanden. Die Piloten überflogen in meist unbewaffneten Maschinen ihre Ziele allein und in geringer Höhe, um möglichst scharfe Bilder zu bekommen. Der britische Pilot Michael Suckling etwa überlebte sein für die Versenkung der „Bismarck“ entscheidendes Foto nur um einen Monat.
Schlüsselrolle für Spionagepiloten
Historiker Williams und seine Kollegen räumen den Aufklärungspiloten und den Foto-Analysten für den Ausgang des Kriegs eine ähnliche Bedeutung zu wie den Codeknackern von Bletchley Park, denen Anfang 1943 die Entschlüsselung der deutschen „Enigma“-Kodiermaschine und damit das Abhören des deutschen Funkverkehrs gelang. „Keine Offensive, weder ein Luftangriff, die Landung einiger Soldaten an einem Strand oder die Invasion einer ganzen Armee“ seien ohne die Auswertung des Bildmaterials möglich gewesen.
Ob das Auschwitz-Foto, wie die britische Zeitung „The Guardian“ schreibt, durch seine Veröffentlichung Hunderttausende von Leben hätte retten können, dürfte indes fraglich sein. London und Washington wussten nicht nur durch die entschlüsselte „Enigma“-Maschine schon seit Anfang 1943, was in Auschwitz geschah. Die Alliierten waren, wie der Freiburger Historiker Gerd Ueberschär 1999 belegen konnte, spätestens seit Februar 1943 durch den Ex-Diplomaten Jan Karski über den Massenmord an den Juden informiert.
In fünf Jahren 40 Millionen Bilder
Dennoch dürfte die Datenbank für Historiker allein wegen ihrer schieren Größe von unschätzbarem Wert sein. Auch für die Suche nach Blindgängern in Deutschland werden noch heute die Luftbilder der Alliierten benutzt, die kurz nach Bombenangriffen entstanden sind. „Die Bilder wurden schon vor Jahren freigegeben“, erklärt Williams. „Aber es dauerte Tage, um ein einzelnes Bild zu finden. Jetzt braucht man nur noch Sekunden.“
Künftig soll das Internet-Archiv weit mehr als die derzeit verfügbaren fünf Millionen Bilder enthalten. „Nach den Fotos des besetzten Westeuropas werden wir über zweieinhalb Millionen Bilder katalogisieren, die die deutsche Luftwaffe über Osteuropa geschossen hat“, betont Williams. In den nächsten fünf Jahren soll die Webseite Zugang zu mehr als 40 Millionen Luftbildern aus aller Welt seit 1938 bieten. „Am Ende werden Luftaufnahmen aller britischen Feldzüge von der Suezkrise über den Korea- und den Falklandkrieg bis hin zu den Golfkriegen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.“
Link: http://www.evidenceincamera.co.uk/
Kontakt:
The National Archives (PRO)
Kew, Richmond, Surrey,
TW9 4DU
United Kingdom
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www.nationalarchives.gov.uk
Quelle: SPIEGEL Online, 19.1.2004
LWL-Medienzentrum erschliest historische Bildersammlung
So sah es aus zu Großvaters Zeiten in Brakel und Bad Driburg, in Steinheim und Hoexter, in Warburg und Willebadessen oder anderenorts in der Region zwischen Egge und Weser. Ueber 3.000 historische Fotos, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) jetzt digitalisiert in das Bildarchiv seines Westfaelischen Landesmedienzentrum eingestellt hat, dokumentieren, wie die Orte der Region Hoexter/Warburg vor 30, 40 oder 50 Jahren aussahen. 'Viele Aufnahmen stammen sogar aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg', erklaert Kerstin Burg, die die Fotos in zweijaehriger Arbeit inhaltlich erschlossen, per Computer betextet und mit Schlagworten versehen hat, damit beispielsweise interessierte Heimatforscher und Buchautoren ein gesuchtes Motiv schneller finden koennen.
Der Hauptteil der Sammlung entstand in den 1950er bis 1970er Jahren. In den zwei Jahrzehnten nach 1949 vollzogen sich rasante Veraenderungen in den Doerfern und Staedten. 'Die Fotografen des LWL haben den Wandel vieler Ortsbilder und Landstriche ueber die Jahre mit der Kamera festgehalten. Und so koennen die Historiker und Geographen von heute, Heimatvereine, Schulen oder interessierte Buerger Einblick nehmen in die Gegenwart' von damals', so Burg. Die Bildersammlung Hoexter/Warburg ist nur eine von vielen Sammlungen, die das Archiv des LWL-Landesmedienzentrums seit seiner Gruendung 1986 erhalten hat – aus oeffentlichen und privaten Quellen und aus dem Schaffen vieler Fotografen: Ueber 300.000 historische und aktuelle Bilder darunter auch Luftaufnahmen aus allen Regionen Westfalens lagern im Archivsaal des Westfaelischen Landesmedienzentrums in Muenster. 'Und jaehrlich waechst der Bestand', so die Dokumentarin: 'Denn haeufig muessen Kommunen ihre Bildarchive aufgeben oder Fotografen hinterlassen ein Lebenswerk mit ungesichertem Verbleib – in solchen Faellen sind wir Ansprechpartner und Auffangstation.'
