Braunschweig ehrt Wilhelm Raabe mit drei Ausstellungen

Die Stadt Braunschweig feiert mit drei Ausstellungen im Städtischen Museum, Stadtarchiv und der Stadtbibliothek sowie mit einem umfangreichen Begleitprogramm den Schriftsteller Wilhelm Raabe, der in diesem Jahr 175 Jahre alt geworden wäre. Wilhelm Raabe (1831-1910) ist einer der wichtigsten Vertreter des literarischen Realismus in Deutschland. 40 Jahre, von 1870 bis zu seinem Tod 1910, hat er in Braunschweig gelebt, ein Großteil seiner bedeutenden Romane, Novellen und Erzählungen ist hier entstanden, darunter „Pfisters Mühle“, „Das Odfeld“, „Stopfkuchen“ und „Die Akten des Vogelsangs“. Er war in Braunschweig Mitglied des Vereins „Kleiderseller“ und des Künstlerclubs „Feuchter Pinsel“. 

Neben dem schriftstellerischen Werk soll der Mensch Wilhelm Raabe in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt werden. Wer waren seine Freunde? In welchen gesellschaftlichen Kreisen verkehrte er? Wie sah der Alltag eines Schriftstellers in Braunschweig im 19. Jahrhundert aus? Anhand dieser drei Ausstellungen, die sich inhaltlich hervorragend ergänzen, wird ein umfangreicher Blick in die Alltagswelt des Schriftstellers geboten. Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann wird die Ausstellungen am Donnerstag, 7. September, dem Vorabend von Raabes Geburtstag, um 18.30 Uhr im Rahmen eines öffentlichen Festakts im Städtischen Museum eröffnen. Den Festvortrag hält Dr. Gerd Biegel, Präsident der Raabe-Gesellschaft, zum Thema „Wilhelm Raabe und die Geschichte am Beispiel des Romans ,Hastenbeck’“. Dr. Anja Hesse führt in die Ausstellungen ein, die bis zum 31. Dezember 2006 zu besichtigen sind.

Die Ausstellung im Stadtarchiv Braunschweig trägt den Titel  \“Hänselmutter\“ und "Raabenvater". Zum Verhältnis des Schriftstellers zum Braunschweiger Stadtarchivar. Hierbei handelt es sich um den ersten hauptamtlichen Stadtarchivar Braunschweigs Ludwig Hänselmann (1834-1904).Neben seinen Verdiensten um die Erforschung der Stadtgeschichte zeichnete er sich auch als Verfasser historischer Erzählungen und Gedichte aus. Seit dem Umzug Raabes nach Braunschweig 1870 entwickelte sich zwischen dem Schriftsteller und dem Historiker ein freundschaftliches Verhältnis. Beide schätzten sich gegenseitig sehr, besuchten einander und standen in regelmäßigem Briefkontakt. Raabe und Hänselmann verbanden der gemeinsame Wohnort im „Krähenfeld“ und die Mitgliedschaft in Vereinen und literarischen Stammtischrunden. Bei den Kleidersellern bildeten sie als „Hänselmutter“ und „Raabenvater“ den Mittelpunkt der Vereinigung. Die Ausstellung im Stadtarchiv ermöglicht anhand ausgewählter Stücke einen Einblick. In der Stadtbibliothek ist die Ausstellung  \“Entdeckungen im Raabe-Nachlass. Kurioses aus der Alltagswelt des Schriftstellers\“  und im Städtischen Museum die Ausstellung "Dinner for one" zu sehen.

Kontakt:
Stadtarchiv Braunschweig
Löwenwall 18 B
38023 Braunschweig
Tel: (05 31) 4 70-47 17
Fax: (05 31) 4 70-47 25
stadtarchiv@braunschweig.de 

Quelle: Pressemeldung Stadt Braunschweig, 4.9.2006; Veranstaltungskalender der Stadt Braunschweig; Einblicke in die Welt der Schriftstellers in Braunschweig; Ausstellung im Stadtarchiv; Wer ist Wilhelm Raabe?

Tag der Archive im Altenburger Land

Zum dritten Mal organisierte der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA) in diesem Jahr den Tag der Archive, um auf die interessante und vielseitige Arbeit der Archive als Gedächtnisse der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Unter dem Motto „Der Ball ist rund“ fand der Tag der Archive bundesweit am ersten Mai-Wochenende 2006 statt.

Die drei Altenburger Archive hatten sich aus organisatorischen Gründen für eine Verlegung dieses Termins auf den Tag des offenen Denkmals entschieden. So wird das Kreisarchiv Altenburger Land am 10. September 2006 besondere Archivalien im Lichthof des Landratsamtes präsentieren und seine Magazinräume für Neugierige öffnen. Das Thüringische Staatsarchiv Altenburg und das Stadtarchiv Altenburg werden das Programm zum Tag des offenen Denkmals ebenfalls mit einer Ausstellung bereichern.

Quelle: Silke Manger / Fachdienstleiterin Öffentlichkeitsarbeit, ABG-Info, 4.9.2006

Semantische Lösungen für die Informationsintegration und Informationssuche

Während sich semantische Technologien für das Internet noch nicht auf breiter Front durchsetzen konnten, werden sie in den Intranets von Unternehmen und Organisationen bereits mit großem Erfolg eingesetzt. Ontologien und Wissensnetze gelten als Schlüsseltechnologien, um Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen umzustrukturieren, logisch zu integrieren und einer effizienten Suche zugänglich zu machen. 

Doch was sind Ontologien und Wissensnetze genau? Wie werden sie aufgebaut? Wie sieht ihr konkreter Nutzen aus? Kann man den Aufbau von Ontologien und Wissensnetzen automatisieren? Wie hat man sich die Werkzeuge für den automatischen Aufbau von semantischen Strukturen vorzustellen?

Diese und weitere Fragen rund um das Thema Semantische Lösungen für die Informationsintegration und Informationssuche beantwortet der gemeinsame Workshop des Fraunhofer IPSI und der Hochschule Darmstadt am Freitag, 27. Oktober 2006, am Fraunhofer IPSI in Darmstadt. 

Der Workshop umfasst neben Vorträgen auch einen praktischen Übungsteil zur semantischen Suche, Demonstrationen von Werkzeugen und Lösungen und einen Projektbericht zu einem industriellen Praxisbeispiel. Die Referenten kommen sowohl aus der akademischen Forschung als auch aus der industriellen Entwicklung und der Anwendung. 

