Katastrophenvorsorge in Archiven

Vom 24. bis 26. Juni 2003 trafen sich rund 45 Archivarinnen und Archivare sowie Gäste aus dem Bibliotheks- und Museumsbereich in Markersbach/Sachsen zum Seminar „Katastrophenvorsorge in Archiven. Bestandsaufnahme“. Dabei handelte es sich um die jährlich von der Bundeskonferenz der Kommunalarchive (BKK) beim Deutschen Städtetag durchgeführte Fortbildungsveranstaltung, die traditionell vom Westfälischen Archivamt vorbereitet wird und an der sich angesichts der Flutkatastrophe vom August 2002 der Landesverband Sachsen im VdA und die Fachgruppe 2 des VdA -Verband deutscher Archivarinnen und Archivare beteiligt haben. Das Seminar diente dazu, den Stand der Katastrophenvorsorge in Archiven und die Anwendbarkeit vorliegender Katastrophenpläne zu ermitteln sowie wesentliche Punkte für realistische und aussagekräftige Handreichungen zusammenzutragen.

Raymond Plache, Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen im VdA, führte eine „Chronologie der Flut“ an, in der er neben der Schilderung der zur Flut führenden meteorologischen Umstände vor allem den Ablauf der Tage im August 2002 in Sachsen und den anderen betroffenen Regionen schilderte.
Die erste Arbeitssitzung stand ganz im Zeichen der Erfahrungsberichte einzelner Kolleginnen und Kollegen über die noch allgegenwärtige Hochwasserkatastrophe vom August 2002. Die Stadtarchivarin von Pirna, Angela Geyer, und die Mitarbeiterin des Stadtarchivs Grimma, Jaqueline Forner, informierten auch über eingeleitete Maßnahmen zur Rettung ihrer Archivalien und den derzeitigen Sachstand.

Veronique Töpel, Sächsisches Wirtschaftsarchiv Leipzig, informierte die Anwesenden über Hilfsangebote des Archivs und die Hochwasserschäden in sächsischen Wirtschaftsarchiven. Insbesondere ging sie anhand von Erfahrungsberichten aus den Unternehmen auf die Rettung von Hochwasser geschädigten Dokumentationsakten zum Gasleitungsnetz in der Stadtwerke Chemnitz GmbH und auf die Situation im Archiv der Sächsischen Zeitung ein.
Dr. Wolfgang Frühauf, Landesbeauftragter für Bestandserhaltung an der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden, referierte über die Flutschäden und die Fluthilfe in sächsischen Bibliotheken. Dr. Thomas Schuler rundete mit seinem Beitrag über die Schäden in sächsischen Museen und dem Hinweis auf die von ihm sozusagen druckfrisch erarbeitete Agenda-Liste zur Katastrophenvorsorge den Nachmittag ab.

Am zweiten Seminartag ging es u.a. um die Vorsorge für den Katastrophenfall. Dazu waren Referenten aus dem Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes eingeladen. Man ermunterte die Anwesenden, das Gespräch mit den zuständigen Behörden bzw. der örtlichen Feuerwehr selbst zu suchen, um die gegenseitigen Befindlichkeiten vor dem Eintritt eines Katastrophenfalls zu klären, auch um vorhandene Vorlaufzeiten besser zu nutzen. Die Bereitschaft der örtlichen Behörden zur Aufnahme der Archive in die Einsatzpläne ist vielfach vorhanden. Dass Archive dann tatsächlich darin ihren Platz erhalten, ist auch ein Ergebnis des persönlichen Engagements.

Arnd Weinhold vom Sächsischen Ministerium des Innern, Referat Katastrophenschutz, referierte über Rechtsvorschriften zum Katastrophenschutz und die Zuständigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden im Katastrophenfall. Insbesondere informierte er über das Zivilschutzgesetz, über das Gesetz über den Katastrophenschutz im Freistaat Sachsen und über die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut von 1954. Besonders interessant für die Kolleginnen und Kollegen war der Hinweis auf §9 des Sächsischen Katastrophenschutzgesetzes, welcher die Mitwirkung der Gemeinden im Katastrophenschutz zwingend vorschreibt. Die Ausführungen Weinholds zeigten Wege auf, Archive in die Katastrophenpläne einzubeziehen, eine Forderung, die bereits seine Vorredner gestellt hatten.

