Karl V. bestätigt 1521 Rechte und Privilegien des Rates der Reichsstadt Worms

Das Stadtarchiv Worms verwahrt eine der wenigen originalen Zeugnisse aus den Monaten der Beratungen und Verhandlungen der „Luthersache“ 1521 auf dem Reichstag in Worms. Hierbei handelt es sich um ein seltenes Pergamentheft aus dem Jahr 1521. Der Reichstag von Worms von 1521 mag im Rückblick vor allem wegen der Luthersache von größter Wichtigkeit im Gedächtnis geblieben sein: Für den Rat der Reichsstadt war der Aufenthalt des neuen Reichsoberhauptes dagegen vor allem wichtig, um hier eine Bestätigung der städtischen Rechte und Privilegien zu erlangen – die religiösen Fragen im Umfeld des Lutherauftritts selbst waren aus Sicht des Rates eher ein Nebengleis.


Abb.: Privileg Kaiser Karls V. mit Bestätigung der Rechte der Reichsstadt Worms (Pergamentlibell, 22. April 1521) (Foto: Stadtarchiv Worms Abt. 1 A I Nr. 718, erste Seite, Fotograf: Stadt Worms)

Entscheidend für die Obrigkeit war es, dass Karl V. am 22. April 1521, wenige Tage nach dem „Verhör“ Luthers, in einem Pergamentheft diese seit dem Mittelalter gewachsenen Rechte ausdrücklich bekräftigt hat. Die Quelle ist eine der wenigen originalen Zeugnisse aus den Monaten der Beratungen und Verhandlungen in Worms: Karl V. wiederholte hier auf Bitten der Stadtspitze wörtlich die Texte kaiserlicher Privilegien seit 1315 für seine „ersamen und lieben getreuen stettmeister, burgermaister, rat und gemeind der statt Wormbs“.

Das gab dem Rat die Rechtsgrundlage, seine Herrschaft in der Stadt gegen den faktisch abwesenden bischöflichen Herrn weiter auszubauen. Gleichzeitig liefen im Mai 1521 erneute bzw. weitere Verhandlungen wegen der immer noch latent umstrittenen Verträge über das seit dem späten Mittelalter immer heftig umstrittene Verhältnis von Geistlichkeit und Rat.

Der Rat nutzte die auch durch die reformatorischen Ideen angeheizte Opposition gegen den altgläubigen Klerus, um weitere eigene politische Interessen gegen den Bischof Reinhard von Rüppurr durchzusetzen: Ende 1522 schuf die Bürgerschaft ein 13er-Ratskollegium ohne bischöfliche Zustimmung. Der 13er-Rat blieb bis zum Ende des Alten Reiches bzw. der reichsstädtischen Zeit im Linksrheinischen 1798 die entscheidende Machtspitze der Stadt – der Bischof hatte faktisch ausgespielt. Auch das gehört zu den Auswirkungen des Reichstags auf die Stadt, in der er durchgeführt wurde.

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Quelle: Stadt Worms, Pressemitteilung, 16.04.2021

Vor 700 Jahren wurde Elisabeth von Gotha Thüringens erste Regentin

Nicht Christine Lieberknecht, die mit dem Gothaer Martin Lieberknecht verheiratet ist, sondern Elisabeth von Gotha ist die erste Frau, die den Staat Thüringen als Regierungschefin führte. Nicht durch Wahl, wie im Falle der ersten Thüringer Ministerpräsidentin, sondern durch Heirat kam Elisabeth, gebürtige Prinzessin von Lobdeburg-Arnshaugk, an die Macht.


Abb.: Die Nachbildungen eines historischen Siegels aus dem Sächsischen Staatsarchiv zeigen Elisabeth von Meißen geb. Gräfin von Lobdeburg-Arnshaugk (Foto: Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 12880 Siegel und andere Objekte, Nr. 6522)

Am 24. August 1300 versammelte Albrecht II. Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen (1240-1314) auf seiner Burg Grimmenstein zu Gotha den Hochadel des Staates, um die Hochzeit seines Sohnes Friedrich (1257-1323) mit der erst vierzehnjährigen Elisabeth aus dem reichen thüringischen Fürstenhaus von Lobdeburg-Arnshaugk zu feiern. Mit dieser Fürstenhochzeit wurde das neue Jahrtausend eingeläutet, und es begann für mehr als ein Jahrhundert der Aufstieg Gothas zur mächtigsten Machtzentrale im wettinischen Land zwischen Dresden, Wittenberg und Coburg.

