Nachfolgeregelung für die Leitung des Domstiftsarchivs Brandenburg

Eines der ältesten Archive Brandenburgs, das seit Gründung des Domstifts Brandenburg im Jahr 1161 bestehende Domstiftsarchiv Brandenburg (vgl. den Überblick über die Geschichte des Domstifts Brandenburg), bekommt im Juli 2007 mit Dr. Uwe Czubatynski einen neuen Leiter. Der jetzige Leiter des Domstiftsarchivs, Wolfgang Schößler, scheidet aus Altersgründen aus dem Archivdienst aus. 

Mit Czubatynski erhält das Archiv einen ausgewiesenen Kenner der Materie zum Leiter, der schon seit langem durch seine Mitarbeit im dortigen Beirat gute Kontakte zum Archiv hat. Der Spezialist für Kirchengeschichte und ausgebildete Bibliothekar (Verzeichnis der Veröffentlichungen) war viele Jahre als evangelischer Pfarrer in der Prignitz tätig. Er wurde auf seinen neuen Posten von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz berufen.

Das Domstiftsarchiv verwahrt Quellen zur Geschichte des Domstifts, zur Besiedlungs- und Kirchengeschichte der Mark Brandenburg im Mittelalter, zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Dörfer und Güter des Domstifts in Havelland und Zauche, zur Geschichte des märkischen Adels und des brandenburg-preußischen Staates sowie zur Geschichte der Ritterakademie. Im Domstiftsarchiv sind etwa 200 Kirchenkreis- und Pfarrarchive gelagert. Aufgrund der ständig wachsenden Zahl nicht mehr besetzter Pfarrstellen müssen die jeweiligen Pfarrarchive im Domstiftsarchiv untergebracht werden, was zunehmend zu großen Lagerungsproblemen führt.

Von großer wissenschaftlicher Bedeutung ist auch die 40.000 Schriften umfassende Archivbibliothek. Diese setzt sich nicht nur aus historischen Büchern – überwiegend aus dem 16. bis 18. Jahrhundert – zusammen, sondern auch aus Tausenden von Drucken aus dem 16. Jahrhundert sowie zahlreichen mittelalterlichen Handschriften.

Kontakt:
Domstiftsarchiv Brandenburg
Burghof 9
14776 Brandenburg
Telefon: 03381/21 1221 5
Fax: 03381/21 1221 6
archiv@dom-brandenburg.de

Quelle: Märkische Allgemeine, 5.7.2006; Der Prignitzer, 14.7.2006

500 Jahre St. Sebastianus-Bruderschaft Kerpen

In mühevoller Kleinarbeit haben die Leiterin des Stadtarchivs Kerpen, Susanne Harke-Schmidt, und der Brudermeister Adalbert Schwinghammer die 500-jährige Geschichte der St.-Sebastianus-Bruderschaft aufgearbeitet. Ihre Ergebnisse präsentieren sie ab dem 16. Juli 2006 in der Ausstellung  "Deß hilligen Sebastiani Broderschaft" –  500 Jahre St. Sebastianus-Bruderschaft Kerpen.

Obwohl das genaue Gründungsdatum der St.-Sebastianus-Bruderschaft nicht herauszufinden war, wird aber allgemein vom Jahr 1506 ausgegangen. Seit dem 14./15. Jahrhundert entstanden immer mehr Schützenbruderschaften, deren eigentliche Aufgabe zunächst darin lag, im Bedarfsfall für die Verteidigung ihrer Heimat zur Verfügung zu stehen. Schutzpatron dieser Bruderschaften war der Hl. Sebastian, was auch eine gut erhaltene, nur 5,6 cm große Silberstatue aus der Gründungszeit der Kerpener Bruderschaft beweist. Sie gehört zu den ältesten Exponaten der Ausstellung.

Weitere wichtige Ausstellungsstücke sind das Bruderschaftsbuch von 1650, in dem man die alte Satzung nachlesen kann, der um 1600 entstandene Schützenvogel sowie die Trommel aus dem Jahr 1763, mit der die Bürger bis ins 19. Jahrhundert hinein zum Schützenfest gerufen wurden. Des weiteren gehören 119 Schützenschilde – der älteste aus dem Jahr1756 –  genauso wie Säbel, Gewehre, Armbrust, Fahnen und Uniformen dazu.

Von besonderem Interesse sind auch zahlreiche Fotos, die nicht nur das aktive Vereinsleben der letzten hundert Jahre dokumentieren, sondern gemeinsam mit den Festschriften und Plakaten auch den Wandel einzelner Traditionen belegen. Den größten Teil der Exponate stellten die Schützenbruderschaft und das Stadtarchiv Kerpen zur Verfügung. Aber auch die Pfarre St. Martinus steuerte einiges dazu bei, was die enge Verbindung zwischen Kirche und Schützen verdeutlicht. 

