Interesse an Stasi-Akten ungebrochen

Auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Öffnung der Stasi-Archive in Ostdeutschland ist das Interesse an den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ungebrochen. „Monatlich werden bei uns immer noch mehr als 400 Anträge auf Akteneinsicht gestellt“, sagte Rüdiger Sielaff, Leiter der Außenstelle der Behörde für die Stasi-Unterlagen in Frankfurt (Oder).

„Das hat niemand geahnt. Als die Akten zugänglich wurden, dachten alle, bis Ende der 1990er-Jahre ist das Thema durch. Inzwischen fragt schon die nächste Generation nach den Akten“, sagt Sielaff. Kinder und Enkel wollten wissen, was die Akten der Eltern und Großeltern enthalten. Zudem müsse aus der Zeit der Antragsflut vor gut zehn Jahren noch ein Rückstau von knapp 4.000 Anträgen abgearbeitet werden. „Die Wartezeiten verringern sich aber.“ Wer von der Stasi nicht erfasst war, kann das laut Sielaff innerhalb von zwölf Wochen erfahren.

Die Wartezeiten hingen davon ab, wie schnell eine Akte gefunden werde, wie umfangreich sie sei und wie viele Informationen darin geschwärzt werden müssten. Die Bearbeitungszeit könne bis zu zweieinhalb Jahren dauern. „Davon sind etwa 10 bis 15 Prozent der Antragsteller betroffen.“ In der Oderstadt sind die Akten der einstigen MfS-Bezirksstellen Frankfurt und Cottbus zusammengefasst. Die Außenstelle beherbergt rund 10.000 laufende Regalmeter Akten. Die Behörde verwaltet zudem rund 3.000 Meter Film sowie 1.460 Säcke mit von der Stasi vernichtetem Material. „Es harrt der Rekonstruktion“, sagt Sielaff. Ein erheblicher Teil der Akten müsse erst noch gesichtet werden.

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Quelle: Morgenpost (Berlin), 19.1.2004

Verdienstkreuz am Bande für Prof. Dascher

Das Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport teilt mit:
Im Namen von Bundespräsident Johannes Rau hat Manfred Morgenstern, Staatssekretär im Kulturministerium NRW, heute dem ehemaligen Leiter des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, Professor Dr. Ottfried Dascher, das Verdienstkreuz am Bande überreicht.

Der 1936 geborene Dascher hat sich vor allem um das Archivwesen der Wirtschaft in Forschung, Lehre und Praxis auf nationaler und internationaler Ebene verdient gemacht. Als Vorstandsmitglied im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare VdA (1977-1985) setzte er sich besonders für die Aus- und Weiterbildung junger Archivare in der Wirtschaft ein. „Sie haben sich durch Ihre langjährige Tätigkeit als Vorsitzender der Fachgruppe der Wirtschaftsarchive im VdA und im Vorstand der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare einen hervorragenden Ruf im In- und Ausland erworben“, würdigte Morgenstern den Ordensträger in seiner Laudatio. Von 1974 bis 1988 war Professor Dascher Sekretär und später Präsident des Ausschusses für Wirtschaftsarchivare im Internationalen Komitee für Wirtschaftsarchivwesen beim Internationalen Archivrat in Paris. Sein besonderes Anliegen dabei war, die deutschen Wirtschaftsarchivare mit dem Ausland zu vernetzen.

Daschers Engagement kam nicht zuletzt dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Dortmund zu Gute, das sich unter seiner nahezu zwanzigjährigen Leitung zu einem weit über die Landesgrenzen hinaus hoch angesehenen Institut mit Vorbildcharakter für Neugründungen in anderen Regionen der Bundesrepublik entwickelt hat. Seit 1974 nimmt Professor Dascher Lehraufträge zur Archiv- und Quellenkunde der Neuzeit sowie zu Themen der Landes- und Wirtschaftsgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum wahr. In Anerkennung seiner Verdienste in Forschung und Lehre wurde er 1980 zum Honorarprofessor ernannt.

