Holocaust-Memorial in Paris

Das bedeutendste europäische Holocaust-Dokumentationszentrum, das sich auf dem Gelände des Pariser Holocaust-Memorials (Mémorial de la Shoah) befindet, ist seit dem Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz dem Publikum in geschmackvoll renovierten Gebäuden zugänglich. Anlässlich des internationalen Gedenktages wurde am gleichen Ort die neu errichtete Namen-Mauer (aus hellem Jerusalem-Stein) der Öffentlichkeit übergeben. Die Namen und das Geburtsjahr der 76.000 aus Frankreich deportierten Juden sind in die am Eingang des Holocaust-Memorials positionierte Mauer eingraviert.

Das Holocaust-Memorial ist kein Museum (es gibt bereits ein Museum der Kunst und Geschichte des Judaismus in Paris), sondern eine globale Erinnerungsstätte, deren erstes Mahnmal bereits seit 1956, unter dem Namen "Mémorial du martyr juif inconnu" (Denkmal des unbekannten jüdischen Märtyrers), in einer schmalen Straße im Pariser Viertel Marais existiert. Im Marais befindet sich seit 900 Jahren das Herz der jüdischen Gemeinde. Von 1942 bis 1944 wurde dort eine große Anzahl der jüdischen Deportierten festgenommen.

Die Gebäude hinter der Namen-Mauer, die einen ganzen Häuserblock einnehmen, enthalten das umfangreiche Dokumentationszentrum, ergänzt durch Ausstellungssäle, wo auf 1000 Quadratmetern die Geschichte der europäischen und der französischen Juden anhand von Daten, Zahlen, Foto-, Film- und Originaldokumenten dargestellt wird.

Das Pariser Shoah-Dokumentationszentrum, dessen Archivumfang nur mit dem Holocaust Museum in Washington und dem Yad Vashem in Jerusalem vergleichbar ist, geht auf die Initiative von jüdischen Widerstandskämpfern in Grenoble zurück, die bereits am 28.4.1943 beschlossen, ein zeitgenössisches jüdisches Dokumentationszentrum zu gründen. Sie retteten noch während der deutschen Besatzung wichtige Papiere mit Unterschriften der Hauptverantwortlichen der Judenverfolgung sowie der Kollaborateure.

Während der Nürnberger Prozesse dienten sie als entscheidendes Beweismaterial. Heute umfasst das Archiv mehr als eine Million Dokumente, die am Ort oder per Internet konsultierbar sind. Darunter 60.000 Archivfotos, eine Bibliothek mit 50.000 Werken über den Holocaust und die Geschichte der jüdischen Gemeinden in zehn Sprachen. Es wird seit mehr als 60 Jahren laufend ergänzt – z.B. wurde kürzlich ein Teil des Archivs des internationalen Roten Kreuzes aus der Schweiz erworben.

Quelle: derStandard.at, 10.2.2005

Liebesbriefe im Archiv

Zwischen "Mein liebes liebes Muckelchen!" (1903) und "Miriam, Du brichst mir mein Herz!" (2005) liegt gut ein Jahrhundert, doch verbindet diese beiden Anreden das wohl wichtigste Gefühl der Menschheit: Liebe. Seit es Menschen gibt, versuchen diese, ihre Zuneigung in Worte zu fassen. 5.000 Liebesbriefe aus einem Schweizer Archiv bieten die Grundlage für eine ungewöhnliche akustische Ausstellung, die jetzt im Petersburger "Baltischen Haus" Premiere hat.

Weil Liebesbriefe so bedeutend sind für unser Leben, hat die Schweizer Linguistin Eva Lia Wyss über Jahre diese intimen Schreiben gesammelt und so ein Archiv aus inzwischen über 5000 Stück aufgebaut. Ein Teil dieser Briefe wurde von dem Theaterwissenschaftler Mats Staub vertont . Nach dem das Projekt in der Schweiz gut ankam, geht es jetzt mit einigem ins Russische übersetztem Material in Russland auf Tournee.