Und was geschieht mit diesen Bilderbergen? 'Zunaechst sichern wir die Bilder archivarisch, um sie vor dem Verfall zu bewahren. Anschließend digitalisieren wir die Sammlungen Bild fuer Bild, analysieren und dokumentieren jedes einzelne Foto und stellen das wertvolle Kulturgut so schnell wie moeglich zur oeffentlichen Nutzung bereit', erklaert Burg. Inzwischen koennen Interessierte mehr als 33.000 Bilder am Bildschirm sichten und auf Wunsch per Mail uebermittelt oder digital reproduziert bekommen. Im LWL-Bildarchiv finden sich Fotos zu den Themen Siedlung und Landschaft, Kunst, Kultur, Architektur, Wirtschaft, Landesgeschichte und Alltagsleben in Westfalen. 'Es war wichtig, zunaechst einen repraesentativen Querschnitt durch saemtliche Lebensraeume und Wirtschaftsregionen Westfalens zu archivieren – in allen Facetten zwischen Kaisers Zeiten und Solarkraftwerk', erlaeutert die Geographin und Soziologin. 'Die Nachfrage sowohl nach aktuellen wie nach historischen Fotos wird immer groeßer: fuer Publikationen, Ausstellungen oder andere Anschauungszwecke.
Als zusaetzlichen Service stellen wir das Bildarchiv im Laufe dieses Jahres ins Internet. Dann kann man bei der Recherche und Bildsichtung am Schreibtisch virtuell von Rahden bis Siegen, von Bocholt bis Blomberg – durch 150 Jahre westfaelische Geschichte reisen', so Burg. Schon jetzt erhalten Interessierte erste Einblicke in das Bildangebot des LWL-Bildarchivs unter:
www.westfaelisches-landesmedienzentrum.de.
Kontakt:
Westfälisches Landesmedienzentrum
Warendorfer Straße 24
48145 Münster
Briefadresse: 48133 Münster
Tel.: 0251 / 591-3902
Fax: 0251 / 591-3982
medienzentrum@lwl.org
Quelle: „LWL-Pressestelle“, <presse@lwl.org>, 20.1.2004
Neuerscheinung: Zwangsarbeit in der Kirche
Zwei Jahre lang haben die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) und die Diakonischen Werke (DWHN und DWKW) beider Regionen nach Spuren von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in ihren Einrichtungen während des Dritten Reiches suchen lassen. Das Ergebnis steht nun fest: 261 Personen konnten namentlich nachgewiesen werden. Der Marburger Historiker Dirk Richhardt, der im Auftrag von Kirche und Diakonie geforscht hat, stellte heute in Frankfurt das Buch mit den Ergebnissen der Untersuchungen vor. Bei der Präsentation wurden viele Zahlen, aber keine konkreten Orte – etwa in unserer Region – genannt. Wer sich dafür interessiert, sollte sich das Buch – mit 6 Euro durchaus erschwinglich – kaufen (Angaben am Ende des Artikels)
Der Autor sagte – nach Angaben der Evangelischen Kirchen und Diakonie heute -, er habe zwar „mit dem feinst möglichen Sieb nach Spuren gesucht“. Es sei aber nicht auszuschließen, dass es noch mehr Betroffene gegeben habe. Das jetzt veröffentlichte Ergebnis basiere auf allen heute zugänglichen Akten in den etwa 30 Archiven und 10 Dokumentationsstellen in ganz Deutschland, insbesondere in den beiden Kirchengebieten, das Hessen und Teile von Rheinland-Pfalz und Thüringen umfasse, sowie auf Berichten von Augenzeugen und Unterlagen in den Einrichtungen selbst.
Demnach haben neun Menschen zwangsweise Hausarbeit in evangelischen Pfarrhaushalten geleistet. Von den insgesamt 313 Diakonischen Einrichtungen haben 26 Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter beschäftigt, insgesamt 252 Menschen. Bei 39 Prozent von ihnen konnte nachgewiesen werden, dass sie in der Garten- und Feldbewirtschaftung eingesetzt waren, 21 Prozent in der Hauswirtschaft, wenige auch in der Pflege von Kranken oder Behinderten selbst. Die 261 Personen in diesem Bereich hätten 0,4 Prozent aller Zwangsarbeiter im Gebiet von Hessen ausgemacht. Dort wurden für das Jahr 1944, dem Jahr mit der höchsten Anzahl, 170.000 Personen nachgewiesen, die Zwangsarbeit verrichten mussten.
Mit 44 Prozent kamen fast die Hälfte der Betroffenen aus Polen, 34 Prozent stammten aus der damaligen Sowjetunion, 12 Prozent aus West- und Nordeuropa gekommen. Der Frauenanteil betrug 54 Prozent. Das Alter der Frauen lag zwischen 15 und 68 Jahren und das der Männer zwischen 14 und 67, wobei die Mehrzahl, etwa 33% der zur Arbeit Gezwungenen, Anfang Zwanzig war. Der Altersdurchschnitt lag mit 28,6 Jahren etwa sechs Jahre über dem Durchschnitt der Zwangsarbeiter im damaligen Reichsgebiet.