Darüber hinaus wirkte er nahezu 25 Jahre als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte e.V. Dortmund. Der in Dortmund lebende Daschner hat sein Wissen stets engagiert den lokalen historischen Vereinen zur Verfügung gestellt, u.a. im „Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V.“ und in der Vereinigung von Freunden und Förderern der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund.

Quelle: Pressemitteilung Landesregierung NRW, 15.1.2004

NRW modernisiert seine Archiv-Landschaft

Die vier nordrhein-westfälischen Staatsarchive werden mit einer verbesserten Struktur und einem neuen Technischen Zentrum in Münster für die Zukunft gerüstet. Zum 1. Januar 2004 wurde das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Düsseldorf als zentrale Einrichtung gegründet. Die bisherigen Staats- und Personenstandsarchive an den Standorten Düsseldorf, Brühl, Detmold und Münster bilden künftig Abteilungen des von Prof. Wilfried Reininghaus geleiteten Landesarchivs.

In der historischen Speicherstadt Münster-Coerde entsteht das zentrale Technische Zentrum mit modernen Methoden und Geräten der Restaurierungstechnik. Rund 2,2 Mio. EUR investiert das Land in 2004/05 in das für einen Zeitraum von zunächst 15 Jahren angemietete Zentrum. „Archive sind keine staubigen Aktenkammern, sondern das Langzeitgedächtnis einer Gesellschaft. Die Modernisierung ist dringend nötig, um den Zerfall unersetzlicher Dokumente der Landesgeschichte zu verhindern“, erklärte NRW-Kulturminister Michael Vesper heute in Düsseldorf. Auch personell will er das Landesarchiv stärken.

Mit der Modernisierung der Archive folgt das Land den Empfehlungen von Unternehmensberatern: Sie hatten – gegen jeden Zeittrend – festgestellt, dass die NRW-Archive über deutlich zu wenig Personal- und Sachmittel verfügen. Beim Erschließen und Erhalt der Bestände (rund 162 Regal-Kilometer mit Dokumenten vom 7. bis zum 21. Jahrhundert) gibt es dramatische Rückstände. Auch die Arbeit zwischen den einzelnen Standorten soll besser koordiniert werden. „In Münster-Coerde wird auch die Informationstechnik angesiedelt sein, eine große Herausforderung für die Archive. Elektronische Unterlagen sind noch gefährdeter als konventionelles Schriftgut, weil die Software schnell veraltet“, so Vesper. Im IT-Bereich sei NRW gut aufgestellt und wolle diese Stärke weiter ausbauen.

Wie wichtig die Arbeit der Landesarchive ist, belegte Vesper am Beispiel der in den vergangenen zwei Jahren durchgeführten Recherchen zur Entschädigung von Zwangsarbeitern aus der NS-Zeit. Knapp 30 Prozent aller Anfragen aus Osteuropa konnten die beiden Koordinierungsstellen in Düsseldorf und Münster positiv beantworten (Bundesgebiet: 7,8%). In absoluten Zahlen hat NRW bis Ende 2003 rund 18.000 Anfragen von bundesweit ca. 350.000 bearbeitet. „In die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus werden unsere Archive auch weiterhin einen großen Teil ihrer Kraft stecken, denn viele Akten zur Entschädigung oder zu den NS-Prozessen müssen erst noch erschlossen werden“, betonte der Minister.

Alle NRW-Archive im Landesarchiv zählen rund 6.400 Nutzer pro Jahr 19.000 Benutzertage). Der Online-Verbund „archive.nrw.de“ wurde in 2003 bereits von zwei Millionen Interessenten genutzt. Er soll in diesem Jahr weiter ausgebaut werden.

Quelle: Presseinformation des Ministeriums, „MSWKS-Newsservice“ <info@de-media-service.de>, Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, 15.1.2004

Stadtarchiv und Kulturamt Wiesbaden über die Opfer des Holocaust

Mit einem vielseitigen Vortrags-Programm wird in Wiesbaden in den nächsten Wochen der Opfer des NS-Regimes gedacht. In diesem Jahr stehen die Sinti und Roma im Mittelpunkt. Am Montag, 19. Januar, wird im Foyer des Rathauses eine Ausstellung eröffnet. 