Am Anfang stand das Habilitationsprojekt der Sprach- und Medienwissenschaftlerin Wyss. Sie wollte Liebesbriefe des 20. Jahrhunderts analysieren. Deshalb rief sie 1997 ihre Mitbürger in Zeitungen auf, Liebesbriefe einzuschicken: Alte oder neue, selbst geschriebene oder erhaltene, Briefe aus dem Nachlass der Großtante oder beim Stöbern auf dem Speicher gefundene. Erstaunlich viele Leute aus der Schweiz und auch aus Österreich und Deutschland schickten daraufhin ihre Briefe: Sei es nun aus Stolz über so schöne Liebesbekundungen, aus der Erleichterung, zur Last gewordene Korrespondenz endlich loszuwerden, ohne sie selbst wegschmeißen zu müssen, oder sei es der bloße Wunsch nach Archivierung, also quasi der Verewigung seiner Gefühle.

Mats Staub nutzte die so entstandene Sammlung für sein Projekt, das er zunächst für das Theater Neumarkt in Zürich arrangierte. Er wählte aus den Unmengen an Liebesbekundungen die schönsten und traurigsten Briefe aus, eben die, die eine interessante Geschichte zu erzählen haben. Am Ende hatte er ein Sortiment von über 600 Briefen aus insgesamt 80 Briefwechseln beisammen. Diese stammen aus allen Zeiten des letzten Jahrhunderts und sind vorgelesen zwischen zwei und 30 Minuten lang. Fast alle sind ungekürzt, jedoch wurden die Namen der Briefeschreiber, und in heiklen Fällen auch die Ortsnamen, geändert.

Als Tonträger entschied sich Staub für Kassetten. Er wollte, dass die Besucher sich wirklich mit den Stücken auseinandersetzen müssen. Dass das Anhören "ein richtiger Vorgang" ist, bei dem man nicht einfach schnell weiter skippen kann, wenn man ungeduldig wird. Passend zu dem inzwischen fast veralteten Medium Kassette wählte Pulli, die für die Raumausstattung zuständig war, nostalgisch anmutende schlichte Kassettenspieler. Je eines dieser Geräte montierte sie in den 15 gemütlichen, gepolsterten Sitzecken, die sie samt dazugehöriger Tischchen aus hölzernen Transportkisten gebaut hatte.

Nach dem Erfolg in der Schweiz ist Staub mit seinem Projekt jetzt in Russland. Mit seiner hiesigen Kollegin Swetlana Marchenko hat er die "Audiobar" im Baltischen Haus aufgebaut. Das Raumkonzept – die Theke und die 15 Sitzecken mit Tischchen und Kassettenrekordern – ist das gleiche geblieben, nur hat sich die Auswahl an Liebesbriefen verändert. Zum einen ließ Staub 30 der 50 deutschen Kassetten ins Russische übersetzen. Bei dieser Übersetzung musste ein Mittelweg zwischen guter russischer Sprache und der Authentizität der originalen deutschen Texte gefunden werden. Zum anderen begann er, hier in Russland ebenfalls Liebesbriefe der Bürger zu sammeln. Und wieder fanden sich viele Menschen, die bereit waren, etwas zu dem Projekt beizusteuern. Diesmal sprachen Mitarbeiter des Baltischen Hauses – erneut Schauspieler wie Laien – die Briefe auf Band.

So kann man bei der "Audiobar" in St. Petersburg nicht nur studieren, wie sich die Art der Briefwechsel über die Jahrzehnte verändert hat, oder wie ältere Schreiber im Vergleich zu jüngeren formulieren. Hier kann man nun auch Vergleiche zwischen russischen und deutschen Liebesbekundungen ziehen – sofern man der russischen Sprache mächtig ist. Denn die russischen Briefe wurden bislang nicht ins Deutsche übersetzt.

Für die Zukunft plant Staub noch einiges mehr. Zunächst ziehen die 5.000 Liebessbriefe nach Moskau (8. bis 12. März) und Nowgorod (April). Und im Februar 2006, wieder pünktlich zum Valentinstag, wird man vielleicht im Stadttheater Stuttgart den Liebesbriefen lauschen können. Angespornt von den bisherigen Erfolgen würde Staub das Projekt gerne erweitern, wünscht sich Liebesbriefe aus England, Frankreich und Italien, um eine europaweite Sammlung von Liebesbekundungen aufzustellen.