Richhardt wies weiter darauf hin, dass der Begriff Zwangsarbeit erst nachträglich geprägt worden sei. In der NS-Zeit habe es ihn noch nicht gegeben. Die betroffenen Personen seien in der Tradition der „Fremdarbeiter“ gesehen worden, wie sie bereits vor dem „Dritten Reich“ als Wander- oder Saisonarbeiter auch freiwillig gekommen waren. Die zwangsweise Verschleppung, die dann im Laufe des Krieges einsetzte, sei offenbar nur wenigen bekannt gewesen. In den kirchlichen Einrichtungen waren die Betroffenen meist in den normalen Arbeitsalltag integriert gewesen. Allerdings wurden sie entsprechend der rigiden staatlichen Vorschriften separat und schlechter untergebracht und sehr viel schlechter bezahlt als andere Arbeiter.
Richhardt: „Die Recherche, insbesondere die subjektiven Quellen wie Briefe und Gespräche mit den Zeitzeugen legen den Schluss nahe, dass sich viele Mitarbeitende in den kirchlichen Einrichtungen in hohem Maß an die Normalität des Unrechtes in diesen Jahren gewöhnt hatten und – ähnlich wie die Mehrheit der Gesellschaft – versucht habe, ihr persönliches Leben darin „so normal wie möglich“ zu gestalten. Viele kirchliche und diakonische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich im persönlichen Umgang durchaus human verhalten, sich gegenüber der politischen Dimension des Unrechts aber dennoch gleichgültig gezeigt.“
Der Autor erinnert in seiner Publikation außerdem daran, dass viele der größeren Einrichtungen unter staatlicher Verwaltung gestanden hätten. So sei etwa der Leiter der Nieder-Ramstädter Diakonie bei Darmstadt, Pfarrer Schneider, inhaftiert gewesen. Unter der Leitung eines Kommissars sei auf dem Gelände der Nieder-Ramstädter Heime dann ein Auffang- und Durchgangslager für Zwangsarbeiter eingerichtet worden, in dem auch die kirchlichen Beschäftigten arbeiten mussten. Richhardts Forschung förderte auch „Widerständigkeiten“ zu Tage. So gelang es dem Pfarrer von Oberweimar bei Marburg, einer vorbeiziehenden Wehrmachtseinheit zwei Frauen „abzunehmen“, die dann im Pfarrhaus arbeiteten. Dies offenbare durchaus persönlichen Mut und Verantwortungsgefühl. Ob durch solche Aktionen das System Zwangsarbeit gemildert werden konnte, sei allerdings zweifelhaft, weil „der Bedarf dann durch neue Verschleppte gedeckt“ worden sei.
Der Historiker warnte vor kurzschlüssigen Bewertungen. Es sei schwer, die komplexe Lebenswirklichkeit dieser Jahre von heute aus gesehen zu durchdringen und zu bewerten: „Zu unterschiedlich waren die Einzelschicksale, zu spröde oft das Quellenmaterial.“ Besonders tragisch sei, dass viele der 1945 heimkehrenden Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter zuhause als „Kollaborateure“ eingestuft und in Lagern inhaftiert worden waren. Aus diesem Grund hätten viele bis heute diesen Teil ihrer Biografie verschwiegen. In dem Buch habe man deshalb auch keine Namen veröffentlicht und habe sehr sorgsam auf den Persönlichkeitsschutz geachtet, um die Rechte dieser Menschen nicht noch einmal zu verletzen.
Der nordhessische Bischof Dr. Martin Hein (EKKW) nannte das Forschungsergebnis ob der methodisch soliden Arbeit und der ans Licht gebrachten Erkenntnisse „beeindrucken und bedrückend zugleich“. Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck fühle gegenüber den in ihren Einrichtungen beschäftigten Zwangsarbeitern Schuld und Verpflichtung. Die Kirche sei dankbar für Begegnung mit den Betroffenen und sehe es als ihre Aufgabe an, „auch hier den Weg der Versöhnung zu beschreiten.“
Die Kirchen und ihre Diakonischen Werke sind über die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beteiligt in der bundesweiten Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Um ihre gesamtgesellschaftliche Mitverantwortung auch an diesem Punkt deutlich zu machen, hat die EKD im Herbst 2000 einen Betrag von zehn Millionen Mark an die Bundesstiftung gezahlt, der anteilig von den Gliedkirchen der EKD und deren Diakonischen Werken aufgebracht wurde..