Gleichzeitig mit der Eröffnung des Jubiläumsschützenfestes am 4. August 2006 erscheint auch eine Festschrift, die nicht nur in einzelnen Beiträgen auf die geschichtliche Entwicklung der Schützen eingeht, sondern auch ausführlich die gesamten Ausstellungsstücke beschreibt.

Die Ausstellung kann bis zum 6. 8. 2006 im Rathaus und danach ab dem 10.8. bis zum 28.09.2006 im Haus für Kunst und Geschichte besichtigt werden.

Info:
Ausstellung: Deß hilligen Sebastini Broderschaft – 500 Jahre St. Sebastianus-Bruderschaft Kerpen 
Datum: 16.07.2006 bis 28.09.2006 
Veranstalter: Stadtarchiv Kerpen
Stiftsstraße 8, D-50171 Kerpen
Telefon : 02237/922170 
historisches-archiv@stadt-kerpen.de 

Ort, Dauer und Öffnungszeiten der Ausstellung: 
16.07. bis 06.08.2006: Rathaus der Stadt Kerpen, Jahnplatz 1, 50171 Kerpen
10.08. bis 28.09.2006: Haus für Kunst und Geschichte, Stiftsstraße 8, 50171 Kerpen

Quelle: Stadt Kerpen, 16.7.2006; Sabine Ulbrich, Kölner Stadt-Anzeiger, 17.7.2006

7. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik. Nichtstaatliche Archive – Nutzen und Grenzen für Projektarbeit

Mit über 130 Teilnehmern aus dem ganzen Bundesgebiet registrierte die "7. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik" (10.3.2006, Programm) einen Rekordbesuch und bestätigte ihren Ruf als eines der wichtigsten deutschen Foren für die Zusammenarbeit von Archiv und Schule und die Historische Bildungsarbeit in Archiven. Unter dem Motto \“Nichtstaatliche Archive. Nutzen und Grenzen für Projektarbeit\“ wurde dabei erstmals gezielt die Archivwelt außerhalb von Staats- und Stadtarchiven in den Blick genommen. Der Karlsruher Schulpräsident Dr. Werner Schnatterbeck begrüßte die Karlsruher Profilierung, sah in der großen Teilnehmerzahl eine Bestätigung des eingeschlagenen Wegs und zeigte sich bei einer Besichtigung der präsentierten Projekte beeindruckt. 

Dr. Robert Kretzschmar, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg und Vorsitzender des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare betonte in seinem Einführungsreferat die Bedeutung der Historischen Bildungsarbeit und die Chancen, die die Archive dabei als außerschulische Lernorte böten. Ausgehend von einem Bild beim Besuch der Queen in Stuttgart 1965 fächerte er archivische Recherchemöglichkeiten auf: vom Daimler-Chrysler-Archiv (Antworten zur Staatslimousine) über das Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg (zur Mode der Zuschauer), das Landesmedienzentrum (offizielle Aufnahmen zum Staatsbesuch), das Archiv des Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Menukarte vom Staatsempfang) und das Archiv des SWR (Ton und Filmaufnahmen) bis zu den kirchlichen Archiven (zu den Vorfahren des Ministerpräsidenten). Die Vorstellung dieser Vielfalt der archivischen Landschaft mit Kirchenarchiven, Medienarchiven, Adelsarchiven über Archive bei Gedenkstätten bis zu denen in Museen eröffnete für eine große Zahl von Lehrerinnen und Lehrern eine unbekannte Welt, die für Projektarbeit und Unterricht zur Verfügung steht.

Als Vertreter des Kultusministeriums zeigte Dr. Thomas Hölz auf, dass mit dem Bildungsplan 2004 wesentliche Veränderungen in den Schulen Baden-Württembergs festgeschrieben worden seien. Es sei ein Wechsel vom ausschließlich auf Wissensvermittlung zielenden Unterricht hin zu Konzepten des \“Selbstlernens\“ und der \“Kompetenzvermittlung\“ angestrebt. Er stellte heraus, dass dabei Projekten zur Entdeckung und Erforschung eigener Lebenswelten eine besondere Bedeutung zukomme. Seine konkreten Vorschläge zur Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen und Archiven zielten auf intensivere Informationsvermittlung über archivische Angebote in den Schulen, aber auch auf Information und Praxis in der Lehrerausbildung – vom Studium bis zur Referendarzeit.