Quelle: Sophie von Merten, sanktpetersburg.ru, 9.2.2005; Weitere Informationen: www.5000liebesbriefe.ch

Bombenkrieg am Niederrhein

War es eine Verwechslung oder handelte es sich um das Bombardement von Gelegenheitszielen? Die Geschichtsforscher streiten nach wie vor darüber, warum beispielsweise Arnheim und Enschede im Februar 1944 von den Alliierten ausgewählt wurden. Arnheim, so heißt es, soll mit Goch verwechselt worden sein, Enschede mit Münster. Wie auch immer – das Leid, das damit über die Bevölkerung hereinbrach, war unermesslich. Bilder aus dem zerstörten Nimwegen, am 22. Februar 1944 im Bombenhagel versunken, vermitteln dies ebenso wie zahlreiche Fotos aus Wesel, Emmerich, Rees und vielen anderen Städten beiderseits der Grenze. Zu sehen sind sie ab Sonntag in der Ausstellung "Bomben auf unser Haus – Arnheim, Nimwegen und der Niederrhein" im Preußen-Museum.

Die Schau ist Teil des groß angelegten Projektes "60 Jahre Freiheit" der Euregio Rhein-Waal. Organisiert wird es vom Nationaal Bevrijdingsmuseum Groesbeek in den Niederlanden, Partner sind unter anderen das Kreis- und Stadtarchiv Wesel. Das Besondere der Rückschau: Die Menschen stehen im Blickpunkt. Museumsdirektor Dr. Veit Veltzke sieht in der Ausstellung auch ein Mittel, die deutsch-niederländische Verständigung voranzubringen. Dass das Interesse rund um den Zweiten Weltkrieg auch in den Niederlanden groß ist, zeigt beispielsweise das enorme Einspielergebnis des deutschen Kinofilms "Der Untergang". Auch das Leid der deutschen Bevölkerung werde in Holland wahrgenommen, so Veltzke.

Es ist eine der letzten Möglichkeiten, mit Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen, erinnert der wissenschaftliche Mitarbeiter Thomas Ohl. Deshalb geht es in einem Teil des Projektes um die Befragung der Menschen, die die Angriffe damals miterlebt haben, in einem anderen um die Erhaltung des Erbes. Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg werden registriert, dokumentiert und präsentiert. Darüber hinaus wird es einen Reiseführer mit dem Titel "Monumente der Freiheit" geben, der Denkmäler, Friedhöfe, Museen, Archive und anderes mehr zum Thema enthalten soll. Und unter dem Motto "Zukunft der Vergangenheit" ist vorgesehen, mit Schülern zusammenzuarbeiten.

Bei einem Rundgang durch die zweisprachig konzipierte Ausstellung, die auf zwei Ebenen zu sehen ist, kann der Weg der tödlichen Bomben genau verfolgt werden. Erstaunlich, dass nicht nur größere Städte wie Wesel und Kleve Ziele waren, sondern auch Uedem und Kalkar, die am 21. und 25. Februar getroffen wurden. Besonders makaber: In Wesel wurden nach dem verheerenden Angriff am 16. Februar weitere Angriffe zu Filmzwecken geflogen, wie Thomas Ohl weiß.

Über 600 Zivilisten kamen in der heutigen Kreisstadt ums Leben, die Überlebenden hatten keine Bleibe mehr. Der letzte Angriff am 23. März traf erneut das Zentrum, aber auch den Bereich rund um den Hafen. Einen Tag später war die Stadt bereits in britischer Hand. Wohnten vor dem Krieg 24 600 Menschen in Wesel, waren es am 10. Mai 1945 nur noch 2000, provisorisch untergebracht in Kellern und Notbehausungen.

Ausstellung "Bomben auf unser Haus" im Preußen-Museum; Eröffnung: Sonntag, 13. Februar, 11.30 Uhr; bis 8. Mai, dienstags, mittwochs, donnerstags sowie samstags und sonntags 11 bis 17 Uhr; www.preußenmuseum.de

Quelle: Petra Herzog, NRZ online, 9.2.2005

»Private« Digitalisierung von Berner Kirchenbüchern

Der Protest der Familienforscher war lautstark, als ihnen das Staatsarchiv Bern aus Spargründen den Zutritt zu den Kirchenbüchern drastisch einschränkte. Ein findiger Amerikaner bietet die Quellen nun auf CD an.

