Auf den Spuren der Rosenthals in Limburg

Die Spuren bestehen aus Karteikarten, Anzeigen und kleinen Artikeln in alten Zeitungen, Bilder sind ganz selten. Die Spuren der Familie Rosenthal in Limburg sind nicht besonders zahlreich. Max Rosenthal war der letzte Hausmeister der Limburger Synagoge. Er wurde in Auschwitz ermordet. Seiner Frau Johanna und Sohn Ernst hingegen war die Flucht gelungen, in den USA begann für sie ein neues Leben.

Abb.: Spurensuche im Limburger Stadtarchiv: Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker (links) und Bürgermeister Dr. Marius Hahn erläutern die historischen Zeugnisse Toby Rosenthal und ihrer Tochter Carol. (Foto: Stadt Limburg)

Johanna Rosenthal heiratete in der neuen Heimat ein zweites Mal, aus dem Limburger Ernst Rosenthal wurde in den USA Ernest Rosenthal. In Richmond fand er eine neue Heimat. 2009 starb er. Von dort kamen nun seine Witwe Toby mit Tochter Carol, deren Mann Frank und den Söhnen Gabe und Ben nach Limburg, begleitet wurden sie von Markus Streb, der die Geschichte der jüdischen Familien in seiner Heimatgemeinde Hünfelden erforscht. Dabei war Streb auf Johanna Simon aus Dauborn gestoßen, die den aus Thalheim stammenden Viehhändler Max Rosenthal heiratete und mit ihm zusammen nach Limburg zog. In Limburg verdiente Rosenthal seinen Lebensunterhalt als Viehhändler und übernahm, nachdem ihm der Viehhandel untersagt worden war, die Aufgabe als Hausmeister der Synagoge. Zu den Nachkommen in den USA unterhält Markus Streb engen Kontakt.

Die Gäste aus den Vereinigten Staaten zeigten sich sehr interessiert an dem, was Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker zur Familie zusammengetragen und in einem Band zusammengefasst hatte. Carol Rosenthal wusste bereits, dass ihr Großvater Max Teilnehmer am Ersten Weltkrieg war und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war. Bürgermeister Dr. Marius Hahn wies in dem Gespräch auf die in der Stadt verlegten Stolpersteine hin, die an die Opfer der NS-Zeit erinnern. Der Stolperstein für Max Rosenthal befindet sich auf der Plötze.

In dem Gespräch im Limburger Stadtarchiv erklärte Toby Rosenthal, dass sie bereits zum vierten Mal in Deutschland ist und es für sich wichtig ist, aktive Erinnerungsarbeit zu leisten. Sie hatte Markus Streb auch ein Bild übergeben, das die Familie von Max, Johanna und Ernst Rosenthal 1938 vor der Limburger Synagoge zeigt. Das Bild hat inzwischen auch den Weg ins Stadtarchiv gefunden und befindet sich auch auf einer Präsentation zu Max Rosenthal, die aktuell Bestandteil einer Ausstellung im Priesterseminar zu einem Zeitzeugenprojekt ist.

Während Johanna und Ernst die Flucht in die USA gelang, wurde Max Rosenthal Opfer des Holocaust – dabei war er der Freiheit ganz nah. Nach der „Reichskristallnacht“ kam er in das KZ nach Buchenwald, wo er einige Wochen lang schwer misshandelt wurde. Monate nach seiner Entlassung bestieg er das Schiff „MS St. Louis“, um über Kuba in die USA zu seiner bereits geflüchteten Familie zu gelangen. Doch die Regierungen der beiden Staaten weigerten sich, die jüdischen Passagiere aufzunehmen. Schließlich landete Max Rosenthal in Frankreich. Nach der Eroberung durch das Deutsche Reich wurde er verhaftet und schließlich am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Kontakt:
Dr. Christoph Waldecker M.A., Dipl.-Archivar (FH)
– Leiter des Stadtarchivs –
Werner-Senger-Str. 10
65549 Limburg a. d. Lahn
Telefon 06431 203-368
Fax 06431 584 3947
christoph.waldecker@stadt.limburg.de

Quelle: Stadt Limburg, August 2018

Droste-Nachlass zieht ins Westfälische Literaturarchiv

Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) plant Digitalisierungs-, Forschungs- und Ausstellungsprojekte

Der umfangreiche Handschriftenbestand der Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848), den die berühmte Dichterin bei ihrem Tod in Meersburg (Bodensee) hinterließ, wird in Zukunft im Westfälischen Literaturarchiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster gelagert, erschlossen und weiter erforscht. Darauf verständigten sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Universität Münster und der LWL am 21.8.2018 bei der Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung im Haus Rüschhaus in Münster. Damit bleibt einer der wichtigsten literarischen Kulturschätze der Region mit seiner identitätsstiftenden Bedeutung dauerhaft in Westfalen.