Anlass der Gedenkveranstaltungen ist der 27. Januar, den 1996 Bundespräsident Roman Herzog proklamiert hat. Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz – Symbol für die Massenvernichtung – befreit. In Wiesbaden arbeiten seither mehrere Organisationen zusammen, diese Erinnerung zu gestalten. Die Federführung hat das Stadtarchiv.

In der Ausstellung „Hornhaut auf der Seele – die Geschichte zur Verfolgung der Sinti und Roma in Hessen“ werden auf 60 großformatigen Tafeln die Stationen der Diskriminierung und Verfolgung dieser Volksgruppe seit dem Mittelalter dokumentiert. Sie ist bis zum 14. Februar zu sehen. Oberbürgermeister Hildebrand Diehl (CDU) spricht um 19 Uhr zur Eröffnung, anschließend Adam Strauß vom Landesverband der Sinti und Roma. Das Romeo Franz Ensemble unterhält musikalisch.

In Wiesbaden lebten vor ihrer Deportation in die Konzentrationslager rund 100 Sinti und Roma. Mehr als die Hälfte, schätzt Axel Ulrich vom Wiesbadener Stadtarchiv, kamen in den Lagern ums Leben. An sie erinnert das Mahnmal in der Bahnhofstraße. Heute leben in Deutschland rund 80.000 Angehörige dieses Volkes, das in mehreren Schüben aus Indien nach Europa einwanderte.

„Auf dem rechten Auge blind – Die braunen Wurzeln des BKA“ heißt ein Vortrag von Dieter Schenk am Donnerstag, 22. Januar, 19.30 Uhr, im Stadtverordnetensitzungssaal des Rathauses. Schenk ist BKA-Kriminaldirektor a. D. und Honorarprofessor an der Universität Lodz. Für sein Buch „Die braunen Wurzeln des BKA“ erhielt er 2003 den Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union.

Einen Vortrag über „Antiziganismus“ hält Udo Engbring-Romang am Dienstag, 27. Januar, um 18 Uhr ebenfalls im Stadtverordnetensitzungssaal. Er ist Autor eines Buches über die Verfolgung der Sinti in Wiesbaden. Um die literarische Konstruktion des „Zigeuners“ geht es am Donnerstag, 29. Januar, 19 Uhr. Es spricht Professor Wilhelm Solms (Marburg) im Rathaus, Raum 22. Am Dienstag, 3. Februar, erinnert Axel Ulrich an den früheren SPD-Oberbürgermeister Georg Buch, der in der Nazizeit Widerstand leistete: 17 Uhr im DGB-Haus am Bismarckring. Ulrich ist Autor einer Biografie über Georg Buch, der am 24. September vergangenen Jahres 100 Jahre alt geworden wäre.

Aus dem Buch „Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lili Jahn 1900-1944“ liest Ilse Doerry am Mittwoch, 4. Februar, im Literaturhaus Villa Clementine. Ilse Doerry ist die älteste Tochter von Lilli Jahn, Mutter von Gerhard Jahn, Justizminister (1969 bis 1974) unter Willy Brandt. Lilli Jahns Mann Ernst ließ sich von seiner jüdischen Frau scheiden und lieferte sie schutzlos den Nazis aus. Ihre aufrüttelnde Korrespondenz mit ihren Kindern aus einem Arbeitslager fand man im Nachlass Gerhard Jahns, der 1998 starb.

Über „Ostarbeiter, Ostarbeiterinnen und ihre Kinder“ spricht die Mainzer Historikerin Hedwig Brüchert am Donnerstag, 5. Februar, 19 Uhr, im Rathaus, Raum 22. Sie ist Autorin des Buches „Zwangsarbeit in Wiesbaden“, das Kulturdezernentin Rita Thies (Grüne) in Auftrag gegeben hatte.