Diejenigen, die seit Jahren in der historischen Bildungsarbeit tätig sind, fühlten sich in ihrem Engagement bestätigt. Mit Genugtuung wurde in der von Prof. Dr. Volker Rödel vom Generallandesarchiv Karlsruhe geleiteten Diskussion registriert, dass diese Forderungen nicht mehr an die Schulverwaltung gestellt, sondern dort selber mit- und vorgetragen werden. Auch wenn der Aufwand für diese Art der Unterrichtsgestaltung hoch ist – wie auch die Anwesenden bestätigten –, sollte doch jeder Geschichtslehrer die Möglichkeiten und Chancen des \“Lernorts Archiv\“ wenigstens kennen. Neue Chancen, solche Wege auch wirklich zu beschreiten, ergeben sich u.a. durch die Einführung der Ganztagsschulen, weil durch Projektarbeit am Nachmittag diese Ziele erreicht werden können, ohne dass regulärer Unterricht ausfallen muss.

Auf der nachmittäglichen Projektmesse war die Welt der Archive mit ihren vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten für die archivpädagogische Arbeit präsent. Neun verschiedene nichtstaatliche Archive stellten sich und ihre Angebote für Schülerarbeit vor: Die Spannbreite reichte vom \’normalen\‘ Archivbesuch im privaten Adelsarchiv oder im Archiv des SWR über vorbereitete Programme mit Archivgut und Zeitzeugen im Jüdischen Museum Berlin und der KZ-Gedenkstätte Mannheim-Sandhofen bis zu themenoffenen Angeboten in den Archiven der Evangelischen Kirche Badens, des Erzbischöflichen Archivs Freiburg oder des Baden-Württembergischen Wirtschaftsarchivs in Hohenheim. Für thematische Arbeiten boten sich die Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg und das Fotoarchiv des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg Karlsruhe und Stuttgart an.

Von Schülerseite wurden acht ausgezeichnete Wettbewerbsbeiträge um den Preis des Bundespräsidenten 2005 \“Sich regen bringt Segen – Arbeit in der Geschichte\“ vorgestellt, darunter die beiden besten Arbeiten aus Baden-Württemberg – von der Christiane-Herzog-Realschule Nagold (9. Kl.) und vom Bismarckgymnasium Karlsruhe (12./13. Kl.). Wie sehr eine frühe Beschäftigung mit der örtlichen Geschichte motivierend wirken kann, zeigte eine Gruppe von Viertklässlern aus Heimsheim, die Feuer gefangen hatten und begeisternd über ihre Ergebnisse berichteten.

In der Abschlussdiskussion wurden die Vorschläge beider Referenten insbesondere von den anwesenden Lehrerinnen und Lehrern dankend angenommen und als Bereicherung für die tägliche Arbeit angesehen. Aber auch für die Archivarinnen und Archivare boten die Hinweise und Gespräche mit den Pädagogen und den Schülerinnen und Schülern anregende Impulse. Für die Tagung 2007 soll – nach der Präsentation erfolgreicher Großprojekte in diesem Jahr – wieder der Alltag der Archivpädagogik im Mittelpunkt stehen: methodische Überlegungen für den Einstieg in die Archivarbeit ebenso wie Möglichkeiten, diese Arbeit zu verstetigen. Ein weiteres Mosaikstück des Karlsruher Kompetenzkerns Archivpädagogik.

Bericht:
Dr. Clemens Rehm
Leiter der Stabsstelle des Präsidenten und Referatsleiter
Landesarchiv Baden-Württemberg
Abt. Fachprogramme und Bildungsarbeit
Eugenstraße 7
D-70182 Stuttgart
Telefon: 0711/212-4288
Fax: 0711/212-4283
clemens.rehm@la-bw.de

Eröffnung des Zeitgeschichtsarchivs Pragser Wildsee in Südtirol

Am Samstag, 22. Juli 2006, öffnet das erste Zeitgeschichtsarchiv Südtirols seine Tore. Im Hotel „Pragser Wildsee“ haben Caroline Heiss und Hans-Günter Richardi mit Unterstützung des Südtiroler Landesarchivs wertvolle Dokumente aus der Zeit um das Kriegsende 1945 zusammengetragen. Damals waren von der SS 139 prominente Geiseln ins Pustertal verschleppt worden.