Abb.: Freuen sich über den Umzug des Droste-Nachlasses ins Westfälische Literaturarchiv unter dem Porträt der Dichterin: (v.l.) Dr. Henning Dreyling (ULB Münster), Barbara Schneider-Kempf (Staatsbibliothek Berlin), Dr. Marcus Stumpf (LWL-Archivamt), Dr. Jochen Grywatsch (Droste-Forschungsstelle der LWL-Literaturkommission), Prof. Dr. Hermann Parzinger (Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Prof. Dr. Johannes Wessels (Uni Münster), LWL-Direktor Matthias Löb, LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Dr. Jörg Albrecht (Annette von Droste zu Hülshoff-Stiftung). (Foto: LWL/Tronquet)

Zu dem Bestand, der bisher in der Universitäts- und Landesbibliothek in Münster aufbewahrt wurde, zählen die Arbeitsmanuskripte und Reinschriften vieler der bekanntesten Gedichte der bedeutendsten Autorin der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. In Zukunft wird die Sammlung im Literaturarchiv des LWL untergebracht, einer seit 2001 bestehenden Einrichtung, die von den Fachleuten des LWL-Archivamts und der LWL-Literaturkommission betreut wird und bisher mehr als 60 literarische Vor- und Nachlässe aufgenommen hat.

Damit schärft der LWL sein Profil als Kristallisationspunkt der internationalen Droste-Hülshoff-Forschung, für den die LWL-Literaturkommission für Westfalen mit seiner Droste-Forschungsstelle, das Westfälische Literaturarchiv und schließlich die Droste-Stiftung auf Burg Hülshoff stehen. Mit dem Einzug des bedeutenden handschriftlichen Nachlasses der international geschätzten Dichterin ins Literaturarchiv kommt ein weiterer Eckpfeiler hinzu, der von der immensen LWL-Fachexpertise in Sachen Literatur, Archiv und Droste-Hülshoff profitiert. Von den besonderen Synergien, die diese Expertise bietet, sind die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Universität Münster vollends überzeugt, so dass sie den Umzug der Handschriften auf ganzer Linie befördert haben.

„Ich bin sehr glücklich über die Kooperation. Wir werden den Droste-Nachlass fachgerecht erschließen und digitalisieren, zwei weitere Schritte zur dauerhaften Bewahrung des Droste-Erbes“, sagt LWL-Direktor Matthias Löb. „Der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der die Sammlung nominell gehört, und der Universität Münster, die ihn bisher verwahrt hat, danken wir für die Bereitschaft zu dieser Vereinbarung, mit der die neuen Synergien möglich werden.“
„Ein großes Plus und der ausschlaggebende Faktor für die jetzt vereinbarte Kooperation ist die Bündelung der Fachexpertisen beim LWL, die archiv- und literaturfachliche Qualität verbürgen. Hinzu kommt, dass mit der Droste-Forschungsstelle bei der LWL-Literaturkommission ein Garant für die hohe wissenschaftliche Qualität vorhanden ist“, sagt die LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger.

Prof. Dr. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und Prof. Dr. Johannes Wessels, Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, weisen auf die Vorteile der Übereinkunft für alle Seiten hin. Das Vorhaben der Digitalisierung des Droste-Bestandes sei verbunden mit dem Projekt einer weiterführenden Verknüpfung des Handschriftenbestandes mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen über ein Internet-Portal, was der internationalen Droste-Forschung zugute komme werde. Aber nicht nur das: Die Durchführung von Seminaren für Germanistik-Studierende der Uni Münster sind ebenso damit möglich wie die didaktische Projektarbeit in Schulen oder die Präsentation von Handschriften-Exponaten im Center for Literature auf der Burg Hülshoff.