Der Workshop richtet sich vor allem an interessierte Anwender, Verantwortliche und Entscheider im Informations- und Wissensmanagement von Unternehmen und öffentlichen Institutionen. 

Info:

Spurensuche im Archiv beim Geschichtswettbewerb

Der am 1. September 2006 gestartete Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2006/2007 (Thema: \“miteinander – gegeneinander? Jung und Alt in der Geschichte\“, siehe Bericht) möchte Schüler bis Ende Februar 2007 dazu anregen, sich im jeweiligen Heimat- oder Nachbarort mit den Hintergründen einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft auseinander zu setzen. Denkbar sind ganz unterschiedliche Fragestellungen, an die man sich herantasten kann. Zum Beispiel: Wie haben sich die Beziehungen der Generationen im Wandel der Zeit verändert? Welche Generationenkonflikte gab es, wodurch entstanden sie und wie wurden sie gelöst? Wie haben die Menschen unterschiedlichen Alters zu verschiedenen Zeiten das Zusammenleben gestaltet und welche Erfahrungen haben sie dabei gemacht?

Ein Faltblatt sowie die Internetseite des Stadtarchivs Bergisch Gladbach nennen beispielhaft einige mögliche Themen aus der Geschichte vor Ort und verweisen auf vorhandenes Quellenmaterial im Archiv, das zu diesen Themen weiterhelfen kann. Hunderte anderer Themen sind jedoch denkbar, die zur Spurensuche in Archiven und Bibliotheken anregen. Hilfestellungen werden auch seitens der Lehrer gegeben. Desweiteren ist die Befragung von Menschen, die die Vergangenheit selbst noch erlebt haben, von großer Bedeutung. Ergänzend dazu bieten alte Zeitungen und Akten nötige Hintergrundinformationen.

Zu gewinnen gibt es 600 Geldpreise zwischen 100 und 2.000 Euro sowie Schul- und Tutorenpreise im Gesamtwert von 250.000 Euro. Jeder Wettbewerbsteilnehmer erhält eine persönliche Urkunde. Ob jeder Teilnehmer einzeln oder in einer Gruppe in Begleitung des Lehrers  ins Archiv kommt, die Archivare helfen jederzeit  beim Heraussuchen der Quellen. Informationen zum Geschichtswettbewerb sind im Internet unter www.stadtarchiv-gl.de und unter www.geschichtswettbewerb.de abrufbar.

Kontakt:
Stadtarchiv Bergisch Gladbach
Hauptstr. 310
51465 Bergisch Gladbach
Telefon: 02202-142212
Telefax: 02202-142216
archiv@stadt-gl.de 

Quelle: Stadtarchiv Bergisch Gladbach; Rhein-Berg-Online, 1.9.2006

50 Jahre Stadtarchiv Schaffhausen unter professioneller Leitung

Das Stadtarchiv Schaffhausen feiert sein 50jähriges Bestehen. Denn obwohl es bereits seit 1831 mit Bernard Freuler einen Archivar gab, wurde das Archiv jahrzehntelang immer nur nebenbei mitverwaltet. Als Freulers Nachfolger betraute der Stadtrat von Schaffhausen 1866 den Lokalhistoriker und Gefängnisaufseher Hans Wilhelm Harder  mit der Archivierung der bis ins 11. Jahrhundert zurückgehenden Akten und Urkunden. Ihm folgte 1913 der Stadtbibliothekar Carl August Bächtold. Er verfasste auch ein Standardwerk der Schaffhauser Geschichte – die Rüeger-Chronik. Aufgrund seiner  kulturhistorischen Leistungen verlieh ihm die Philosophische Fakultät der Universität Zürich sogar die Ehrendoktorwürde.

Ein Umdenken in Bezug auf die Arbeit eines Archivars setzte erst mit der Ernennung Ernst Steinmanns zum halbamtlichen Stadtarchivar im Jahre 1956 ein. Seitdem wurde das Stadtarchiv Schaffhausen professionell geführt. Es erfolgte ein Umzug aus der Sakristei der St. Johann-Kirche und diverser anderer Räumlichkeiten in das "Grosse Haus" am Fronwagplatz. Hier hatte Steinmann die Möglichkeit, die Dokumente, Pläne, Stiche, Fotografien, Karten, Rechnungs-, Steuer- sowie Kirchenbücher fachgerecht zu archivieren und für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen.

Der ab 1970 tätige erste hauptamtliche Archivar Hans Ulrich Wipf leitete zahlreiche Neuerungen und Verbesserungen ein, die von seinem Nachfolger Dr. Peter Scheck fortgeführt werden. Dazu zählen unter anderem die räumliche Erweiterung des Archivs mit einem modernen Lesesaal. In den zwölf Archivräumen  befinden sich sechs moderne Compactusanlagen mit einem Fassungsvermögen von ca. 2,5 Kilometern. Davon sind bereits 90 Prozent belegt. Desweiteren gehört dazu ein Raum für Kulturgüterschutz, in dem mehr als 500 laufende Meter Akten untergebracht werden können. Gelagert werden hier vor allem mittelalterliche Urkunden, historische Nachlässe, Grund- und Rechnungsbücher sowie Ratsprotokolle. Neu ist auch, über das Internet und eine Datenbank ausgewählte Bestände allen Interessierten für Nachforschungen zur Verfügung zu stellen, womit das Schaffhauser Archiv zu den Pionieren in der Schweiz auf diesem Gebiet zählt (siehe Bericht vom 18.1.2006).

Kontakt:
Stadtarchiv Schaffhausen
Fronwagplatz 24
CH-8200 Schaffhausen
Tel. Sekretariat ++41 52 632 52 32 
Fax ++41 52 632 52 31 

Quelle: Martin Schweizer, Schaffhauser Nachrichten, 2.9.2006

»Erst habe ich mich unheimlich klein und verloren gefühlt…« – Jugendliche Spurensucher im Archiv