Die Errichtung des Archivs hat eine in Südtirol bekannte Vorgeschichte: Am 30. April 1945 trafen prominente Sippen- und Sonderhäftlinge aus dem KZ Dachau, die noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges als Geiseln der SS ins Pustertal verschleppt und in Niederdorf befreit worden waren, im Hotel "Pragser Wildsee" ein, wo sich Emma Heiss-Hellensteiner der Gefangenen annahm. Dieses Geschehen ist der Anlass, an diesem authentischen Ort ein Archiv einzurichten, das die Erinnerung an den Geiseltransport wachhalten und der weiteren Erforschung dieses zeitgeschichtlichen Kapitels dienen soll.

Darüber hinaus widmet sich das Archiv aber auch noch anderen Gebieten der Zeitgeschichte, die für Niederdorf und Prags von lokaler Bedeutung sind: dem frühen Tourismus im Hochpustertal, dem Beginn des Alpinismus in den Pragser Dolomiten und der Dolomitenfront im Ersten Weltkrieg, die in der Nähe von Niederdorf und Prags verlief.

Literatur:
Hans-Günter Richardi: SS-Geiseln am Pragser Wildsee. Der Leidensweg prominenter KZ-Häftlinge aus 17 Ländern Europas nach Südtirol 
Prags : Zeitgeschichtsarchiv Pragser Wildsee, 2006
112 S. : Ill., Kt., ISBN: 88-902316-0-2, Euro 14,80

Quelle: Autonome Provinz Bozen, Pressemitteilung des Landespresseamtes, 14.7.2006

Zehn Jahre Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass

Vor zehn Jahren entstand aus der Keimzelle der Arbeitsstelle für Gustav-Regler-Forschung unter dem organisatorischen Dach der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek das Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass. Das Archiv ruft durch seine regen Aktivitäten, darunter zahlreiche Veröffentlichungen, Lesungen, Ausstellungen, die Bedeutung und Vielfalt der hiesigen literarischen Szenerie neu ins Bewusstsein. Es hilft damit – neben dem Landesarchiv und den Museen des Landes Saarland – das kulturelle Gedächtnis der Region lebendig zu halten.

Ende Oktober 2006 wird eine Festschrift erscheinen, die neben der Ausstellung die Arbeit des Literaturarchivs dokumentiert.

Link: www.sulb.uni-saarland.de/fachinfo/litarchiv/index.html

Info:
Ausstellung Zehn Jahre Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass 
26.10.2006 bis 25.11.2006
Montag bis Freitag 9 – 22 Uhr, Samstag 9 – 12.30 Uhr
Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek
Premiere 26.10.2006 17:00 Uhr – Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek

Kontakt: 
Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek
Postfach 15 11 41
66041 Saarbrücken
Telefon: +49(0)-681-2070
Fax: +49(0)-681-2796 
sulb@sulb.uni-saarland.de
http://www.sulb.uni-saarland.de/

Quelle: kulturkurier, 15.7.2006

Kriterienkatalog vertrauenswürdiger digitale Langzeitarchive zur Kommentierung

Die nestor-AG \“Vertrauenswürdige Archive – Zertifizierung\“ hat Kriterien identifiziert, die die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit eines digitalen Langzeitarchivs sowohl in organisatorischer als auch in technischer Hinsicht ermöglichen. Der Katalog richtet sich in erster Linie an Gedächtnisorganisationen (Archive, Bibliotheken, Museen) und dient als Leitfaden, um ein vertrauenswürdiges digitales Langzeitarchiv zu konzipieren, zu planen, und umzusetzen. Ferner kann er auf allen Stufen der Entwicklung zur Selbstkontrolle und Darstellung eingesetzt werden. Darüber hinaus soll dieser Katalog allen Institutionen, die selbst archivieren, sowie Dienstleistern aus dem kommerziellen und nichtkommerziellen Bereich und Drittanbietern von Produkten als Orientierungshilfe dienen.

Um einen breit akzeptierten Kriterienkatalog zu entwickeln, der einerseits ein fundiertes, abgestimmtes und praxisgerechtes Hilfsmittel zur Erlangung und Darstellung von Vertrauenswürdigkeit darstellt und andererseits auch die Option eröffnet, die Vertrauenswürdigkeit durch eine Zertifizierung im Rahmen eines national bzw. international standardisierten Verfahrens nachzuweisen, benötigt die nestor-AG Beiträge und Kommentare betroffener und interessierter Institutionen.

Daher ruft die AG hiermit auf, den vorliegenden Entwurf des Kriterienkataloges unter

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0008-2006060710 

bis zum 31. Oktober 2006 zu kommentieren.

Bitte senden Sie Ihre Kommentare, Anregungen, Fragen per e-Mail an Frau Dobratz (dobratz@cms.hu-berlin.de) und Frau Dr. Schoger (schoger@bsb-muenchen.de).

