Kulturgut Verpackung – Dresden als Zentrum der Verpackungsindustrie

Das Stadtarchiv Dresden hat in den letzten Monaten eine neue Fachausstellung mit dem Titel „Verpacktes Wissen – wir konservieren Stadtgeschichte“ vorbereitet, die am Montag, den 17. Mai 2021 gestartet ist.


Abb.: Ausstellungsplakat (Foto: Anja Maria Eisen/Antje Werner)

Vom mittelalterlichen Urkundenfass über den Aktenschrank und die Kartonage bis hin zum digitalen Datenträger – in den Verpackungsformen des Wissens spiegelt sich die Entwicklungsgeschichte verwalterischen und archivarischen Arbeitens und zugleich eine Kulturgeschichte des Wissens – seiner Ordnung und Verwahrung, seiner Konservierung und Tradierung. In diesem Sinne widmet sich die Ausstellung der materiellen Kultur der Archive. Sie fragt nach den vielfältigen Funktionen von Verpackungen im Rahmen der Archivarbeit. Dabei beleuchtet sie die Anfänge der Konservierung schriftlicher Dokumente ebenso, wie aktuelle Fragen der Sicherung zunehmend entmaterialisierter digitaler Informationen, etwa im Rahmen des Elektronischen Stadtarchives.


Abb.: Verpackung und Konservierung von Urkunden (Foto: Elvira Wobst)

In den letzten Jahren wurden Verpackungen selbst zunehmend als überlieferungswürdige Kulturzeugnisse erkannt und damit archivwürdig. Grund genug, um zudem einen Einblick in die Sammlung historischer Produktverpackungen des Dresdner Stadtarchivs und die sich mit ihnen verbindende Geschichte der Dresdner Verpackungsindustrie zu gewähren. In der Konfrontation mit populären Warenverpackungen der Vergangenheit kann dann jeder selbst einmal austesten, inwieweit persönliches Erinnern auch über das Kulturgut Verpackung funktioniert.


Abb.: Messeprospekt für eine Süßwarenverpackungsmaschine des VEB Verpackungs- und Schokoladenmaschinenfabrik NAGEMA in Dresden um 1955 (Foto: Stadtarchiv Dresden)

Ob Pralinenschachtel, Suppentüte oder Waschpulverkarton – Verpackungen und Markenlabels funktionieren über Wiederkennungseffekte und werden oft zu persönlichen und kollektiven Erinnerungsträgern ganzer Generationen. Sie erst erschaffen gewissermaßen ein Produkt, wie beispielsweise die berühmte ODOL-Flasche Lingners.

Für die Zeit der Moderne werden Warenverpackungen zunehmend als wichtige Quellen für die Alltags-, Konsum-, Design-, Industrie- und Handelsgeschichte erkannt und erhalten einen eigenständigen Kultur- und Sammlungswert. Das Stadtarchiv Dresden bewahrt mit Sammlungen zum Dresdner Verpackungsmaschinenbau und mit dem Betriebsarchiv des VEB Polypack und seiner Vorgängerunternehmen umfangreiche Bestände zur Geschichte des Verpackungswesens. Dazu gehört auch eine bedeutende Mustersammlung von Warenverpackungen der DDR aus Polypack-Produktion.


Abb.: Erste Friedensproduktion des VEB Polypack Dresden (Foto: Sylvia Drebinder-Pieper)

Exemplarisch für diesen bedeutenden Teil Dresdner Industriegeschichte präsentiert das Stadtarchiv Dresden im Monat Mai 2021 ein Messeprospekt für eine Süßwarenverpackungsmaschine des VEB Verpackungs- und Schokoladenmaschinenfabrik NAGEMA in Dresden aus der Zeit um 1955.

Dass der Raum Dresden sich frühzeitig zu einem innovativen Zentrum der deutschen Papierverarbeitungs- und Verpackungsindustrie entwickeln konnte, ist dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren zu verdanken: Die Residenzstadt war wichtiger Standort einer verpackungsintensiven Kolonial-, Genuss- und Luxuswarenfabrikation in Deutschland. Das sich früh industrialisierende Sachsen bildete zudem ein Zentrum des Maschinenbaus, welches zeitig auf neue Entwicklungen im Bereich der Papierherstellung und -verarbeitung reagierte. Namhafte Unternehmen machten den Großraum Dresden um 1900 zu einem bedeutenden Fabrikationsort für Papiermaschinen. Firmen wie Universelle, Loesch, Gäbel und andere bemühten sich in teils enger Zusammenarbeit mit der Dresdner Tabak- und Schokoladenindustrie um die Entwicklung und Herstellung fortschrittlicher Verpackungsmaschinen.

Im Anschluss an diese breite Vorkriegstradition blieb der Standort Dresden trotz reparationsbedingter Demontagen, Verstaatlichung der Betriebe und Abwanderung vieler Unternehmerfamilien in der DDR-Zeit erhalten. So entstand 1950 der VEB Schokoladen- und Verpackungsmaschinen Dresden, auch „Schokopack“ genannt, durch die Vereinigung von Maschinenbaufirmen des Dresdner Ballungsraums. 1972 bildete sich durch die Zusammenlegung des VEB Schokopack und des VEB Tabakuni, als der Nachfolgefirma von Universelle Zigarettenmaschinen, der VEB Verpackungsmaschinenbau Dresden. Dieser war bis 1990 der Leitbetrieb des Kombinates Nahrungs- und Genussmittelmaschinenbau NAGEMA.

Im Rahmen der Archivale des Monats Mai sowie als Teilbereich der Ausstellung „Verpacktes Wissen. Wir konservieren Stadtgeschichte“, welche vom 17. Mai bis 24. September 2021 im Stadtarchiv Dresden zu sehen ist, werden aufgrund des aktuellen Pandemie-Geschehens erste Einblicke in die Ausstellung zunächst nur online präsentiert.

Quellen:
Stadtarchiv Dresden, Bestand 13.72 Förderverein für Wissenschaftler, Ingenieure und Marketing Dresden e.V. (WIMAD), Nr. 18 Verpackungsmaschinenbau NAGEMA. Stadtarchiv Dresden, Bestand 9.1.30 Aktiengesellschaft für Kartonagenindustrie/Polypack.

Kontakt:
Stadtarchiv Dresden
Elisabeth-Boer-Straße 1
01099 Dresden
Tel.: 0351 / 4881515
Fax: 0351 / 4881503
stadtarchiv@dresden.de

Quelle: Stefan Dornheim, Stadtarchiv Dresden, Archivale des Monats Mai 2021; Stadtarchiv Dresden, Ausstellungen

Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu an Mainzer Landesmuseum ausgeliehen

Das Jahr 2020/21 hat die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) zum „Kaiserjahr“ in ganz Rheinland-Pfalz ausgerufen und lädt mit dem Themenschwerpunkt „Mittelalter“ bis 31. Oktober 2021 zur Entdeckungsreise ein. Im Mittelpunkt steht die große Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“, die noch bis zum 13. Juni 2021 im Landesmuseum Mainz der GDKE gezeigt wird.