Der Film „Die Rollbahn“ wird am Samstag, 7. Februar, und Dienstag, 10. Februar, jeweils um 20 Uhr in der Caligari FilmBühne am Marktplatz 9 gezeigt. Es geht dabei um eine Dokumentation über die erste Rollbahn des Frankfurter Flughafens, die 1944 von jüdischen Zwangsarbeiterinnen gebaut werden musste. Am 7. Februar ist im Anschluss an den Film ein Gespräch mit den Filmemachern Malte Rauch und Eva Voosen vorgesehen.

Die einzige Veranstaltung, die etwas kostet, ist eine Fachtagung am Samstag, 14. Februar, im Wilhelm-Kempf-Haus in Naurod, für die man sich anmelden muss: „Holocaust – eine amerikanische Fernsehserie und ihre Auswirkungen in Deutschland“, die vor 25 Jahren lief. Veranstalter ist die Frankfurter Sozialschule. Anmeldung unter 06127/77290.

Das Programm liegt in den üblichen Verteilerstellen aus, im Rathaus, beim Tourismusbüro und in der Volkshochschule. Mitveranstalter sind unter anderen die Kirchen, die Landeszentrale für politische Bildung und das Aktive Museum Spiegelgasse.

Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
Telefon:  0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429 
Fax:  0611 / 31-3977 
stadtarchiv@wiesbaden.de 

Quelle: Wiesbadener Kurier, 15.1.2004

Aufregendes zur Stadtteilgeschichte im Stadtarchiv Dresden

Historiker, Heimatforscher und Freunde der Geschichte und von Geschichten sind am 24. und 25. Januar 2004 in das Stadtarchiv Dresden auf der Elisabeth-Boer-Straße 1 eingeladen. Stadtarchiv und Stadtmuseum bereiten für dieses Wochenende das 9. Dresdner Kolloquium zur Dresdner Stadtgeschichte vor.

Das Kolloquium begleitet in diesem Jahr erstmals ein „Markt der Geschichte und der Geschichten“. Die Geschichte der ehemaligen Dörfer, der Vorstädte und Stadtteile, der Betriebe, Schulen und Institutionen stehen im Mittelpunkt. Vorgestellt werden Forschungen über Dresdner Persönlichkeiten, Familien, über Dresdner Lebensweise und Traditionen. Es gibt Dokumentationen, Chroniken und Sammlungen zu sehen.

Über 60 Anmeldungen von Heimatforschern, Bürgervereinen und Stadtteilinitiativen liegen zur Zeit vor, und noch immer gehen Anmeldungen ein. Interessenten melden sich im Dresdner Stadtarchiv unter Telefon 03 51/ 4 88 15 24.

Seit 1996 wurden jährlich Arbeitskolloquien zur Dresdner Stadtgeschichte und zur Dresdner Stadtteilgeschichte organisiert. Ein Betrag der Historiker und Dresdner Bürger, das 800-jährige Stadtjubiläum 2006 vorzubereiten.

Kontakt:
Stadtarchiv Dresden
Elisabeth-Boer-Straße 1
01099 Dresden
www.dresden.de

Quelle: Bautzener Bote.de, 15.1.2004

Viele Nagolder Dokumente restauriert

Ein Viertel der historischen Dokumente im Nagolder Stadtarchiv mussten vergangenes Jahr restauriert werden, nachdem Schimmel die papiernen Zeitzeugen angegriffen hatte. Ursache für den Schimmelbefall ist nach Einschätzung von Herma Klar, die für das Archiv verantwortlich zeichnet, der feuchte Sommer im Jahr 2002. Die Klimaanlage habe es wohl nicht mehr geschafft, die Raumfeuchtigkeit und -temperatur nach Vorgabe zu regeln.

Kontakt:
Stadtarchiv Nagold
Badgasse 3
72202 Nagold
Tel.: (07452) 681282
Fax: (07452) 681122

Quelle: Pforzheimer Zeitung, 15.1.2004.