Historisches Lernen im Archiv

Kenntnisreich und erfahrungsgesättigt, aber auch mit Herzblut haben der Darmstädter Archivpädagoge Thomas Lange und der Darmstädter Staatsarchivar Thomas Lux ein Buch verfasst, das – laut Klappentext – in die didaktische Diskussion um Archivpädagogik einführt, über die vielfältigen Aufgaben und Arbeitsfelder der Archive informiert und praktische Hinweise und Tipps für die schulische Arbeit mit archivalischen Quellen gibt. Insofern handelt es sich einerseits um eine Einführung, die sich vor allem an Geschichtslehrerinnen und -lehrer wendet, deren Kenntnisse über den „Lernort“ Archiv grundlegend verbessert werden sollen. Andererseits handelt es sich bei dem 2004 erschienenen Buch „Historisches Lernen im Archiv“ aber auch um ein engagiertes archivpolitisches Plädoyer für ein modernes Rollenverständnis der Archive.

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Mit erkennbarer Sympathie beziehen sich die Autoren in ihrer Argumentation, „dass Archive Werkzeuge der Demokratie sein können“ (34), dabei auf Traditionen der Aufklärung wie auf außerdeutsche Vorbilder: Auf das seit 1794 in Frankreich gesetzlich verankerte Zugangsrecht jeden Bürgers zu den bis dahin geheimen Archiven wird an mehreren Stellen Bezug genommen, ebenso auf den 1950 entstandenen pädagogischen „Unterrichtsdienst“ der französischen Archive. Aber auch die Bedeutung authentischen Materials von Unterdrückten und über Verfolgte der europäischen Diktaturen, das zur Aufarbeitung der privaten wie der allgemeinen Geschichte dieser Länder unentbehrlich ist (z.B. des Memorial-Archivs in Moskau oder der deutschen Stasiunterlagenbehörde), wird betont. Stünden Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit in vielen europäischen Archiven auch noch am Anfang, so zeige sich derzeit gerade in Osteuropa, wie insbesondere Jugendliche mit den Archiven forschend und entdeckend lernen könnten, wodurch Demokratie in ihren Gesellschaften verwirklicht oder verhindert worden sei.

Didaktisch und methodisch ist das Buch von Ansätzen der 1970er und 1980er Jahre geprägt, so unter Bezugnahme auf einen – etwas verkürzt dargelegten – Geschichtsbewusstseins-Begriff nach Jeismann sowie auf Unterrichtstypologisierungen nach von Borries. Das Streben nach Aufklärung und das Anwenden der kritischen Methode zum Erkennen historiographischer Perspektivität wird dabei insbesondere vor dem Hintergrund des alltagsgeschichtlichen Wandels der Geschichtswissenschaft im selben Zeitraum beschrieben. Beides verhalf den Archiven zu neuem Aufwind und neuer Klientel: „Geschichte von unten“ und „Geschichte vor Ort“, wie sie die Geschichtswerkstätten und der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten bis heute propagieren, machten die „detektivische Spurensuche“ zur geläufigen Metapher im Geschichtsunterricht (40).

Da es das Ziel archivpädagogischer Arbeit sei, Geschichte sinnlich und persönlich erfahrbar zu machen (47), gilt die direkte Arbeit mit Archivalien als die entscheidende Phase beim Archivbesuch. Nach einem Einführungskapitel über den Zweck von Archiven (5-25), einem historischen Rückblick auf die Genese der Archivpädagogik und der Historischen Bildungsarbeit (26-64), stellen die Verfasser in einem umfangreichen, auch für die FAMI- und Archivarsausbildung geeignet heranzuziehenden dritten Kapitel das „Universum“ der Archive und der Akten vor (65-146): Die verschiedenen öffentlichen, öffentlich-rechtlichen und privaten Archivformen, ihre Organisation, Struktur und Funktion werden dabei ebenso dargelegt, wie Archivtechnik, archivarische Tätigkeiten, Aktenkunde und Hilfswissenschaften, deren Kenntnis den Archivbesuch erleichtern. Die Kapitel 4 und 5 sind schließlich der Praxis gewidmet, wobei es zunächst um die Archivpädagogik und die Präsentation im Archiv entstandener Forschungsergebnisse geht (147-193). Den Abschluss des Bandes bilden praktische Tipps zur Vorbereitung auf einen Archivbesuch sowie Literatur- und Lesehinweise zum Vertiefen der bereits mit diesem Band erworbenen archivpädagogischen Kenntnisse (194-222). Das an Informationen und Argumenten dichte Buch ist eng bedruckt, aber gut lesbar. Es wird durch zahlreiche illustrierende und erläuternde Abbildungen sinnvoll ergänzt und dürfte das bislang noch archivferne Lehrpersonal eigentlich zum aktiven Besuch des „Bildungszentrums Archiv“ ermuntern.