In einer faszinierenden Schau mit einzigartigen Exponaten beleuchtet die Landesausstellung erstmals das dynamische Beziehungsgeflecht, in dem über einen Zeitraum von fünf Jahrhunderten Kaiser und Könige, Fürsten und Feldherren, Ritter und Reichsfürsten, Bürger und Städte miteinander verwoben waren. Sie stellt ausgewählte Kaiserpersönlichkeiten und die „Säulen ihrer Macht“ vor. Angefangen bei der Krönung Kaiser Karls des Großen im Jahr 800 über die hochmittelalterliche Kaisermacht bis zum Erstarken der Städte und Fürsten.
Interessanterweise blieb der Raum am Rhein mit seinem Zentrum im heutigen Rheinland-Pfalz über Jahrhunderte hinweg die politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrallandschaft Europas. Hier lag, wie der Chronist Otto von Freising im 12. Jahrhundert schrieb, die „größte Kraft des Reichs“. Und nirgendwo sonst schlossen sich drei jüdische Gemeinden zu einem einzigartigen Verbund zusammen, genannt SchUM, die bis heute als „Wiege des aschkenasischen Judentums“ gelten.

Die Ausstellung beinhaltet herausragende Exponate und spannende Geschichten, darunter einzigartige Leihgaben international renommierter Museen, die es in dieser Zusammenstellung noch nie zu sehen gab und auf Jahrzehnte nicht mehr zu sehen geben wird. – Zu diesen herausragenden Exponaten gehört auch die im Niedersächsischen Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel verwahrte Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu aus dem Jahre 972, die zu den prachtvollsten Urkunden zählt, die aus dem frühen Mittelalter erhalten sind und zu den wertvollsten des Niedersächsischen Landesarchivs.


Abb.: Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu aus dem Jahr 972 (Bildrechte: Niedersächsisches Landesarchiv)

In dem in lateinischer Sprache abgefassten Dokument bezeugt Kaiser Otto II., dass er seiner Braut, der byzantinischen Prinzessin Theophanu, Landbesitz von außerordentlichem Umfang in Italien, Deutschland, Belgien und den Niederlanden als Heiratsgut überträgt. Die aus drei aneinandergeklebten Pergamentblättern bestehende Urkunde von fast anderthalb Metern Länge und etwa 40 cm Breite ist komplett farbig in Gold, Purpur und Indigoblau mit kunstvollen Ornamenten und Tierfiguren gestaltet, und der Text ist in einer kalligraphischen Buchminuskel mit Goldschrift geschrieben. Somit handelt es sich nicht nur um ein Rechtsdokument von höchster politischer Bedeutsamkeit, sondern zugleich um ein einzigartiges Kunstwerk, das 2005 sogar zur Aufnahme in das Weltdokumentenerbe nominiert wurde.

Aufgrund ihres Wertes und ihrer besonderen Empfindlichkeit werden Anfragen zur Ausleihe für Ausstellungen meistens abgelehnt. Doch der Leihanfrage der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz vom Oktober 2019 wurde ausnahmsweise zugestimmt, da für die große Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“ im Landesmuseum Mainz weitere hochkarätige Leihgaben aus ganz Europa vorgesehen waren, u.a. die Heidelberger Liederhandschrift Codex Manesse, das Armreliquiar Karls des Großen aus dem Pariser Louvre, die Grabkrone von Kaiserin Gisela und die Mainzer Goldene Bulle (aus Wien), die nach über zwei Jahrhunderten an ihren Ursprungsort zurückkehrt.

Die aktuelle Situation in Zeiten der Covid-19-Pandemie bildete dabei eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten auf Museums- und Archivseite. Die weiteren Schritte erfolgten in enger Abstimmung mit der Zentralen Werkstatt des Landesarchivs, wobei erstmals das neu ausgearbeitete Leihverfahren mit Facility Report, detaillierten Checklisten und einheitlichem Vertragsformular zur Anwendung kam. Zu den Bedingungen dieser Ausleihe gehörte eine Befristung auf acht Wochen (22.02.-18.04.2021), so dass die Urkunde einen besonderen Höhepunkt zum Ende der Ausstellung bilden würde. Ein dauerhaftes Aufbewahrungs- und Schutzbehältnis aus Plexiglas, bestehend aus Unterteil und Deckel, wurde passend für diese Urkunde angefertigt.


Abb.: Klimakiste für das Aufbewahrungs- und Schutzbehältnis aus Plexiglas für die Urkunde (Foto: Niedersächsisches Landesarchiv)

Ebenfalls eine Spezialanfertigung war die von der beauftragten Kunstspedition gelieferte Klimakiste für den Transport, die schon im Januar eintraf, um sich ausreichend bis zum geplanten Transport im Februar akklimatisieren zu können.

Doch dann zeichnete sich ab, dass die aufgrund der Covid 19-Pandemie Anfang November 2020 erfolgte Schließung des Museums über den Februar hinaus andauern würde. Damit konnte der ursprüngliche Leihtermin nicht gehalten werden, ja es stand sogar die ganze Ausleihe in Frage. Nach Abstimmung mit zahlreichen Leihgebern wurde jedoch eine Verlängerung der Ausstellung bis zum 13.6.2021 und damit ein neuer Leihvertrag möglich. Am 14.4.2021 wurde die Urkunde durch die Kunstspedition und in Begleitung einer Restauratorin des Landesarchivs aufwändig verpackt, zum Mainzer Museum transportiert und mitsamt der Klimakiste in den Ausstellungsraum gebracht. 24 Stunden später konnte die Kiste geöffnet und die Urkunde – berührungsfrei im Plexiglasunterteil liegend – anstelle des bisher gezeigten Faksimiles in die Ausstellungsvitrine gelegt werden.


Abb.: Die Urkunde wird im Mainzer Museum in die Ausstellungsvitrine gelegt (Bildrechte: Niedersächsisches Landesarchiv)

Es steht zu hoffen, dass das Museum bald seine Pforten wieder öffnen kann, so dass noch möglichst viele Besucherinnen und Besucher Gelegenheit zur Besichtigung bekommen. Zwischenzeitlich wird die Heiratsurkunde der Theophanu auch in einer Digitalen Kurzführung präsentiert.

Um dennoch vielen Interessierten einen Besuch der Ausstellung zu ermöglichen, wurde das gesamte Konzept der Schau inzwischen in eine kostenfreie Online-Version übertragen. So sind Einblicke in alle Sektionen der Schau möglich, die Ausstellungsmedien wie Filme, Grafiken oder auch Auszüge aus dem Audio-Guide sind abspielbar und viele wichtige Exponate werden ausführlich vorgestellt.

Kulturminister Prof. Dr. Konrad Wolf begrüßt das zusätzliche digitale Angebot: „Hier wird unsere rheinland-pfälzische Landesausstellung für alle Interessierten kostenfrei nach Hause gebracht. Die Präsentation macht Lust, Originalexponate später auch persönlich im Mainzer Landesmuseum in Augenschein zu nehmen. Der virtuelle Besuch ist informativ und ganz einfach ohne Anmeldung oder Registrierung möglich. Eine schöne Ergänzung bis unser Landesmuseum wieder öffnen kann“.