„Mit Blick auf die Bedeutung von Annette von Droste-Hülshoff für die gesamte Region sind wir als regional verankerte Universität sehr froh darüber, dass wir in Kooperation mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe den für die Forschung wichtigen Zugang zum Meersburger Nachlass gewährleisten können. Wir freuen uns auf eine enge Zusammenarbeit“, betont Prof. Dr. Johannes Wessels.
Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, zeigt sich sehr zufrieden: „Wie haben eine für alle Beteiligten vorteilhafte und zukunftsstarke Möglichkeit gefunden, die vielfältigen konventionellen und digitalen Möglichkeiten für Forschung und Kultur auszuschöpfen, um Leben und Werk der Droste zu popularisieren. LWL und Droste-Stiftung besitzen hierfür die infrastrukturellen, personellen und finanziellen Ressourcen.“

Hintergrund
Der „Meersburger Nachlass“ enthält Dokumente, die sich beim Tode der Annette von Droste-Hülshoff am 24. Mai 1848 in Meersburg befanden. Bis 1905 wurde der Nachlass von der Familie von Laßberg in Meersburg und anschließend bis 1967 von der Familie von Droste-Hülshoff in Haus Stapel bei Havixbeck verwahrt. 1967 wurde der Bestand unter der Federführung der Fritz-Thyssen-Stiftung für die öffentliche Hand erworben und für den symbolischen Kaufpreis von einer Mark an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben.

Die Schenkung war ein politischer Akt, um die Kulturbedeutung West-Berlins zu stärken. Das Konvolut sollte jedoch dauerhaft in Westfalen verwahrt bleiben. Der 1967 unterzeichnete Dauerleihvertrag mit der Westfälischen Wilhelms-Universität sicherte den Verbleib des Nachlasses in Münster. Er befand sich seitdem als Dauerleihgabe der Berliner Staatsbibliothek – Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster.

Kontakt:
Westfälisches Literaturarchiv
LWL-Archivamt für Westfalen
Jahnstr. 26
48147 Münster
Tel.: 0251/591-3890
Fax: 0251/591-269
LWL-Archivamt@lwl.org
www.lwl-archivamt.de

Quelle: LWL, Pressemitteilung, 21.8.2018

Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 3/2018

Unter dem Titel „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ informiert das Stadtarchiv Gera vierteljährlich über aktuelle Herausforderungen und historische Themen rund um eigene Arbeit.

Der dritte Informationsbrief des Stadtarchivs Gera im Jahr 2018 informiert u.a. über den Namenspatron der von Wiese-Stiftung, Dr. Georg Walter Vincent von Wiese (1769-1824), und dessen testamentarisch festgelegtes Stiftungskonzept.

Darüber hinaus gehen die aktuellen „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ 3/2018 auf eines der ältesten Volksfeste Thüringens ein – das in Gera ab dem Jahr 1724 begangene „Vogelschießen“. Eine kuriose Begebenheit ereignete sich im Jahr 1873, als der „Schah von Persien“ diese Geraer Feierlichkeit besuchte.

Abb.: von links nach rechts: Restaurateur Hermann Jahn (auch „Vater Jahn“ genannt), Konditor und später Restaurateur Hermann Hammer als der „Schah von Persien“, Kürschner und später ebenfalls Restaurateur Bernhard Hauser am 25. Juli 1873 (Photographie Carl Falke, Stadtarchiv Gera, Materialsammlung Nr. 279)

Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ausschweifend das Vogelschießen in Gera und Umgebung in den Monaten Juni bis August begangen wurde, werden – exemplarisch für den Jahrgang 1856 – die einzelnen Feste in Gera und den umliegenden Orten ermittelt.

Schließlich berichtet ein letzter Beitrag des Informationsbriefes über die Erschließungsarbeiten am Nachlass des ehemaligen Geraer Oberbürgermeisters Horst Pohl (1923-2013), der von 1962 bis 1988 amtierte.