Es ist ein tragischer Unglücksfall, der Elisabeth an die Macht führt: Denn während eines Mysterienspiels in Eisenach erlitt Landgraf Friedrich I. am 4. Mai 1321 einen Schlaganfall und konnte die Amtsgeschäfte nicht mehr führen, so dass seine Frau vor genau 700 Jahren die Macht in Thüringen übernahm. Als Friedrich I. 1323 starb, war der gleichnamige und 1310 in Gotha geborene Sohn Friedrich II. (1310-1349), noch unmündig, so dass bis zu seiner Volljährigkeit 1328 die Mutter die Regentschaft ausführte.

Landgräfin Elisabeth ließ ihre Residenz Gotha, die ihr 1332 auch als Witwensitz zugesprochen wurde, ausbauen und schuf 1344 mit der Verlegung der Augustiner-Chorherren aus Ohrdruf nach Gotha den ersten Residenzstift deutscher Prägung. Sie förderte die Bildung durch den Ausbau der Lateinschule von 1292 und stiftete der Marienkirche eine Kapelle, die der Heiligen Elisabeth von Ungarn gewidmet war. Sie hatte die erste nachweisbare Silberkammer der Wettiner und dazu eine Münzstätte, eine Rüstkammer und ein Tanzhaus. Elisabeth zeichnete selbst als „domina de Gotha“ und ihr politisches, soziales und kulturelles Wirken sowie ihre reichen europäischen Verflechtungen machten sie zu einer „Dame“ oder „Herrin“ (so die Übersetzung des lateinischen Begriffes „domina“) von Welt.

Elisabeth Markgräfin von Meißen und Landgräfin von Thüringen war eine starke Frau, die in der „Sächsischen Biografie“ des Instituts für sächsische Geschichte und Volkskunde, wie folgt beschrieben wird: „Sie gehörte zu den wenigen Fürstinnen, denen mehrmals die Rolle einer Regentin zufiel und füllte so in der Herrschaft von drei Generationen wettinischer Land- und Markgrafen eine maßgebliche Rolle aus. Erkennbar verfügte sie über einen ausgeprägten politischen Verstand und über Härte in der Verfolgung ihrer und ihrer Familie Interessen. Aus den Quellen spricht aber auch die Fähigkeit zur Vermittlung und Schlichtung in den über weite Strecken erbarmungslos ausgetragenen Kämpfen ihrer Zeit. Zu Elisabeths religiösem Selbstverständnis gehörte eine – offenbar eher zurückhaltende – Förderung kirchlicher Institutionen.“

Bisher ist die Rolle von Landgräfin Elisabeth für die Entwicklung Gothas noch nicht tiefgründig untersucht worden und bleibt der ersten modernen Stadtgeschichte Thüringens am Beispiel Gothas vorbehalten, die in Verantwortung des Stadthistorikers Dr. Alexander Krünes in den nächsten Jahren erarbeitet wird. Erste Informationen über „Elisabeth domina de gotha“ können dem von Oberbürgermeister Knut Kreuch erarbeiteten Stammbaum, der im „Gotha adelt“-Laden der KultTourStadt Gotha GmbH (am Hauptmarkt 40) erhältlich ist, entnommen werden.

Quelle: Stadt Gotha, Pressemitteilung, 03.05.2021

Regengebet aus dem Jahr 1747 im Stadtarchiv Dessau-Roßlau

Das Wetter ist heute ein Thema, das in den Medien stets präsent und aus Gesprächen im Alltagsleben nicht wegzudenken ist. Wetterprognosen, Wetterberichte und Berichte über Umweltkatastrophen stoßen auf reges Interesse. Unsere freizeitorientierte Gesellschaft versteht Sonnenscheindauer und die Anzahl der „Sommertage“ als einen Maßstab für Lebensqualität. Gleichzeitig gelten diese heißen Tage hierzulande auch immer mehr als Zeichen des drohenden Klimawandels.

In den vergangenen Jahrhunderten, als die Menschen noch unmittelbarer von der Natur und damit auch vom Wetter abhängig waren, wäre eine solche Betrachtungsweise nicht denkbar gewesen. Von Hagel, Sturm und Regen, von den Folgen eines Gewitters usw. gingen existenzielle Bedrohungen für Leib, Leben, Behausung und Ernte aus. Zur Abwehr solcher umweltbedingter Gefahren setzten die Menschen auch auf die Gebete und die Anrufung Gottes. Besonders im 17. und 18. Jahrhundert entstand eine Fülle von Publikationen, darunter viele Wettergebete und Wetterpredigten, in denen solche „theologisch-meteorologischen“ Reaktionen auf Wetterphänomene veröffentlicht wurden, die oft auf konkrete Wetterereignisse Bezug nahmen.