Info:
Thomas Lange/Thomas Lux: Historisches Lernen im Archiv (Reihe: Methoden Historischen Lernens), Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. 2004, 222 S., 14,30 Euro, ISBN 3-89974107-2

Inhaltsübersicht:
1. Kapitel: Suchen, Finden, Sammeln: Wozu sind Archive da und wozu sind sie gut?
1.1 Die Gewölbe von Abdera – Was man von Archiven so denkt
1.2 Von der Keilschrift zum Büro – Was Archive sind
1.3 Historiker und „Betroffene“ – Wozu Archive gut sind

2. Kapitel: Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit – Entwicklung und didaktische Diskussion
2.1 Internationale Entwicklung 
2.1.1. Das Vorbild: Der „service éducatif“ in den französischen Archiven
2.1.2. Augenblicksaufnahme: Die Situation in Europa
2.2. Von der Quellenanalyse im Geschichtsunterricht zur Archivpädagogik – Die Wandlung des Geschichtsbewusstseins in Öffentlichkeit, Schule und Wissenschaft in Deutschland
2.2.1. Geschichtsunterricht mit Quellen – eine kurze Geschichte
2.2.2. Werkstätten contra Lehrstühle – die „Geschichte von unten“ entdeckt in den Archiven die „Geschichte des Menschen“
2.2.3. Identität durch Archive? – Von der verklärenden Fürsten- zur aufklärenden Landes- und Regionalgeschichte
2.2.4. Über Archivdokumente zum reflektierten Geschichtsbewusstsein – der gegenwärtige Stand der Archivpädagogik in Geschichtsdidaktik und Schulpraxis
2.3. Der kulturelle Auftrag der Archive – Archivische Öffentlichkeitsarbeit, Historische Bildungsarbeit, Archivdidaktik und Archivpädagogik

3. Kapitel: Archive sind aufregend – Das Universum der Akten und der Weg hindurch
3.1. Archive spiegeln die Geschichte – Was findet man wo?
3.1.1. Parlaments-, sowie Partei- und Verbandsarchive
3.1.2. Staatsarchive
3.1.3. Kommunalarchive
3.1.4. Kirchliche Archive
3.1.5. Archive zur jüdischen Geschichte
3.1.6. Wirtschaftsarchive
3.1.7. Medienarchive
3.1.8. Hochschul- und Universitätsarchive
3.1.9.Sonstige Archive
3.1 Archive strukturieren (nicht nur) die Vergangenheit – Ihre Aufgaben in der Verwaltungspraxis
3.2.1 Beratung der Verwaltung – Keine Ordnung in den Büros
3.2.2 Bewertung und Übernahme – Was wird aufgehoben und was nicht?
3.3. Archive bewahren und erschließen – Wie wird eine Akte zur Archivalie?
3.3.1 Konservierung und Restaurierung – Schimmel, Mäusefraß und andere Aktenfeinde
3.3.2 Ordnung und Erschließung – Wie findet man, was man sucht? (Recherche – Strategien an Beispielen)
3.3.3 Benutzerdienst und Aktenschutz – Wer was lesen darf – und wann?
3.4 Hürden, die (fast) keine sind 
3.4.1 Schrift
3.4.2 Abkürzungen
3.4.3 Siegel, Heraldik (?)
3.4.4 Maße, Münzen, Daten

4. Lernend forschen – Forschend lernen. Archivpädagogische Praxis
4.1. Unterricht im Archiv
4.2. Forschung im Archiv
4.2.1. Selbst geschaffene Quellen: oral history
4.3. Praktische Archivarbeit: Verzeichnungsprojekte, Verzeichnungsprojekt: Kriegsbriefe Hoffmann
4.4. Arbeitsformen, Präsentation – Ergebnisdarstellung
4.4.1 1 Facharbeiten
4.4.2 (Schul-)öffentliches Präsentieren der Arbeits-Ergebnisse (Ausstellung)
4.4.3. CD-ROM
4.4.4. Spielformen, Collagen, Rollenspiele
4.4.5. Spielerisches Lernen: Urkunden selbst herstellen (Primarstufe) Urkundenherstellung für Kinder im Grundschulalter