Kontakt:
Stadtarchiv Gera
Gagarinstraße 99/101
07545 Gera
Tel. 0365/838-2140 bis 2143
stadtarchiv@gera.de
www.gera.de/stadtarchiv

Umzug des Kreisarchivs Gütersloh steht bevor

Seit elf Jahren befindet sich das Archiv des Kreises Gütersloh im ‚Haus des Bauern‘ an der Bielefelder Straße in Wiedenbrück. Der Umzug und Zusammenschluss mit dem Stadtarchiv Gütersloh steht kurz bevor. Am 17.11.2018 soll das neue Stadt- und Kreisarchiv in der Moltkestraße offiziell eröffnet werden. Das historische Gebäude in Wiedenbrück wurde hingegen unlängst von der Caritas erworben.

Abb.: Die ersten Umzugskartons stehen bereits zwischen den Regalen des Magazins im ersten Obergeschoss. (Foto: Kreis Gütersloh).

Für das Kreisarchiv ist der bevorstehende Umzug bereits der dritte in seiner Geschichte. Seit 1984 verfügt der Kreis Gütersloh über ein eigenes, hauptamtlich geleitetes Archiv, das zuerst 1997 auf den ‚Reckenberg‘ in das Kreishaus im Ortsteil Wiedenbrück einzog. 2007 folgte der nächste Umzug in das denkmalgeschützte ‚Haus des Bauern‘, ebenfalls in Wiedenbrück. Ursprünglich wurde das Gebäude 1937 als landwirtschaftliche Schule errichtet. Im September dieses Jahres schließt sich der dritte Umzug des Archivs an. Zusammen mit dem Archiv der Stadt geht es in das ehemalige Gebäude der Regenbogenschule in Gütersloh: „Einen solchen Umbau hätte jedes Archiv für sich selber nicht bekommen“, berichtet Kreisarchivar Ralf Othengrafen. Ein weiterer Vorteil der Zusammenlegung ist sicherlich auch die personelle Aufstellung der beiden Archive. Bei Projekten kann zukünftig zusammengearbeitet werden.

Der Umzug hat aber noch mehr Vorteile: Die bisherigen räumlichen und klimatischen Bedingungen im ‚Haus des Bauern‘ sind für die Archivalien und die Archivarbeit nicht gut geeignet. Genutzt werden mehrere Kellerräume und das erste Obergeschoss des Hauses zur Unterbringung der Magazine. Aber auch im Keller des Kreishauses in Wiedenbrück lagern aus Platzmangel weitere Archivalien. Daher müssen regelmäßig Transporte der Dokumente stattfinden. Das ist logistisch aufwendig. Es ist also beengt und typisch für ein altes Bauernhaus schlecht isoliert: „Archivalien sollten bei einer konstanten Temperatur um die 16 Grad und bei 50 Prozent Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden“, erklärt der Archivar. Im Keller gibt es Probleme mit der Feuchtigkeit und der Brandschutz ist nicht optimal, wie alleine das Knarzen der Holzdielen verrät. Diese Probleme werde es im neuen, nach modernem Standard ausgebauten Archiv nicht geben, berichtet Othengrafen.

Das Kreisarchiv im ‚Haus des Bauern‘ ist noch den gesamten August über geöffnet. Solange können Besucher den Leseraum nutzen und recherchieren. Es kann allerdings wegen Umzugsvorbereitungen zu Einschränkungen kommen. Vom 3. September bis zur offiziellen Eröffnung am 17. November 2018 bleibt das Archiv komplett geschlossen.

Kontakt:
Kreisarchiv Gütersloh
Bielefelder Straße 47
33378 Rheda-Wiedenbrück
Telefon: 05241 – 85 2003
Fax: 05241 – 85 32003
kreisarchiv@gt-net.de

Quelle: Kreis Gütersloh, Pressemitteilung, 7.8.2018

Die Mangelwirtschaft gegen Kriegsende – Aschaffenburger Schlaglicht August 1918

Seit dem hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs werden im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg monatlich wechselnde „Schlaglichter“ in Form einer kleinen Präsentation gezeigt. Ausgewählte Dokumente, Fotografien und Objekte, zumeist aus den Beständen des Archivs (und ab und an auch in Kooperation mit regionalen Sammlern und Heimatforschern) werden über einen Zeitraum von jeweils vier Wochen gezeigt. Die jeweiligen Präsentationstexte sowie ausgewählte Bilder werden seit dem August 2014 über die Homepage des Archivs dokumentiert (Rückblick).