Nach Auskunft der Pressesprecherin des Diakonischen Werkes von Hessen und Nassau, Kathleen Niepmann, versuchen die Evangelischen Kirchen und die Diakonischen Werke nun, mit den Betroffenen in Kontakt zu kommen. Entsprechende Anfragen seien bereits vor Monaten an die Partnerorganisationen in den fraglichen Herkunftsländern gestellt worden. Vereinzelt seien auch schon Ergebnisse zu verzeichnen. Gerne wolle man die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einladen. Viele seien interessiert, noch einmal an ihre ehemaligen Arbeitsstätten zu kommen und ehemalige „Kolleginnen“ zu treffen. Das helfe ihnen, mit den Erfahrungen und dem Leiden von damals heute besser fertig zu werden. Diese Erfahrung sei bei über 20 Begegnungstreffen, die die Evangelische Kirche in den vergangenen Jahren mit Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern aus Weißrussland organisiert habe, immer wieder gemacht worden.
Info:
Das Buch ist unter dem Titel „Zwangsarbeit im Bereich von evangelischer Kirche und Diakonie in Hessen“ als Band 8 in der Schriftenreihe „Quellen und Studien zur hessischen Kirchengeschichte“ erschienen. Es kostet sechs Euro und kann über den Buchhandel, die evangelischen Kirchen oder die diakonischen Werke bestellt werden. (Bestelladresse bei der EKHN per Email: info@ekhn.de oder FAX: 06151 / 405-441.)
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Kontakt:
Öffentlichkeitsarbeit der EKHN
Paulusplatz 1
64285 Darmstadt
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E-Mail: info@ekhn.de
Quelle: Osthessen News, 19.1.2004
Brilon erschwert Aktenzugang im „Opa-Streit“
Eine Woche nachdem Lokalhistoriker in einer Kleinstadt im Sauerland mit ihren Recherchen begannen, hat der „Opa-Streit“ um fragwürdige Äußerungen von Unionsfraktionsvize Friedrich Merz die bundespolitische Bühne erreicht. So meldeten sich gestern Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dieter Wiefelspütz und Sebastian Edathy, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus in der SPD-Bundestagsfraktion, zu Wort. Vor Ort, in Merz Heimatort Brilon, hat unterdessen die Stadtverwaltung versucht, die Forschungsmöglichkeiten für Lokalhistoriker und Pressevertreter zu erschweren.
Der Erste Beigeordnete der Stadt Brilon, Reinhard Sommer, erteilte gestern eine mündliche Dienstanweisung an alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Unterlagen des Briloner Stadtarchivs zum Verhalten von Merz Großvater, des ehemaligen Bürgermeisters Josef Paul Sauvigny, dürfen demnach nur noch nach ausdrücklicher Genehmigung Sommers veröffentlicht werden. Der Beigeordnete bestätigte dieses Vorgehen gegenüber der taz. „Das ist mein Recht als Beigeordneter“, sagte Sommer. Anfragen für weitere Archivmaterialien werde er „schnell und in üblicher Weise“ bearbeiten.
Anders als der derzeitige Briloner Bürgermeister Franz Schrewe (SPD) gehört der Beigeordnete Sommer der CDU an. „In Wahrheit ist die taz gar nicht an Sauvigny interessiert, sondern will nur Friedrich Merz in eine rechte Ecke stellen“, sagte Sommer.
Informanten der taz waren vergangene Woche im Briloner Stadtarchiv auf NS-freundliche Äußerungen Sauvignys gestoßen. Sauvignys Enkel Friedrich Merz hatte auf einer Parteiversammlung am 6. Januar in seinem sauerländischen Heimatort Brilon dazu aufgerufen, das „rote Rathaus“ der Stadt „zu stürmen“. Zur Begründung verwies er auf seinen Großvater, der im Nationalsozialismus bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1937 Bürgermeister des Orts war.
Sein Großvater habe „von 1917 bis 1937“ als Bürgermeister amtiert. Ihn, Merz, erfülle daher „mit tiefem Grausen“, dass derzeit „ein roter Bürgermeister“ amtiere. In keiner Gemeinde des Hochsauerlandkreises engagiere er sich so gern persönlich, wenn es darum gehe, „ein rotes Rathaus zu stürmen“. Diese Äußerungen bestätigten gegenüber der taz übereinstimmend drei Teilnehmer der Veranstaltung, bei welcher der CDU-Bürgermeisterkandidat für die Kommunalwahl aufgestellt wurde.
Vor drei Monaten hatte Merz sich bereits in einem Interview mit dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel affirmativ auf seinen Großvater bezogen. Auch damals bezog sich Merz auf die Amtszeit des Bürgermeisters. „Das war mein Großvater immerhin zwanzig Jahre von 1917 bis 1937“, sagte er in dem autorisierten Interview vom 28. September vergangenen Jahres. Grünen-Chef Bütikofer warf Merz gegenüber der taz vor, „die politische Auseinandersetzung zwischen den Parteien in einen geistigen Bürgerkrieg zu verwandeln – und das nicht zum ersten Mal“.
Quelle: taz Nr. 7262, 20.1.2004, S. 7
Grapschender Hofrat ins Archiv versetzt
Erneut wurde ein Skandal um einen hohen Beamten der Landesregierung der Steiermark bekannt. Eine Sekretärin war monatelang den unerträglichen sexuellen Belästigungen ihres Chefs ausgesetzt. Ob es – wie in einem anderen Fall – zu einer gerichtlichen Verurteilung des Täters kommt, ist jedoch fraglich.