5 Praktische Tipps
5.1. Vorbereitung auf einen Archivbesuch – ein „Merkzettel“.
5.2. Archivadressen – Staatsarchive, ausgewählte Kommunalarchive
5.3. Archivpädagogische Veröffentlichungen in Druck und Internet
5.3.1.1. Einführungen in Archivarbeit mit praktischen Hilfen (Schrift etc.): Druck
5.3.1.2. Einführungen in Archivarbeit mit praktischen Hilfen (Schrift etc.): Internet
5.3.2.1. Archivdokumente (Druck und CD-ROM)
5.3.2.2. Digitale Archive bzw. Quelleneditionen im Internet
5.3.2.3. „Schule und Archiv“ – Archivpädagogische Unterrichtseinheiten auf dem bayerischen Bildungsserver (z. T. mit digitalisierten Quellen)

(Jens Murken)

75 Jahre Landeskirchliches Archiv Nürnberg in chronischer Enge

Eigentlich wäre es ein guter Anlass, die Bedeutung des Archivs für die evangelische Landeskirche in Bayern hervorzuheben. Doch zum 75-jährigen Bestehen des Landeskirchlichen Archivs Nürnberg steht dessen Mitarbeitern nicht recht der Sinn nach Feiern, denn die seit Jahrzehnten gravierende Platznot macht ein effizientes Arbeiten beinahe unmöglich.

Seit seiner Gründung im Jahre 1931 war das Landeskirchliche Archiv in diversen Räumlichkeiten untergebracht, die nie ausreichend Platz boten (vgl. Archivgeschichte). So stellte unter anderem der langjährige Archivleiter Helmut Baier nach dem Umzug des Archivs 1955 in das jetzige Gebäude in der Veilhofstraße sogar seine Dienstwohnung zur Verfügung, um etwas mehr Lagerfläche für die Akten zu erhalten. Da auch dieses nicht ausreichend war, wurden bzw. werden noch immer die im Süden der Stadt Nürnberg angemieteten Lagerhallen zur Unterbringung von Archivmaterial genutzt, so dass die einzelnen Mitarbeiter auf der Suche nach Akten ständig hin- und herpendeln müssen.

Nachdem sich im Jahr 2001 Pläne für einen Neubau wohl endgültig zerschlagen haben, weiß Andrea Schwarz, die jetzige Leiterin des Archivs, kaum noch, wo sie die ständig anwachsende Aktenflut unterbringen soll. Denn infolge des  Archivgesetzes vom 10. April 2000 müssen Pfarrämter und kirchliche Leitungsorgane nach einer gewissen Zeitspanne ihre Altakten an das Landeskirchliche Archiv abgeben. So kommen jährlich etwa 250 laufende Meter zu den bereits vorhandenen 16,2 Regalkilometern hinzu. Außer Akten setzen sich diese aus Kaiserurkunden, Gedenkmünzen, Fotos, Filmen, einer aus 170.000 Bänden bestehenden Bibliothek sowie aus zahlreichen Kirchenbüchern zusammen.

Infolge der überall herrschenden Finanznot ist voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht mit einer zufriedenstellenden Lösung dieses gravierenden Platzproblems zu rechnen.

Jubiläumsprogramm

Freitag, 14. Juli 

  • 16 Uhr: Festgottesdienst in St. Sebald (Nürnberg) mit Landesbischof Johannes Friedrich. Anschließend Empfang im Haus »eckstein«.
  • 19.30 Uhr: Vortrag »Fortschrittswelt und Bewahrungskultur« von Prof. Odo Marquard (Gießen) im Haus »eckstein«.

Samstag, 15. Juli 

  • 9.30 Uhr: Vortrag »Geschichte des Landeskirchlichen Archivs« von Archivdirektorin Andrea Schwarz (»eckstein«).
  • 11 Uhr: Vortrag »Kulturauftrag der kirchlichen Archive« mit Archivdirektor Hans Otte (Hannover) (»eckstein«).
  • 12.15 Uhr: Mitgliederversammlung des Vereins für Bayerische Kirchengeschichte (»eckstein«).
  • 14.30 Uhr: Führung »Kostbarkeiten des Archivs« (Landeskirchliches Archiv, Veilhofstr.).
  • 16 Uhr: Kirchenbesichtigung in Mögeldorf, anschl. Abendmeditation.