Frau Dr. Andrea Wettmann, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden widmete sich in ihrem Referat den Hochwasserschäden an Registraturen der Justiz und den Auswirkungen der Verluste auf die Geschichtsforschung. Von besonderem Interesse für die Kolleginnen und Kollegen war, das den ablieferungspflichtigen Stellen seitens des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden keine Genehmigung zur Kassation sämtlicher von der Flut beschädigter Unterlagen erteilt wurde, wie es die Verantwortlichen der Registraturbildner teilweise gefordert hatten, sondern das die Vernichtung einschließlich der Finanzierung in deren Zuständigkeit erfolgte.

Der dritte Seminartag diente dazu, vorhandene Musternotfallpläne und die aus dem Seminar gewonnen Erkenntnisse zu bündeln mit dem Ziel, eine praktikable Handreichung zu erarbeiten. An die Vorstellung des Musternotfallplanes für westfälische Kommunalarchive durch Rickmer Kießling vom Westfälischen Archivamt Münster schloß sich eine Gesprächsrunde zur Umsetzung der an den Seminartagen gewonnenen Erkenntnisse in einem künftigen Musternotfallplan an. Man verständigte sich, dies im kleineren Kreis weiter zu bearbeiten. Die Ergebnisse sollen bis zum Herbst zusammengefasst und später gemeinsam mit den Referaten veröffentlicht werden.

Quelle: Seminarbericht von Grit Richter-Laugwitz, Vorstand des Landesverbandes Sachsen

Erklärung der Kölner Stifter

Die Abteilung „Nachlässe und Sammlungen“ des Historischen Archivs der Stadt Köln könnte aufgrund der aktuellen Haushaltssituation per Beschluss des Finanzausschusses gestrichen werden. Jürgen Becker, Hans Bender, Anne Dorn und Dieter Wellershoff richteten im Namen der Stifter folgende Erklärung an den Kölner Rat:

„Die Nachricht, dass im Rat der Stadt die Ablösung der Abteilung Sammlungen und Nachlässe im Historischen Archiv der Stadt Köln beschlossen werden soll, hat unter den Stiftern Bestürzung ausgelöst.
Es ist eine unfassbare Groteske angesichts der Absicht der Stadt, sich zur gleichen Zeit um den Titel Kulturhauptstadt Europas zu bewerben. Der entstehende Schaden ist nicht mehr zu revidieren.
Eine Stadt, die eine zweihundertjährige Dokumentation ihrer kulturellen Vergangenheit auflöst, verzichtet auf ihre kulturelle Identität. Mit dieser Maßnahme liquidiert die Stadt ihr Gedächtnis.
Außerdem verstößt diese Maßnahme gegen Treu und Glauben, da die Stifter ihre Archive für eine dauerhafte Präsenz und Nutzung übergeben haben.
Die geplante Auflösung des Archivs ist ohnehin blinder Aktionismus, mit dem man offensichtlich darüber hinwegsieht, dass die zu erwartenden Kosten die Einsparungen bei weitem überschreiten werden.
Die Öffentlichkeit kann nicht dulden, dass das kulturelle Ansehen der Stadt auf diese Weise vollends ruiniert wird.“

Link: http://www.stadt-koeln.de/kulturstadt/ !

Kontakt:
Historisches Archiv der Stadt Köln
Severinstr. 222-228
D-50676 Köln
Telefon: 0221-221-22329
Telefax: 0221-221-22480
E-mail: hastk@netcologne.de

Quelle: Kölner Stadtanzeiger, 19.7.2003.

Die Papiere von Salamanca

Wieder einmal flammt der mittlerweile 26 Jahre alte Streit zwischen Barcelona und Madrid auf, der im Kleinen das gestörte Verhältnis zwischen Region und Zentralregierung offenlegt. Die Rede ist von den „Papieren von Salamanca“, einer umfangreichen Personendokumentation aus katalanischen Gemeindearchiven, die Francos Truppen bei ihrem Eroberungsfeldzug während des Spanischen Bürgerkrieges konfiszierten und in Salamanca, dem provisorischen Hauptquartier des späteren Diktators, mit weiteren geraubten Dokumenten aus anderen Regionen zusammenführten.