Im Stadtarchiv Dessau-Roßlau, Anhaltische Landesbücherei (Wissenschaftliche Bibliothek), befindet sich ein äußerst seltener Gelegenheitsdruck aus dem Jahr 1747 mit zwei Wettergebeten, von dem lediglich ein weiteres Exemplar in der Landesbibliothek Oldenburg nachgewiesen ist. Diese Druckschrift, die vom Stadtarchiv Dessau-Roßlau im Mai 2021 als „Archivale des Monats“ präsentiert wird, trägt den Titel:

»Allgemeine Beichte und Kirchengebete Welche Auf Christfürstlichen gnädigsten Befehl Der Durchlauchtigsten Fürstin und Frau FRAU Johanna Elisabeth Verwittweter Fürstin zu Anhalt, Herzogin zu Sachsen Engern und Westphalen […] Bey dem öffentlichen Gottesdienste Im Fürstenthume Anhaltzerbst Und In der Herrschaft Jever Zu bestimmten Zeiten Geschehen, Zerbst, gedruckt bey Christian Lägels hinterlassener Wittwe, 1747.«


Abb.: Titelblatt der Druckschrift aus dem Jahr 1747 (Stadtarchiv Dessau-Roßlau – Anhaltische Landesbücherei (Wissenschaftliche Bibliothek))

Gebet um Regen.
Grosser und starker Gott, du allein bist es, der den Thau auf die Erde fallen lässt. Du allein bist des Regens Vater, indem du das Wasser zu kleinen Tropfen machest und deine Wolken zusammen treibest zum Regen, daß die Wolken fliessen und sehr trieffen können auf uns Menschen und auf unser Land, das du uns gegeben hast. […] Laß doch, guter Vater, den Himmel über uns nicht ehern, noch die Erde unuter uns eisern seyn; gieb unserm Lande nicht Staub und Asche für Regen, sondern thue deinen guten Schatz auf, den Himmel, daß er das lechzende Erdreich tränke und ihm Thau und Regen gebe zu seiner Zeit. Laß das Feld nicht jämmerlich stehen und die Gärten und Wiesen trauern. Laß das Vieh nicht seufzen, weil es keine Weide hat. […] Nun, Herr, erhebe dich in deiner Kraft, so wollen wir singen und loben deine Macht, Amen.

Gebet um Sonnenschein.
Herr Zebaoth, allmächtiger Gott, der du das Wasser bewegest und die Fenster des Himmels öffnest, der du zum Platzregen sprichst, so ist er da mit Macht, du hast bisher deine Stimme erhoben mit starkem Regen und uns viel Nässe gegeben. Unser Undank hätte auch wohl verdienet, daß du uns allen Segen des Landes entzögest. Aber, Herr, handle nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missethat. […] Laß den Regen nicht mehr trieffen auf Erden, sondern setze ihm seine Masse. Verstopfe die Wasserschläuche am Himmel und scheide die dicken Wolken von einander, daß es helle werde und die Sonne wiederum ihre Strahlen über unser Land ausbreite. Mache das Angesicht der Erde frölich durch gnädig verliehenen Sonnenschein, daß Menschen und Vieh erquicket werden und die Früchte des Landes gedeyen. […] THue deine Hand auf, milder Vater, und verleihe bequeme Witterung, daß wir nicht nur säen, sondern auch, nach deinem Wohlgefallen, durch deinen Segen, reichliche erndten und des Landes Gut in deiner Frucht mit Danksagung geniessen. […] Amen.

Die im Titel des Büchleins genannte Fürstin Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst, geborene Prinzessin von Schleswig-Holstein-Gottorf (24.10.1712-30.5.1760), regierte ihr Fürstentum nach dem Tod ihres Gatten, des Fürsten Christian August von Anhalt-Zerbst, von 1747 bis 1752 für ihren Sohn Friedrich August. Sie ist die Mutter der russischen Zarin Katharina II.