Ausstellung in HH-Altona erinnert an jüdische Fotografen

Als der Hamburger Fotograf Emil Bieber im Januar 1938 an Bord eines Schiffes nach England geht, hinterläßt er in Hamburg unter anderem eine Kundenkartei mit achttausend Einträgen sowie sein Archiv mit fünfzigtausend Glasnegativen. Darunter Portraits des Polarforschers Roald Amundsen, des Erfinders Thomas Alva Edison oder der Tänzerin Josephine Baker. Von London aus versucht er, wenigstens einen Teil seiner Geschäftsgrundlage zu retten. Vergeblich. Der neue Besitzer der nun „arisierten“ so genannten Lichtbildwerkstätte stellt sich seinen Kunden mit Deutschem Gruß vor. Ein – wie es immer heißt – Schicksal, das Bieber mit seinen Hamburger Kollegen Max Halberstadt, Erich Kastan und Kurt Schallenberg teilt. Auch sie werden zwischen 1935 und 1938 zur Emigration und damit zur Aufgabe ihrer jeweiligen Fotoateliers gezwungen. Nun sind einige ihrer Werke zurück an die Elbe gekehrt – von der ambitionierten Portraitfotografie über die gebrauchsorientierte Zeitungsreportage; von der engagierten Dokumentationen jüdischen Lebens bis hin zur schnöden Werbefotografie –, versammelt in einer Ausstellung im Altonaer Museum im Westen Hamburgs.

Alles begann Anfang der neunziger Jahre mit der Recherche nach einzelnen Fotos und deren Urheber. Der Historiker Wilfried Weinke hatte in einer Publikation zu jüdischem Leben im Hamburger Grindelviertel Fotos abgedruckt, deren Legenden fehlten. Weinke machte sich auf die Suche. Auf seinem Aufruf an ehemalige Hamburger Bürger jüdischer Herkunft antworteten weltweit rund einhundertzwanzig der Angeschriebenen, gaben Tips, erwähnten weitere Namen oder schickten gar persönliche Bilder aus ihren Familienalben nach Hamburg. Unter anderem kam ein Brief aus Südafrika, in dem eine Frau etwas süffisant fragte, ob Weinke eigentlich die Fotoarbeiten ihres Vaters kenne, der einst auch in Hamburg ein Fotostudio unterhalten und etwa seinen Schwiegervater Sigmund Freud portraitiert hatte: Max Halberstadt.

Wilfried Weinke hat nun mit Verdrängt, vertrieben, aber nicht vergessen alles andere als eine gefällige und leichtgängige Fotoausstellung abgeliefert, bei dem man mit auf dem Rücken verschränkten Händen die Bilder abschreitet und sich allein an den gehobenen Schätzen erfreut. Vielmehr setzt er sein Unternehmen der Würdigung des fotografischen Werkes Biebers, Halberstadts, Kastans und Schallenbergs in einen Kontext mit der Geschichte ihrer Ausgrenzung und ihres Vergessens, die sich in ihrer Heimatstadt Hamburg auch nach 1945 fortsetzte. Das Hamburger Abendblatt etwa druckte Ende der fünfziger Fotografien von Emil Biebers – ohne die Geschichte dieser Bilder zu erzählen. Von Biebers „Wahlheimat“ Südafrika ist die Rede, so als sei der Fotograf seinerzeit freiwillig aus Hamburg ausgewandert, um anderswo sein Glück zu machen. Dokumente dieser Zeitungsausgaben finden sich daher neben Auskünften zu Biebers weiterem Lebensweg. Ein Prinzip des Gegeneinanderstellens, dem die Ausstellung verpflichtet bleibt. Neben Auftragsarbeiten für das gehobene Bürgertum finden sich gleichberechtigt die biographischen Daten zu den vier Fotografen. Zeitungsdrucke haben ebenso ihren Platz wie herausragende Exponate, die von den beruflichen Erfolgen und dem sozialen Status der vier erzählen. Da finden sich von Bieber gestaltete Titelblätter der Theaterzeitung der Hamburger Kammerspiele. Und da ist das Faksimile des Telegramms Kaiser Wilhelms II. an Bieber, sich doch bitte die Tage vom 7. bis 9. August 1908 bereitzuhalten, um seine Majestät abzulichten – womit ansatzweise die persönliche Tragik eines Menschen deutlich wird, der im Alter von sechzig Jahren und auf die Unterstützung seiner Söhne angewiesen, noch einmal im fernen Südafrika von vorne anfangen mußte. Das Schreiben der Hamburger Handwerkskammer, das Kurt Schallenberg im Dezember 1938 unmißverständlich auffordert, seinen Betrieb zu schließen, wird kontrastiert durch Schallenbergs Portraitreihe Hamburger Bürgermeister.