Damit wurden amtliche Unterlagen zur Kriegsbeute und die Kriegsbeute zum unbegrenzt einsetzbaren Belastungsmaterial. Von 1937 an entstand in Salamanca ein Instrument zur Verfolgung von Kommunisten, Gewerkschaftern, Freimaurern und anderen Gegnern des neuen Regimes, eine Behörde, ohne deren furchterregende Gründlichkeit die von Franco veranlasste Repression des politischen Feindes zweifellos weniger gründlich ausgefallen wäre. Rund drei Millionen Karteikarten zeugen vom Erfassungswahn der Nationalisten, die ihren Kampf als politisch-religiösen „Kreuzzug“ verstanden; allein das Archiv zur Freimaurerei, noch immer in den Holzkästen von damals untergebracht, umfasst mehr 120.000 Namen.

Im Kern dreht sich der Streit um die Frage: Sind die geraubten Dokumente, nachdem der Diktator tot und seine Herrschaft seit Langem beendet ist, an die katalanischen Gemeinden zurückzugeben? Oder stellt das „Allgemeine Archiv des Spanischen Bürgerkriegs“, wie die Forschungsstelle in Salamanca seit 1999 offiziell heißt, eine historische Quelle dar, deren Einheit und Vollständigkeit zu wahren sei? Im vergangenen Sommer hatte ein vom spanischen Kulturministerium eingesetztes Patronat des Archivs das Begehren der Katalanen abermals abgelehnt. Dabei wurde ein Gutachten katalanischer Historiker ignoriert.

Je nach Blickwinkel und Lichteinfall schillert der Konflikt in völlig verschiedenen Farben: Die „Zentralisten“ sagen´, das Archiv in seinem gegenwärtigen Zustand stelle nicht nur eine Forschungsquelle für Historiker, sondern gleichsam ein Mahnmal gegen die Diktatur dar, indem es für die Nachwelt ein Abbild der Repression bewahre. Die „Regionalisten“ entgegnen, ebendarin bestehe der Skandal: das Unrecht von damals durch neues Unrecht zu verlängern, gewissermaßen das Spiel Francos zu spielen. Die „Zentralisten“ argumentieren, auch die Stasi-Akten in Deutschland würden zu Forschungszwecken erhalten. Wogegen die „Regionalisten“ einwenden, die katalanischen Unterlagen seien doch nicht mit der Absicht der Bespitzelung angelegt worden! Wäre es da nicht ein Akt der Wiedergutmachung, sie wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zuzuführen?

So geht es hin und her. Unbeteiligte Außenstehende sind womöglich versucht zu fragen, ob man von den Dokumenten nicht Kopien machen und jeder Partei einen vollständigen Satz Mikrofilme überlassen könne? Beide Seiten beanspruchen allerdings die Originale.

Jetzt erst ist eine Studie erschienen, welche die Umstände des Dokumentenraubs rekonstruiert und daraus die Rechtmäßigkeit des katalanischen Anspruchs abzuleiten versucht:
„Els papers de Salamanca. Léxpoliació del patrimoni documental de Catalunya, 1938-1939“, Edicions 62. Der Autor Josep Cruanyes i Tor ist Jurist und Historiker in Barcelona. Als Anwalt vertritt er das Gesuch mehrerer Gruppen und Privatpersonen an den spanischen Staat, die Unterlagen zurückzugeben.