Kontakt:
Stadtarchiv Dessau-Roßlau
Anhaltische Landesbücherei (Wissenschaftliche Bibliothek)
Heidestraße 21
06842 Dessau-Roßlau
Tel.: 0340 / 204-1047
wissenschaftliche.bibliothek@dessau-rosslau.de

Quelle: Stadtarchiv Dessau-Roßlau, Archivale des Monats Mai 2021, 30.4.2021

Archiv des Rheinischen Mühlen-Dokumentationszentrums im Stadtarchiv Mönchengladbach

Das Stadtarchiv Mönchengladbach hat mit dem Verein Rheinisches Mühlen-Dokumentationszentrum (RMDZ) aus Duisburg vertraglich vereinbart, dass dessen Dokumentationsarchiv als Depositum im Stadtarchiv Mönchengladbach archivgerecht untergebracht wird. Damit keine Schädlinge ins Archiv gelangen, werden die Unterlagen zunächst tiefgefroren. Anschließend kann das Archiv dann hier auch weiter erschlossen werden.


Abb.: Bücher, Karten und Akten des Bestandes auf einem Umzugswagen im Stadtarchiv Mönchengladbach (Foto: G. Mohr 2021).

Das RMDZ dokumentiert und inventarisiert seit 2015 Mühlen im Rheinland. Zudem forscht es zur Geschichte der Mühlenobjekte und ihrer Technik. Zur Zeit digitalisiert der Verein mit Mitteln der regionalen Kulturförderung des Landschaftsverbandes Rheinland sowie der Nordrhein-Westfalen-Stiftung / Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege sein komplettes analoges Archiv, um es im nächsten Jahr der Allgemeinheit über www.rmdz.de zugänglich zu machen.


Abb.: Schriefersmühle mit neuem Flügel (Foto: Stadt Mönchengladbach). Die vor dem Verfall gerettete und für die Öffentlichkeit nutzbar gemachte Schriefersmühle aus dem Jahr 1747 ist eines der ältesten weltlichen Bauwerke in Mönchengladbach. Sie steht direkt B 57 zwischen Rheindahlen und Erkelenz und gilt als eines der bekanntesten Denkmale im Umkreis.

Die analogen Archivalien, Karten, Pläne und Bücher werden bei einer Kölner Firma geordnet und verzeichnet sowie für die Datenbank des RMDZ ausgewertet. Am 22.4.2021 wurden bereits erste Archivalien und Bücher aus dem Dokumentationsarchiv von Köln nach Mönchengladbach gebracht und im Magazin des Stadtarchivs deponiert.

Für Mönchengladbach ergibt sich dadurch die Möglichkeit, die Erforschung der Mühlen im Stadtgebiet zusammen mit dem RMDZ zu professionalisieren und zu erweitern. In der Vergangenheit sind bereits einige der Mönchengladbacher Mühlen unter Federführung des RMDZ beflogen und aus der Luft fotografiert worden (s. oben). – Mit der Planung weiterer Projekte wird nun begonnen.

Kontakt:
Stadtarchiv Mönchengladbach
Goebenstraße 4-8 (Vitus-Center)
41061 Mönchengladbach
Tel.: 0 21 61 / 25 535 11
stadtarchiv@moenchengladbach.de

Rheinisches Mühlen-Dokumentationszentrum e.V. (RMDZ)
Sitz und Geschäftsführung
Tonstraße 26
47058 Duisburg
Telefon 0203 31776369 (nur AB)
info@rmdz.de

Quelle: Stadt Mönchengladbach, Pressemitteilung, 13.04.2021; RP online, 19.4.2021; Rheinisches Mühlen-Dokumentationszentrum, Aktuelles, 24.04.2021

Die Pest in Limburg im 14. Jahrhundert

Neue Veröffentlichung des Stadtarchivs Limburg.

Die Menschheit wird in ihrer Geschichte immer wieder von Seuchen begleitet und bedroht. Gegenwärtig erleben wir mit der Corona-Pandemie eine solche Situation, die die ganze Welt betrifft. Dass eine Seuche noch wesentlich schlimmere Auswirkungen haben kann, präsentiert Limburgs Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker in seiner jüngsten Publikation, dem fünften Heft der Reihe „Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Limburg a. d. Lahn“ über die Pest im Mittelalter.

„Das ,Große Sterben‘. Die Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts, in Limburg und anderswo“ hat Waldecker seinen Beitrag betitelt. Das „Große Sterben“, diesen Begriff hat der Chronist Tilemann Elhen von Wolfhagen in der „Limburger Chronik“ aus dem 14. Jahrhundert für die Pest verwendet.