Ermöglicht wurde die Ausstellung durch Mittel der Hamburger Bürgerschaft, der Senatskanzlei sowie der Herbert und Elsbeth Weichmann Stiftung. Möglich wurde sie aber vor allem durch das Engagement des Ausstellungsmachers Wilfried Weinke, der sich durch Archive und Antiquariate wühlte und der die Ausstellung als eine Art Zwischenbilanz, als Diskussionsangebot verstanden wissen will, sich mit der bis heute weitgehend verschütteten Geschichte (nicht nur) Hamburger Fotografen und Fotografinnen zu beschäftigen. Durchaus pikant das Schweigen eines anderen einflußreichen Hamburger Fotografen, auf das Weinke hinweist: Fritz Kempe. Zunächst tätig als Fotograf einer Propagandakompanie, leitete er später die Staatliche Landesbildstelle Hamburg und war zuletzt ehrenamtlicher Kustos beim Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Kempe prägte so die Sammlungs- und Ausstellungspolitik beider Häuser – in denen die Werke der einstigen jüdischen Kollegen verschwiegen wurden.

Die Tatsache, daß in Altona, das so lange versuchte, sich als eigenständiger Ort gegenüber der Hansestadt Hamburg zu behaupten, nun Bieber, Halberstadt, Kastan und Schallenberg in dieser Breite und Ausführlichkeit vorgestellt und gewürdigt werden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Keiner der vier Fotografen hat je in Altona gelebt.

Info:
Die Ausstellung im Altonaer Museum endet am 12. April.
WILFRIED WEINKE: VERDRÄNGT, VERTRIEBEN ABER NICHT VERGESSEN
Kunstverlag Weingarten 2003.
304 Seiten, 29 €

Kontakt:
Altonaer Museum
Museumstraße 23
22765 Hamburg

Quelle: Jüdische Allgemeine, 15.1.2004

Film über die Bombardierung Schaffhausens wiederentdeckt

Die Filmrolle lag während Jahren unbeachtet im Stadthaus, kam dann in ein Depot des Stadtarchivs Schaffhausen, wo sie Archivar Peter Scheck jetzt reaktivierte und in eine für den PC kompatible DVD-Fassung brachte (Link). Gedreht wurde der wiederentdeckte Tonfilm vom Luftschutzamt des Eidgenössischen Militärdepartementes offenbar noch am Tag der Bombardierung am 1. April 1944 und primär vermutlich als Dokumentation und Instruktion für militärische Zwecke.

In einer eindrücklichen Abfolge von Aufnahmen werden brennende Häuser, rauchende Trümmer, Feuerwehrleute und Soldaten auf Leitern und an Schläuchen gezeigt, auch Bilder verängstigter und fassungsloser Bewohner. Vorab beim Museum, an der Beckenstube, am Herrenacker, im damaligen Industriequartier am Rhein in den Mühlenen und am Bahnhof muss die Verheerung, verursacht an jenem Ostersamstag durch ein amerikanisches Bombengeschwader, ungeheuer gewesen sein. In den ersten Stunden nach dem Bombenabwurf herrschte wohl ein unvorstellbares Chaos, das sich aber – auch gemäss dieser bisher noch nie veröffentlichten Bilder – schnell gelegt hat und einer disziplinierten und erstaunlich besonnenen ersten Hilfe Platz machte.