Am 1. September 2006 hat der neue Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten für alle unter 21-Jährigen begonnen (Pressemitteilung 1.9.2006). Unter der Überschrift \“miteinander – gegeneinander? Jung und Alt in der Geschichte\“ geht es in diesem Jahr um ein zentrales Thema unserer Gesellschaft: um das Zusammenleben der Generationen. Bundespräsident Horst Köhler weist in seinem Aufruf zum Geschichtswettbewerb 2006/2007 darauf hin, dass wir heute in den meisten Lebensphasen Freiheiten haben, die bis vor wenigen Jahrzehnten kaum denkbar waren: \“Kinder und Jugendliche wachsen als gleichberechtigte Familienmitglieder auf, Erwachsene entscheiden, ob und wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren, die gestiegene Lebenserwartung ermöglicht es vielen Menschen, ihr Alter länger und aktiver zu genießen.\“ Dabei zeige die Beschäftigung mit der Vergangenheit aber ganz deutlich, dass die Generationenbeziehungen immer in Fluss waren. \“Werte und Haltungen, Hierarchien und Abhängigkeiten, Hoffnungen und Erwartungen mussten miteinander in Einklang gebracht werden, und das war nicht immer leicht. Doch wenn es gelang, dann ruhte die Gemeinschaft auf sicherem Fundament.\“ 

Der Bundespräsident zeigt sich gewiss, dass die Kinder und Jugendlichen, die sich am diesjährigen Geschichtswettbewerb mit eigenen Beiträgen beteiligen, auch in den Archiven, Museen und Verwaltungen Rat und Hilfe für ihre Projekte finden. Einsendeschluss der Einzel- oder Gruppenarbeiten ist der 28. Februar 2007. Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten wird von der Körber-Stiftung in Hamburg organisatorisch betreut. Auf dem 29. Hessischen Archivtag, der am 13. Juni 2006 in Limburg stattfand, stellte Katja Fausser, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung, den Wettbewerb und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den Archiven vor. Ihr Vortrag ist im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben:

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„Erst habe ich mich unheimlich klein und verloren gefühlt“: Das Zitat stammt aus dem Arbeitsbericht einer 18jährigen Gymnasiastin, die dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ihre ersten Kontakt mit einem Archiv verdankte. Ich habe es ausgewählt, weil ich Sie mitnehmen möchte auf die Augenhöhe der jugendlichen Spurensucher beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Im Rahmen ihrer lokalgeschichtlichen Forschungen planen viele einen Archivbesuch, und häufig führen sie ihn auch tatsächlich durch. Das Archiv stellt sich ihnen als fremde Institution mit anfangs unbekannten Regeln und Gepflogenheiten dar, die sie sich mühsam und mit viel Neugier, Mut und Entschlossenheit erschließen müssen. Doch damit eine Archivrecherche von Schülern erfolgreich verläuft, sind viele Faktoren nötig, zu denen ich im Verlauf meines Vortrags von kommen werde.

Zunächst möchte ich Ihnen jedoch kurz erstens den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten vorstellen und auf die Motive eingehen, warum wir seit über 30 Jahren forschendes Lernen von Schülern auch in Archiven fördern. Anschließend möchte ich Ihnen zweitens darstellen, wie sich Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen in Archiven in ihren Arbeitsberichten spiegeln. Drittens möchte ich Ihnen berichten, welche Aktivitäten der Geschichtswettbewerb entfaltet, um mehr Schüler und Lehrer zu Erfolgserlebnissen im Archiv zu verhelfen. In einem vierten Teil komme ich darauf zu sprechen, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Archiv und Schule aus Sicht des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten darstellt und welche Perspektiven aus unserer Sicht für die Zusammenarbeit bestehen. Und dann bin ich neugierig auf den Austausch mit Ihnen, auf Ihre Erfahrungen mit Lehrern und Schülern, auf Ihre Anregungen und Rückmeldungen auf unsere Arbeit und unsere Vorstellungen. Ich hoffe, dass wir im Anschluss an meinen kleinen Vortrag miteinander ins Gespräch kommen werden. 

1. Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten

Doch zuerst möchte ich Ihnen den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten kurz vorstellen: Seit 1973 finanziert und organisiert die Körber-Stiftung den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Der Wettbewerb ist eine Gemeinschaftsaktion des Bundespräsidialamts und der Körber-Stiftung. Am 1. September startet die 20. Ausschreibungen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten, teilnehmen können Kinder und Jugendliche bis 21 Jahren: Grundschüler, Haupt-, Realschüler, Gymnasiasten, Auszubildende, Wehrpflichtige oder junge Studierende. Sie gehen an ihrem Ort und in ihrer Familie auf Spurensuche, einzeln, in Gruppen oder zusammen mit der ganzen Klasse. Passend zum Rahmenthema der Ausschreibung stellen sie eigene Fragen an die Vergangenheit vor ihrer Haustür und versuchen, diese mit Hilfe von Literatur, den Erinnerung von Zeitzeugen und überliefertem Quellenmaterial zu beantworten. Seit der Gründung des Wettbewerbs 1973 haben über 110.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Geschichtswettbewerb zur größten historischen Laienforschungsbewegung etabliert. Im Schnitt beteiligen sich alle zwei Jahre 6.000 Schülerinnen und Schüler mit 1.200 Beiträgen aus dem ganzen Bundesgebiet. Diese stammen etwa von 600-800 Tutoren aus etwa 500-800 Schulen. Seit der Gründung des Wettbewerbs durch den damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und den Hamburger Unternehmer Kurt-A.-Körber hat sich der Wettbewerb folgenden Zielen verschrieben: dem Prinzip des forschenden Lernens, angewandt an der Erforschung der Lokalgeschichte, der Förderung des demokratischen Verständnisses der Kinder und Jugendlichen und der Förderung ihrer Selbstständigkeit und ihres Verantwortungsbewusstseins. Themen der Ausschreibung waren z.B. Alltag im Nationalsozialismus, Denkmäler, Umwelt hat Geschichte, Geschichte der Migration oder Arbeit. Die Anforderungen, die der Wettbewerb an die Teilnehmer stellt, sind hoch, das betrifft die Dauer des Projekts von bis zu sechs Monaten, die methodischen Anforderungen und die Erwartung an die Reflexion und Präsentation der Ergebnisse. Es ist jedoch nicht das Ziel des Wettbewerbs, alle Teilnehmer zu Historikern auszubilden, obwohl es sie gibt, die Teilnehmer, die inzwischen Geschichtsprofessoren geworden sind. Die Wettbewerbsteilnehmer haben neue Erkenntnisse zur Lokalgeschichte beigesteuert, Aspekte der Alltagsgeschichte gesichert und interpretiert und damit einen Beitrag zur Erinnerungskultur geleistet. 