Der betroffene Hofrat, der seit seiner Publikation „Protokoll mit Zeremoniell und Etikette“ im Land als Experte für heikle Benimmfragen gilt, dürfte gegenüber einer ihm unterstellten Frau nicht nur die Etikette über Bord geworfen haben. Der ehemalige Protokollchef des Landes quälte seine Sekretärin mit diversen Übergriffen. Dabei wurde der Frau abwechselnd mit unangenehmen Konsequenzen gedroht oder eine Beförderung versprochen, sollte sie etwas erzählen beziehungsweise schweigen. Die mittlerweile schwer kranke Frau wandte sich schließlich an die Gleichbehandlungsbeauftragte des Landes, Ingrid Jauk.
Wie Jauk bestätigte, bat der Mann sein Opfer in einem Sechs-Augen-Gespräch um Entschuldigung, wonach die Frau alle weiteren Schritte einstellte. Die Sekretärin verzichtet damit auch auf einen Schadenersatz von bescheidenen 363,4 Euro, der ihr nach dem Landes-Gleichbehandlungsgesetz zustehen würde. Statt einer Bestrafung wurde ihr ehemaliger Chef mit 1. Jänner 2004 als Referent ins Landesarchiv versetzt.
Die ÖVP-Landeshauptfrau der Steiermark, Waltraud Klasnic, war am Mittwoch zu keinerlei Stellungnahme in der „Grapsch-Causa“ bereit. Ein Vorgehen, das ihr von den Frauensprecherinnen von SPÖ, FPÖ und den Grünen unisono als Vertuschung übel genommen wird. Die Grünen-Frauensprecherin Edith Zitz will Klasnic nun im persönlichen Gespräch konfrontieren. Denn Zitz selbst habe in ihrer Funktion als Landtagsabgeordnete wiederholt unter verbalen sexuellen Belästigungen eines ÖVP-Kollegen zu leiden gehabt.
Quelle: Der Standard, 15.1.2004
Meißen: Kein Geld mehr für Kultur
Die Meißener Stadträte diskutieren derzeit, ob die Gründung einer Kultur-GmbH beim Sparen hilft. Finanzbürgermeister Hartmut Gruner glaubt nicht daran. 2004 muss die Stadt für das Museum, die Bibliothek, das Archiv und das Theater rund 650.000 Euro ausgeben.
Etwa 360.000 Euro gab die Stadt Meißen für das Museum aus. 223 000 Euro wurden in die Bibliothek gebuttert. Ungefähr 31 000 Euro schluckte das Stadtarchiv, und knapp 36 000 Euro bekam das Theater aus der Haushaltskasse. In Summe sind das 650.000 Euro, die Meißen im vergangen Jahr für die Kultureinrichtungen ausgeben hat. Auch 2004 wird dieser Betrag gebraucht. So schätzt das Finanzbürgermeister Hartmut Gruner beim jetzigen Stand des Haushaltsplans ein. Angesichts der Meißner Finanzsituation – die Stadt hat ein Defizit von 6,5 Millionen, das sie in den nächsten Jahren abbauen muss – ist das eine große finanzielle Belastung.
„Wir haben dicke Köpfe“, sagt Gesine Augustin, die Fraktionsvorsitzende der CDU im Stadtrat. Die Räte wissen nicht, wie sie das Museum, die Bibliothek, das Archiv und das Theater in Zukunft finanzieren sollen. Ihr Plan ist es, die Einrichtungen in einer Kultur-GmbH zu vereinen, um damit Kosten zu sparen. „Ergeben sich bei dieser Umstrukturierung allerdings keine Sparmöglichkeiten, bin ich für gravierende Einschnitte“, sagt Gesine Augustin. Im Klartext hieße das: Einige städtischen Kultureinrichtungen müssten schließen.