Das aktuelle Schlaglicht thematisiert die Mangelwirtschaft 1918:

Ende Juli veröffentlichte die Aschaffenburger Zeitung eine Proklamation König Ludwigs, mit der er sich für die Treue und Opferfreudigkeit beim bayerischen „Heer und Volk“ bedankte. Am 1. August 1918 dankte auch Kaiser Wilhelm II. dem „deutschen Volk und Heer“ und rief – angesichts der feindlichen Übermacht im Westen – zum „unerschütterlichen Siegeswillen“ auf.

Diese Aufrufe konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage nicht nur an den Fronten immer prekärer wurde: Die Mangelwirtschaft schränkte das Alltagsleben der Zivilbevölkerung weiter ein. Im August 1918 wurden die drei Jahre zuvor eingeführten „fleischlosen Tage“ zu „fleischlose Wochen“, Schuhe waren kaum noch zu bekommen, in vielen Bereichen war man auf die Erzeugung und Verwendung von Ersatzstoffen angewiesen. Statt Fleisch wurden über das bestehende Bezugsscheinsystem größere Wochenrationen an Mehl oder Kartoffeln ausgegeben.

Einen interessanten Einblick gewährt das städtische Schriftgut, das im Archiv verwahrt wird: Die Forderung der Reichsbekleidungsstelle nach einer Abgabe von 500 Anzügen „für die Bekleidung der Heimarmee“ – darunter fielen nicht nur die Arbeiter der Rüstungsarmee, sondern auch für die in der Landwirtschaft, bei der Eisenbahn oder im Bergbau Beschäftigten – konnte in Aschaffenburg nicht erfüllt werden. Zum einen war der Aufwand, den der mit der Sammlung betraute Schuhmacher Rosner dafür betreiben musste, unverhältnismäßig groß, und zum andern fiel es, wie dies in einer Sitzung des Stadtmagistrats vorgetragen wurde, der Bevölkerung schwer die eventuell noch vorhandene Herrenoberbekleidung zu spenden, „weil die meisten Familien mit Kindern ihre alten Kleidungsstücke wieder für ihre Kinder verwenden.“

Kontakt:
Stadt- und Stiftsarchiv
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Telefon: 06021 45 61 05 0
Telefax: 06021 / 2 95 40
stadtarchiv@aschaffenburg.de
www.archiv-aschaffenburg.de

Stadtarchiv Worms übernimmt Nachlass der Politikerin Marie-Elisabeth Klee

Die im Februar im Alter von 96 Jahren verstorbene CDU-Politikerin Marie-Elisabeth Klee hinterlässt der Stadt Worms einen Teil ihres Nachlasses.

Marie-Elisabeth Klee, geb. Freiin von Heyl zu Herrnsheim (13.1.1922-11.2.2018) war von 1961 bis 1972 Mitglied des Deutschen Bundestages. Die Tochter des hessischen Landtagsabgeordneten Ludwig von Heyl zu Herrnsheim und Enkelin des Wormser Fabrikanten Cornelius Wilhelm von Heyl zu Herrnsheim arbeitete bald nach dem Abitur (1940) bis Kriegsende bei der Archivkommission des Auswärtigen Amtes, ab 1944 als Assistentin. 1945 heiratete sie den Diplomaten Eugen Klee und verbrachte mehrere Jahre in Lateinamerika.

Abb.: Marie-Elisabeth Klee im Bundestagswahlkampf 1961 (Foto: Stadtarchiv Worms, Fotoabteilung)

Früh verwitwet trat Marie-Elisabeth Klee 1958 in die CDU ein und betätigte sich in deren Frauenvereinigung. Seit 1964 war sie Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstandes der CDU Rheinland-Pfalz. Zu den Bundestagswahlen 1961, 1965 und 1969 zog sie über die Landesliste der CDU in den Deutschen Bundestag ein, dem sie bis 1972 angehörte. Von 1965 bis 1973 war sie Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und der Westeuropäischen Union (WEU). Von 1973 bis 1978 leitete Marie-Elisabeth Klee das Auslandsreferat im Kultusministerium des Landes Rheinland-Pfalz. Von 1986 bis 1993 war sie Vorstandsvorsitzende des Deutschen Komitees der UNICEF.