Um 1350 dezimierte die Krankheit die europäische Bevölkerung, und auch Limburg war davon stark betroffen. Die damalige Medizin war machtlos, die Auswirkungen waren immens. Städte verloren zahlreiche Bewohner, so dass die Stadtentwicklung mitunter jahrhundertelang stagnierte, es fehlten Arbeitskräfte, was zu einer sozialen Mobilität führte und einen Aufstieg ermöglichte. Religiöser Eifer machte sich breit.

Großen Eindruck machten insbesondere die Geißler oder Flagellanten, die von Stadt zu Stadt zogen und sich bis aufs Blut peitschten. Gesellschaftliche Konventionen lösten sich auf, für viele standen Vergnügungen an erster Stelle. Und dann gab es einen sehr düsteren Aspekt: die Verschwörungstheorien. Den Juden wurde unterstellt, die Seuche durch Brunnenvergiftung ausgelöst zu haben, um die Christenheit auszulöschen. Durch ständiges Behaupten und Wiederholen glaubten viele, das verleumderische Gerücht sei dies Wahrheit. Dies zog schwere Pogrome und tausendfachen Mord nach sich. Vermutlich geschah dies auch in Limburg.

Als die Seuche endlich wich, „hob die Welt wieder an zu leben und fröhlich zu sein“, wie Tilemann es ausdrückt. Doch die nächsten Pandemien ließen nicht lange auf sich warten …

Info:
Christoph Waldecker: Das „Große Sterben“. Die Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts, in Limburg und anderswo. Limburg 2021 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Limburg a. d. Lahn 5). 42 Seiten

Gratis erhältlich im Stadtarchiv Limburg und im Rathaus in der Werner-Senger-Straße.

Kontakt:
Stadtarchiv Limburg a. d. Lahn
Mühlberg 3
65549 Limburg
Tel. 06431/203-368
christoph.waldecker@stadt.limburg.de

Quelle: Stadt Limburg a.d. Lahn, Pressemitteilung, 4.5.2021

Ankunft Johann Gottfried Herders in Bückeburg 1771

Als der 26-jährige Theologe Johann Gottfried Herder am 24. August 1770 an den Grafen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe schrieb, da hielt er sich vorbildlich an die formalen Bedingungen des Briefschreibens seiner Zeit: Ein großer „Devotionalabstand“ trennte den Beginn seines Textes von der ehrfürchtigen Anrede des weit ranghöheren Reichsgrafen. Der Inhalt jedoch war ungewöhnlich.

  

Abb.: Brief Herders an Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe vom 24. August 1770 (Niedersächsisches Landesarchiv, NLA BU F 1 A XXXV 18 Nr. 96)

Graf Wilhelm hatte als ehrgeiziger Regent des kleinen Schaumburg-Lippe an Herder schreiben lassen, zuletzt gar selber geschrieben, weil er ihn als vielversprechenden Denker und jungen Kopf gerne an seinen Hof ziehen wollte. Graf Wilhelm selbst schrieb an Herder von seinem „Verlangen eines der ersten Genies Deutschlands zu sehen“. Herder aber, der zu jener Zeit als Privatlehrer auf Reisen war, zierte sich, das durchaus lukrative Angebot aus dem winzig kleinen Bückeburg anzunehmen.

In seinem Antwortschreiben schmeichelt er zwar Wilhelm als einem „außerordentlichen, einsehenden, durchdringenden, aufmunternden Herren“, nennt ihn einen „Apollo Deutschlands“ und freut sich auf den „begeisternden Umgang eines großen Mannes“, macht aber zugleich Bedingungen. Er will erst noch seine Reise zu Ende führen, und er bittet noch vor Antritt seiner Stelle darum, später Urlaub für eine ausgiebige Italienreise zu bekommen.

Derlei Vorbedingungen hielten aber Graf Wilhelm nicht vorm Warten ab. Im Mai 1771, vor 250 Jahren, war es schließlich so weit: Herder kam in Bückeburg an und wurde Oberprediger, Konsistorialrat und 1775 auch Superintendent in Bückeburg. Zwar verstand er sich mit Graf Wilhelm nicht so gut, wie es letzterer erhoffte, und er klagte in seinen Briefen anrührend über die Provinzialität Bückeburgs, dennoch verbrachte er fünf produktive Jahre in Bückeburg, bevor er Goethes Ruf nach Weimar folgte.