Für Gruner steht das überhaupt nicht zur Diskussion. „Wir müssen die Häuser mit Leben füllen“, sagt er. Erst recht, weil die Gebäude umfangreich saniert wurden oder werden. Pessimistisch ist er allerdings, was den Nutzen der GmbH-Gründung betrifft. Gruner glaubt nicht an einen großen Spareffekt: „Es gibt keine rechtliche Sicherheit dafür, ob sich die tariflichen Bedingungen, unter denen die Mitarbeiter bisher angestellt sind, verändern lassen.“ Oberbürgermeister Thomas Pohlack hält aber an der Groß-GmbH fest: „Zehn bis 20 Prozent der Personalkosten würde das sparen.“ Die Vorbereitungen für den Superkulturbetrieb sind jedenfalls getroffen. „Der Gesellschaftervertrag der Theater-GmbH wurde dahingehend verändert, dass er wie ein Mantelvertrag aufgebaut ist, in den die anderen Kultureinrichtungen hineingesteckt werden können.“
Sparen hin, sparen her, SPD-Stadträtin Gundula Sell will weder die große Kultur-GmbH, noch auf eine der Einrichtungen verzichten. Sie plädiert dafür, die Theater-GmbH so zu lassen, wie sie ist und das Museum, die Bibliothek und das Archiv unter einen extra Hut zu bringen. „So könnten die Mitarbeiter flexibler eingesetzt und die Einrichtungen wirkungsvoller vermarktet werden.“ Nur das macht für die Stadträtin Sinn. Eines der Häuser zu schließen – „da müssten wir uns schämen.“ Für sie gehören die zur kulturellen Grundversorgung der Meißner. „Wir haben die Einrichtungen lange und mühsam bewahrt. Jetzt müssen wir sehen, dass wir sie durch optimale Strukturen am Leben erhalten.“ Das allein reicht Axel Sauer, dem Fraktionschef der PDS, nicht. Kultur ja, aber effektiv und sparsam arbeiten sollen die Einrichtungen, so die Haltung der PDS. Sauer ist für eine einheitliche Organisation der städtischen Kultur. „Wir haben von Anfang an den Vorschlag dafür gemacht. Beispiele in anderen Städten wie Riesa zeigen, dass es funktioniert“, sagt er. Die PDS jedenfalls würde nie ihre Zustimmung geben, wenn es hieße, Museum oder Bibliothek müssen schließen.
Kontakt:
Stadtarchiv Meißen,
Kleinmarkt 5,
01662 Meißen
http://www.stadt-meissen.de/
Quelle: Sächsische Zeitung, 16.1.2004
Interesse an Stasi-Akten ungebrochen
Auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Öffnung der Stasi-Archive in Ostdeutschland ist das Interesse an den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ungebrochen. „Monatlich werden bei uns immer noch mehr als 400 Anträge auf Akteneinsicht gestellt“, sagte Rüdiger Sielaff, Leiter der Außenstelle der Behörde für die Stasi-Unterlagen in Frankfurt (Oder).
„Das hat niemand geahnt. Als die Akten zugänglich wurden, dachten alle, bis Ende der 1990er-Jahre ist das Thema durch. Inzwischen fragt schon die nächste Generation nach den Akten“, sagt Sielaff. Kinder und Enkel wollten wissen, was die Akten der Eltern und Großeltern enthalten. Zudem müsse aus der Zeit der Antragsflut vor gut zehn Jahren noch ein Rückstau von knapp 4.000 Anträgen abgearbeitet werden. „Die Wartezeiten verringern sich aber.“ Wer von der Stasi nicht erfasst war, kann das laut Sielaff innerhalb von zwölf Wochen erfahren.
Die Wartezeiten hingen davon ab, wie schnell eine Akte gefunden werde, wie umfangreich sie sei und wie viele Informationen darin geschwärzt werden müssten. Die Bearbeitungszeit könne bis zu zweieinhalb Jahren dauern. „Davon sind etwa 10 bis 15 Prozent der Antragsteller betroffen.“ In der Oderstadt sind die Akten der einstigen MfS-Bezirksstellen Frankfurt und Cottbus zusammengefasst. Die Außenstelle beherbergt rund 10.000 laufende Regalmeter Akten. Die Behörde verwaltet zudem rund 3.000 Meter Film sowie 1.460 Säcke mit von der Stasi vernichtetem Material. „Es harrt der Rekonstruktion“, sagt Sielaff. Ein erheblicher Teil der Akten müsse erst noch gesichtet werden.
Kontakt:
BStU
Außenstelle Frankfurt (Oder)
Fürstenwalder Poststraße 87
15234 Frankfurt (Oder)
Tel.: (03 35) 60 68 – 0
Fax: (03 35) 60 68 – 24 19
e-mail: astfrankfurt@bstu.de
Quelle: Morgenpost (Berlin), 19.1.2004
Verdienstkreuz am Bande für Prof. Dascher
Das Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport teilt mit:
Im Namen von Bundespräsident Johannes Rau hat Manfred Morgenstern, Staatssekretär im Kulturministerium NRW, heute dem ehemaligen Leiter des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, Professor Dr. Ottfried Dascher, das Verdienstkreuz am Bande überreicht.
Der 1936 geborene Dascher hat sich vor allem um das Archivwesen der Wirtschaft in Forschung, Lehre und Praxis auf nationaler und internationaler Ebene verdient gemacht. Als Vorstandsmitglied im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare VdA (1977-1985) setzte er sich besonders für die Aus- und Weiterbildung junger Archivare in der Wirtschaft ein. „Sie haben sich durch Ihre langjährige Tätigkeit als Vorsitzender der Fachgruppe der Wirtschaftsarchive im VdA und im Vorstand der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare einen hervorragenden Ruf im In- und Ausland erworben“, würdigte Morgenstern den Ordensträger in seiner Laudatio. Von 1974 bis 1988 war Professor Dascher Sekretär und später Präsident des Ausschusses für Wirtschaftsarchivare im Internationalen Komitee für Wirtschaftsarchivwesen beim Internationalen Archivrat in Paris. Sein besonderes Anliegen dabei war, die deutschen Wirtschaftsarchivare mit dem Ausland zu vernetzen.