Wucht der Sprengbomben

Die offensichtlich auch Tage danach noch in der Altstadt weilende Filmequipe hat diesen Einsatz in überwiegend professionellen und scharfen Aufnahmen festgehalten – Männer und Frauen, die bei Rettungs- und Aufräumungsarbeiten beherzt zupacken, auch eifrige Jugendliche, Pfadfinder, die beim schwer getroffenen Naturhistorischen Museum am Herrenacker ausgestopfte Tiere herumtragen. Mehrfach erwähnt der Sprecher des Films die immense Gewalt der 400 Brand- und Sprengbomben, die 45 Kilogramm schwer waren und beim Abwurf das Dach und das oberste Stockwerk eines Gebäudes (wie das Restaurant Thiergarten) durchschlugen und erst nach dem Einschlag explodierten. Die Bomben entwickelten schon damals eine ungemein zerstörerische Kraft, Schaffhausen hatte an diesem Schreckenstag 40 Todesopfer, 270 teilweise schwer Verletzte und 500 Obdachlose zu beklagen. Der Bombenabwurf, den auch Neuhausen und Feuerthalen zu spüren bekamen, legte selbst massiv gebaute Häuser teilweise in Schutt und Asche, so die damals gegenüber dem Kraftwerk gelegene Tuchfabrik – die dort vorhandenen Stahlkonstruktionen glühten nach einem Volltreffer und Vollbrand, verbogen sich unter der Hitze und fielen innert Sekunden wie ein Kartenhaus zusammen.

Aufgabe «geschickt gelöst»

Anfänglich hätte es den Leuten des Luftschutzes und der Feuerwehr vor allem an Wasser, auch am nötigen Leitungsdruck gefehlt, bemängelt der Kommentator des Films. Darüber hinaus lobt er aber die Einsätze und die vorbildliche Organisation der örtlichen Hilfskräfte. Sie hätten die Aufgabe «geschickt und zweckentsprechend gelöst», heisst es im Film. Und: Die Bevölkerung habe «das Leid tapfer getragen». Entscheidend in diesen Tagen war die überlegte Führung durch Stadtpräsident Walther Bringolf und Oberst Oscar Frey. Eine wichtige Rolle zur Bewältigung des Elends spielte neben den Ärzten und dem Pflegepersonal des Spitals hinter dem Bahnhof auch Els Peyer-von Waldkirch, die Leiterin der Obdachlosenfürsorge.

Anfrage aus Deutschland

Von der Bombardierung Schaffhausens existieren neben schriftlichen Berichten zahlreiche Fotos, auch Luftaufnahmen des Militärs sowie ein – allerdings nur bedingt aussagekräftiger – kurzer Amateurfilm und Zusammenschnitte aus alten «Kino-Wochenschauen». Von einem dramaturgisch aufgebauten Film in der Länge und Qualität, wie er jetzt vom Stadtarchiv vorgefunden wurde, war aber bisher nichts bekannt. Die Entdeckung machte Archivar Peter Scheck nach einer kürzlich erfolgten Anfrage einer deutschen Fernsehanstalt, die Material für eine Sendung über den Zweiten Weltkrieg suchte. Fast zeitgleich interessierte sich auch das Schweizer Fernsehen; der Sender wird den Film oder Ausschnitte davon voraussichtlich im März ausstrahlen.

Den Historikern wird das Dokument kaum neue Erkenntnisse liefern. Als beeindruckendes Zeugnis der für Schaffhausen unvergesslichen Stunden und Tage dürfte der Film trotzdem auf grosses Interesse stossen.

Die Bombardierung Schaffhausens kurz vor 11 Uhr am 1. April 1944 dauerte nur gerade 40 Sekunden – und machte der hiesigen Bevölkerung überdeutlich, wie grausam Krieg sein kann. In der Stadt zählte man auf einen Schlag mehr als 50  Grossbrände.

Die Amerikaner entschuldigten sich damals umgehend für den verheerenden Luftangriff, richteten später auch Entschädigungen aus; die Stadt erhielt für öffentliche und private Schäden 40 Millionen, der Kanton zusätzlich 14 Millionen Franken. Während anfänglich Zweifel bestanden, steht heute für die Experten und vorab die Historiker fest: Die Bombardierung durch die amerikanischen Piloten erfolgte irrtümlich.