Sie verstarb 2018 hochbetagt auf dem alten Familienbesitz Nonnenhof in Bobenheim-Roxheim. Marie-Elisabeth Klee hatte testamentarisch verfügt, dass ihr schriftlicher und fotografischer Nachlass der Stadt Worms geschenkt werden soll. Bereits zu Lebzeiten hatte die hochgeschätzte Wormserin dem Stadtarchiv Worms Unterlagen aus privatem Besitz übergeben, die bereits verzeichnet und nutzbar sind.

Vor kurzem konnten nun insgesamt ca. 15 laufende Meter Archivboxen – gefüllt mit Briefwechseln, Papieren, Manuskripten, privaten Aufzeichnungen, Fotografien bzw. Fotoalben sowie weiteren Unterlagen aus der Zeit seit den 1930er Jahren bis zu ihrem Ableben – vom Nonnenhof in das Wormser Archiv verbracht werden. Sie harren dort der demnächst anstehenden archivarischen Erschließung und Verzeichnung.

Bereits jetzt lässt sich sagen, dass die Unterlagen von großer Bedeutung weit über Worms hinaus sind: Dies gilt für Fragen der Geschichte der Industriellenfamilie von Heyl, für biographische Wegmarken und Lebensstationen von Marie-Elisabeth Klee, ihren 1956 verstorbenen Ehemann sowie für Aspekte ihres bemerkenswerten politischen und intensiven gesellschaftlichen Engagements im In- und Ausland bis ins hohe Alter.

Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Raschi-Haus
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
stadtarchiv@worms.de
www.worms.de/de/kultur/stadtarchiv/

Quelle: Stadt Worms, Pressemitteilung, 25.7.2018; Wikipedia-Artikel Marie-Elisabeth Klee, 20.2.2018

Neues Archivgesetz für Thüringen

Künftig leichter Zugang zu öffentlichem Archivgut

Das Ende Juni 2018 vom Thüringischen Landtag beschlossene neue Archivgesetz ist jetzt im Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen veröffentlicht worden. Bisher mussten Bürger ein „berechtigtes Interesse“ begründen. In der Gesetzesnovelle wurde diese Regelung nun durch ein „Jedermannsrecht“ ersetzt.

Mit dem neuen „Thüringer Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut (Thüringer Archivgesetz -ThürArchivG-)“ will die Landesregierung auch die Grundlage für die Archivierung elektronischer Unterlagen schaffen. Das Landesarchiv soll dafür künftig ein „Digitales Magazin“ des Freistaats unterhalten.

LinkGesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen, Nr. 8, 26. Juli 2018, S. 308-314

QuelleinSüdthüringen.de, 21.6.2018; VdA-Blog, 26.7.2018

Amerikanische Familienforschung im östlichen Enzkreis

Unterstützung aus dem Kreisarchiv des Enzkreises

Sein Name ist Diefenbach. John Diefenbach. Und seine Vorfahren stammen aus Illingen, Mönsheim und Friolzheim. „Gemeinsam mit seiner Frau Terry kam John in den vergangenen Jahren mehrfach zu uns“, erzählt Konstantin Huber, Leiter des Kreisarchivs des Enzkreises: „Er ist nicht nur an seiner eigenen Familie interessiert, sondern forscht auch über Lebensumstände und wirtschaftliche Grundlagen in Württemberg in früheren Jahrhunderten.“

Abb.: Fast jährlich zu Gast im Kreisarchiv bei Konstantin Huber (links) ist John Diefenbach, der über seine Vorfahren und das Leben im deutschen Südwesten in früheren Jahrhunderten forscht – und dabei auch viel über amerikanische Geschichte lernt. (Foto: Terry Diefenbach)

Diefenbach selbst sagt, er verstehe dadurch heute viel besser, warum Menschen auswanderten und welchen Einfluss die Emigration auf ihr Leben in Amerika hatte. Als Beispiel nennt er die Realteilung im deutschen Südwesten: „Karten aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeigen die Auswirkungen der endlosen Unterteilung von Land und geben eine Vorstellung von den katastrophalen Auswirkungen auf die Effizienz der Landwirtschaft zu der Zeit.“ Der Amerikaner sieht darin einen der Gründe für die Auswanderung seiner Vorfahren: „Mein Ur-Ur-Ur-Großvater besaß und bewirtschaftete in Mönsheim 79 einzelne Flurstücke mit einer Gesamtfläche von 13 Hektar. Als er in New York ankam, konnte er 101 Hektar auf zwei benachbarten Grundstücken kaufen!“