Nicht als einziger beklagt sich Cruanyes über eine mangelhafte Klassifizierung (also Entwertung) des Materials im Archiv von Salamanca. Doch er ist der erste, der belegen kann, wie rücksichtslos die Diktatur mit den geraubten Gemeindeakten umging, wenn sie nicht für die Verfolgung zu instrumentalisieren waren. Denn von den 160 Tonnen an Dokumenten, die 1939 in Eisenbahnwaggons von Barcelona nach Salamanca reisten, wurde nur etwa ein Zehntel tatsächlich archiviert. Prominente, die dem Regime nahestanden, erhielten die sie betreffenden Unterlagen mühelos zurück. Bei anderen Figuren, großen wie kleinen, wurde geschwiegen, gezaudert oder gelogen. Und rund neunzig Prozent des gesamten Materials, so Josep Cruanyes, wurden zu Papierbrei verarbeitet. Das Faktum dieser bedenkenlosen Zerstörung müsste bei der künftigen Bewertung des Streits eine Rolle spielen. Sollten die jüngsten Rückgabegesuche abgelehnt werden, entscheiden die Gerichte.

Quelle: FAZ, 16.7.2003, Nr. 162 / Seite 40.

Vom Briefgewölbe zum Staatsarchiv Amberg

Hinter den Mauern des Staatsarchivs Amberg verbergen sich nicht nur Schätze für Historiker, sondern vor allem auch für Heimat- und Familienforscher. Aber auch für alle anderen Interessenten öffnen sich dort die Türen am Montag, 28. Juli, zur Ausstellung „Vom mittelalterlichen Briefgewölbe zum modernen Staatsarchiv“. Außerdem wird der neue Kurzführer vorgestellt, der ab Freitag, 25. Juli, auch im Internet unter www.gda.bayern.de zu lesen sein wird.

Anhand von Originaldokumenten erläutert die Ausstellung die wechselvolle Geschichte des Staatsarchivs, das aus dem Briefgewölbe des Amberger Viztumamts hervorgegangen ist. Dieses wurde bereits 1330 von den Pfalzgrafen bei Rhein errichtet.

Weiterhin erhalten die Besucher einen Überblick über Registratoren, Archivare und deren Arbeit. Ebenso werden die verschiedenen Archivgebäude der Stadt erläutert. So hingen die Pergamenturkunden seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Ledersäcken im Fuchssteiner Turm des Amberger Schlosses, um sie vor Mäusefraß zu schützen. Für die Neuzeit liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf dem wechselvollen Schicksal des Archivs im 19. Jahrhundert: Vom Registraturdepot zum modernen Staatsarchiv.

In dem Kurzführer werden unter anderen die notwendigen technischen Grundinformationen, ebenfalls eine kurze Geschichte des Archivs und die verschiedenen Bestandsakten aufgeführt: Insgesamt ruhen über 2,6 Millionen Archivalien in dem Gebäude. In die geschichtsträchtigen Urkunden, Amtsbücher, Akten, Karten und Pläne kann bis Freitag, 19. September, ein Einblick gewonnen werden.

Kontakt:
Staatsarchiv Amberg
Archivstr. 3
92224 Amberg
Tel. 09621/307270, Fax 09621/307288
E-Mail: poststelle@staam.bayern.de

Quelle: Oberpfalznetz, 18.7.2003

Aus Trumans Tagebüchern

Harry S. Truman, von 1945 bis 1953 dreiunddreißigster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war kein großer Tagebuchautor. Er war zwar durchaus willig, schrieb oft und eifrig lose Seiten mit seinen Erfahrungen und Betrachtungen voll, schaffte es aber nicht, sich zu einer konsequenten Tagebuchführung zu bringen.

Einige Lücken zumindest können nun gefüllt werden. In der Truman Library, dem ihm und seinem Nachlaß gewidmeten Gedenktempel in Independence in seinem Heimatstaat Missouri, wurde ein Tagebuch entdeckt, das in zweiundvierzig meist ausgesprochen schön geschriebenen Einträgen das Jahr 1947 durchmißt. Blau eingebunden, stand das Büchlein achtunddreißig Jahre lang unbeachtet auf dem Regal, weil es mit seinem Titel „The Real Estate Board of New York, Inc., Diary and Manual“ auf eine Immobilienlobby verweist, die das Diarium dem Präsidenten zum Geschenk gemacht hatte. Auf den ersten hundertundsechzig Seiten gibt es neben viel Werbung nur über die Organisation und deren Mitglieder Auskunft. Erst danach fangen die Tagebuchseiten an, auf die ein Bibliothekar beim Umräumen stieß.