Kontakt:
Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Bückeburg
Schloßplatz 2
31675 Bückeburg
Tel.: 05722 / 9677-30
Fax: 05722 / 9677-31
Bueckeburg@nla.niedersachsen.de

Quelle: Aus den Magazinen des Landesarchivs, April 2021

Impfverzeichnis im Kirchenbuch Grenzach (1812/13)

Im lutherischen Kirchenbuch Grenzach 1798 bis 1812 findet man zwischen den Tauf- und Traueinträgen ein Impfverzeichnis. Dieses führt die Kinder auf, die 1811 bis 1813 geboren und als im Durchschnitt Halb- bis Einjährige 1812/13 durch den Chirurgen Johann Friedrich Stein (1781-1814; OFB Grenzach, S. 402) geimpft wurden.


Abb. Auszug aus dem Impfverzeichnis 1812 im Grenzacher Mischbuch (luth.) 1798-1812 (S. 107) (Landeskirchliches Archiv Karlsruhe)


Abb.: Zweiter Teil des Impfverzeichnisses 1813 im Grenzacher Mischbuch (luth.) 1798-1812 (S. 108) (Landeskirchliches Archiv Karlsruhe)

Derartige Einträge in Kirchenbüchern sind ungewöhnlich, aber doch zu erklären. Nachdem in den 1790er Jahren die Kuhpockenimpfung in England entwickelt wurde, kam diese ab der Jahrhundertwende in Europa zum Einsatz. Die Vorschrift zur Leitung und Ausübung der Kuhpocken-Impfung (1808), erlassen in den kaiserlich-königlich deutschen Erbstaaten, ist ein erstes Regulativ für das Impfgeschehen und beschreibt medizinische, politische und organisatorische Maßnahmen.

Dazu zählte, dass die Ärzte angehalten waren, über die Vorteile der Impfung aufzuklären und diese zu dokumentieren. Daneben wurden Pfarrer verpflichtet, bei Taufen Briefe an die Eltern zu verteilen. Die Vorschrift legte übrigens auch fest, dass jene, die sich nicht impfen ließen und keinen Nachweis der Impfung aufweisen konnten, von Stipendien und öffentlich unentgeltlichen Erziehungs-Instituten ausgeschlossen waren; wer in die Schule wollte, musste die Impfung schnellstmöglich nachholen. Es gab auch einen partiellen Impfzwang: Zöglinge in Waisenhäusern und Versorgungsanstalten des Staates mussten geimpft werden.

In Grenzach wurden die Pockenimpfungen in den sommerlichen Monaten Mai bis September durchgeführt. Diese „Massenimpfung“ der Jahre 1812/13 war offenbar ein Erfolg, wie man aus den Vermerken von Pfarrer Jakob Friedrich Ringer (1766-1817) herauslesen kann:

Sämtliche haben ächte Impfblattern gehabt. Also aus der Impftabelle des Chirurg Hrn. Stein gezogen. Grenzach, den 22ten Mai 1813. P. Ringer sowie Der sel. Herr Chir. Stein hat in seinem Impfungs Verzeichniß bei sämtlichen Kindern den Erfolg mit dem Prädicat Gut bezeichnet. Grenzach, d. 18ten Jul. 1814. J. F. Ringer.

Der impfende Chirurg Johann Friedrich Stein selbst ist mit 32 Jahren recht jung verstorben. In seinem Beerdigungseintrag vom 9. April 1814 ist aber keine Todesursache genannt.

Kontakt:
Evangelische Landeskirche in Baden
Landeskirchliches Archiv Karlsruhe
Blumenstraße 1-7
76133 Karlsruhe
Tel: 0721/9175-794
Fax: 0721/9175-550
archiv@ekiba.de

Quelle: Heinrich Löber, Aktuelles aus dem Archiv – Evangelische Landeskirche in Baden, 13.4.2021

Ausgrenzung und Diskriminierung der Verdener Juden seit 1933

Wanderausstellung des Stadtarchivs Verden.

„Sara sei dein Name!“ – Ausgrenzung und Diskriminierung der Verdener Juden heißt die neue Wanderausstellung, die das Stadtarchiv Verden gemeinsam mit dem Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie und Zivilcourage (WABE e.V.) entwickelt und mit Unterstützung des Präventionsrats Verden e.V. umgesetzt hat.


