Wer die Aktenbestände verschiedener Deutschschweizer Archive durchforsten will, kann dies ab sofort via Internet tun. Möglich macht dies die seit dem 12. Juli 2010 frei geschaltete Suchplattform www.archivesonline.org. Sie ermöglicht die archivübergreifende Suche.
Am Portal angeschlossen sind das Staatsarchiv Zürich, das Staatsarchiv Basel-Stadt, das Staatsarchiv Zug und Staatsarchiv Thurgau sowie das Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich, die das System gemeinsam entwickelt haben. Vertreter der Kantone sprachen von einem "Quantensprung" und von einem "Meilenstein" in der Archivrecherche. Zu dem "fast schon revolutionär einfachen Suchsystem" werden in Kürze weitere Archive aus dem In- und Ausland stoßen, so teilen es die Betreiber in einer Pressemitteilung mit.
Fast schon revolutionär am neuen Portal ist dessen Einfachheit. Bestehende Systeme im Ausland betreiben riesige eigene Datenbanken. Wer sich anschließen will, muss seine Daten für die Publikation aus dem eigenen System exportieren und sie an eine zentrale Stelle schicken. Dort werden sie überarbeitet und für die Anzeige im Internet in eine Datenbank importiert. Ergänzungen, Korrekturen und Änderungen müssen immer wieder neu eingepflegt werden. Das verursacht Kosten – und zwar vermeidbare. Denn das Portal «Archives online» kommt ohne diese Zwischenschritte aus. Es macht sich den Umstand zunutze, dass größere Archive heute ohnehin eigene Online-Datenbanken betreiben. Dieser eine Datenstamm, wo ein Archiv alle seine aktuellen Verzeichnisse pflegt, wird vom Portal abgefragt. Und die angezeigten Treffer sind nichts anderes als Verweise auf eben diese Datenbanken – die immer auf dem neusten Stand sind.
Für die Phase der Entwicklung blieb die Arbeitsgemeinschaft mit den vier Kantonen und dem ETH-Archiv bewusst klein. Nur so war es den fünf Archiven möglich, die angestrebte Lösung innerhalb weniger Monate realisieren zu lassen. Ziel war es jedoch von Anfang an, dass unmittelbar nach der Freischaltung des Portals weitere Archive dazu stoßen sollten. Entsprechend ist bereits auf Ende August 2010 in Zürich eine Informationsveranstaltung angesetzt, zu der sich inzwischen Dutzende von in- und ausländischen Archiven angemeldet haben. Ab Herbst werden weitere schweizerische Kantone und größere Städte aufgeschaltet, zudem solche aus ausländischen Nachbargebieten. Auch nationale Archive haben ihr Interesse angemeldet.
Die öffentlichen Archive kommen nicht darum herum, ein Online-Angebot aufzubauen, das den Nutzungsgewohnheiten des 21. Jahrhunderts entspricht. Fast alle haben in den letzten fünfzehn Jahren moderne Datenbanken aufgebaut, die die Papierverzeichnisse sukzessive ablösen. Seit einigen Jahren schalten immer mehr Archive Online-Datenbanken auf, die Recherchen und die gezielte Vorbereitung eines Archivbesuchs ermöglichen. In jüngster Zeit beginnen erste Archive damit, zentrale Aktenserien aufs Netz zu stellen. So ist etwa das Staatsarchiv Zürich daran, alle Regierungsratsbeschlüsse und Kantonsratsprotokolle seit 1803 online zu publizieren, zudem Karten und Pläne – und schon bald Rechtsquellen aus der Zeit der alten Eidgenossenschaft. Basel-Stadt publiziert neben seinen Findmitteln seit Jahren immer mehr Bilder im Netz, eindrückliche Fotos aus 150 Jahren Geschichte. Das Staatsarchiv Zug präsentiert nicht nur seine eigenen Bestände, sondern auch diejenigen der Bürgergemeinde Zug. Das Staatsarchiv Thurgau, das erst seit einigen Monaten mit seiner Datenbank online ist, macht Verzeichnisse publik, die es bis vor wenigen Jahren noch gar nicht gab: detaillierte Findmittel zu Klosterarchiven, zum Landvogteiarchiv, aber auch zum jungen Kanton Thurgau und zu zahlreichen privaten Beständen. Und das Archiv für Zeitgeschichte der ETH publiziert die Verzeichnisse zu seinen zahlreichen Beständen von Firmen, Organisationen und Privatpersonen – Bestände, die teilweise eng verknüpft sind mit staatlichen Akten. Vielerorts haben also Quantensprünge stattgefunden, die teilweise kaum bemerkt wurden.
Dass sich wegen des Online-Angebots die Lesesäle der Archive leeren werden, glauben die beteiligten Archivare übrigens nicht. Denn einerseits erspart die Online-Suche nur in den seltensten Fällen das Studium der Akten. Und andererseits machen Archivrecherchen regelrecht süchtig. Wer einmal die Schwelle zu einem Archiv betreten hat, kommt in der Regel wieder. Das Online-Portal wird die Spurensuche erleichtern – und da und dort einen Narrengang ersparen. Entsprechend rechnen die beteiligten Archive wegen des neuen Suchangebots mit steigenden Besucherzahlen.
Links:
Kontakt:
Dr. Beat Gnädinger
Staatsarchivar des Kantons Zürich
044 635 69 10
André Salathé
Staatsarchivar des Kantons Thurgau
052 724 28 99
Dr. Peter Hoppe
Staatsarchivar des Kantons Zug
041 728 56 81
Esther Baur
Staatsarchivarin des Kantons Basel-Stadt
061 267 86 02
Dr. Gregor Spuhler
Leiter des Archivs für Zeitgeschichte (ETH Zürich)
044 632 36 44
Quelle: Medienmitteilung der Kantone Zürich, Zug, Basel-Stadt, Thurgau und des Archivs für Zeitgeschichte der ETH Zürich, 13.7.2010; NZZ, 13.7.2010