Seit dem ersten Lockdown nach Eröffnung der Landesausstellung hat die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) ihr Digitalangebot rund um die Kaiserausstellung sukzessive ausgebaut. Unter http://www.kaiser2020.de/ ist nicht nur ein knapp 5-minütiger Video-Rundgang, sondern auch eine Reihe von interessanten Kurzführungen zu entdecken. Einzelne Exponate der Schau werden dabei ganz persönlich vorgestellt und wöchentlich durch weitere Filme ergänzt (auch zu finden auf Instagram).

Auch auf Instagram, wo bereits seit Beginn der Ausstellung viele interessante und spannende Aspekte der Landesausstellung vorgestellt werden, sind diese Filme eingestellt.„Wir haben uns für die Online-Version sehr stark am tatsächlichen Ablauf der aktuellen Ausstellung im Landesmuseum orientiert und auch an die optische Anmutung angelehnt. Sie ist zudem eine wunderbare Ergänzung und ganz besonders für alle Besucherinnen und Besucher geeignet, die die Ausstellung schon gesehen haben und ganz gezielt einige Abschnitte nachbereiten wollen“, so Dr. Birgit Heide, Direktorin des Mainzer Landesmuseums.

Die Angebote sollen auch nach dem offiziellen Ende der Landesausstellung am 13. Juni 2021 verfügbar bleiben und die Geschichte des Mittelalters in der Region für alle Interessierten zugänglich sein.

Kontakt:
Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel
Forstweg 2
38302 Wolfenbüttel
Tel.: 05331 / 935 – 0
Fax: 05331 / 935 – 211
Wolfenbuettel@nla.niedersachsen.de

Landesmuseum Mainz
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
Große Bleiche 49 – 51
55116 Mainz
Tel.: 06131 / 28 57-0
Fax: 06131 / 28 57-288
landesmuseum-mainz@gdke.rlp.de

Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv, Aktuelles; Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDK), Aktuelle Nachrichten, 23.04.2021; Landesmuseum Mainz, Faszination Mittelalter, Das Kaiserjahr

Die Spanische Grippe 1918/19 in den Kreisen Wiedenbrück und Halle

Broschüre und digitale Ausstellung des Kreisarchivs Gütersloh.

Eine neue Broschüre des Kreisarchivs Gütersloh beschäftigt sich mit der Spanischen Grippe, die kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges ausbrach und mehrere Millionen Opfer forderte. Die Broschüre erlaubt Einblicke in das Leiden der Opfer und ihrer Hinterbliebenen, in das behördliche Wirken, aber auch generell in den Umgang der Menschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Seuchen und Krankheiten.


Abb.: Güterslohs Kreisarchivar Ralf Othengrafen hat die Corona-Pandemie zum Anlass genommen, eine Broschüre über die Spanische Grippe im Kreis Gütersloh zu veröffentlichen (Foto: Kreis Gütersloh)

Die Broschüre kann beim Kreisarchiv Gütersloh per E-Mail oder telefonisch bestellt werden. Außerdem steht die Broschüre auch als Download zur Verfügung. Über die Internetseite des Kreisarchivs können sich darüber hinaus alle Interessierten auch die mit dem Ausstellungstool der Deutschen Digitalen Bibliothek erstellte digitale Ausstellung zur Spanischen Grippe „In dem Land der Pyrenäen möge sie begraben sein“ ansehen.

Schnell verbreitete sich die Spanische Grippe ab dem Sommer 1918 auch in den ehemaligen Kreisen Halle und Wiedenbrück. Eines der ersten Opfer ist der 23-jährige Gütersloher August Varnholt, Schütze einer Maschinengewehr-Kompagnie. Er erkrankt während seines Heimaturlaubes „an Lungenentzündung, die jetzt seinen Tod herbeiführte“, wie es in der Todesanzeige heißt.


Abb.: In den Zeitungen sind auch Empfehlungen für Medikamente ausgesprochen worden. Zeitweise waren diese in den Apotheken sogar knapp. Hier die Morsey’sche Apotheke in Wiedenbrück („SG_Apotheke“, Sammlung Michael Bleisch, Kreisarchiv Gütersloh)

Im Herbst 1918 steigen die Infektionszahlen und damit auch die Todesfälle auf einen Höchststand. An den Schulen sind teilweise über die Hälfte der Kinder erkrankt.


Abb.: Schülerinnen des Gütersloher Lyzeums, das schon zu Beginn der Pandemie stark betroffen war („SG_Lyzeum”, Kreisarchiv Gütersloh)

Einzelne Schulschließungen sind die Folge. Alleine in Werther sterben Anfang November täglich fünf bis sechs Menschen.


Abb.: Viele der Pandemie-Opfer verstarben in Krankenhäusern, etwa dem Evangelischen Krankenhaus in Gütersloh („SG_Ev_Krankenhaus”, Kreisarchiv Gütersloh)

Erst im März 1919 wird die Spanische Grippe an Wucht verlieren, es folgen allerdings noch mehrere „normale“ Grippewellen. Obwohl mehrere hundert Menschen der Pandemie in dieser Region zum Opfer fallen, gelangt sie erst jetzt – infolge der Corona-Pandemie – stärker ins Bewusstsein der Menschen.

Die Suche nach Quellen zur Spanischen Grippe im Kreis Gütersloh gestaltete sich schwierig, wie Kreisarchivar Ralf Othengrafen feststellen musste. Zum Teil wurden wichtige Ereignisse damals überhaupt nicht festgehalten, zum Teil sind Quellen aber auch im Laufe der Jahrzehnte verloren gegangen.

Damit dies nicht auch bei der Corona-Pandemie passiert und sich künftige Generationen ein Bild machen können, sammelt das Kreisarchiv Gütersloh bereits jetzt Fotos, Filme, Flugblätter, Plakate, Schriftstücke und andere Zeugnisse, die im Kontext der Pandemie entstanden sind. Ob in der Öffentlichkeit (zum Beispiel bei Demonstrationen), in der Firma, im Privaten, ob von Befürwortern oder Kritikern der Maßnahmen und sogar Leugnern der Pandemie – das Kreisarchiv möchte gerne alles überliefern! Es ruft deshalb dazu auf, dem Kreisarchiv Gütersloh alle diesbezüglichen Materialien zur Verfügung zu stellen.

Kontakt:
Kreisarchiv Gütersloh
Moltkestraße 47
33330 Gütersloh
Tel.: 05241 / 852003 oder 05241 / 852004
archiv@kreis-guetersloh.de

Quelle: Aktuelles aus dem Kreisarchiv Gütersloh, 11.05.2021; Aktuelles aus dem Kreisarchiv Gütersloh, 27.04.2021; Jan Focken, Pressemitteilung Kreis Gütersloh, 07.05.2021.

Heil- und Pflegeanstalt in Wehnen während der NS-Diktatur

Das Niedersächsische Landesarchiv – Abteilung Oldenburg stellt aus seinen Magazinen im Monat Mai 2021 ein Schreiben des Direktors der Heil- und Pflegeanstalt in Wehnen bei Oldenburg vor, in dem Dr. Carl Petri versichert, „Nein, in Wehen sind keine Verbrechen geschehen.“



Abb.: Antwortschreiben des Anstaltsdirektors Dr. Carl Petri an das Staatsministerium in Oldenburg vom 16.05.1946 (Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Oldenburg, Best. 131 Nr. 635 Fol. 75)

Im Mai 1946 hielt der oldenburgische Ministerpräsident Theodor Tantzen den Zeitpunkt für gekommen, eine Bilanz der menschlichen und materiellen Schäden der NS-Diktatur im Freistaat Oldenburg zu ziehen. Dazu erhielten alle staatliche Behörden und Einrichtungen einen Fragebogen. So hatte die Heil- und Pflegeanstalt in Wehnen bei Oldenburg darüber zu berichten, wie viele Kranke „vergast“ worden seien.