Diefenbachs direkte Vorfahren wanderten 1829 aus Ditzingen und Illingen aus. Sie kamen kurz nach der Fertigstellung des Erie-Kanals im Norden des Staates New York in Amerika an, reisten auf dem Kanal nach Westen, und als die Eisenbahn nach 1850 neue Möglichkeiten eröffnete, zogen sie weiter nach Chicago.

Erste Diefenbachs wanderten 1751 nach Amerika aus
Ein Teil der Familie war jedoch bereits Anfang des 19. Jahrhunderts emigriert – das belegt ein Paket Briefe, das der Forscher im Mönsheimer Archiv fand: Die „Cousins“, wie Diefenbach sie nennt, waren mit Anwälten und Verwaltern in Deutschland in Kontakt geblieben und suchten ihren Teil des Erbes, das ihr Vater hinterlassen hatte. Die offenbar früheste Gruppe wanderte bereits ​​1751 nach Amerika aus, also noch vor der Unabhängigkeitserklärung. Sie ließen sich in der Kolonie Pennsylvania nieder – wo die Nachkommen dieses Familienzweiges noch immer leben.

„Herr Huber und seine Mitarbeiter waren eine hervorragende Informationsquelle“, betont John Diefenbach. Besonders lobt er die Arbeit von Heike Sartorius, die das Archiv im Rathaus von Mönsheim inventarisierte und ihn auf für ihn relevante Dokumente aufmerksam gemacht habe. „Wir hatten das Glück, dass eines der großen Archive in Stuttgart uns 2012 nach Pforzheim schickte“, so Diefenbach – seitdem sei er fast jedes Jahr auf Forschungsreise in Deutschland und besuche dann immer das Archiv im Landratsamt.

„Ironischerweise hat meine Forschung in Deutschland mein Verständnis der amerikanischen Geschichte erheblich erweitert“, sagt John Diefenbach – und das, obwohl er selbst kein Deutsch spricht. Er habe sich ganz auf die Archivmitarbeiter verlassen – und die Deutschkenntnisse seiner Frau: „Terry ist chinesischer Abstammung und wuchs in Indonesien in der holländischen Kultur auf. Sie lernte als Kind Deutsch und hörte die Geschichten ihres Nachbarn, eines Veteranen der deutschen Gesandtschaft in Tsingtau 1914.“ Mit anderen Worten, so Diefenbach mit einem Augenzwinkern, helfe eine Asiatin ihm, dem Mann mit dem deutschen Namen und dem deutschen Aussehen, den Weg seiner deutschen Vorfahren zu verfolgen.

Kontakt:
Enzkreis – Kreisarchiv und Kultur
Zähringerallee 3
75177 Pforzheim
Tel. 07231 308-9423
kreisarchiv@enzkreis.de

Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung 191/2018, 23.7.2018

Findbuch zum Nachlass von Landrat a. D. Hugo Geisert

Zahlreiche Unterlagen hatten die Kinder des ehemaligen Landrats des Landkreises Buchen und ersten Landrates des Neckar-Odenwald-Kreises, Hugo Geisert, dem Kreisarchiv des Neckar-Odenwald-Kreises überlassen. Gesichtet und systematisch erschlossen wurde der Nachlass zwischenzeitlich von Kreisarchivar Alexander Rantasa, wobei er den schnellen Zugang zu den Dokumenten über ein detailliertes Findbuch sichergestellt hat. Dieses Buch wurde nun im Rahmen einer offiziellen Übergabe, passenderweise im Hugo-Geisert-Saal in Buchen, von Landrat Dr. Achim Brötel stellvertretend an die Tochter Geiserts, Almuth Döhling, und ihren Mann übergeben.