Kein Mensch interessierte sich für sein erstes Buch. Ob Häuser, Bäume oder ein Pflasterstein: Lewis Bunker Rohrbach listete in seinem Werk minutiös auf, wer im Jahr 1821 was in Boston besass. Heute, 35 Jahre nach seiner ersten Publikation, führt der mittlerweile 63-Jährige in Rockport im US-Bundesstaat Maine einen auf Genealogie spezialisierten Buchverlag. Der Amerikaner, dessen Ururgrossvater vor 200 Jahren von Hinterfultigen in die USA auswanderte, hat seinen Wohnsitz nach Worb verlegt. Hier will er ein Zentrum für Familienforschung einrichten. Die Idee dazu kam ihm, nachdem das Staatsarchiv Bern aus Spargründen eine restriktive Regelung für Familienforscher einführte. Sie dürfen fortan nur noch an drei Tagen im Jahr ein Lesegerät reservieren, um auf Mikrofilmen die Kirchenbücher nach Ahnengeschichten zu durchsuchen. Rohrbach wollte die bernischen Kirchenbücher kopieren und sie in seinem Zentrum zum Verleih anbieten – gegen Entgelt. Das erschien den Familienforschern anfänglich suspekt. Sie zogen es vor, für den uneingeschränkten und kostenlosen Zugang zum Staatsarchiv zu kämpfen – vergeblich. Im vergangenen Jahr wies das Verwaltungsgericht eine Beschwerde der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft Bern (GHGB) ab.

In der Zwischenzeit sind die Familienforscher vom digitalen Zeitalter eingeholt worden: Rohrbach hat sämtliche 1225 Mikrofilme der bernischen Kirchenbücher gekauft, sie digitalisieren und auf CDs brennen lassen. Dazu kaufte er für 100 000 Franken eine Maschine. Während 14 Monaten waren sechs Frauen damit beschäftigt, die 400 Kirchenbücher zu kopieren und anschliessend einen Index zu verfassen. Familienforscher können nun eine CD ihrer gewünschten Gemeinde kaufen und sie bei sich zu Hause in den Computer schieben. Je nach Grösse der Gemeinde benötigt ein Kirchenbuch Speicherplatz zwischen einer oder sechs CDs. Der Erwerb einer CD kostet 150 Franken, jede weitere kommt auf 75 Franken zu stehen. Aus urheberrechtlichen Gründen dürfen die Daten auf den CDs aber nicht beliebig ausgedruckt oder ins Internet gestellt werden. Rohrbach hat sich dazu gegenüber dem Staatsarchiv verpflichten müssen. Die CDs verfügen deshalb über einen spezifischen Schutz.

Es interessierten sich nun auch Forscher für seine CDs, die ihm anfänglich skeptisch gegenübergestanden seien, sagt Rohrbach. Für ihn ist klar, dass Genealogen, wie jeder andere Mensch auch, für ihr Hobby bezahlen müssen. Der Verkauf der CDs werde für ihn nie selbsttragend sein. Sein Einkommen hat er sich als Börsenmakler erwirtschaftet. Die Genealogie sei seine Leidenschaft, die er von seinen beiden Grossmüttern geerbt habe, sagt der Wahl-Worber. Er liebe es, nach alten Familiengeschichten zu suchen.

Diesen Sommer will Rohrbach in seinem Haus am Paradiesweg in Worb ein Zentrum für Familienforschung eröffnen. Anders als ursprünglich geplant soll dort nur noch ein Lesegerät für Mikrofilme zu stehen kommen. Rohrbach ist überzeugt, dass die Familienforscher bis in ein paar Jahren nur noch auf CDs zurückgreifen werden. Im Stöckli neben dem Bauernhaus will er eine Genealogie-Bibliothek einrichten. Die 14 000 Bände hat er in 850 Kartons aus den USA nach Worb kommen lassen. Das Ordnen und Katalogisieren der Bücher werde vermutlich noch ein Jahr dauern, schätzt Rohrbach.

Worb soll zu einem Treffpunkt von Amerikanern werden, die in der Schweiz nach ihren Vorfahren suchen. Für viele Amerikaner sei die Suche nach den Wurzeln wichtig, um herauszufinden, wer man ist, sagt Rohrbach. Manche würden wegen ihres griechisch oder türkisch klingenden Namens immer wieder nach ihrer Herkunft gefragt, hätten aber selber keine Ahnung, woher ihre Vorfahren stammen.

Ursprünglich hatte der Familienforscher die Idee, Reisen für Amerikaner an ihren Herkunftsort zu organisieren. Stattdessen will er im August Studenten der Mercersbury Academy in Pennsylvania, die 1826 mit Schweizer Hilfe gegründet wurde, nach Worb bringen.