Obwohl 1947 als Schlüsseljahr der Regierung Truman gilt, werden Historiker nur mit Maßen auf ihre Kosten kommen. Weder erfahren sie etwas über die Entstehung der Truman-Doktrin, die eine Ausdehnung des kommunistischen Machtbereichs zu verhindern trachtete, noch über den mit ihr verknüpften Marshallplan für den Wiederaufbau Westeuropas. Statt dessen ist nachzulesen, wie Truman sein Herzasthma geheimhielt, wie er mit dem Tod seiner Mutter zurechtkam und wie er sich bei Lady Astor unbeliebt machte. Allerdings wird nun ein Verdacht bestätigt, den Truman immer auszuräumen suchte. Offenbar sagte Dwight D. Eisenhower doch die Wahrheit, als er behauptete, Truman habe ihn seinerzeit ermuntert, die Präsidentschaft anzustreben, um damit der potentiellen Kandidatur eines anderen Kriegshelden, des den Republikanern nahestehenden Generals Douglas MacArthur, zu begegnen. Truman selbst wollte dem Weißen Haus, in dem er sich wie in einem „großen weißen Gefängnis“ fühlte, den Rücken kehren, seinem Freund Ike jedoch als Vizepräsident zur Verfügung stehen.

Der widerwillige Präsident, der nach dem Tode Franklin D. Roosevelts 1945 vom Amt des Vizepräsidenten nachrücken mußte, war es leid, unter wenig Zuspruch der Bevölkerung gegen einen republikanischen Kongreß anzukämpfen. Von General MacArthur aber, der ihm nach seinen pazifischen Siegen einen „Überlegenheitskomplex“ zu haben schien, wollte er sich nicht verdrängen lassen. Alles überflüssige Sorgen. Eisenhower lehnte ab, und auch MacArthur mochte nicht für die Gegenseite antreten. Truman hielt noch einmal vier Jahre durch, bis Eisenhower ihn 1953, diesmal aber als Republikaner, aus dem Gefängnis an der Pennsylvania Avenue befreite. Zuvor gelang es Truman noch, MacArthur den Laufpaß zu geben und ihn von all seinen militärischen Pflichten im Korea-Krieg zu entbinden.

Viel brisanter jedoch ist eine zweite Passage, so schockierend, daß sie in ersten Berichten der „Associated Press“ und „New York Times“ gar nicht erwähnt wurde. Nach einem Gespräch mit Henry Morgenthau, dem Finanzminister a.D. und Anwalt für eine gestrenge Behandlung Nachkriegsdeutschlands, schrieb Truman unter dem Datum des 21. Juli 1947: „Die Juden, finde ich, sind sehr, sehr selbstsüchtig. Sie bewegt es nicht, wie viele Esten, Letten, Finnen, Polen, Jugoslawen oder Griechen ermordet oder als DP (Displaced Persons) mißhandelt werden, wenn sie nur als Juden ihre besondere Behandlung bekommen. Wenn sie aber Macht besitzen, ob physischer, finanzieller oder politischer Art, haben ihnen weder Hitler noch Stalin an Grausamkeit oder schlechter Behandlung des Underdogs etwas voraus. Kommt ein Underdog nach oben, spielt es keine Rolle, ob er den Namen eines Russen, Juden, Negers, Unternehmers, Arbeitnehmers, Mormonen, Baptisten trägt – er dreht durch. Ich habe sehr, sehr wenige gefunden, die sich, wenn der Wohlstand kommt, ihrer früheren Verhältnisse erinnern.“

Trumans Tirade gegen die Juden hat Befremden hervorgerufen, galt er doch bisher als einer ihrer großen Fürsprecher. Immerhin hatte er die Anerkennung des Staates Israel gefördert, als sein Außenministerium sich noch dagegen aussprach. Das hat ihn zumindest in den ersten Augenblicken nach der Entdeckung des Tagebuchs davor geschützt, als Antisemit gebrandmarkt zu werden. Eher werden seine Äußerungen einer Geisteshaltung zugeschrieben, die damals noch keine allzu ausgeprägten Empfindlichkeiten einkalkulieren mußte, um mit ihren Vorurteilen gesellschaftlich akzeptabel zu bleiben. Jeder amerikanische Präsident muß damit rechnen, daß keine Zeile von ihm verlorengeht. Auch das würde die Annahme bestätigen, Truman habe sich nicht privat demaskiert, sondern verbreiteten, damals noch nicht tabuierten Ressentiments Ausdruck verliehen. Heute wird die Debatte wohl kaum zu vermeiden sein.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.07.2003, Nr. 162 / Seite 33.

