Aus der Serie „Geschichtsort Archiv“
1908 war ein gutes Jahr für den Fußballsport; international wurden große Traditionsvereine wie Panathinaikos Athen oder Inter Mailand gegründet. Auch hierzulande gewann die noch junge Sportart immer neue Fans: Beeinflusst durch die Nachbarschaft zum 1. FC Pforzheim (gegründet 1896) entstanden 1908 der FV Mühlacker und der FC 08 Birkenfeld. Die Birkenfelder zählten einst zu den Fußballgrößen in der Region.
Abb.: Historische Fußballschuhe der 1930er-Jahre noch mit genagelten Stollen (IfSG, Foto: ipa-Verlag)
Der FC Birkenfeld wurde als reiner Fußballverein gegründet – für die Zeit um 1900 keine Selbstverständlichkeit, da die Turnvereine die Szene bestimmten. Die Satzung von 1914 nennt als Vereinszweck die „Förderung des Fußballsports, sowie die Hebung der Geselligkeit“. Zehn Jahre später kam noch eine Sängerabteilung hinzu. Nach 1945 musste sich der Verein aufgrund der Vorgaben der französischen Besatzungsmacht mit dem örtlichen Turnverein zur Sportvereinigung Birkenfeld zusammenschließen.
Abb.: Der Birkenfelder Verteidiger Arthur Fix (links), der auch in der Süddeutschen Auswahl spielte (um 1930) (Foto: Helmut Vester, Birkenfeld)
Birkenfeld gehörte in den 1920er und 30er Jahren zum „Verband Süddeutscher Fußall-Vereine“, der 1897 in Karlsruhe, unter anderem vom 1. FC Pforzheim, gegründet worden war und zu einem der einflussreichsten Verbände im Deutschen Fußball-Bund gehörte. Birkenfeld spielte damals im IV. Bezirk, im Gau Enz-Pfinz. In der Saison 1925/26 trat der Verein in der Bezirksliga an, der damals höchsten Spielklasse. 1927 schlug man auf dem traditionellen Spielfeld „Hinter der Sonne“ den VfB Stuttgart mit 3:0. In der Spielzeit 1933/34 spielte Birkenfeld in der Gauliga Württemberg, später in der Gauliga Baden. Der Verein stellte Nationalspieler und zahlreiche Auswahlspieler; der bekannteste ist Horst Kunzmann (1937-1999), der in 20 Spielen für die Nationalmannschaft der Amateure antrat.
1926: Ein Fußballtrainer bewirbt sich
Informationen zur Frühgeschichte des Vereins finden sich besonders in der detaillierten Chronik zum 75. Vereinsjubiläum von 1983 (im Kreisarchiv des Enzkreises) sowie im Beitrag von Helmut Vester „Einhundert Jahre Fußball in Birkenfeld“ im Enzkreisjahrbuch. Originaldokumente sind allerdings rar: Am Institut für Sportgeschichte Baden-Württemberg (IfSG) wird immerhin das älteste Kassenbuch des Vereins aufbewahrt.
Daher war es ein Glücksfall, dass das IfSG Anfang des Jahres einige besondere Vereinsunterlagen für die Sportgeschichte der Region sichern konnte. Über Umwege gelangten Kicker-Ausgaben der 1920er und 30er Jahre, ein Paar historischer Fußballschuhe sowie Dokumente des FC Birkenfeld aus jener Zeit zum Institut nach Maulbronn. „Die Unterlagen dokumentieren Spielanfragen von, aber auch Konflikte mit anderen Vereinen durch Spielerverletzungen und Regelverstöße sowie Beschwerden über Schiedsrichter-Entscheidungen“, sagt IfSG-Archivar Markus Friedrich: „Die Quellen erlauben einen Einblick in den Vereinsalltag des aufstrebenden Vereinsfußballs und die erhaltenen Briefumschläge zeigen schöne Abzeichen und Stempel von heute eher unbekannten Vereinen wie dem 1. FV Kornwestheim 1902 Salamander.“
Abb.: Absenderaufdruck des FV Kornwestheim 02 Salamander mit dem bekannten Feuersalamander-Logo (IfSG, Foto: ipa-Verlag)
Besonders interessant sind drei überlieferte Briefe des Wieners Karl Stickler, der sich 1926 als hauptamtlicher Trainer beim Verein bewarb. Stickler hatte zuvor beim Arbeiterverein SC Red Star Wien (heute SC Red Star Penzing) gespielt. In seinem Brief „An den löblichen Vorstand“ vom 12. Januar schreibt er, dass er durch den „Kicker“ über „den derzeitigen ungünstigen Stand Ihres Vereins in der Ligamannschaft informiert“ sei. Er forderte für eine mögliche Anstellung einen Vertrag über mindestens sechs Monate sowie 250-300 Mark und „Quartier mit Essen“ als Bezahlung.
Abb.: Der Brief des ersten Trainers Karl Stickler vom Januar 1926 ging zunächst an einen Sportclub in Birkenfeld/Nahe in Rheinland-Pfalz (IfSG)
In einem zweiten Brief vom 24. Februar gibt er Einblick in seine Trainingsvorstellungen, die erstaunlich modern anmuten: Mit „lauf-, spring- und leichtathletischen Übungen“ sowie „leichten Massagen“ und „theoretischen Diskussions- und Vortragsabenden“ wolle er die Mannschaft auf Vordermann bringen. Tatsächlich wurde er dann 1926 der erste Trainer des FC 08. In einer späteren Festschrift heißt es jedoch lapidar: „Man stieg ab. Wir hatten inzwischen einen Wiener Sportlehrer verpflichtet, von dem unsere Leute in eifrigem Training viel gelernt haben. Doch er war zu spät gekommen.“
Letztlich ist es dem Zufall, zu verdanken, dass die Unterlagen entdeckt und gesichert werden konnten. „Häufig gehen solche Dokumente verloren, was besonders schade ist, wenn es sich um einen Traditionsverein handelt“, wie Markus Friedrich bedauert. Damit verschwänden nicht nur Teile des Vereinsgedächtnisses, sondern auch wichtige Informationen zu Sport- und Lokalgeschichte.
Gerade in Zeiten von kommerziellen Sportgroßereignissen und Sportskandalen könne es nicht schaden, sich der Gründungsideale der Sportbewegung zu versichern, meint Friedrich schmunzelnd und zitiert das Vereinslied des FC Birkenfeld: „Oh wonnevolles Fußballspiel, du schönstes Spiel der Jugend / dich gut zu spielen sei mein Ziel, dies ist die höchste Tugend.“
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Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung 245 / 2016, 7.7.2016