Dem Anstaltsdirektor Dr. Petri, der sich in einer heiklen Lage befand, weil er seit 1937 die Verantwortung für die Behandlung der Kranken getragen hatte, eröffnete diese Formulierung ein Schlupfloch. Denn er konnte wahrheitsgemäß sagen, dass niemand vergast worden war, dass das Krankenhaus nicht an der berüchtigten „T4-Aktion“ teilgenommen hatte.

Tatsache war jedoch, dass bereits seit 1935 aus finanziellen wie ideologischen Gründen die Kranken inhuman behandelt worden waren. Es herrschten dauernde und drastische Überbelegung bei gleichzeitiger Unterversorgung an ärztlicher Hilfe, Nahrung, Desinfektion und Heizung. Hatte die jährliche Sterberate 1928 bei 5,3 Prozent von 298 Kranken gelegen, so waren es 1944 23,68 % von 806 Insassen. Wer keine zusätzlichen Lebensmittel von Angehörigen bekam und nicht über eine robuste körperliche Gesundheit verfügte, hatte schlechte Überlebensaussichten.

Diese Zustände waren kein Geheimnis, in der Bevölkerung hatte die Anstalt einen schlechten Ruf, der bis in 1970er Jahre anhielt. Dr. Carl Petri wurde noch 1946 entlassen, vor allem, weil er als überzeugter Nationalsozialist galt. 1948 nahm er sich das Leben. Danach wurde es leicht, die gesamte Verantwortung auf ihn abzuschieben. Die Beamten und Amtsärzte, die über die Situation in Wehnen informiert gewesen waren und nichts zum Schutz der Patienten unternommen hatten, wurden nie belangt.

Kontakt:
Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Oldenburg
Damm 43
26135 Oldenburg
Tel.: 0441 / 92 44 100
Fax: 0441 / 92 44 292
Oldenburg@nla.niedersachsen.de

Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv, Aus den Magazinen des Landesarchivs, Mai 2021; Jens Fliege: Die Namenlosen von Wehnen, in: taz, 21.2.2000, 24

Ein Stausee für die Bochumer Bevölkerung

Im Dezember 1933 stellte der Bochumer Anzeiger einen neuen See im Ruhrtal vor: den Bochumer Stausee, oder auch Herbeder See genannt. Niemand sollte fortan mehr weit reisen müssen, um die Vorzüge eines Sees zu genießen – eine echte Bereicherung für die Freizeitgestaltung. Es sollte nicht nur eine einfache Erholung am Strand möglich sein, sondern auch Wassersportler und Wanderfreunde sollten auf ihre Kosten kommen.


Abb.: Artikel im Bochumer Anzeiger, Dez. 1933 (Quelle: Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte)

Der angekündigte See mit einer Länge von zwei Kilometern und einer Breite von 300 Metern, war seit Jahren geplant von den Städten Bochum, Hattingen, Herbede, Witten und dem Ruhrverband Essen und sollte nun endlich Wirklichkeit werden. Entwürfe und Gutachten, die jedoch nicht nur Positives beinhalteten, lagen schon seit den 1920er Jahren vor. In dem Zeitungsartikel vom Dezember 1933, den das Stadtarchiv Bochum in seiner monatlichen Reihe „Schaufenster Stadtgeschichte“ für Mai 2021 vorstellt, ist sogar der genaue Lageplan des Stausees abgebildet.

Lange war man sich jedoch nicht nur uneins über die Lage des Wehrs, sondern auch über den Einfluss auf den Bergbau gab es kontroverse Diskussionen. Und so gingen die Verhandlungen weiter. Am 30. Dezember 1933 hieß es dann: „Was die technische Seite des Seeprojekts angeht, so haben die bisherigen Verhandlungen leider kein positives Ergebnis gehabt.“ Das angekündigte Kleinod für die Bochumer Bevölkerung ließ also weiterhin auf sich warten. Noch 1942 wurden ohne Ergebnis Gutachten ausgetauscht, so dass das Seeprojekt schließlich förmlich ins Wasser fiel.

Aber manche Wunder dauern halt ein bisschen länger. Nach etlichen Jahren ist es schließlich im Jahre 1979 doch noch gelungen, der Bochumer Bevölkerung endlich das ersehnte und dringend notwendige Naherholungsgebiet zu verschaffen – den heutigen Kemnader Stausee.


Abb.: Bochum Kemnader See mit Blick nach Osten (Wikipedia, eigenes Bild)

Angelegt wurde er vom Ruhrverband, dem größten Wasserwirtschaftsverband in Nordrhein-Westfalen. Er umfasst neben einem Badestrand auch Wander- und Radwege. Offiziell eröffnet wurde der See am 18. September 1980 mit einem Fest und vielen Aktionen für Wassersportler. Mit seinen zahlreichen Freizeitmöglichkeiten und Festen ist der Kemnader See inzwischen das Highlight im Bochumer Süden.

Kontakt:
Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte
Wittener Straße 47
44789 Bochum
Tel.: 0234 / 9109501
Fax: 0234 / 9109504
stadtarchiv@bochum.de

Quelle: Schaufenster Stadtgeschichte, Archivale des Monats Mai 2021; Wikipedia: Kemnader Stausee.

 

Zeitzeugen gesucht: 75 Jahre Rheinland-Pfalz

Die frühen Jahre am Deutschen Eck 1947 bis 1957.

Am 30. August 1946 wurde die Geburtsurkunde des neuen Landes von der französischen Besatzungsmacht überreicht. Mit dieser Verordnung Nr. 57 des französischen Oberkommandierenden, General Pierre König, die ohne Beteiligung deutscher Politiker formuliert wurde, bildeten die Franzosen durch Zusammenlegung der sehr unterschiedlichen Regionen Rheinland, Nassau, Rheinhessen und Pfalz das Land Rheinland-Pfalz.


Abb.: Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus von Adolf Süsterhenn in der Bahnhofstr. 7 in Unkel/Rhein zur Erinnerung an die Entstehung der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz und zwei seiner Verfasser (Ernst Biesten, Adolf Süsterhenn) (Foto: Sir James).

Obwohl Mainz von den Franzosen als Hauptstadt des neuen Landes bestimmt worden war, richtete die vorläufige Landesregierung ihren Sitz vorerst in Koblenz ein, so dass die Stadt an Rhein und Mosel im Mittelpunkt der Entstehungsgeschichte des Bundeslandes stand. Am 18. Mai 1947 stimmten die Rheinland-Pfälzer mehrheitlich für die neue Verfassung und machten die Landesgründung damit offiziell. Aber auch nach dem Umzug von Landtag und Landesregierung nach Mainz wusste sich die Stadt an Rhein und Mosel zu behaupten und sich den Herausforderungen zu stellen.