Erste konkrete Bestandsaufnahme der Kulturzerstörungen im Irak

Eine Woche lang sollten sich neun internationale Spezialisten für Archäologie, Museumskunde, Restaurierungseinrichtungen, Bibliotheken, Denkmalpflege und Interpol unter Leitung des stellvertretenden UNESCO-Generalsekretärs Bouchenaki über den Erhalt von Kulturgütern im Irak informieren (s. Bericht).

Das Ergebnis ist erschütternd, wie Margarete vann Ess, die wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin am 17. Juli in der FAZ berichtet: Im Süden des Landes werden archäologische Stätten, antike Hauptstädte wie Nippur und Isin, aber auch bislang wissenschaftlich nur wenig bekannte Orte systematisch geplündert und dadurch zerstört. Die Raubgräber wissen sich geschützt durch bewaffnete Hintermänner und ließen sich beispielsweise in Isin auch während des Besuches der UNESCO-Delegation nicht bei ihrer Arbeit stören.

Kulturgüter im Norden des Landes scheinen generell nicht so gefährdet zu sein wie diejenigen im Süden. Wichtige archäologische Orte wie Nimrud und Hatra werden jetzt effektiv durch Soldaten der Coalition Provisional Authorities (CPA) geschützt. Systematische Plünderungen, wie sie im Süden vorkommen, sind bislang nicht bekannt.

Ein wichtiger Teil des UNESCO-Gutachtens galt historischen Bauwerken in Bagdad, Basra, Erbil und Mossul. Nur wenige haben unter direkten Kriegseinwirkungen neue Schäden erlitten.

Mittlerweile dringt auch das Problem der Plünderungen archäologischer Stätten immer deutlicher ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit; Maßnahmen zum Schutz der Stätten werden seitens der CPA angekündigt und auch eingeleitet. Erste Konfiszierungen von Kunstobjekten aus geplünderten Orten werden publik. Im Mittelpunkt aber stehen nach wie vor die Ereignisse im Irak-Museum in Bagdad. Einen ersten vorläufigen Untersuchungsbericht stellte jetzt Matthew Bogdanos, der die dortigen Raubzüge im Auftrag des United States Central Command untersuchen soll, anlässlich einer internationalen Tagung in London vor. Noch einmal ließ er die Ereignisse revue passieren. Ausnahmslos alle bislang berichteten Zahlen, auch alle Informationen zu den verschwundenen Objekten in zeitungen und Internetforen waren nicht korrekt, betonte Bogdanos: Aus den Ausstellungsräumen wurden 40 Objekte gestohlen, davon sind zehn zurückgekommen. Aus den Restaurierungslaboren wurden 199 Objekte gestohlen, von denen 30 – überwiegend wertvolle Elfenbeinschnitzereien – zurückgegeben worden sind. Größere Verluste werden aus den Magazinräumen gemeldet, die für die Öffentlichkeit normalerweise verschlossen sind. Der Magazinkomplex wurde am 9. und 10. April militärisch genutzt, von dort aus wurde auf den Platz vor dem Museum geschossen. Plünderungen dieses Magazins wurden in zwei von drei Räumen festgestellt. Zur Zeit sind 2.703 Objekte als gestohlen gemeldet.

Die Untersuchungen werden weitergehen, die mühsame Arbeit der Mitarbeiter der irakischen Antikenverwaltung ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie findet nach wie vor unter schwierigen Bedingungen statt.

Kontakt:
Orient-Abteilung  des
Deutschen Archäologischen Instituts
Podbielskiallee 69-71
14195  Berlin
Deutschland
Tel: Tel: +49-(0)1888-7711-0
Fax: +49-(0)1888-7711-189
E-Mail: orient@dainst.de

Quelle: FAZ, 17.7.2003, Nr. 163 / Seite 38.