Abb.: Wanderausstellung „Sara sei dein Name!“ (Stadtarchiv Verden)

Auch in der Stadt Verden wurden in der Zeit des Nationalsozialismus körperlich und geistig Behinderte, Sinti und Roma sowie Homosexuelle aus dem öffentlichen Leben verbannt, beraubt und gedemütigt. Eine Gruppe stand dabei besonders im Fokus der Nationalsozialisten – die Juden. Ausgrenzung und Diskriminierung gipfelten im Holocaust.

In der Ausstellung wird thematisiert, wie die Nationalsozialisten die Juden mit Hilfe des staatlichen Verwaltungsapparates seit 1933 zuerst systematisch diskriminiert und sie schließlich gezielt aus der Gesellschaft ausgegrenzt haben. Historische Originaldokumente aus den Beständen des Stadtarchivs Verden zeigen die Auswirkungen des staatlichen Handelns auf die in Verden ansässigen Juden.

Neben den historischen Ereignissen werden zudem Bezüge zu aktuellen Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung hergestellt und am konkreten Beispiel des heutigen Antisemitismus illustriert.

Die Ausstellung besteht aus zehn Roll-Ups (je 85 x 220 cm) und kann beim Stadtarchiv Verden ausgeliehen werden.

Dem Verdener Stadtarchiv kann man mittlerweile auch auf Instagram folgen. Dort informiert das Archiv einerseits über Neuzugänge und Neuerungen im Stadtarchiv, andererseits sollen aber auch verborgene Winkel der Allerstadt entdeckt und berühmte (oder auch berüchtigte) Verdener*innen vorgestellt werden. Auch an all die großen und kleinen Jubiläen und Gedenk- und Feiertage soll erinnert werden. Im ‚Verdener Allerlei‘ blickt das Stadtarchiv in die Zeitungen des 19. und 20. Jahrhunderts, die Interessantes und von vielen Vergessenes zu berichten haben.

Kontakt:
Stadtarchiv Verden
Rathaus Große Straße
Große Straße 40
27283 Verden (Aller)
Tel.: 04231-12230
stadtarchiv@verden.de
www.verden.de/stadtarchiv
https://www.instagram.com/stadtarchiv.verden/

Quelle: Stadt Verden, Aktuelles aus dem Stadtarchiv, 10.2.2021, 21.4.2021; Verdener Nachrichten, 1.5.2021

Julius Neubronner und der frühe Amateurfilm

Das Filmarchiv des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt/Main bewahrt bedeutsame Sammlungen zu unterschiedlichen thematischen Aspekten der Filmgeschichte und Filmproduktion auf. Unter den rund 20.000 Filmwerken des Archivs finden sich Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme, aber auch Amateur- und Experimentalfilme. Eine Sammlung von Amateurfilmen des Erfinders und Filmpioniers Julius Neubronner (1852-1932) aus den Jahren 1900 bis 1918 ist mittlerweile auch in der Deutsche Digitalen Bibliothek verfügbar.


Abb.: Spektakuläre Ereignisse: „Gordon-Bennett-Autorennen (17.6.1904)“, DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum (Public Domain Mark 1.0)

Die Sammlung wurde 1991 von Julius Neubronners Sohn Carl Neubronner (1896-1997) an das Filmarchiv des DFF übergeben. Die insgesamt 66 Videos stammen aus der hochauflösenden Digitalisierung und Restaurierung des DFF, die 2018 von der Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) gefördert wurde; sie sind allesamt Public Domain.

Inhaltlich unterscheiden sich Neubronners Filme kaum von denen der Brüder Lumière oder des Meisters der frühen Tricktechnik, Georges Méliès. Genau wie Neubronner dokumentierten die Lumières zunächst Straßenszenen, besondere Ereignisse und ihren familiären Alltag. Wie auch Georges Méliès setzt Julius Neubronner für seine Sketche und Zaubertricks den Stopptrick ein. Hierbei wird eine Einstellung aufgezeichnet, zum Beispiel Neubronner, wie er mit großen Gesten einen Zauberstab schwingt. Im zweiten Schritt wird die Kamera angehalten und das Bild verändert – beispielsweise platziert man einen Zylinder auf einem Beistelltisch. Danach wird die Kamera wieder angeschaltet und im fertigen Film entsteht der Eindruck, der Zylinder sei aus dem Nichts erschienen.