Durch ihre eigenständige und weitgehend selbstorganisierte Spurensuche können Schülerinnen und Schüler aus erster Hand erkennen, wie viel mehr Geschichtsschreibung durch Interpretation und Deutung bestimmt wird als durch unwidersprochene Fakten. Ein Teilnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern, der sich nach der Wende erfolgreich mit Aspekten der Geschichte der DDR auseinandergesetzt hat, hat es so ausgedrückt: „Im Rahmen meiner Nachforschungen zu meinen Wettbewerbsarbeiten war ich quasi gezwungen, mit mich der Vergangenheit und Gegenwart anderer Menschen zu befassen und am Ende auch Urteile zu fällen. Und das ist etwas völlig anderes, als im Geschichtsbuch nur von guten und von schlechten Menschen in der Vergangenheit zu lesen. Immer wieder ist es für mich äußerst spannend, wie aus Archivakten, die seit Jahrzehnten keiner mehr gesichtet hat, längst verwehte Biografien auferstehen“. Es sind diese Rückmeldungen, die zeigen, dass die anspruchsvollen Herausforderungen, die die Wettbewerbsgründer Kindern und Jugendlichen seit der ersten Ausschreibung des Wettbewerbs stellen, von vielen erfolgreich angenommen und bewältigt werden. 

2. Erfahrungen von Jugendlichen im Archiv im Spiegel ihrer Arbeitsberichte 

Aber bis zum erfolgreichen Abschluss einer Spurensuche ist es ein langer Weg, der in vielen Fällen auch über ein Archiv führt. Bei der historischen Spurensuche nehmen Archive als Bewahrer eines bedeutenden Teils des kulturellen Erbes eine herausragende Stellung ein. Im Rahmen ihrer Forschungen haben viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Schwelle eines kommunalen, staatlichen, kirchlichem oder privaten Archiv erstmalig überschritten. Bei einigen Schülern und Lehrern, die sich vielleicht auch mehrfach am Wettbewerb beteiligen, erweitert sich das historische Fachwissen zur Regionalgeschichte wie die methodischen Fähigkeiten rund um die Archivarbeit enorm. Wie weit das führen kann, zeigt das Beispiel einer Schülerin aus Gladbeck, die sich seit ihrem 12. Lebensjahr dreimal erfolgreich am Geschichtswettbewerb beteiligt hat. Inzwischen nimmt sie an einem Pilotprojekt der Universität Münster teil, die Schüler zu Seminaren zulässt, wo sie reguläre Scheine schon vor Erreichen des Abiturs erwerben können, indem sie nach der Schule an Universitätsveranstaltungen teilnehmen. Die Schülerin ist im Alter von 16 Jahren zu dem Projekt gestoßen. Jetzt, mit 18, steht sie vor der Zwischenprüfung und sagt von sich, dass sie sich durch ihre Erfahrungen beim Wettbewerb bei der Archivarbeit besser auskenne als mancher ältere Student. Das sind Ausnahmeerscheinungen, allerdings bedeutet eine erfolgreiche Teilnahme am Geschichtswettbewerb für alle Teilnehmer, die die Herauforderungen des Wettbewerbs annehmen und sich ernsthaft auf die Arbeit mit historischen Quellen einlassen, einen Zugewinn an faktischem wie an methodischem Wissen. 

Die Hemmschwelle für Schüler – und manchmal auf für Lehrerinnen und Lehrer –, eine Archivnutzung zu erwägen, sind erstmal hoch. Die wenigsten Schüler haben eine genaue Vorstellung von den Beständen eines Archivs, von den Rahmenbedingungen für die Überlieferung, von den Aufgaben und der Arbeitsweise von Archivarinnen und Archiven, geschweige denn haben sie bisher einen Lesesaal von innen gesehen. Es sind manchmal Kleinigkeiten, die abschrecken und Anforderungen an den Mut der Jugendlichen und ihren Willen zur Informationsgewinnung stellen: Häufig muss man klingeln, um eingelassen zu werden, ist mit einer fremden Umgebung mit neuen Verhaltensregeln konfrontiert, die alle anwesenden Besucher scheinbar perfekt beherrschen. Eine rein logistische Schwierigkeit bei einem Archivbesuch sind die Öffnungszeiten vieler Archive, die gerade bei Ganztagsschülern intensive Besuche außerhalb der Schulzeit ohne Entgegenkommen der Schulleitung unmöglich machen. Mangelndes Wissen reduziert das Verständnis für regulierte Aushebezeiten, für Kopierverbote oder lange Fristen bei der Erledingung von Fotoarbeiten. Diese eher praktischen Hindernissen wiegen für Kinder und Jugendliche schwerer – mit erwachsenen Archivnutzern teilen sie die Schwierigkeit, ohne Kenntnisse der historischen Verwaltungsstrukturen, der Aktenentstehung und -überlieferung dem Material ohne fachliche Beratung ausgeliefert zu sein, wenn man ohne dieses Wissen überhaupt fündig geworden ist. Aber über diese Schwierigkeiten brauche ich vor diesem Kreis nicht weiter zu sprechen. 

Und welche Erfahrungen die Jugendlichen wie die Archivmitarbeiter dort machen, und ob ein Besuch erfolgreich verläuft, das hängt von vielen Faktoren ab. Der Arbeitsbericht eines Giessener Schülers, der beim letzten Wettbewerb zu Arbeit in der Geschichte einen zweiten Platz errang, gibt uns einen plastischen Eindruck in seine Vorgehensweise: „Zuerst wollte ich über eine in unserer Nachbarstadt angesiedelte Metallfirma und deren Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg schreiben. Allerdings hieß der zuständige Archivar keine Schüler willkommen.“ Später in seinem Arbeitsbericht schreibt er: „Die zweite Ferienwoche galt dem Staatsarchiv Darmstadt. Sofort am Montag ging es mit dem Zug in Hessens Süden. Eigentlich wollte ursprünglich mein Tutor mitfahren, um mich in die Geheimnisse des Archivarbeitens einzuweihen. Daraus wurde nichts, weil ihn eine Erkältung daran hinderte… Um 10 Uhr machte ich mich auf den Weg zum Archivs – es war bald gefunden. Nachdem einige Missverständnisse aufgrund meiner Vorstellungen geklärt waren, begann mein Arbeitstag im Archiv. Vor mir stand mein Laptop, beidseitig umrahmt von riesigen Aktenstapeln. Nach sechs Stunden verließ ich das altehrwürdige Gebäude. Ich war weder zufrieden noch unzufrieden mit meiner Arbeit. Ich musste mir eingestehen, dass ich hilflos überfordert gewesen war, die zahlreichen Quellentexte zu übersetzen, die alle in Sütterlin oder Altdeutsch verfasst waren. (…) Beim nächsten Besuch nahm ich meine Großmutter mit, die mir beim Transkribieren tapfer zur Seite stand.“