Quelle: espace.ch, 9.2.2005

Hausstandsbücher und mehr im Stadtarchiv Datteln

Die Familie Johannes, Klara und Hannelore Hermes wohnte im Jahre 1922 an der Castroper Straße. Wer sich davon überzeugen will, hat hierzu auch 83 Jahre danach die Möglichkeit. Denn solche Daten findet man unter der Rubrik "Hausstandsbücher" im Stadtarchiv Datteln.

Das sei kein totes Lagermaterial, sondern es werde auch heute noch genutzt, wenn jemand etwas über seine Abstammung wissen möchte, oder wenn er Unterlagen für seine Rente brauche, erläutert Rosemarie Schloßer, die nicht nur das Hermann-Grochtmann-Museum leitet, sondern auch für das Stadtarchiv verantwortlich ist.

Beide Einrichtungen haben etwas mit Geschichte und damit mit akribischem Sammeln zu tun. Während die Bestandspflege für das Museum eine freiwillige Leistung ist, gehört die Pflege des städtischen Archivs zu den Pflichtaufgaben einer Kommune. Da kommt im Laufe der Jahrzehnte einiges an Dokumenten zusammen. Das Archiv platze inzwischen aus allen Nähten, so Rosemarie Schloßer.

Die Räumlichkeiten an der Kolpingstraße, wo unter anderem alte Zeitungsbände lagern, der Keller in der Hauptschule Hagem und Räume an den Berufsbildenden Schulen (für das Bildarchiv) reichen nicht nur kaum noch aus. Deswegen müsse während der Arbeitszeit ständig hin und her gependelt werden, erläutert Rosemarie Schloßer und begründet damit zugleich, dass es unter diesen Gegebenheit durchaus passieren kann, dass sie nicht in ihrem Büro zu erreichen ist. Bürgerfreundlicher wäre es natürlich, wenn die Unterlagen an einem Ort gelagert werden könnten, doch hierzu gibt es (noch) keine Möglichkeit.

Im Keller der Hagemer Schule findet man unter anderem alle Akten aus den Fachämtern. Dazu gehören auch alte Protokolle und Mitschriften von Ratssitzungen. Die Entscheidung darüber treffen nicht die Mitarbeiter in den Ämtern, sondern ist allein Aufgabe der "Archivhüter".

Die Schriftstücke müssen erst lagerfähig gemacht werden; Klammern dürfen zum Beispiel nicht mehr an dem Papier sein, weil es dadurch zu Beschädigungen kommen könnte. Die gesichteten und aufgearbeiteten Akten kommen in säurefreie Kartons, die mit Archivierungsnummern versehen sind, um jederzeit mit ein paar Handgriffen aus den Regalen genommen werden zu können, wenn etwas nachgeschlagen werden muss.

In den Kellerräumen laufen rund um die Uhr elektrische Geräte, die dafür sorgen, dass die Luftfeuchtigkeit konstant bleibt. Ein Einhalten der klimatischen Bedingungen ist Voraussetzung dafür, dass das Papier nicht verwittert. Übrigens – die alten Dokumente, fein säuberlich mit kaligrafisch anmutenden Handschriften geführt, sind haltbarer als die Schriftstücke auf Recyclingpapier.

Im Schulkeller türmen sich aber nicht nur alte Aktenberge. Dort befinden sich auch Sammelstücke für das Hermann-Grochtmann-Museum. Wer darin stöbert, fühlt sich rasch in alte Zeiten zurück versetzt.

Quelle: Norbert Schmitz, WAZ, 8.2.2005

Umzugspläne für das Stadtarchiv Torgau

Die schmucke Fassade des Rathauses an der Marktfront täuscht gewaltig – bereits dahinter verbergen sich räumliche und medientechnische Probleme. Schon fast dramatisch stellt sich die Situation in den anderen Flügeln dar. Was beispielsweise als Büroräume in der Scheffelstraße oder in der Breite Straße dient, entspricht in keiner Weise den heute gültigen Anforderungen. Ganz zu schweigen von der im Innenhof befindlichen Nikolai-Kirche. Eine Rosskur für das Rathaus in den kommenden Jahren scheint unumgänglich, ist aber abhängig von der Finanzierbarkeit.