Unterlagen aus den Keramischen Werken ins Stadtarchiv

Hermsdorf. Frühere Bestände aus dem Archiv der Keramischen Werke Hermsdorf sollen im Stadtarchiv Hermsdorf eingegliedert werden, bestätigte Hermsdorfs Bürgermeister Gerd Pillau dazu Gespräche mit der Firma Jenoptik in Jena. Der Zeiss-Nachfolger hatte in den 1990er Jahren den Firmennachfolger der Keramischen Werke in Hermsdorf übernommen und damit auch die Bestände. Die Stadt ist bestrebt, historische Unterlagen zur Firma wie auch zu Hermsdorf wieder ins Holzland zurück zu holen. Dagegen sollen Personaldokumente in Jena bleiben. 

Kontakt:
Stadtarchiv Hermsdorf
Eisenbergerstr. 56
07629 Hermsdorf
Tel.: (036601) 2701
Fax: (036601) 2703

Quelle: OTZ 17.7.2003

Hauptausschuss Herdecke berät den Fall Rose

Herdecke/Herne. Erst in diesem Sommer wurde bekannt, dass der Historiker Olaf Rose sich weit rechtsaußen tummelte, wenn er nicht an seinem Schreibtisch im Stadtarchiv Herne saß, wo er für die Stadt das Thema Zwangsarbeit erforschte (s. Bericht). Heute befasst sich der Herdecker Hauptausschuss mit dem Fall.

Die Stadt Herne, die ihn über zwei Jahre als ABM-Kraft beschäftigte, hatte Konsequenzen aus dem fall gezogen: Eine Dokumentation „Zwangsarbeit und Kriegsgefangene in Herne und Wanne-Eickel zwischen 1940 und 1945“, für die Rose Texte liefern sollte, wird nicht erscheinen. Das Material „ist für uns wertlos“, befand Kulturdezernentin Dagmar Goch.

Herdeckes Hauptausschuss muss heute einen Bürgerantrag beraten, der fordert: Die Stadt solle auf die Dienste Roses verzichten. Er habe sich „für eine – ob offizielle, halboffizielle oder ehrenamtliche – Tätigkeit für die Stadt durch seinen Umgang mit Rechtsradikalen selbst disqualifiziert“.

Quelle: Westfälische Rundschau, 17.7.2003

Genealogie in den Ravensberger Blättern

Der Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg stellte dieser Tage sein erstes Schwerpunktheft zum Thema Genealogie vor. Die neue Ausgabe der Ravensberger Blätter sei eine Handreichung für Familienforschung, dafür, wie man sie betreibe und an wen man sich wende, sagte Bärbel Sunderbrink vom Stadtarchiv Bielefeld als Redakteurin der „Blätter“ gegenüber der Neuen Westfälischen.

Wichtigste Quelle für Genealogen sind die Kirchenbücher. Für das historische Westfalen (als preußische Provinz) sind alle Kirchenbücher im Landeskirchlichen Archiv Bielefeld auf Mikrofilm einzusehen. Die Daten katholischer Familien sind in den Bistumsarchiven Paderborn und Münster aufgehoben.

„Viele Menschen lernen über die Genealogie erst Archive kennen und schätzen, beschäftigen sich dann auch mit anderen Aspekten von geschichte“, sagt Sunderbrink. Sie rät Interessenten, alle Hemmungen vor Archiven abzulegen und „munter drauflos zu forschen“.

Die Ravensberger Blätter sind beim Stadtarchiv Bielefeld bzw. beim Historischen Verein zum Preis von 4 Euro zu erhalten (Telefon: 0521/51-2469).