Einige Stichworte aus dem Bericht des Schülers möchte ich gerne aufgreifen. Beginnen möchte ich mit der Erwähnung von Vorbehalten eines lokalen Archivars gegenüber Jugendlicher als Spurensucher: Mehr als diese Bemerkung kenne ich über das in diesem Fall konkret Vorgefallene nicht. Anders als in den ersten Jahren nach der Gründung des Geschichtswettbewerbs sind Schüler im Archiv jedoch längst nicht mehr so exotisch wie damals: In den frühen 1980er Jahren erreichte uns z.B. folgender Brief eines Archivars, der beklagt, „dass die leider immer wiederkehrende Aktion (gemeint ist der Geschichtswettbewerb) mehr auf öffentlichen Applaus als auf ein sinnvolles Heranführen junger Leute an die Geschichte angelegt ist: Das vom einzelnen Teilnehmer erreichbare Teilwissen kann nur zu Vorurteilen und damit zur Halbbildung führen, womit niemandem gediehen ist.“ Briefe aus Archiven, die uns ihre Ablehnung so eindeutig mitteilen, haben wir lange nicht mehr bekommen. Allerdings lassen bis heute Arbeitsberichte erkennen, dass besonders da, wo Jugendliche zu den Pionieren am Ort gehören und sich somit als eine der ersten in ein lokales Archiv begeben, nicht nur Reibungen, sondern grundsätzliche Vorbehalte die Neugier und den Wissensdrang der Jugendlichen erschweren und ihr Vorstoß, mit Archivmaterial zu arbeiten, scheitert. Dass zu einem Misserfolg wie dem vom Schüler beschriebenen immer mehrere Faktoren beitragen, die auch in dem vorliegenden Fall nicht notwendigerweise ausschließlich auf Seiten des Archiv zu finden sind, ist anzunehmen. Aber, wie ich Ihnen anfangs angekündigt habe, möchte ich Ihnen an dieser Stelle vornehmlich von den Erfahrungen der Jugendlichen im Archiv aus deren Perspektive berichten.

Als nächstes möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren Punkt aus dem Bericht des Schülers hinter mir lenken: Die Tatsache, dass der Schüler den ersten Besuch eigentlich mit seinem Tutor absolvieren wollte. Das bringt uns zu einer ganz wichtigen Person: Dem Lehrer bzw. der Lehrerin. Als Moderator und Berater in methodischen Fragen sind die Pädagogen für den Geschichtswettbewerb der Dreh- und Angelpunkt. In der Regel werden über 80% der Beiträge beim Geschichtswettbewerb von Lehrern betreut. Im optimalen Fall beraten sie bei der Themenfindung und bereiten ihre Schüler auf Gespräche mit Experten oder Zeitzeugen ebenso vor wie auf einen etwaigen Archivbesuch. Anfang April haben sich in Hamburg bei der Körber-Stiftung Multiplikatoren des Geschichtswettbewerbs getroffen, um sich über Aktivitäten in den Bundesländern auszutauschen, die den Wettbewerb regional stärken. Es waren auch viele Archivmitarbeiter darunter, und ich erinnere mich noch gut an die genervten Berichte über Lehrer, die mit ihrer gesamte Schulklasse ins Archiv kamen, den Besuch weder mit dem Archiv inhaltlich vorbereitet hatten noch im Unterricht Arbeitsaufträge, Leitfragen für den Besuch oder ähnliches vorbereitet hatten. Sie lieferten ihre Schüler lediglich bei den Mitarbeiten ab, und nachmittags wunderten sie sich darüber, dass die Stimmung so schlecht war. Wenn es auch Unwissenheit und kein böser Wille war, ein solcher Besuch muss ein Fehlschlag werden. 

3. Hilfestellungen des Geschichtswettbewerbs bei der Archivarbeit

Im folgenden möchte ich Ihnen die Hilfestellungen vorstellen, die wir als Wettbewerbsorganisatoren Lehrern und Schülern an die Hand geben, um sie besser auf eine Archivrecherche vorzubereiten. 

Seit 1993 bieten wir zu jedem Wettbewerbsstart mehrtägige Fortbildungsveranstaltungen sowie eintägige Auftaktveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer an. Dort stellen Tutoren und Juroren den Wettbewerb und seine Ausschreibungsbedingungen vor. Die Workshops enthalten praktische Übungen zur Themenfindung und haben zudem einen methodischen Schwerpunkt. Dieser besteht entweder in der Archivarbeit mit Schülerinnen und Schülern oder im Zeitzeugeninterview durch Kinder und Jugendliche. Diese Einheiten werden in Zusammenarbeit mit Archiven aus der Region durchgeführt. Häufige Elemente dieser Einheiten sind eine Führung durch ein Archiv, da nicht jede Lehrerin bzw. jeder Lehrer während seines Studiums Kontakt mit dieser Institution gehabt hat. Diese Fortbildungen sind praxisnah angelegt. Da heißt, die Pädagogen arbeiten wie ihre Schülerinnen und Schüler später im Wettbewerb an ausgewählten Quellen, die thematisch einschlägig sind und vom Archiv für Gruppenarbeiten vorbereitet wurden. So machen die Lehrerinnen und Lehrer Erfahrungen mit Findbucharbeit, erleben beispielhaft die Faszination von authentischem Quellenmaterial, die Lückenhaftigkeit von Aktenmaterial. Viele Grundsätze der Archivarbeit, z.B. mit dem Quellenstudium erst dann zu beginnen, wenn man die einschlägige Literatur zum Thema bereits kennt, sind besonders einleuchtend und einprägsam, wenn sie sich aus eigenen Erfahrungen speisen können. All diese Erfahrungen, die die Lehrerinnen und Lehrer selber gemacht haben, können sie dann an ihre Schülerinnen und Schüler weiter geben und sie so auf die Arbeit im Archiv vorbereiten.

Parallel bieten wir Workshops für Schülerinnen und Schüler an, die sich am aktuellen Wettbewerb beteiligen möchten – in diesem Herbst werden wieder mindestens 100 Plätze in vier Workshops sein. Aufbau und Themenschwerpunkt sind analog zu denen der Lehrerworkshops, auch hier beschäftigen wir uns mit den Anforderungen des Wettbewerbs, mit Kriterien für ein gutes Wettbewerbsthema, mit dem Vorgehen im Archiv und beim Zeitzeugeninterview.