Daschers Engagement kam nicht zuletzt dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Dortmund zu Gute, das sich unter seiner nahezu zwanzigjährigen Leitung zu einem weit über die Landesgrenzen hinaus hoch angesehenen Institut mit Vorbildcharakter für Neugründungen in anderen Regionen der Bundesrepublik entwickelt hat. Seit 1974 nimmt Professor Dascher Lehraufträge zur Archiv- und Quellenkunde der Neuzeit sowie zu Themen der Landes- und Wirtschaftsgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum wahr. In Anerkennung seiner Verdienste in Forschung und Lehre wurde er 1980 zum Honorarprofessor ernannt.
Darüber hinaus wirkte er nahezu 25 Jahre als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte e.V. Dortmund. Der in Dortmund lebende Daschner hat sein Wissen stets engagiert den lokalen historischen Vereinen zur Verfügung gestellt, u.a. im „Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V.“ und in der Vereinigung von Freunden und Förderern der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund.
Quelle: Pressemitteilung Landesregierung NRW, 15.1.2004
NRW modernisiert seine Archiv-Landschaft
Die vier nordrhein-westfälischen Staatsarchive werden mit einer verbesserten Struktur und einem neuen Technischen Zentrum in Münster für die Zukunft gerüstet. Zum 1. Januar 2004 wurde das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Düsseldorf als zentrale Einrichtung gegründet. Die bisherigen Staats- und Personenstandsarchive an den Standorten Düsseldorf, Brühl, Detmold und Münster bilden künftig Abteilungen des von Prof. Wilfried Reininghaus geleiteten Landesarchivs.
In der historischen Speicherstadt Münster-Coerde entsteht das zentrale Technische Zentrum mit modernen Methoden und Geräten der Restaurierungstechnik. Rund 2,2 Mio. EUR investiert das Land in 2004/05 in das für einen Zeitraum von zunächst 15 Jahren angemietete Zentrum. „Archive sind keine staubigen Aktenkammern, sondern das Langzeitgedächtnis einer Gesellschaft. Die Modernisierung ist dringend nötig, um den Zerfall unersetzlicher Dokumente der Landesgeschichte zu verhindern“, erklärte NRW-Kulturminister Michael Vesper heute in Düsseldorf. Auch personell will er das Landesarchiv stärken.
Mit der Modernisierung der Archive folgt das Land den Empfehlungen von Unternehmensberatern: Sie hatten – gegen jeden Zeittrend – festgestellt, dass die NRW-Archive über deutlich zu wenig Personal- und Sachmittel verfügen. Beim Erschließen und Erhalt der Bestände (rund 162 Regal-Kilometer mit Dokumenten vom 7. bis zum 21. Jahrhundert) gibt es dramatische Rückstände. Auch die Arbeit zwischen den einzelnen Standorten soll besser koordiniert werden. „In Münster-Coerde wird auch die Informationstechnik angesiedelt sein, eine große Herausforderung für die Archive. Elektronische Unterlagen sind noch gefährdeter als konventionelles Schriftgut, weil die Software schnell veraltet“, so Vesper. Im IT-Bereich sei NRW gut aufgestellt und wolle diese Stärke weiter ausbauen.
Wie wichtig die Arbeit der Landesarchive ist, belegte Vesper am Beispiel der in den vergangenen zwei Jahren durchgeführten Recherchen zur Entschädigung von Zwangsarbeitern aus der NS-Zeit. Knapp 30 Prozent aller Anfragen aus Osteuropa konnten die beiden Koordinierungsstellen in Düsseldorf und Münster positiv beantworten (Bundesgebiet: 7,8%). In absoluten Zahlen hat NRW bis Ende 2003 rund 18.000 Anfragen von bundesweit ca. 350.000 bearbeitet. „In die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus werden unsere Archive auch weiterhin einen großen Teil ihrer Kraft stecken, denn viele Akten zur Entschädigung oder zu den NS-Prozessen müssen erst noch erschlossen werden“, betonte der Minister.
Alle NRW-Archive im Landesarchiv zählen rund 6.400 Nutzer pro Jahr 19.000 Benutzertage). Der Online-Verbund „archive.nrw.de“ wurde in 2003 bereits von zwei Millionen Interessenten genutzt. Er soll in diesem Jahr weiter ausgebaut werden.
Quelle: Presseinformation des Ministeriums, „MSWKS-Newsservice“ <info@de-media-service.de>, Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, 15.1.2004
Stadtarchiv und Kulturamt Wiesbaden über die Opfer des Holocaust
Mit einem vielseitigen Vortrags-Programm wird in Wiesbaden in den nächsten Wochen der Opfer des NS-Regimes gedacht. In diesem Jahr stehen die Sinti und Roma im Mittelpunkt. Am Montag, 19. Januar, wird im Foyer des Rathauses eine Ausstellung eröffnet.