Schon längerfristig bekannt war der Auszug der Polizeidirektion aus den Räumen im Flügel Leipziger Straße. Auch das Revier wird in absehbarer Zeit in der Dommitzscher Straße sein neues Domizil beziehen. Ungeachtet dieser Vorstellungen bleiben der Zugang Leipziger Straße und der Zugang zum Standesamt weiter erhalten. Welche Bereiche der Verwaltung in den ehemaligen Polizeiräumen Platz finden sollen, ist noch nicht entschieden. Die Überlegungen gehen jedoch dahin, stark frequentierte Bereiche in das Erdgeschoss beziehungsweise in die Nähe des Fahrstuhls zu bringen, um die Verwaltung so noch bürgerfreundlicher zu gestalten. Auch noch vorhandene Gebäudesprünge (unterschiedliche Höhen der Fußböden in den einzelnen Etagen) sind zu beseitigen. Gleichzeitig müsse Raum geschaffen werden, um sachbezogene Akten der einzelnen Ämter oder Dezernate in unmittelbarer Nähe der Büros lagern zu können, nannte Hauptamtsleiterin Margit Müller eine zu beachtende Prämisse. Immerhin gelten heute viel weitreichendere Aufbewahrungsfristen als noch vor Jahren.

Für den Flügel Breite Straße gibt es bereits konkretere Vorstellungen. Der im Innenbereich vorhande Anbau soll abgerissen werden. Danach kann ein Durchgang zum Hof realisiert werden. Zwar gehen dabei Räume verloren, doch Nutzungsabsichten verlangen dies geradezu. Schließlich wird voraussichtlich das Stadtarchiv Torgau im Bereich der Breite Straße seinen Sitz erhalten. Dann macht der Zugang nämlich doppelt Sinn. Einerseits entstehen kurze Wege für Besucher, Nutzer und Gäste, würde eine Glassfassade für Einblicke und Licht sorgen und andereseits gäbe der Durchgang den Blick auf das Kirchenportal frei. Auch aus Sicherheitsgründen ist der Flügel Breite Straße für das Archiv geradezu prädestiniert.

Die sich heute noch in der Scheffelstraße befindlichen Büros könnten künftig gänzlich verschwinden. An ihre Stelle würde dann ein breiter Flur treten, der die jetzt existierenden \“Schläuche\“ ablöst.

Erklärtes Ziel ist ein Baubeginn in der Leipziger Straße wobei eine Auslagerung von Standesamt und großer Teile des Baudezernates notwendig wären. Zur Finanzierung der Vorhaben könnten Städtebaufördermittel zum Einsatz kommen. Ein nicht unerheblicher Eigenanteil wäre aufzubringen. Da dieser bisher nicht bestätigt ist, gibt es noch keinen Termin für den Baubeginn.

Quelle: Torgauer Zeitung, 8.2.2005

Einsteins Lebenslauf im Akademie-Archiv Leopoldina

2005 ist das Albert-Einstein-Jahr: Vor 100 Jahren begründete er die Relativitätstheorie. Vor 50 Jahren starb er in den USA. Doch was kaum jemand weiß: Der handgeschriebene Lebenslauf Einsteins wird in Halle wie ein Schatz gehütet. Denn der Nobelpreisträger war Mitglied der Akademie Leopoldina.

Erna Lämmel, Leiterin des Archivs der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, hat den Beweis. Mit weißen Handschuhen nimmt sie das kostbare Schriftstück aus einer Mappe. Auf Vorschlag des halleschen Physikers, Prof. Gerhard Hoffmann, und des Präsidenten der Leopoldina, Prof. Emil Abderhalden, war Einstein am 17. März 1932 zum Akademiemitglied gewählt worden. Dem handgeschriebenen Lebenslauf hat er ein Foto beigefügt. Es zeigt ihn Pfeife rauchend, mit wildem Haarschopf.

Zum Zeitpunkt der Wahl hielt sich Einstein in Amerika auf. Erst am 9. April 1932 nahm er in einem Brief an Abderhalden die Wahl Auch wenn ihm die Mitgliedschaft der \“Kaiserlich Deutschen Akademie der Naturforscher zu Halle\“ offenbar gefiel – Einstein hat niemals einen Fuß nach Halle gesetzt, niemals hier etwas publiziert oder gelehrt. Auch im Nachlass des jüdischen Wissenschaftlers, der in Jerusalem verwaltet wird, habe sich kein Hinweis auf Halle gefunden. Schon kurze Zeit nach seiner Wahl muss sich Einstein mit dem Gedanken getragen haben, Deutschland zu verlassen. Befürchtete er doch bereits 1920 antisemitische Übergriffe auf seine Person. Ein Jahr später erhielt der Physik-Professor, der in Prag und Zürich lehrte, den Nobelpreis.