Wie waren diese frühen Jahre des Bundeslandes? Der Beginn in Trümmern und Zerstörungen: Hunger, Wohnungsnot und Armut? Der Kampf um das nackte Überleben in den ersten Nachkriegsjahren? Die Zeit zwischen Währungsreform und Wirtschaftswunder, zwischen beginnender Konsolidierung und beginnendem Ost-West-Konflikt?

Wer war dabei, als das Land noch in den Kinderschuhen steckte? Wer erinnert sich an den Alltag, an die Sorgen, Nöte und Hoffnungen in dieser Zeit? Wer besitzt Erinnerungstücke, Briefe, Aufzeichnungen, Fotos oder ähnliches? – Diese sollen Teil eines Ausstellungsprojektes der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz und des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz mit Unterstützung zahlreicher Partner aus Stadt, Land und Bund werden, das im Mai 2022 in Koblenz eröffnet werden soll.

Kontakt:
Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz – Landeshauptarchiv Koblenz
Dr. Christine Goebel
Karmeliterstraße 1/3
56068 Koblenz
Tel.: 0261 9129-117
Fax: 0261 9129-112
c.goebel@landeshauptarchiv.de

Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz – Landeshauptarchiv Koblenz
Andrea Grosche-Bulla
Tel.: 0261/9129 -104

Postadresse:
Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz
Landeshauptarchiv Koblenz
Postfach 20 10 47
56010 Koblenz

Quelle: Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Aktuelles, 28.04.2021

Aachener Stadtpuppenbühne »Öcher Schängche« besteht seit 100 Jahren

Inspiriert nicht zuletzt durch ein Gastspiel des bekannten Puppenspielers Ivo Puhonny im Aachener Kurhaus gründeten vor 100 Jahren der Aachener Mundartdichter und Zeitungswissenschaftler Will Hermanns, der Bildhauer Alfred Pieper, der Kunstmaler Willi Kohl, der Dekorateur Hein Lentzen und der Ingenieur Joseph Lausberg gemeinsam die „Aachener Marionettenspiele“, die heutige Stadtpuppenbühne Öcher Schängchen.


Abb.: Puppenspielfigur „Schängchen“ (Bildergalerie Öcher Schängche)

Als Hauptinitiator schrieb Will Hermanns (1885-1958) die ersten Theaterstücke für die neue Bühne und kreierte damit die bis heute maßgeblichen Hauptfiguren: das alterslose, gewitzte Schängche, seine Freundin et Jretche, die als rabiates, großmäuliges und schimpfwütiges Marktweib mit gutem Kern agierende Tant Hatzor, die Freunde Nieres und Veries wie auch den Polizisten Noppeney und nicht zuletzt den Teufel Krippekratz.


Abb.: Puppenspielfigur „Teufel Krippekratz“ (Bildergalerie Öcher Schängche)

Mit dem noch heute jeweils zur Spielzeiteröffnung gezeigten Stück „Der Teufel in Aachen oder Et Schängche köllt der Krippekratz“ wurde das Puppentheater am 4. Mai 1921 in der Hartmannstrasse im Saal der Gaststätte „Zur Maus“ eröffnet. Bei der Bevölkerung fand es sofort großen Anklang.

Die fünf Puppenspielliebhaber waren nicht nur durch die Freude am Spiel mit Figuren motiviert, sondern wollten mit künstlerischer Aktivität auch dem „jugend- und volksverderbenden Sensationsfilm“ etwas entgegensetzen und den Mitbürgern mit kleinem Geldbeutel anspruchsvolles Theatererlebnis ermöglichen.

Zum Repertoire des Stabpuppenspiels „Öcher Schängche“ gehören neben Märchenadaptionen, Aachener Sagen und Kinderstücken auch Stücke für Erwachsene, darunter Kriminalstücke, eine jährlich zu Karneval stattfindende Puppen-Karnevalssitzung sowie seit 2008 auch das Stockpuppenkarabarett „Pech&Schwefel“.


Abb.: Aufführung des Öcher Schängchens (Foto: Nina Krüssmann)

Für ihre Verdienste um die Aachener Mundart wurde die Bühne 1986 mit dem Thouet-Mundartpreis der Stadt Aachen ausgezeichnet. Neben der Stockpuppenbühne in Lüttich und dem „Hännesche Theater“ in Köln ist das „Öcher Schängche“ eine Bühne, die auf die große Zeit des Figuren- und Puppentheaters verweist, aus dem schon Johann Wolfgang von Goethe Motive für „Faust“ geschöpft hat.

In seiner wechselvollen Geschichte hatte das „Öcher Schängche“ insgesamt acht Spielstätten, unter anderem in der heutigen Stadtbibliothek und im Ballsaal des Alten Kurhauses. Im Winter 1981/82 erfolgte schließlich der finale Umzug vom Jugendheim Kalverbenden in das dauerhafte Domizil in der Barockfabrik am Löhergraben, dem heutigen Kulturhaus Barockfabrik in Trägerschaft der Stadt Aachen.

Im Laufe der Jahrzehnte erlebte das Öcher Schängchen, wie die Bühne bald hieß, unterschiedlichste Höhen und Tiefen, wobei auch die leitenden Personen immer mal wechselten. 1989 löste der bis dahin bereits als Spieler tätige Otto Trebels Matthias Stevens in der künstlerischen Leitung ab, die er bis heute innehat. Peter Reuters spielt seit vielen Jahren die Figur des Schängche. Die Bühne blieb jedoch stets auch ein Herzenskind von Will Hermanns.

Hermanns, der auch zahlreiche Mundart-Bücher veröffentlichte, begann Anfang der 1930er Jahre eine Zusammenarbeit mit dem Maler Bert Heller (1912-1970), der einige seiner Publikationen illustrierte. Als die Bühne im September 1942 in den Saal im Mittelstandshaus in der Wirichsbongardstraße umzog, ließ er diesen Saal von Heller passend ausmalen.

Bert Heller, geboren und aufgewachsen in Aachen und nächster Umgebung, hatte an der Kunstgewerbeschule Aachen von 1927 bis 1930 studiert und sich dann in Laurensberg als freischaffender Künstler niedergelassen. Sein Geld verdiente er zu dieser Zeit vor allem mit Gebrauchsgrafik wie Warenhausschildern, Kinoreklamen und Illustrationen. Ab 1940 absolvierte er noch ein zusätzliches Studium an der Kunstakademie in München.

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den 1930er Jahren entwarfen Hermanns und Heller gemeinsam einige Postkarten mit direktem Bezug zu den Figuren des Öcher Schängchen. Diese blieben jedoch wohl unveröffentlicht.

Aus Anlass des Jubiläums des Öcher Schängchens präsentiert das Stadtarchiv Aachen aus dem Nachlass Will Hermanns einen dieser Postkarten-Entwürfe.


Abb.: Die zart aquarellierte Zeichnung von Bert Heller zeigt das Marktweib Tant Hatzor mit einer Käuferin und einem Jungen, im Hintergrund das Aachener Rathaus (Stadtarchiv Aachen)

Unter der Zeichnung ist von der Hand von Will Hermanns der Text gesetzt:

„Wat? Ming Schavoue sönd net jot?

Madämmche, kaucht Üch Ühre Hot!