Zusätzlich zu diesen Schulungen haben wir im letzten Jahr den „Spurensucher“ neu aufgelegt. Dieses Praxisbuch zur historischen Projektarbeit ist von Autoren verfasst, die langjährige Erfahrungen mit den Chancen und Tücken der Erforschung der Lokalgeschichte mit Jugendlichen haben. Die Artikel zur Archivarbeit von Günther Rohdenburg, der jahrzehntelang als Archivpädagoge im Staatsarchiv Bremen gearbeitet hat, enthält Checklisten und viele praktische Tipps und stellt mit seinen 20 Seiten eine kompakte Handreichung für Jugendliche im Archiv dar. Auch im Internet bieten wir eines unserer so genannten Methodenblätter zur Archivarbeit an. Mehr dazu können Sie bei Interesse unter www.geschichtswettbewerb.de und dem Stichwort Unterricht erfahren. 

4. Perspektiven der Zusammenarbeit von Wettbewerb, Schulen und Archiv

Wir wünschen uns, dass wir noch intensiver nach gemeinsamen Interessen des Geschichtswettbewerbs und von Archiven suchen. Einige Archive haben Jugendliche als interessante Zielgruppe entdeckt: Es sind die Archivnutzer von morgen, sie stellen besonders dort eine neue und attraktive Zielgruppe dar, wo die Arbeit und Bedeutung der Institution Archiv auch an Besucherstatistiken, Medienresonanz oder erfolgten Kooperationen gemessen wird. Die gewachsene Zusammenarbeit zwischen Schulen und Archiven hat an vielen Orten zu vertrauensvoller Partnerschaft geführt und damit zu einem Stamm an gut informierten Tutorinnen und Tutoren, an besser vorbereiteten Schülern, die einige Anfängerfehler vermeiden und so weniger durch den Archivalltag poltern. Aus solchen Kooperationen sind häufig qualitativ gute Wettbewerbsarbeiten entstanden, die auch von der Jury des GW ausgezeichnet worden sind. Einige Archive haben dann mit diesem Pfund gewuchert, indem sie z.B. eigene Pressearbeit gemacht haben, bei der der Anteil des Archivs mit seinen wertvollen Quellen an der Entstehung der Arbeit im Mittelpunkt stand, so dass das Archiv auch etwas von der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Preisträger abbekam. Manchmal wurden Auszüge aus Schülerarbeiten veröffentlicht oder Teile der Arbeiten ausgestellt. In den letzten Jahren hat die Zahl der lokalen Würdigungen von guten Arbeiten aus der Region zugenommen – manche Archive haben es verstanden, die positive Aufmerksamkeit für sich zu nutzen. 

Einige Archive haben sich bei vergangenen Wettbewerben auf das neue Wettbewerbsthema vorbereitet, indem sie zum Wettbewerbsstart einen eigenen Pressetext veröffentlichten, der auf lokale Bestände und Themen aus der Region aufmerksam macht. Dazu haben sie ihre Findbücher im Vorfeld auf möglicherweise einschlägige Bestände hin untersucht haben (häufig durch die tatkräftige Unterstützung von Jahrespraktikanten, Auszubildenden oder studentischen Hilfskräften). Das Ergebnis ihrer Sichtung haben sie nicht nur der Presse, sondern als Kopiervorlage im Lesesaal bzw. im Internet auch interessierten Schülerinnen und Lehrern zugänglich gemacht. Um eine solche Art der Vorbereitung zu ermöglichen, teilen wir allen Archiven als wichtigen Multiplikatoren das nächste Wettbewerbsthema vertraulich bereits einige Monate vor dem offiziellen Wettbewerbsstart mit. 

Wir wissen, wie wichtig eine gute lokale Vernetzung zwischen Geschichtsvereinen, Archiven und aktiven Schulen und Lehrern in der Region ist. So sind wir in diesem Jahr erstmals in der Lage, neben den von Hamburg aus organisierten Fortbildungen in Zusammenarbeit mit unseren Multiplikatoren insgesamt fast 40 Lehrer- und Schülerfortbildungen zur historischen Projektarbeit anzubieten, die dezentral in 15 Bundesländern organisiert werden – viele davon in Kooperation mit lokalen Archiven. Eine Liste der geplanten Veranstaltungen finden Sie unter www.geschichtswettbewerb.de.

5. Ausblick

Zur Situation der Archive in Hessen habe ich heute Vormittag bereits einiges dazu gelernt. Mit Sorge beobachten wir bei der Körber-Stiftung die Sparopfer bei Archiven. Besonders betroffen sind wir beim Geschichtswettbewerb von der Streichung bzw. fehlenden Wiederbesetzung von Stellen für Archivpädagogik bzw. historische Projektarbeit. Aus unserer Kenntnis werden immer weniger Lehrerinnen und Lehrer an Archive abgeordnet, gleichzeitig beklagen viele Archivmitarbeiterinnen und -mitarbeiter die wachsende Zahl der Aufgaben bei sinkendem Personalschlüssel. Archivare, mit denen wir langjährige Kontakte haben, berichteten, wie sich in ihren Häusern der Sparzwang bereits auf die Qualität der Beratungsarbeit der Archivnutzer auswirkt – Schülerinnen und Schüler sind diejenigen Nutzer, die am stärksten auf intensive und fachkundige Beratung angewiesen sind. Das Fehlen von Archivpädagogen bzw. von Ansprechpartnern für die Benutzerinnen und Benutzer, die Zeit für Beratungsaufgaben haben, könnte vieles gefährden, was in Jahrzehnten an Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Institutionen aufgebaut wurde. Die Konsequenzen auch für den Geschichtswettbewerb können wir dabei noch nicht genau absehen. 