Einstein verließ Deutschland 1933, siedelte in die USA über. In Princeton (New Jersey) fand er eine neue Anstellung. Seinen Freund Max von Laue bat er, seinen Austritt aus der Akademie zu erklären. Doch Laue hat das nie getan, so Frau Lämmel. Als die Nazis 1938, da galten die Nürnberger Rassegesetze schon drei Jahre, verlangten, alle jüdischen Mitglieder auszuschließen, sei das nicht geschehen. Nur ganz dünn mit Bleistift stand \’gestrichen\‘ hinter Einsteins Namen, sagt die Archivleiterin. Einstein selbst ist offenbar nie davon ausgegangen, nicht mehr Akademiemitglied zu sein. Er bedankte sich jedenfalls 1954 bei Vizepräsident Heinrich Brandt für die Glückwünsche zu seinem 75. Geburtstag. Die Dankeskarte ist ebenfalls im Archiv, so Erna Lämmel. Der Lebenslauf sei übrigens sehr akkurat. Orthografie Note 1.

Quelle: Naumburger Tageblatt, 8.2.2005

Weitere Förderung des Potsdamer Lepsius-Haus als Archiv des Armenier-Genozids

Brandenburg wird die während des Ersten Weltkriegs von Türken an Armeniern begangenen Massaker wieder in den Lehrplan aufnehmen. Brandenburg stelle sich damit als bislang einziges Bundesland der Aufgabe, Schülern diesen Völkermord zu vermitteln, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach einem Gespräch mit armenischen Vertretern. Zudem werde es als erstes Bundesland ein Schulbuch einführen, das sich mit diesem ersten Völkermord im 20. Jahrhundert befasse. Vorgesehen ist eine Überarbeitung des Lehrplans, in dem dann mehrere Genozide, darunter auch der 1915/16 verübte Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern aufgeführt werden. Brandenburg hatte das Thema auf Drängen der Türkei zunächst aus dem Lehrplan gestrichen. Armeniens Botschafterin Karine Kazinian betonte, die entstandenen Irritationen seien nun ausgeräumt. Der Völkermord müsse als Teil der europäischen Geschichte in der Erinnerung der Menschen bleiben. Sie sei froh, daß Brandenburg die Tradition von Johannes Lepsius (1858-1926) fortführe. Der Potsdamer Theologe hatte den Völkermord ausführlich dokumentiert, weltweit bekanntgemacht und zudem zahlreiche Armenier gerettet. Platzeck sagte zu, das Potsdamer Lepsius-Haus als Archiv des Genozids weiter zu fördern.

Quelle: Die Welt, 9.2.2005

6. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik

6.Karlsruher Tagung für Archivpädagogik, 11. März 2005 Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Idee und Projekte

Wer möchte Projekte für den diesjährigen Wettbewerb präsentieren ? Interessant sind auch historische Projekte ohne Archivbenutzung !

Es ist ein pädagogischer Wandel im Schulbereich festzustellen: Projektorientiertes Lernen wird verstärkt im Unterricht angewandt und die dort erzielten Leistungen fließen immer häufiger in die schulischen Bewertungen ein; sie können sogar mündliche Prüfungen im Abitur ersetzen. Das hat uns dazu bewogen, in der nunmehr 6. Tagung den „Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten“ ins Zentrum zu stellen. Unter anderem wird einer der Organisatoren von der Körber-Stiftung die Ziele des Wettbewerbs vorstellen und dabei auf den aktuellen Wettbewerb „Sich regen bringt Segen. Arbeit in der Geschichte“ eingehen. Beibehalten haben wir die bewährte Mischung aus Grundsätzlichem und Praxisorientiertem. Wie üblich wird nach den Vorträgen ausreichend Gelegenheit zum Austausch über Archivarbeit anhand von Projekten – diesmal aus dem laufenden Wettbewerb – praxisorientiert gegeben. Die Tagung, durch die die Zusammenarbeit von Archiven und Schulen bei historischen Themen gefördert werden soll, steht allen interessierten Lehrer/innen, Archivare/innen, Lehramts- studenten/ innen und Referendare/innen offen.