Anlass der Gedenkveranstaltungen ist der 27. Januar, den 1996 Bundespräsident Roman Herzog proklamiert hat. Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz – Symbol für die Massenvernichtung – befreit. In Wiesbaden arbeiten seither mehrere Organisationen zusammen, diese Erinnerung zu gestalten. Die Federführung hat das Stadtarchiv.
In der Ausstellung „Hornhaut auf der Seele – die Geschichte zur Verfolgung der Sinti und Roma in Hessen“ werden auf 60 großformatigen Tafeln die Stationen der Diskriminierung und Verfolgung dieser Volksgruppe seit dem Mittelalter dokumentiert. Sie ist bis zum 14. Februar zu sehen. Oberbürgermeister Hildebrand Diehl (CDU) spricht um 19 Uhr zur Eröffnung, anschließend Adam Strauß vom Landesverband der Sinti und Roma. Das Romeo Franz Ensemble unterhält musikalisch.
In Wiesbaden lebten vor ihrer Deportation in die Konzentrationslager rund 100 Sinti und Roma. Mehr als die Hälfte, schätzt Axel Ulrich vom Wiesbadener Stadtarchiv, kamen in den Lagern ums Leben. An sie erinnert das Mahnmal in der Bahnhofstraße. Heute leben in Deutschland rund 80.000 Angehörige dieses Volkes, das in mehreren Schüben aus Indien nach Europa einwanderte.
„Auf dem rechten Auge blind – Die braunen Wurzeln des BKA“ heißt ein Vortrag von Dieter Schenk am Donnerstag, 22. Januar, 19.30 Uhr, im Stadtverordnetensitzungssaal des Rathauses. Schenk ist BKA-Kriminaldirektor a. D. und Honorarprofessor an der Universität Lodz. Für sein Buch „Die braunen Wurzeln des BKA“ erhielt er 2003 den Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union.
Einen Vortrag über „Antiziganismus“ hält Udo Engbring-Romang am Dienstag, 27. Januar, um 18 Uhr ebenfalls im Stadtverordnetensitzungssaal. Er ist Autor eines Buches über die Verfolgung der Sinti in Wiesbaden. Um die literarische Konstruktion des „Zigeuners“ geht es am Donnerstag, 29. Januar, 19 Uhr. Es spricht Professor Wilhelm Solms (Marburg) im Rathaus, Raum 22. Am Dienstag, 3. Februar, erinnert Axel Ulrich an den früheren SPD-Oberbürgermeister Georg Buch, der in der Nazizeit Widerstand leistete: 17 Uhr im DGB-Haus am Bismarckring. Ulrich ist Autor einer Biografie über Georg Buch, der am 24. September vergangenen Jahres 100 Jahre alt geworden wäre.
Aus dem Buch „Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lili Jahn 1900-1944“ liest Ilse Doerry am Mittwoch, 4. Februar, im Literaturhaus Villa Clementine. Ilse Doerry ist die älteste Tochter von Lilli Jahn, Mutter von Gerhard Jahn, Justizminister (1969 bis 1974) unter Willy Brandt. Lilli Jahns Mann Ernst ließ sich von seiner jüdischen Frau scheiden und lieferte sie schutzlos den Nazis aus. Ihre aufrüttelnde Korrespondenz mit ihren Kindern aus einem Arbeitslager fand man im Nachlass Gerhard Jahns, der 1998 starb.
Über „Ostarbeiter, Ostarbeiterinnen und ihre Kinder“ spricht die Mainzer Historikerin Hedwig Brüchert am Donnerstag, 5. Februar, 19 Uhr, im Rathaus, Raum 22. Sie ist Autorin des Buches „Zwangsarbeit in Wiesbaden“, das Kulturdezernentin Rita Thies (Grüne) in Auftrag gegeben hatte.
Der Film „Die Rollbahn“ wird am Samstag, 7. Februar, und Dienstag, 10. Februar, jeweils um 20 Uhr in der Caligari FilmBühne am Marktplatz 9 gezeigt. Es geht dabei um eine Dokumentation über die erste Rollbahn des Frankfurter Flughafens, die 1944 von jüdischen Zwangsarbeiterinnen gebaut werden musste. Am 7. Februar ist im Anschluss an den Film ein Gespräch mit den Filmemachern Malte Rauch und Eva Voosen vorgesehen.
Die einzige Veranstaltung, die etwas kostet, ist eine Fachtagung am Samstag, 14. Februar, im Wilhelm-Kempf-Haus in Naurod, für die man sich anmelden muss: „Holocaust – eine amerikanische Fernsehserie und ihre Auswirkungen in Deutschland“, die vor 25 Jahren lief. Veranstalter ist die Frankfurter Sozialschule. Anmeldung unter 06127/77290.
Das Programm liegt in den üblichen Verteilerstellen aus, im Rathaus, beim Tourismusbüro und in der Volkshochschule. Mitveranstalter sind unter anderen die Kirchen, die Landeszentrale für politische Bildung und das Aktive Museum Spiegelgasse.
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Quelle: Wiesbadener Kurier, 15.1.2004