Do sönd noch Vitamine dren,

Sue wohr ich de Tant Hatzor ben!“ WH“

Übersetzt heißt der Text „Was? Meine Wirsingkohlköpfe sind nicht gut? Verehrte Dame, kochen Sie doch Ihren Hut! Da sind noch Vitamine drin, so wahr, wie ich die Tante Hatzor bin!“

Mit der Ausstellung dieser Zeichnung von Bert Heller gratuliert das Stadtarchiv Aachen dem Öcher Schängchen zum Jubiläum. Corona-bedingt wurde das 100-jährige Jubiläum Anfang Mai 2021 lediglich digital gefeiert. Aktuell laufen jedoch schon die Planungen für einen Nachholtermin der verschobenen Jubiläumsfeierlichkeiten am 19. September 2021.

Man kann bis dahin dem Schängchen und seinen hölzernen Freunden aus der Stadtpuppenbühne auch auf @ Kulturhaus Barockfabrik auf Facebook und Instagram folgen.


Abb.: Titelblatt der Jubiläums-Festschrift von 2021 (Nina Krüsmann / iStock.com)

Außerdem ist passend zum Gründungsjubiläum genau 100 Jahre später, ebenfalls am 4. Mai 2021, eine digitale Festschrift erschienen, die alle Fans des „Öcher Herzbuben Schängche“ hier downloaden können.

Kontakt:
Stadtarchiv Aachen
Reichsweg 30 (Nadelfabrik)
52068 Aachen
Tel.: 0241 / 4324972
Fax: 0241 / 4324979
stadtarchiv@mail.aachen.de

Quelle: Stadtarchiv Aachen, Neuigkeiten, Archival des Monats Mai 2021, 30.04.2021; Stadt Aachen, Aktuellste Pressemitteilungen, 30.04.2021

Leiter der Archive des Landkreises Schwäbisch Hall und von 28 Kommunen

Das Schwäbisch Haller Kreisarchiv sieht genauso aus, wie man es für ein Bilderbuch zeichnen würde: Es ist im Landratsamt ganz oben unterm Dach, man erreicht es nur über verwinkelte Gänge und mehrere Treppenhäuser. Dort hat es schräge Wände und lange, schmale Gänge, die gesäumt sind von Regalen voll alter Bücher, Ordner und Kisten. Dazwischen steht ein Holzklotz. Er ist deshalb im Archiv, weil ein Landwirt aus Kreßberg entdeckt hat, dass sich im Baumstamm 1945 ein französischer Kriegsgefangener verewigt hat.

In ein solches Bilderbucharchiv würde ein Illustrator vermutlich einen alten, etwas schrullig aussehenden Mann malen, der über diese Schätze wacht. Tatsächlich trifft man dort auf den 45-jährigen Matthias Röth, der sehr gerne lacht. Der Archivar und Judith Ramakers, Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, halten dort nicht nur Ordnung, sondern sie machen den Zugriff auf Dokumente früherer Zeiten und unserer heutigen Tage auch zukunftssicher: Papier ist verhältnismäßig einfach zu lagern und bleibt lange lesbar, sofern man die Sprache und die Schrift kennt. Bei elektronischen Akten, Tondokumenten oder Filmen stellen sich ganz andere Probleme, weil Abspielgeräte und Dateiformate sich sehr schnell ändern. Diese Dinge so zu archivieren, dass sie auch in ferner Zukunft gelesen werden können, ist eine Aufgabe, die Röth natürlich nicht alleine angeht: Das Landesarchiv Baden-Württemberg steuert und unterstützt das Vorgehen, aber vor Ort muss es umgesetzt werden.


Abb.: Matthias Röth steht zwischen den Regalen im Haller Kreisarchiv. Seit gut einem Jahr ist er dessen Leiter (Foto: Ufuk Arslan).

Doch derzeit ist Röths Hauptaufgabe noch ganz in der Vergangenheit verhaftet: Er erfasst das Gemeindearchiv von Wallhausen und das Schularchiv von Gerabronn in elektronischen Findbüchern. Da geht es inhaltlich um den Vollzug des Schulgesetzes in Gerabronn in der Zeit von 1836 bis 1839. Und irgendwann viel später wird dann die Umsetzung der Corona-Regeln bei den Abiturprüfungen im Jahr 2021 erfasst werden.

Übernehmen und bewerten
Eines ist Röth wichtig: Einem Archiv wachsen Akten zu, sie werden übernommen, wenn sie im Tagesgeschäft nicht mehr benötigt werden. „Nennen Sie es bitte nicht sammeln“, mahnt er. „Ein Archivar übernimmt und bewertet.“ Aber er sammelt auch: Flugblätter, Flyer, Plakate und mehr dokumentieren das öffentliche Leben. Was wird aufbewahrt, was vernichtet? „Der Archivar entscheidet am Regal“, sagt Röth selbstbewusst. Es gibt überregionale Bewertungsmodelle für die Einschätzung der Relevanz von Dokumenten, aber die Entscheidung trifft letztlich eine Person alleine.

Das ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit: „Wir legen fest, was später verwendet wird, um Geschichte zu schreiben.“ Weil es aber gar nicht möglich ist, bei jedem Dokument zu beurteilen, ob es künftig von Bedeutung sein wird, spielt auch der Zufall mit: Bei „massenhaft gleichförmigen Akten“ wie Anträge auf Sozialhilfe oder Bafög wird eine Buchstabenauswahl getroffen. Das heißt, die Dokumente von Personen, deren Name mit einem bestimmten Buchstaben beginnt, werden aufbewahrt, die anderen weggeschmissen.

Das Firmenarchiv inspiriert
Wie kam es zum Berufswunsch Archivar? „Ich habe mich schon als Kind mit Archivalien beschäftigt“, erklärt Röth. Das war im Firmenarchiv von Zweirad-Röth in Hammelbach im Odenwald. Matthias Röths Ur-Ur-Großvater hat diesen Betrieb im Jahr 1873 gegründet, sein Vater hat ihn in vierter Generation geführt. Es war eine Importfirma, die 40 Motorradmarken aus aller Welt an 400 Fachhändler in Deutschland vermittelte.

Doch Röths beruflicher Weg mäandrierte wie ein Fluss: Er wollte Geschichte und Sprachen verbinden, „ich hatte in der Schule Latein, das war hilfreich“. Trotzdem wurde er zuerst Industriekaufmann, dann Übersetzer. Beide Berufe brachte er auch ins Familienunternehmen ein, aber sie waren ihm auf Dauer nicht kreativ genug. Zwischendrin wollte er Journalist werden, schrieb für die Südhessische Post und ging für eineinhalb Jahre nach Bukarest zu einem Medien-Magazin. Schließlich drückte er nochmal drei Jahre die Schulbank, um das Abi zu machen. Und dann ergriff er die Möglichkeit, Archivar zu werden.

Die Freude an Dingen, die das Leben in verschiedenen Zeiten veranschaulichen, begleitet ihn auch in seiner Freizeit: Die Firma des Vaters hatte auch ein kleines Motorrad-Museum – und dieses pflegt Matthias Röth nach wie vor. Etwa an jedem zweiten Wochenende öffnet er es für angemeldete Besucher.