Die Tagung wird vom Landesarchiv Baden-Württemberg / Generallandesarchiv Karlsruhe mit dem Regierungspräsidium (Abteilung 7, Schule und Bildung; ehemals: Oberschulamt) in Zusammenarbeit mit dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, Karlsruhe veranstaltet.

Anmeldungen unter
Landesarchiv Baden-Württemberg
Generallandesarchiv Karlsruhe
Nördliche Hildapromenade 2
76133 Karlsruhe

Ansprechpartner Dr. Clemens Rehm
clemens.rehm@la-bw.de

Zugang zu Stasi-Akten von verstorbenen Prominenten

Nur wer selbst betroffen ist, bekommt Unterlagen, die die Staatssicherheit zu DDR-Zeiten über ihn angelegt hat, zu Gesicht. Dossiers über Personen der Zeitgeschichte sind nur zugänglich, wenn diese ihre Zustimmung gegeben haben. Waren Prominente nicht in das Spitzelsystem verwickelt und verweigern ihre Zustimmung, sind die Unterlagen geschlossen – das gilt erst recht, nachdem Altkanzler Helmut Kohl die weit gehende Sperrung seiner Akte durchgesetzt hat. Was aber passiert, wenn eine Person stirbt? Werden dann deren Akten für immer geschlossen? Auf diese Frage gab der Sprecher der Stasiunterlagen-Behöde, Christian Booß, jahrelang die Antwort:, dass im Birthler-Archiv alles verboten sei, was nicht ausdrücklich erlaubt sei. Und erlaubt war die Weitergabe von Akten Verstorbener bisher nicht.

15 Jahre nach Erstürmung der Stasi- Zentralen durch ostdeutsche Bürgerrechtler ändert sich das jetzt. Das Haus der Bundesbeauftragten Marianne Birthler hat eine Richtlinie erlassen, die am Dienstag auf einem Nutzerforum in Berlin vorgestellt wird. Demnach dürfen Unterlagen von Prominenten und Amtsträgern, die verstorben sind, nach einer Schonfrist von mehreren Jahren zur wissenschaftlichen Nutzung herausgegeben werden. Die Behörde behält sich vor, im Einzelfall zu entscheiden, wie lange diese Frist ist. Je prominenter eine Person, desto kürzer wird diese Dauer sein.

Mit der Herausgabepraxis orientiert sich die Birthler-Behörde an der Arbeitsweise anderer Archive. Im Bundesarchivgesetz ist geregelt, dass Unterlagen 30 Jahre nach dem Tod des Betroffenen oder 110 Jahre nach dessen Geburt eingesehen werden dürfen. Einige Landesarchivgesetze [Übersicht u.a. bei www.augias.net] geben die Akten schon zehn Jahre nach dem Ableben frei. Im Stasiunterlagen-Gesetz ist eine solche Frist nicht vorgesehen. Historiker hatten kritisiert, dass Stasi-Unterlagen immer unzugänglicher werden.

Bei der Herausgabe wird abgewogen zwischen öffentlichem Interesse an der Aufklärung und dem Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen. Nach dem Kohl-Urteil galt der Persönlichkeitsschutz als vorrangig, zumal die Stasi ihre Erkenntnisse illegal erworben hatte. Nun hat sich die Behörde mit Juristen der Bundesministerien beraten und ihre Praxis geändert. Die Aufarbeitung erhält dann wieder Vorrang. Erste Unterlagen auf Grundlage dieser Regelung hat die Behörde herausgegeben, etwa die des Dramatikers Heiner Müller oder des Schauspielers Dean Reed.

Die neue Regelung für die Forschung bleibt jedoch auf Prominente beschränkt. Familienforschung anhand von Stasi-Akten bleibe weiterhin tabu, so Herbert Ziehm, der in der Birthler-Behörde verantwortlich für die Akten-Herausgabe ist. Unterlagen von Eltern, die verstorben sind, dürfen Kinder nur einsehen, wenn dies der Aufklärung des Schicksals von Vermissten dient. Auch zur Rehabilitierung, etwa um eine unrechtmäßige Enteignung rückgängig zu machen, stehen die Akten offen. Allerdings müssten die Vorwürfe von damals bei der BirthlerBehörde glaubhaft gemacht werden.

Quelle: Robert Ide, Der Tagesspiegel, 7.2.2005