Ravensberger Blätter
Organ des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e.V. 2003, Heft 1

Inhalt:

  • S. 1-3
    Uwe Standera: Familienforschung in Ravensberg
  • S. 3-9
    Wolfgang Günther: Das Landeskirchliche Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen – ein
    Zentrum für die Familienforschung
  • S. 9-13
    Otto-Wilhelm Bertelsmann: Die Anfänge der Geschichte der Familie Bertelsmann [v.a. 16./17. Jh.]
  • S. 14-32
    Uwe Standera: Der Hof Rottmann zu Elverdissen Nr. 14. Geschichte einer bäuerlichen Familie vom 17. bis zum 19. Jahrhundert
  • S. 33-49
    Georg-Friedrich Schaaf: Drei Pastorentöchter und der genealogische Zusammenhang zwischen den Ravensberger Pastorenfamilien Sandhagen, Dreckmann, Löning und der nach Ostfriesland gegangenen Pastorenfamilie Schaaf im 17. und 18. Jahrhundert
  • S. 50-70
    Buchbesprechungen
  • S. 71
    Nachruf für Werner Fischer 1910-2003
  • S. 71-72
    Namen, Notizen, Termine

Quelle: Westfalen-Blatt, 15.7.2003; Neue Westfälische, 15.7.2003.

Die Archivarin

Brigitte Streich ist die Hüterin der Wiesbadener Vergangenheit. Herrin über 1.280 laufende Meter verzeichneter Akten und Amtsbücher, über zirka 60 Nachlässe, etwa 40 Archive von Vereinen und Verbänden, über Karten und Pläne, Plakate, Bilder und zirka 23.000 Microfiches.

Nach zwei abgeschlossenen Ausbildungen kam der heute 49-jährigen die Idee zu studieren. Die Fachhochschulreife hat sie nachgeholt und entscheidet sich 1977 für Romanistik und Geschichte. Und auch für den Assistenten ihres Professors, bei dem sie über den Hof der Kurfürsten von Sachsen im späten Mittelalter promoviert. Der Assistent wird geheiratet, der Professor, selbst Archivar, gibt den Anstoß für die endgültige berufliche Richtung. Brigitte Streich studiert am Institut für Archivwissenschaften in Marburg. Nach ihrem Abschluss arbeitet sie zwei Jahre als Archivrätin in Magdeburg, leitet sieben Jahre das Stadtarchiv in Celle und ist vor zwei Jahren nach Wiesbaden gezogen, um Archivdirektorin zu werden.

Bei Archivaren denken viele Leute an verstaubte Sonderlinge, meint die FR in ihrem Porträt der Archivarin. „Das Vorurteil begegnet einem überall. O.k., zu den Akten werden wir in Keller oder Dachböden geführt, da ist es schon staubig.“ Die Aufgabe ist aber eher das Gegenteil von Staub: „Wir haben dafür zu sorgen, dass etwas bleibt, zu erkennen, was in 50 Jahren mal wichtig sein könnte, es aufzubereiten und für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen. Wir forschen selbst und halten Vorträge.“
Brigitte Streich mag besonders die Wiesbadener Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Ihr „Herzblut“ aber hängt an der frühen Neuzeit. „Zum Beispiel sind da die Briefe eines Fürsten aus dem frühen 16. Jahrhundert, die sind so drastisch, der nahm kein Blatt vor den Mund.“ Die Quellen würden ärmer, je moderner sie seien. Geschichte sei zudem nie langweilig. „Wenn man sich lange mit ihr beschäftigt, fängt sie an zu leben.“

Kürzlich wurde Brigitte Streich zur Landesvorsitzenden der Archivare gewählt. „Der hessische ist der erste Landesverband in den alten Bundesländern, da kommt erstmal viel Schreibkram auf mich zu.“

Sie ärgert die Lage des Wiesbadener Stadtarchivs. „Hier Im Rad wirken wir gar nicht als Teil der Stadtverwaltung. Und es kommt auch nicht so schnell mal jemand vorbei.“ Ihr Wunsch und ihr Ziel ist es aber, das Stadtarchiv „zu einer Institution für alle“ zu machen. Denn die 1.280 laufenden Meter Akten und mehr sind für jeden zugänglich.

Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 20
65197 Wiesbaden
Telefon:  0611 / 31-3329, 31-3747, 31-5429 
Fax:  0611 / 31-3977 
stadtarchiv@wiesbaden.de 
geöffnet montags bis freitags: 8 bis 12 Uhr, mittwochs: 8 bis 18 Uhr.

Quelle: FR vom 16.7.2003