Aber es gibt auch interessante Entwicklungen, die vielleicht neue Möglichkeiten bieten für eine neue Form der Kooperation von Schule und Archiv. Die Bildungslandschaft in Deutschland ist ja nicht erst seit den PISA-Studien in Aufruhr. Dabei gibt es Tendenzen, die die Rahmenbedingungen für den Geschichtswettbewerb an den Schulen erschweren können, wie beispielsweise die vermehrte Einführung des Zentralabiturs oder des Abiturs nach zwölf Schuljahren, da beides den Spielraum der Lehrer für Projektarbeit einschränken könnte. Auch der Ausbau eines Ganztagsangebots an vielen Schulen kann die Möglichkeiten von Schülerinnen und Schüler zum eigenständigen Forschen erschweren – Archivbesuche von Schülerinnen und Schülern könnten beispielsweise mit einem offiziellen Schulschluss gegen 16.00 Uhr kollidieren. Gleichzeitig entsteht durch den Aufbau verschiedener Modelle von Ganztagsschulen bzw. Nachmittagsunterricht Bedarf nach neuen Konzepten, wie Kinder und Jugendliche diese zusätzliche Zeit verbringen sollen. Wir denken, dass z.B. eine Geschichts-AG, in der verschiedene Methoden der historischen Spurensuche wie Quelleninterpretation, Umgang und Interpretation von historischem Bildmaterial, Archivarbeit und das Gespräch mit Zeitzeugen und Experten für interessierte Kinder und Jugendliche tolle Chancen bieten würde, ihre Methodenkompetenz zu verbessern und sich im Rahmen der Schule intensiv und aktiv mit der Vergangenheit ihres eigenen Umfelds zu beschäftigen und einen Beitrag bei der Erforschung und Sicherung der Lokalgeschichte zu leisten. Für solche Modelle wären die Träger der historischen Kulturarbeit wie Archive, Museen, Heimatvereine und Geschichtswerkstätten ideale Kooperationspartner.

Ich würde mir wünschen, dass mehr Archive als bisher zu dem Ergebnis kämen, dass der Geschichtswettbewerb, dass Schulen, Schüler und Lehrer interessante Kooperationspartner sein können, die vielfältige Möglichkeiten bieten, um eigene Interessen des Archivs voranzutreiben und auch jungen Menschen den Wert der historischen Überlieferung nahe zu bringen, deren Bewahrung ohne die tausendfach in Deutschlands Archiven geleistete Arbeit nicht denkbar ist. 

Katja Fausser (Körber-Stiftung)
Vortrag auf dem 29. Hessischen Archivtag 
am 13.6.2006 in Limburg (Download)

Link: www.geschichtswettbewerb.de

Kontakt:
Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten
Kehrwieder 12
20457 Hamburg
Telefon 040 / 80 81 92 – 145
Telefax 040 / 80 81 92 – 302
gw@koerber-stiftung.de

Mülheimer Archivar geht in den Ruhestand

Nach 34 Jahren tritt der Mülheimer Stadtarchivar Dr. Kurt Ortmanns Ende September 2006 in den Ruhestand. In einem Sonderdruck der Zeitschrift des Geschichtsvereins Mülheim an der Ruhr e.V. hat der 64-Jährige seine lange Amtszeit Revue passieren lassen. 

Nachdem die Stadt Mülheim an der Ruhr 1968 als eine der letzten deutschen Großstädte ein Archiv eingerichtet hatte, dauerte die Besetzung der Leiterstelle mit Kurt Ortmanns noch einmal vier Jahre bis 1972. Der Historiker hatte seine Doktorarbeit (Universität Köln) über das Bistum Minden in seinen Beziehungen zu König, Papst und Herzog bis zum Ende des 12. Jahrhunderts geschrieben (gedruckt Bensberg 1972). Ortmanns war als Referendar im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf tätig gewesen, bevor er seine Ausbildung an der Archivschule Marburg fortsetzte. In Mülheim konnte erst 1980 ein eigenes Archivgebäude in einer ehemaligen Schule bezogen werden. Drei Jahre später konnte der umfangreiche Archivbestand der alten Herrschaft Broich aus dem Düsseldorfer Hauptstaatsarchiv nach Mülheim zurückgeführt werden. Dafür musste das Stadtarchiv aus Platzmangel allerdings immer wieder auf andere Magazinstandorte im Stadtgebiet ausweichen.

Wer die Nachfolge Kurt Ortmanns als Stadtarchivleiter antreten wird, ist ungewiss. Es herrsche noch Gesprächsbedarf, heißt es aus der Stadtverwaltung, zumal im Hinblick auf das geplante Haus der Stadtgeschichte und den für 2008 anvisierten Umzug des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr in eine alte Augenklinik. Eine Ausschreibung der ab Oktober 2006 vakanten Archivleiterstelle wird es zunächst nicht geben.

Kontakt:
Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Aktienstraße 85
45473 Mülheim an der Ruhr 
Tel. 0208/4554260
Fax: 0208/4554279
stadtarchiv@stadt-mh.de

Quelle: Thomas Emons, NRZ Mülheim, 31.8.2006

Stadtarchiv Gladbeck stellt Stadtgeschichte in Schwechat aus

Im Rahmen des Schwechater Stadtfestes zeigt das Stadtarchiv Gladbeck aus Anlass des vierzigjährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft der beiden Gemeinden im Schwechater Rathaus eine Ausstellung unter dem Titel: „Kohle war nicht alles. Gladbecker Geschichte im Überblick“. Schwechat liegt süd-östlich von Wien und ist bekannt dadurch, dass der Flughafen Wien auf Schwechater Stadtgebiet liegt.

Die Ausstellung wurde am Samstag, den 26. August 2006 von den Bürgermeistern Hannes Fazekas (Schwechat) und Ulrich Roland (Gladbeck) eröffnet. Auf insgesamt neun Bild-/Texttafeln wird den Schwechaterinnen und Schwechatern die Entwicklung Gladbecks von der ersten Nennung bis auf den heutigen Tag vorgestellt. Ergänzt werden die Bilder, Dokumente und Texte durch einige exemplarische Ausstellungsstücke aus der Sammlung des Museums der Stadt Gladbeck. Bis zum 3. Oktober 2006 haben Schwechaterinnen und Schwechater die Möglichkeit, sich über die Geschichte der Partnerstadt zu informieren. Ab dem 21. Oktober findet eine Ausstellung des Schwechater Stadtarchivs im Foyer des „Neuen Rathauses“ in Gladbeck statt. Die Bild-/Texttafeln stehen auf der Homepage des Stadtarchivs Gladbeck (www.stadtarchiv-gladbeck.de) auch als Download bereit.