DDR-Geschichte im Odenwald
Und direkt daneben, ebenfalls auf dem früheren Firmengelände von Zweirad-Röth, gibt es das „DDR-Museum im Odenwald“. Ja, wieso ein DDR-Museum, wenn die Familie ihre Wurzeln im Odenwald hat? „Mein Vater hat Motorräder aus vielen Ländern importiert, darunter ab 1986 die Marken MZ und Simson aus der DDR. Damals war ich elf Jahre alt und durfte mehrfach mit in die DDR reisen. Ich fand das sehr spannend, weil es so anders war.“

Er begann, Alltagsgegenstände in Geschäften in der DDR zu kaufen und zu sammeln. Als Höhepunkt seines etwa 500 Exponate umfassenden Museums benennt er eine Telefonanlage aus dem Palast der Republik, mit der der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker persönlich telefoniert habe: „Die stand in einem Seitenkammerl.“ Mit Ostalgie habe sein Museum nichts zu tun, versichert Matthias Röth. „Alles hat einen fachlichen Hintergrund und ich erzähle immer die historischen Zusammenhänge dazu.“ Denn ohne Führung kann man seine Museen nicht besuchen. Und wie sieht es in seiner Wohnung aus? Ist die auch vollgestopft mit altem Zeug? „Nein, ich schmeiße weg, was weggeschmissen werden muss. Ein Archivar muss wegwerfen können.“

Zur Person
Matthias Röth ist am 13. Dezember 1975 in Weinheim geboren. Er kam früh mit Archivalien in Kontakt: Sein Vater hatte eine große Motorrad-Import-Firma (Zweirad-Röth), und diese hatte ein Firmenarchiv. Dort hat Röth schon als Kind in alten Motorradprospekten gewühlt und aktuelle gesammelt.

Nach der Mittleren Reife machte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann und arbeitete dann im Familienbetrieb mit. Parallel begann er, als freier Mitarbeiter für eine Zeitung zu schreiben. Er wollte Journalist werden und machte eineinhalb Jahre lang ein Auslandspraktikum bei einer deutschsprachigen Journalisten-Zeitung in Bukarest/Rumänien.

Auf weitere Zwischenstationen im heimischen Betrieb folgte eine Ausbildung zum Übersetzer in Heidelberg, das Abitur am Hessen-Kolleg in Frankfurt und schließlich die Ausbildung zum Diplom-Archivar beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Röths erste Stelle als Archivar war in Starnberg. Dort habe er das Stadtarchiv neu aufgebaut, das vorher brachgelegen habe, berichtet er. Von 2006 bis 2012 arbeitete er dort mit nur einem Kollegen zusammen. Es folgte der Wechsel ins Münchner Stadtarchiv, wo er etwa 50 Kollegen hatte. Er wurde dort stellvertretender Bereichsleiter für den Lesesaal und die Benutzerbetreuung.

Seit Februar 2020 leitet Röth die Archive des Landkreises Schwäbisch Hall und aller Kommunen im Kreis außer Schwäbisch Hall und Crailsheim. Das sind 28 Gemeinden.

Röth ist ledig und kinderlos. Er wohnt in Schwäbisch Hall, fährt aber mindestens jedes zweite Wochenende nach Hammelbach/Gemeinde Grasellenbach im Odenwald, denn dort betreut er zwei private Museen: Das Motorradmuseum, das die Geschichte des Familienbetriebs aufzeigt, und ein DDR-Museum, das Matthias Röth selbst aufgebaut hat. Ein weiteres Hobby ist Motorrad fahren, und er liest sowohl Sachbücher zum Beispiel über die Geschichte der DDR sowie über Motorrad- und Technik-Geschichte als auch literarische Kurzgeschichten.

Die Museen sind nur nach Anmeldung geöffnet: Telefon 01 79 / 4 98 65 65 oder E-Mail an matthias.roeth@web.de

Kontakt:
Matthias Röth, Kreisarchivar
Leiter Fachbereich 11.4 Kreisarchiv
Landratsamt Schwäbisch Hall
Münzstraße 1
74523  Schwäbisch Hall
Tel. 0791-755-7398
Fax: 0791-755-7362
m.roeth@LRASHA.de
www.LRASHA.de

Quelle / Autorin: Monika Everling, „Man muss wegwerfen können“. Matthias Röth leitet seit einem Jahr die Archive des Landkreises Schwäbisch Hall und von 28 Kommunen im Kreis, in: Haller Tagblatt, 5.5.2021, S. 11

Joseph Beuys in Bonn

Ja Ja Ja Ja Ja, Ne Ne Ne Ne Ne statt ta ta ta taa – so erklang es 2013 viele Minuten lang zur Verblüffung der zahlreichen Gäste zu Beginn der Verabschiedung von Ilona Schmiel als Intendantin des Bonner Beethovenfestes in den Räumen der Deutschen Welle.

Die legendäre Aufnahme der Fluxus-Veranstaltung von Joseph Beuys (1921-1986) aus dem Jahr 1968 statt einer Einspielung des Beethoven-Orchesters Bonn, der rheinische Schamane statt des einsamen Revolutionärs – eine gewollte Irritation, ja vielleicht sogar Provokation?

Beides passt neben der rheinischen Herkunft zu Beethoven und Beuys; darüber hinaus zeugt der Beitrag von Beuys zu Mauricio Kagels Film Ludwig van mit der Installation und Performance „Beethovens Küche“ von einer intensiven Beschäftigung des Künstlers mit dem großen Komponisten.

Joseph Beuys, dessen 100. Geburtstag am 12. Mai 2021 überall und natürlich auch in Bonn gefeiert wird, hatte vielfältige Beziehungen zu Bonn. Nicht nur, dass er ein bönnsches Mädchen, die heute 88-jährige Eva, geb. Wurmbach, Tochter eines Zoologie-Professors aus Dottendorf, 1959 in der Doppelkirche von Schwarz-Rheindorf ehelichte, auch seine künstlerischen und politischen Aktionen fanden in Bonn besonderes Interesse und sind in der Fotosammlung des Stadtarchivs Bonn detailliert dokumentiert.

Bereits 1973 stellte der engagierte Galerist und Art Cologne-Preisträger Erhard Klein in der Königstraße alle Multiples des Aktionskünstlers in Beuys‘ Beisein aus, so auch den berühmten Schlitten, und ließ in den kommenden Jahren viele weitere Ausstellungen folgen, immer verbunden mit der Bitte: mach et nisch zu teuer …

Berühmt wurde 1983 eine Aktion im Zusammenhang mit Beuys‘ ökologischem Projekt Difesa della natura, bei der Kartons von 12 mit Beuys-Etiketten versehenen Rosé-Flaschen zugunsten der von ihm in Düsseldorf gegründeten Free International University bei Klein verkauft werden sollten.