Abb.: v.l.n.r.: Ehepaar Döhling, Landrat Dr. Achim Brötel und Kreisarchivar Alexander Rantasa (Foto: Neckar-Odenwald-Kreis)

„Für uns ist das ein Bestand von unschätzbarem Wert. Der zeitgeschichtlichen Forschung steht damit ein weiteres wichtiges Instrument zur Verfügung. Dafür sage ich noch einmal herzlichen Dank“, betonte der Landrat. Auch Rantasa unterstrich den Wert des Archivbestandes, der einen Umfang von zwei laufenden Metern hat. Er umfasst vor allem persönliche Dokumente, Korrespondenzen, Fotos und Fotoalben, Zeitungsausschnitte und eine ganze Reihe von Urkunden, Orden und Auszeichnungen des Altlandrats. Die Unterlagen können im Rahmen der Archivordnung des Kreises während der Öffnungszeiten (Di 9-12 Uhr, Do 14-17 Uhr und nach Vereinbarung) genutzt werden.

Döhling freute sich im Namen der Familie über das Buch. Es sei gut zu wissen, dass der Nachlass damit nun professionell aufgearbeitet ist.

Kontakt:
Kreisarchiv Neckar-Odenwald-Kreis
Renzstr. 12
74821 Mosbach
Tel. 06261/84-1102
kreisarchiv@neckar-odenwald-kreis.de

Quelle: Neckar-Odenwald-Kreis, Meldung, 18.7.2018

Digitaler Vollzugang zu den Beständen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs?

„Wäre eine sogenannte Volltextsuche für nicht mehr geschützte Dokumente im Landesarchiv Brandenburg für jeden Interessierten einrichtbar?“ In einer Kleinen Anfrage an die brandenburgische Landesregierung hat sich der fraktionslose Abgeordnete Péter Vida am 18. Juni 2018 nach einem „digitalen Vollzugang“ zu den Beständen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs erkundigt. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg beantwortete die Fragen anhand einiger Hintergründe und Zahlen des Landeshauptarchivs (PDF).

Abb.: Blick in das Magazin des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Potsdam (Foto: Frank Wiegand)

Alles von zu Hause aus?
„Im heutigen Zeitalter der Digitalisierung muss der Interessierte sich auch nicht mehr ins Landesarchiv begeben, sondern könnte das bequem vom Computer aus erledigen“, so die Annahme des Fragestellers. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, wie Angaben des Landeshauptarchivs zeigen. Rund 50.000 laufende Meter Akten müssten dafür gescannt, langfristig gespeichert und mit Erschließungsdaten online zugänglich gemacht werden.

Am Ziel wären die Nutzer damit jedoch noch nicht. Als Voraussetzung für die Volltextsuche in Dokumenten muss die automatisierte Texterkennung Handschriften lesen lernen. Denn beim Archivgut des Landeshauptarchivs handelt es sich überwiegend um handschriftliche Quellen mit unterschiedlichen historischen Schriftformen. Über die Online-Recherche des Archivs zugänglich und mit einer Volltextsuche nutzbar sind derzeit jedoch schon Aktentitel und weiterführende Inhaltsangaben eines Großteils der Bestände.

Auswahl zu digitalisierender Bestände am Nutzerinteresse orientiert
Um den Zugang zu den Akten, Urkunden, Karten und Plänen zu erleichtern, digitalisiert das Landeshauptarchiv ausgewählte Teile seiner Bestände mit dem Ziel, diese mittelfristig online zu stellen. Ein wichtiger Aspekt bei der Entscheidung, welche Archivalien digitalisiert werden, ist das Nutzerinteresse. Derzeit werden beispielsweise inhaltsreiche Aktengruppen über die NS-Verfolgung digitalisiert, ein Kooperationsprojekt mit dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington.

In einem seit Anfang 2018 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt wird das Landeshauptarchiv häufig genutzte Teilbestände zur brandenburgischen Landesgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Rep. 2A Regierung Potsdam – Abteilung I Präsidialabteilung) digitalisieren und bereitstellen. Das Projekt umfasst rund 350 laufende Meter Akten – das sind mit 5,6 Millionen Aktenseiten etwa 0,7 Prozent des gesamten Archivguts im Landeshauptarchiv.

Link: Antwort der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, online veröffentlicht am 17. Juli 2018.

Quelle: BLHA, 19.7.2018