Abb.: Der Stopptrick in Aktion – hier wird Wasser in Tauben verwandelt, und Zylinder erscheinen aus dem Nichts: „Julius Neubronner zaubert“ (1904), DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum (Public Domain Mark 1.0)

1908 patentiert Neubronner die Brieftaubenfotografie. Hierfür werden Brieftauben mit kleinen Fotokameras ausgestattet, was Luftaufnahmen ermöglicht. So obskur die Idee heute erscheinen mag, liefert sie Anfang des 20. Jahrhunderts spektakuläre Bilder und erregt über Deutschland hinaus Aufmerksamkeit.

Der vollständige Beitrag von Theresa Rodewald „Neue Sammlungen: Julius Neubronner und der frühe Amateurfilm“ findet sich in der DDB.

 

Kontakt:
DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V.
Schaumainkai 41
60596 Frankfurt am Main
+49 69 961 220 – 0
info@dff.film

DFF-Filmarchiv
Thomas Worschech (Leitung)
Tel.: +49 69 961 220 – 581
worschech@dff.film

Quelle: Theresa Rodewald: Neue Sammlungen: Julius Neubronner und der frühe Amateurfilm, in: DDB Journal/Entdecken, 24.3.2021

Der Horst-Wessel-Stein im Teutoburger Wald wird gesprengt (April 1946)

Historischer RückKlick des Stadtarchivs Bielefeld vom April 2021.

Bei dem Historischen RückKlick Bielefeld handelt es sich um ein Angebot von Stadtarchiv und Landesgeschichtlicher Bibliothek Bielefeld. Der aktuelle RückKlick-Beitrag des Bielefelder Archivpädagogen Bernd J. Wagner beschäftigt sich mit dem Horst-Wessel-Stein im Teutoburger Wald.

In der letzten Aprilwoche des Jahres 1946 sprengten britische Pioniere den großen, gut 20 Tonnen schweren Sandsteinblock, der 1933 zum Gedenken an Horst Wessel (1907-1930) westlich des Bismarckturms, den der Volksmund nur unter „Eiserner Anton“ kennt, aufgestellt worden war. Der „Freien Presse“ war dieses Ereignis in ihrer Ausgabe vom 4. Mai 1946 nur zwei Sätze wert. An das 1933 abgegebene Versprechen von Bielefelds damaligem Oberbürgermeister Dr. Paul Prieß (1879-1935), dass „die Stadt das Andenken Horst Wessels alle Zeiten in Ehren halten“ werde, wollte an diesem Tag keiner erinnert werden.


Abb.: Ein riesiger Sandsteinbrocken: Der Horst-Wessel-Stein (1933). (Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 72-1-167)

13 Jahre zuvor war Bielefeld der „nationalsozialistischen Feierlaune“ vollends erlegen. Die Stadt gedachte des „verlorenen Sohnes“ Horst Wessel, der am 9. Oktober 1907 in Bielefeld geboren wurde, aber nicht einmal ein Jahr dort wohnte. Sein Vater, Dr. Ludwig Wessel (1878-1922), der Hilfsprediger an der Paulusgemeinde war, nahm 1908 zunächst eine Stelle in Mülheim an und war seit 1913 Pfarrer der Berliner Nikolaigemeinde. 1922 verstarb er in Berlin. Seiner Mutter Margarete, geborene Richter (1881-1970), sollte im „Horst-Wessel-Kult“ eine besondere Rolle zukommen.


Abb.: Die Partei feiert ihren „Helden“. Einweihung des Horst-Wessel-Denkmals am 14. Juni 1939. (Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400,3/Fotosammlung, Nr. 91-8-3)

Dieser Kult gründete auf den Tod des SA-Mannes Horst Wessel 1930 in Berlin. In einer Zeit blutiger Straßenschlachten zwischen kommunistischen Rotfrontkämpfern und der nationalsozialistischen SA wurde am 14. Januar 1930 auf Wessel geschossen, der am 23. Februar 1930 in einem Berliner Krankenhaus an einer Blutvergiftung starb. Für Kommunisten war Wessel nur ein Zuhälter (Wessel war mit einer Prostituierten liiert), sein Tod nicht mehr als die Folge einer typischen Auseinandersetzung im Rotlichtmilieu. Für Nationalsozialisten war Wessel dagegen ein Märtyrer, der im „Kampf für die Bewegung“ gefallen war.

>> Siehe den gesamten RückKlick-Beitrag „April 1946: Der Horst-Wessel-Stein im Teutoburger Wald wird gesprengt“ hier.

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Fax: 0521 51-6844
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QuelleHistorischer RückKlick Bielefeld, 1.4.2021