Abb.: Joseph Beuys signiert 1983 in der Galerie Erhard Klein im Rahmen seines Projekts DIFESA DELLA NATURA (Foto: Franz Fischer, Stadtarchiv Bonn)

Das Farbfoto von Franz Fischer zeigt Beuys bei genau dieser Veranstaltung. Der Galerist hatte auf der Einladung den Hinweis vergessen, an wen der Erlös gehen sollte, worauf Beuys die übrig gebliebenen Einladungskarten mit der Aufschrift ERHARD KLEIN UNKONZENTRIERT bedrucken ließ, sie signierte, nummerierte und zum Verkauf anbot. Dies löste eine mehrjährige künstlerische Kettenreaktion aus: Albert Oehlen/Martin Kippenbergers Edition ERHARD KLEIN VOLLKONZENTRIERT, Georg Herold mit 10 Wodka Flaschen ERHARD KLEIN KONZENTRAT, ein Notenheft von Friedrich Meschede ERHARD KLEIN KONZERTANT und schließlich das von Reiner Speck und Friedrich Schroers verfasste Jubiläumsheft zum 20-jährigen Bestehen der Galerie ERHARD KLEIN VOLL KONZENTRIERT.

Beuys‘ „erweiterter Kunstbegriff“ umfasste sein politisches und ökologisches Engagement. Seine Ideen zur direkten Demokratie propagierte er 1973 in der Galerie Magers, sein Konzept zur Städteplanung („Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“) 1984 in der Bonner Universität vor einem teils andächtig lauschenden, teils skeptischen Publikum.

Der Pop-Künstler Andy Warhol verewigte ihn 1980 nach einer Begegnung in München; das Porträt schenkte der Bonner Galerist Hermann Wünsche der Stadt für ihr Kunstmuseum, das durch den Erwerb der Sammlung Ulbricht, ergänzt um spätere Ankäufe, und durch die Schenkung der vollständigen Beuys-Bibliothek von Erhard Klein zur ersten Adresse für die Werke dieses Künstlers wurde. Die hauseigene Website verzeichnet immerhin 450 Beuys-Objekte.

Das Bonner Stadtarchiv verfügt über bedeutende und teilweise einzigartige Aufnahmen nicht nur der Bonner Auftritte des Künstlers, vorwiegend gesehen und festgehalten von den (nicht verwandten) Fotografen Camillo Fischer und Franz Fischer.

So hat zum Beispiel Camillo Fischer durch reinen Zufall 1967 von einer der frühen Beuys-Aktionen HAUPTSTROM UND FETTRAUM in Darmstadt erfahren und sie auf Zelluloid gebannt, die einzige Dokumentation dieses 10-stündigen Ereignisses überhaupt, die 1993 im Bonner Syndikat gezeigt wurde. Das Foto zeigt einen Teil dieser Performance.


Abb.: Joseph Beuys 1967 während seiner Aktion HAUPTSTROM UND FETTRAUM in der Galerie Franz Dahlem in Darmstadt (Foto: Camillo Fischer, Stadtarchiv Bonn)

Das legendäre Streitgespräch zwischen Beuys und dem Gründer der Artist-Placement-Group, John Latham 1978 im Bonner Kunstverein über Kunst als soziale Strategie fotografierte hingegen Franz Fischer, der zahlreiche Ausstellungen und Aktionen von Joseph Beuys begleitet und festgehalten hat, zum Beispiel die Kehraktion in Düsseldorf und auch manche private Situation. Auch die letzte Aufnahme wenige Tage vor Beuys Tod im Januar 1986, nach der Verleihung des Lehmbruck-Preises, stammt von Franz Fischer und war das Titelfoto der Ausstellung zu dessen 80.Geburtstag 2017 im Foyer des Stadthauses.

Wie wichtig und weithin anerkannt beide Fotografen für die Dokumentation des Schaffens dieses auch durchaus umstrittenen Künstlers sind, zeigen die Ausstellungen in Salzburg und Wien 1994 von Camillo Fischer und die Verwendung eines Großfotos von Franz Fischer in der Züricher Ausstellung 1993 sowie im Eingangsbereich der bedeutendsten Beuys Dauerausstellung in Schloss Moyland.

Auch nach seinem Tod war Joseph Beuys weiter in Bonn präsent: mit Ausstellungen, Vorträgen und Dokumentationen. Anlässlich seines 100. Geburtstags am 12. Mai 2021 ehren ihn die Bundeskunsthalle und das Kunstmuseum mit Sonderausstellungen.

Kontakt:
Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn
Berliner Platz 2
53111 Bonn
Tel.: 0228 / 772410
stadtarchiv@bonn.de

Quelle: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn, Zeitfenster, Mai 2021

Johann Hermann Siekendiek, ein Universalgenie aus Bockhorst

Es gibt Persönlichkeiten in der Geschichte, deren Wirken und Bedeutung erst sehr viel später von Historikern erkannt wird. Mehr als 200 Jahre nach seinem Tod ist dies der Fall bei Johann Hermann Siekendiek aus Bockhorst (Westfalen). Sein Entdecker, der Münsteraner Historiker Sebastian Schröder, hat die spannende Lebensgeschichte Siekendieks rekonstruiert.

In der fünften Ausgabe der Versmold-Edition stellt Schröder den „Kartograph und Tausendsassa“ Siekendiek aus der ereignisreichen Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution vor. Als Feldmesser stand Johann Hermann Siekendiek (1731-1811), Bauernsohn aus Versmold-Bockhorst, in preußischen Diensten. Er vermaß Ländereien, Grenzen und Gemeinheitsgrundstücke. Siekendiek verkehrte in den aufgeklärten Kreisen des Minden-Ravensberger Landes und genoss bei deren profiliertesten Vertretern hohes Ansehen, etwa beim Jöllenbecker Pfarrer Johann Moritz Schwager (1738-1804).


Abb.: Ausschnitt der Markenteilungskarte der Siekendieks Heide mit Ansicht der Stätte Siekendiek, Christian Ludolph Reinhard, 1771 (LAV NRW W, Karten A [Allgemein], Nr. 8363). – Die vollständige Karte ist auf den Seiten 58 und 59 der Versmold-Edition 5 zu finden.

Der Beitrag präsentiert überdies zahlreise der von Siekendiek gezeichneten Karten: kleine Kunstwerke, die allesamt unbekannt sind und hier erstmals veröffentlicht werden. Siekendiek wusste nicht nur, wie man Torf stach und Häuser konstruierte. Er zeichnete sich insbesondere als begnadeter Künstler aus, der die von ihm kreierten Karten detailreich ausschmückte und kolorierte. Kurzum: Dieser Mann war ein wahres Multitalent, mithin eine Persönlichkeit, die geradezu idealtypisch das Zeitalter der Aufklärung spiegelt, wie Sebastian Schröder in seiner Einleitung hervorhebt.

Der gesamte, 75 Seiten umfassende Beitrag steht zum freien Download zur Verfügung. In loser Folge veröffentlicht das Stadtarchiv Versmold einzelne Themen zur Stadtgeschichte, wie diese, in seiner Reihe „Versmold-Edition“ in rein digitaler Form.

Info:
Sebastian Schröder: Kartograph und Tausendsassa: Johann Hermann Siekendiek aus Versmold-Bockhorst
(Die Versmold-Edition, Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Versmold, Neue Reihe 5), Versmold 2021, 75 S.

Kontakt:
Stadtarchiv Versmold
Dr. Rolf Westheider
Münsterstraße 16
33775 Versmold
rolf.westheider@versmold.de

Quelle: Stadt Versmold, Pressemitteilung, 6.5.2021