Kontakt:
Stadtarchiv Schaffhausen
Fronwagplatz 24
CH-8200 Schaffhausen
Tel. Sekretariat ++41 52  632 52 32 
Fax ++41 52  632 52 31

Quelle: SHN, 15.1.2004

Verhandlungen über Rathenau-Archiv

Für das russische Kulturministerium gehen die deutsch-russischen Verhandlungen um die Rückgabe des Rathenau-Archivs weiter wie gehabt. Meldungen über eine Note des russischen Außenministeriums, wonach das einst von Präsident Jelzin der deutschen Seite versprochene Konvolut von rund 70.000 Akten zum Staatseigentum und Deutschland zum ehemaligen Feindstaat erklärt wurden (Meldung) und die heftige politische Reaktionen auslöste, seien zu seiner Behörde nicht vorgedrungen, erklärte der Leiter der Restitutionsabteilung Alexander Kibowski.

Nach Ansicht des Kulturministeriums kann der Nachlass des ehemaligen deutschen Außenministers Walther Rathenau, der 1922 in Berlin von Antisemiten ermordet wurde, nicht der offiziellen Kulturbeute zugeschlagen werden, mit welcher sich die Sowjetunion für erlittene eigene Kulturgüterverluste vermeintlich rechtmäßig entschädigte.

Rathenaus Nachkommen wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, die sein Archiv von ihnen erpressten. Die Erben leben heute in der Schweiz, weshalb die russische Seite zu erwägen habe, ob die Aktensammlung nach Deutschland oder in die Schweiz gehöre, sagte Kibowski.

Es bleibt die Frage, so die FAZ heute, ob das nominell für die Beutekunst zuständige Kulturministerium von diesbezüglichen Regierungsentscheidungen einfach übergangen wird. Beobachter fragen sich, wie lange Kibowskis Chef, der liberale Kulturminister Schwydkoi, sich unter dem neoimperialen Regime wird halten können.

Quelle: FAZ, 15.1.2004, 33.

Frauenstadtarchiv Dresden widmet sich Traute Richter

Das Frauenstadtarchiv Dresden lädt auch 2004 zu Vorträgen, Lesungen und Foren ins Stadtarchiv, Elisabeth-Boer-Straße 1, ein. Die erste Abendveranstaltung am 28. Januar ist der Dresdner Schauspielerin Traute Richter (1924-1986) gewidmet, die in vier Jahrzehnten mit ihrer Gestaltung großer Frauengestalten der deutschen Klassik Publikum und Kritik überzeugte. Sie, die schon vor dem Krieg das „Gretchen“ spielte, war später am Dresdner Staatsschauspiel als Lady Milford, Lady Macbeth, Minna von Barnhelm zu erleben.

Ihre Frau von Stein in der Inszenierung „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ ging in die Dresdner Theatergeschichte ein. Traute Richter war darüber hinaus aber auch eine gewissenhafte Protokollantin. Sie hinterließ über 2 000 Briefe aus denen sich ein Zeitbild von den Kriegsjahren bis in die Endzeit der DDR erschließt. Die Briefe veranschaulichen die Situation des schöpferischen Menschen im Spannungsfeld zwischen Mündigkeit und Abhängigkeit. Der Schriftsteller und Schauspieler Peter Biele vereinte 1996 in zwei Bänden den brieflichen Nachlass von Traute Richter. Am 28. Januar wird er aus diesen Briefen lesen (19 Uhr, freier Eintritt).

Das Jahresprogramm zur Vortragsreihe „Frauen(-)wirken in Dresden“ ist ab 15. Januar im Rathaus, Dr.-Külz-Ring 19, im Frauenbildungszentrum, im Stadtarchiv, im Kulturamt und in den Ortsämtern kostenfrei erhältlich.

Kontakt:
Frauenstadtarchiv Dresden
c/o Stadtarchiv Dresden
Elisabeth-Boer-Straße 1
01099 Dresden  
Telefon: 0351/488-1517
E-mail: NSchoenherr@dresden.de 
http://www.frauenstadtarchiv.de/

Quelle: Sächsische Zeitung, 14.1.2004