Kontakt:
Landeskirchliches Archiv der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
Veilhofstraße 28
90489 Nürnberg 
Telefon: +49 911 58869-0
Telefax: +49 911 58869-69 
LKANuernberg@t-online.de 
www.lkan-elkb.de

Quelle: Thomas Greif, Sonntagsblatt 29/2006, 16.7.2006

Die Urkunden des Stifts Obermarchtal

Mit dem nunmehr im Buchhandel erhältlichen Werk "Die Urkunden des Reichsstifts Obermarchtal. Regesten 1171-1797" werden über 2.000 Urkunden in Regestenform gedruckt der Forschung zugänglich gemacht. Deren Originale sind nach der Zerschlagung des Stiftsarchivs im 19. Jahrhundert heute auf drei Archive verteilt: das Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv Regensburg, das Hauptstaatsarchiv Stuttgart und das Staatsarchiv Sigmaringen

Die Regesten zeigen den ausgedehnten Besitz des Stifts in den heutigen Landkreisen Tübingen, Reutlingen, Alb-Donau-Kreis, Biberach und Bodenseekreis sowie in der Schweiz. Wie die eine oder andere Urkunde belegt, war das Verhältnis des Stifts zu seinen Untertanen nicht immer frei von Spannungen und Konflikten. Wirtschaftsgeschichtlich von Interesse sind die in den Regesten genannten Wanderhändler aus Savoyen und die Salpetersieder. Die Magd, die der Reformation zuneigte, ist ebenso dokumentiert wie die Frau, die besondere Dienstleistungen für die Priester des Stifts anbot. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Quellen zur regionalen Kirchengeschichte, insbesondere zu den spätmittelalterlichen kirchlichen Verhältnissen in Munderkingen. Für die Adelsgeschichte sind die zahlreich in den Urkunden genannten Adligen von Bedeutung. Allein die Familie vom Stain nimmt mit ihren Linien über fünf Seiten im Personenregister ein. Doch auch für die Genealogie bäuerlicher und bürgerlicher Familien Oberschwabens von A wie Aßfalg bis Z wie Zech ist das Werk eine Fundgrube.

Info:
Die Urkunden des Reichsstifts Obermarchtal. Regesten 1171-1797. Bearb. von Hans-Martin Maurer und Alois Seiler. Redaktion Sabine Meyer. Hg. von Wolfgang Schürle und Volker Trugenberger. Konstanz/Eggingen (Edition Isele) 2005 (Documenta suevica 5). ISBN 3-86142-332-4. 40,- €

Quelle: Staatsarchiv Sigmaringen, Pressemitteilung, 7.7.2006

1000 Jahre Schwandorf

Das Stadtarchiv Schwandorf (Bayern) eröffnet am 18. Juli 2006 anlässlich des 1000-jährigen Stadtjubiläums eine große Fotoausstellung im Rathaus, die hauptsächlich den Festumzug vom Heimatfest 1955 zum Thema hat. Die zahlreichen Schwarz-weiß-Aufnahmen stammen aus dem Schaffer-Archiv. Dahinter verbirgt sich eine Fotografenfamilie, die alle wichtigen Ereignisse in Schwandorf über Jahrzehnte hinweg dokumentiert hat. Sämtliche Bestände wurden von dem Fotostudio Schwarz erworben, das auch alle Aufnahmen dem Stadtarchiv zur Verfügung gestellt hat.

Zehn Jahre nach Kriegsende feierte man 1955 nicht nur die Erhebung zur Stadt vor 650 Jahren und die Konsekration der ersten Kreuzbergkirche vor 275 Jahren, sondern man gedachte auch der verschiedenen Zerstörungen der Stadt im Laufe der Jahrhunderte und dem jeweiligen Wiederaufbau – vor allem nach 1945. Aus diesen Gründen scheute man 1955 – ganz im Gegensatz zum diesjährigen Jubiläum – auch keine Kosten und Mühen, um einen gewaltigen Festumzug zu organisieren. Anhand historischer Wagen sollten die einzelnen Epochen der Stadt dargestellt werden. Geschichtliche Ereignisse des weltlichen und geistlichen Lebens wurden genauso thematisiert, wie die Bedeutung wichtiger Industriezweige wie das Elektrizitätswerk, die Tonwarenfabrik oder auch die Eisenbahn für die Entwicklung der Stadt. Selbst historische Gebäude wie die alten Stadttore oder der Blasturm fehlten nicht.

Wie Stadtarchivar Josef Fischer erklärte, können nach Ende der Ausstellung am 6. September 2006 alle dort präsentierten 99 Fotos samt Rahmen erworben werden. Für manchen Schwandorfer Bürger dürfte damit ein Teil seiner Vergangenheit wieder lebendig werden und auch für die nachkommenden Generationen von Interesse sein.

Kontakt:
Stadtarchiv Schwandorf
Stadtverwaltung
Kirchengasse 1
92421 Schwandorf (Bayern)

Quelle: Mittelbayerische, 12.7.2006