Landesarchiv Berlin erhält wertvolle historische Patientenakten

Rund 90 000 historisch wertvolle Akten aus den Jahren 1880 bis 1960 hat das Landesarchiv Berlin von der Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH erhalten: „Dies ist eine der wohl umfangreichsten und außergewöhnlichsten Übernahmen von Archivgut, die es in Berlin gegeben hat“, erklärte Prof. Dr. Uwe Schaper, Direktor des Landesarchivs Berlin, am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vivantes-Geschäftsführer Peter Schnitzler, anlässlich der Unterzeichnung des offiziellen Übernahmeprotokolls. Schnitzler betonte, dass Vivantes die Akten aus Berlins erster Irrenanstalt aufbewahrt habe, obwohl nach dem Archivgesetz eine Aufbewahrungspflicht von nur 30 Jahren bestünde: „Wir sind sehr froh, wenn diese hochinteressanten Dokumente der Zeitgeschichte nun zu wissenschaftlichen Untersuchungen genutzt werden können, was bisher leider nur eingeschränkt möglich war.“ 

Nebeneinander gelegt umfasst der übergebene Aktenbestand 750 laufende Meter, übereinander gelegt würde der Stapel 600 Meter hoch werden. Die Akten sind in den vergangenen Wochen und Monaten aus den Räumlichkeiten der in Berlin-Reinickendorf gelegenen ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik – heute Sitz der Geschäftsführung des Klinikkonzerns Vivantes – in die Magazine des Berliner Staatsarchivs transportiert worden. In der Mehrzahl handelt es sich um Patientenakten der 1880 eingerichteten „Städtischen Irren- und Idioten-Anstalt zu Dalldorf“, die 1925 in „Wittenauer Heilstätten“ umbenannt wurde und 1957 den Namen „Karl Bonhoeffer Nervenklinik“ erhielt. 

Über einen Zeitraum von etwa hundert Jahren lässt sich der Umgang mit den Patienten in einer namhaften psychiatrischen Klinik der Stadt Berlin dokumentieren. Einen Schwerpunkt der Überlieferung für das 20. Jahrhundert stellen neben einigen hundert Personalakten des Pflegepersonals der „Wittenauer Heilstätten“ umfangreiche Patientenakten, insbesondere aus der NS-Zeit und von Opfern der NS-Euthanasie dar. Aus dieser Zeit sind allerdings einige Akten, die als Beweis für viel Unmenschlichkeit und großes Unrecht dienen könnten, verschwunden. Für viele so genannte „Stolpersteine“, insbesondere in Reinickendorf, ließen sich die Biografien der Opfer aus den Krankengeschichten bereits aus dem Archiv bei Vivantes erschließen. Neben biografischen Forschungen zu Einzelschicksalen – sowohl von Prominenten als auch von weniger berühmten Leuten – können nun weitergehende medizinhistorische oder psychiatriegeschichtliche Untersuchungen starten. Unter den Patienten war beispielsweise Edith Radtke – Mutter des berühmten Filmregisseurs Rosa von Praunheim. 

Kontakt:
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Quelle: Pressemeldung Vivantes, 21.7.2008; Aller- Zeitung, 20.7.2008

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