Tafeln der Ausstellung \“Kohle war nicht alles. Gladbecker Geschichte im Überblick\“

Tafel 1: Siedlungsgründung
Tafel 2: Vom Mittelalter bis zur Industrialisierung
Tafel 3: Kohle war fast alles
Tafel 4: Gladbeck – die Gesamtgartenstadt
Tafel 5: Gladbeck im Nationalsozialismus
Tafel 6: Wiederaufbau und Strukturwandel
Tafel 7: Gladbeck – kurz vorgestellt
Tafel 8: Gladbeck – eine europäische Stadt
Tafel 9: Schwechat und Gladbeck – vierzig Jahre gelebte Freundschaft 

Kontakt:
Stadtarchiv Gladbeck
Krusenkamp 22-24
45964 Gladbeck
Tel. 02043/992700
Rainer.Weichelt@stadt-gladbeck.de
www.stadtarchiv-gladbeck.de

Auf den Spuren der Hanse

Eine mehrtägige Ferienaktion bietet das Jugend- und Familienbüro Lippstadt in den Herbstferien an. Unter dem Motto „Geschichte mit Pfiff“ können sich Kinder zwischen acht und elf Jahren auf die Spuren des mittelalterlichen Hansebundes begeben. In Zusammenarbeit mit dem Lippstädter Stadtarchiv und Heimatmuseum wird ein spannendes und gleichermaßen lehrreiches Programm geboten. Es geht um Kaufleute, Handelswege und den Transport wertvoller Waren. Und es geht um hinterhältige Seepiraten, die Handelsreisen per Schiff zu einem reinen Abenteuer werden lassen.

Vom 10. bis 13. Oktober wird in den Räumen des Heimatmuseums gebastelt, geforscht und gespielt. Jeder Teilnehmer kann seine eigene Hansekogge bauen, es werden Talente im Handeln und Feilschen gesucht und das Ausprobieren alter Werk- und Kreativtechniken steht ebenfalls auf dem Programm. Täglich von 8.30 bis 12.30 Uhr findet diese Aktion statt, wobei Kinder berufstätiger Eltern bereits ab 7.45 Uhr an einem gemeinsamen Frühstück teilnehmen können. 

Kontakt:
Stadtarchiv Lippstadt
Soeststraße 8
59555 Lippstadt
Telefon: 02941/980-262
Telefax: 02941/720893
stadtarchiv@stadt-lippstadt.de

Städtisches Heimatmuseum Lippstadt
Rathausstraße 13
59555 Lippstadt 
Tel.: 02941 / 720891

Quelle: Presseinformation Stadt Lippstadt, 30.8.2006

Früheste Musikhandschriften Johann Sebastian Bachs entdeckt

Die beiden frühesten Musikhandschriften von Johann Sebastian Bach haben Forscher aus dem Leipziger Bach-Archiv in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar entdeckt, wie Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, und Professor Christoph Wolff, Direktor des Bach-Archivs Leipzig, gemeinsam mitteilten. Im Zuge einer seit 2002 vom Bach-Archiv systematisch betriebenen Durchsicht mitteldeutscher Archive und Bibliotheken stießen Dr. Michael Maul und Dr. Peter Wollny auf zwei bedeutende Handschriften aus der Jugendzeit Bachs. Dabei handelt es sich um Abschriften von Orgelwerken der Komponisten Dietrich Buxtehude und Johann Adam Reinken, die im Jahr 1700 und kurz davor entstanden sind und als die frühesten Schriftzeugnisse Bachs überhaupt gelten müssen. Damit werden sie zu wichtigen Quellen für den musikalischen Werdegang des Komponisten.

Bei den erst jetzt in ihrer ganzen Bedeutung erfassten Handschriften handelt es sich um Abschriften der Choralfantasien „Nun freut euch lieben Christen gmein“ von Dietrich Buxtehude (1637-1707) und „An Wasserflüssen Babylon“ von Johann Adam Reinken (1643-1722), die der knapp 15-jährige Lateinschüler Bach in Ohrdruf und Lüneburg anfertigte. Die original datierte Reinken-Abschrift enthält den ersten dokumentarischen Beleg dafür, dass Bach ein Schüler des Lüneburger Organisten Georg Böhm (1661-1733) war, wie die zusätzliche Angabe “â Dom. Georg: Böhme | descriptum ao. 1700 | Lunaburgi:” zeigt. 

Beide Handschriften sind als Orgeltabulaturen in Buchstaben-Notation geschrieben. Zusammen mit ihnen sind zwei weitere handschriftliche Choralphantasien über „An Wasserflüssen Babylon“ und „Kyrie Gott Vater in Ewigkeit“ überliefert, bei denen es sich um zwei bislang unbekannte Werke von Johann Pachelbel (1653-1706) handelt. Diese beiden Orgeltabulaturen sind Abschriften des Bach-Schülers Johann Martin Schubart (1690-1721), die vermutlich nach einer von Bach geschriebenen Vorlage entstanden sind. Schubart trat 1717 die Nachfolge seines Lehrers als Weimarer Hoforganist an und aus seinem Nachlass gelangten die drei Tabulaturen schließlich auf unbekannte Weise in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. 

Die Bedeutung des Quellenfundes kann kaum überschätzt werden. Angesichts der hohen spieltechnischen Anforderungen der drei Werke bezeugen die Quellen die frühzeitig erreichten virtuosen Fähigkeiten des jungen Bach sowie sein Bestreben, das Anspruchsvollste und Beste auf dem Gebiet der Orgelmusik zu beherrschen. Darüber hinaus wird deutlich, dass sich der junge Bach bereits vor 1700 an der norddeutschen Orgelkunst orientierte. Offenbar war sein Weg von Ohrdruf nach Lüneburg wesentlich von dem Ziel bestimmt, über Georg Böhm mehr über die bedeutenden Repertoires der Hamburger und Lübecker Altmeister zu lernen und Zugang zu den großen hanseatischen Instrumenten zu erhalten. 

Das Langzeit-Projekt des Bach-Archivs, die in den mitteldeutschen Archiven und Bibliotheken lagernden Dokumente der Musikerfamilie Bach systematisch zu erschließen, wird von der Ständigen Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gefördert. 

Die Handschriften werden ab 1. September 2006 während des Weimarer Kunstfestes in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek ausgestellt. Ab 21. September 2006 sind sie in der Ausstellung „Expedition Bach“ im Bach-Archiv in Leipzig zu sehen, zusammen mit anderen kürzlich entdeckten Dokumenten, wie der bereits im Vorjahr, ebenfalls in Weimar, gefundenen Huldigungsarie Bachs mit dem Titel „Alles mit Gott und nichts ohn’ ihn“.

Kontakt:
Bach-Archiv Leipzig
Thomaskirchhof 15/16
D-04109 Leipzig
Tel.: +49-(0)341-9137-0
Fax: +49-(0)341-9137-105
info@bach-leipzig.de

Quelle: Aktuelles aus dem Bach Archiv.